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Bühnenstück Der Künstler Gravič - Lesedrama

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04.04.2021
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Der Künstler Gravič - Lesedrama

N. W.
Der Künstler Gravič
Eine Tragödie in drei Akten

»Wie verwahrt sich aber der Künstler vor den Verderbnissen seiner Zeit, die ihn von allen Seiten umfangen? Wenn er ihr Urteil verachtet. Er blicke aufwärts nach seiner Würde und dem Gesetz, nicht niederwärts nach dem Glück und nach dem Bedürfnis.«
Friedrich Schiller, neunter Brief der ästhetischen Briefe, 1795.


Personen

Michael Gravič Künstler
Diana Dressler Studentin
Hausherr
Hausherrin Louise
Wanderin eins
Wanderin zwei


Erster Auftritt
Gravič, wandernd, später Wanderinnen.

Gravič. Vor sich hin. Diese teuflischen Steine, welch ein fürchterlicher Weg, dabei war dieser die letzten Tage der Wanderung beinahe tadellos. Ich brauche dringend Rast, die Hitze drückt mich arg. Setzt sich auf einen nahen Stein.
Sein blick zieht sich auf die Weiten der Berge, auf die ihm gegenüberliegenden Bergspitzen und den kühlen Wind. Ihm gefallen die Berge, er verliert sich stets in ihnen und ist dann ganz froh, nicht nachdenken zu müssen.
Nun sitze ich hier und fliehe erneut, fliehe erneut von meinen ganzen hässlichen Problemen der heimatlichen Welt. Lass mich jetzt nicht denken – toller Verstand, mir graust es.
Pause.
Ich bin aber hier ... Wahrhaftig hier in den Bergen und lasse mich selbst in Ruhe, genieße die Aussicht und kenne keinen Menschen. Da ist meine Seele beruhigt. Es ist ganz gut so, denn selbst meine Gedankenwelt hat sich nun beständig beruhigt.
Pause.
Es ist doch leider nur eine Ausnahme, ein gewalttätiger Eingriff, der mich zur gedanklichen Ruhe zwingt! Manchmal bin ich der Verzweiflung nahe, und dabei frage ich mich, ob ich überhaupt noch weiterkann. Kaum denke ich wieder, denke ich an die Menschen, die mich in der Heimat empfangen werden, die Erwartungen haben, die gierig nach Leistung und Resultate trachten. Ach, das ist das Schlimmste daran.
Pause.
Aber nein, nicht mehr gehe ich dahin zurück, ich verzweifle sonst ganz verhängnisvoll. Mein Leben, was ist daraus nur geworden? Fassend. Heute bin ich hier!
Packt Proviant aus seinem Rucksack, isst und schreibt eine kleine Notiz in sein Tagebuch. Packt alles wieder zurück und setzt seinen Weg fort.
Wenn mir jetzt ein Mensch entgegenkäme, ich wäre ihm in einer langweiligen Konversation hilflos ausgeliefert. Hört Schritte, dann Gelächter von zwei Damen, immer näher auf ihn zukommen. Ich wusst’ es doch, was für eine Welt! Er bleibt stehen, die Damen kommen näher. Guten Tag die Damen!
Wanderinnen. Beide zugleich. Schönen guten Tag der Herr!
Wanderin eins. Sie sind auf dem Weg zur Hütte nicht?
Gravič. Ja, gewiss bin ich's, ich schlaf wohl nicht auf dem Gestein hier draußen! Gleichgültig. Heute ist aber auch so wunderbares Wetter – einfach toll! Sagen sie, ist die Hütte angenehm?
Wanderin eins. Gewiss ist sie's – ja sehr gut sogar! Der Hausherr ist ein wahrer Schatz, ihm liegt viel an jedem Gast, der ihn besucht.
Wanderin zwei. Schnell. Jedoch seine Frau, die Hausherrin, unausstehlich, eigennützig und böse zu uns Frauen, zu den Männern jedoch ein wahrer Engel ... Aber das macht nichts aus, es war blöder Zufall, im schlimmsten Fall! Im Ganzen jedoch sehr zu empfehlen mein Herr!
Wanderin eins. Verlegen. Reisen sie allein?
Gravič. Ja, denn wissen sie, ich habe viel Schlechtes in meiner Heimat und allein lässt es sich – zumindest mir – hier besser aushalten ... Heißt es im Umkehrschluss bei ihnen beiden nur gemeinsam?
Wanderin eins. Gewiss, zu zweien ist es immer ganz fein, wir haben jedoch auch Zeiten, da sind wir ganz glücklich allein.
Gravič. Ach, ich wünschte, ich hätte jemanden bei mir, von dem ich gleiches behaupten könnte, aber weit gefehlt, Himmel, ich bin einfach ein sonderlicher Charakter ohne langes Interesse.
Wanderin zwei. Mein Herr, äußerlich steht es nicht schlecht um sie!
Wanderin eins. Zur Zweiten. Sei doch still du Gans, was soll die Aussage!
Gravič. Ich weiß darum ganz gut bescheid, werte Dame, ja, das Aussehen gäbe mir vielleicht gute Chancen, jedoch wollen wir nicht alles so oberflächlich zu betrachten wissen, ja?
Pause.
Ich bin nicht gerade gesellig oder wirklich lange von Interesse sowie mein eigenes Interesse, wie schon erwähnt, ebenfalls nicht lange währt. Ich bin Künstler, wissen sie, und das bin ich zu jeder Zeit, eine ganze Lebenszeit.
Wanderin eins. Sie haben sehr recht damit, jawohl! Schauen sie, über solche Themen wissen wir nicht viel, da müssen sie uns entschuldigen. Wir genießen und arbeiten stets für unseren Genuss, bis wir dann im glückseligen Rentenalter sind, dann öffnen sich für uns unendlich viele Möglichkeiten. Noch eine Frage: Sind sie deutscher?
Wanderin zwei. Zur Ersten. Ja, natürlich ist er's, man hörts doch schon, wie gut er spricht! Äußerlich aber sieht er mir slawisch aus, ein hübscher Slawe wohlgemerkt.
Gravič. Verlegen. Ja, die Damen, ich komme aus Deutschland. Zur Ersten. Ich muss gestehen, ich widerspreche ihrer Ansicht vehement und rate auch niemanden, beim besten Willen nach diesen Prinzipien das eigene Leben zu führen. Glauben sie mir, sie werfen damit ihr Lebenspotenzial zum Fenster hinaus!
Wanderin zwei. Nun ja, jeder darf natürlich seine eigenen Ansichten und Prinzipien pflegen, aber die eigenen aufzuzwingen ist nicht schön, mein lieber Herr – nein ganz und gar nicht schön!
Wanderin eins. Jawohl, sie sagt's!
Gravič. Vor sich hin. Ach, es ist alles wieder so einfältig. Schnell. Schauen sie doch auf die Uhr, herrje, ich halte sie beiden ja schon viel zu lange auf! Wie eigennützig, ich habe es ja nur noch kurz, bis sich mir die Hütte zeigt, ihnen hingegen steht ein längerer Weg bevor. Ich halte sie nicht länger auf; keinesfalls! Eilig. Es war mir eine recht schöne Freude, ihnen beiden zu begegnen, jetzt aber leben sie wohl und haben sie eine gute Reise! Nickt beiden schmeichelnd zu. Geht ab, den Wanderweg in Richtung der Hütte.
Wanderin eins. Sonderbar meine liebe!
Wanderin zwei. Höflich war er ja, aber ganz und gar sonderbar! Beide Wanderinnen gehen ab.


Zweiter Auftritt
Ein Fräulein in Richtung der Hütte laufend, die Vorigen.

Wanderin eins. Zur Zweiten. Da kommt eine Wanderin hergelaufen, aber wir sollten uns jetzt kurz angebunden halten, der Herr hatte in dieser Sache recht, wir haben noch eine längere Strecke vor uns.
Wanderin zwei. Ja, du hast recht Liebes. Ach, sieh dir dieses Fräulein an, so fokussiert und zielstrebig am Laufen – eine ganz prächtige Dame!
Wanderin eins. Argwöhnisch. Ich sehe – sie gefällt dir …
Wanderin zwei. Nein, weder sagte ich es noch wollte ich es damit ausdrücken. Du hast deine Eifersucht nur fortwährend nicht unter Kontrolle, selbst bei der Hausherrin nicht Liebes – so ist es!
Wanderin eins. Du spinnst es dir auch endlos aus, völlig abseits der Realität sage ich dir Liebes ... Ich liebe ja nur dich und deswegen ist es mir so ein großes Problem – verstehe das doch!
Wanderin zwei. Ja, die Liebe wieder einmal. Die entschuldigt aber nicht alles – dieses Mal aber schon! Küsst sie.
Fräulein. Steht nunmehr vor den Wanderinnen ganz aus dem Fokus gerissen. Entschuldigen sie vielmals, ich war ganz und gar beschäftigt mit dem Wandern – passiert ist ja glücklicherweise nichts!
Wanderin zwei. Verlegen. Uns ist alles bestens, es ist ja auch nichts passiert, ihre Sinne trübten sie ja ebenfalls nicht.
Wanderin eins. Sie sagt's wohl recht! Gehen sie des Öfteren in die Berge, denn es sieht so aus, als wären sie darin äußerst gut? Verlegen. Ich frage sie das, verzeihen sie's mir, weil ich neidisch auf sie bin.
Wanderin zwei. Geübt sehen sie mir auch aus!
Fräulein. Verlegen. Ja, ich gehe oft in die Berge, ich wandre aber auch ansonsten äußerst viel und eigentlich schon mein ganzes Leben lang. Ich muss auch bemerken, dass es mir niemals zuwider wird, ich liebe das Laufen einfach zu sehr, um es sein lassen zu können.
Wanderin eins. Wir beide sind nicht so erfahren, wie sie es sind, bei Weitem nicht! Gegen sie sind wir blutige Anfängerinnen, da genieren wir uns fatal.
Wanderin zwei. Zur Ersten. Nun sei nicht so vorlaut! Wir machen's jetzt schon im zweiten Jahr! Wir sind wohl keine Profis, aber sicherlich auch keine Anfänger mehr Liebes, aber das Runtermachen ist ja unerträglich! Zum Fräulein. Entschuldigen sie gute Dame, ich bin manchmal allzu feurig in meinen Reden.
Fräulein. Leise. Nehmen sie beide es mir nicht übel, aber streiten sie oft? Und ich nehme an, dass sie ein Paar sind, da liege ich wohl nicht falsch – nicht?
Wanderin eins. Stolz. Mehr als drei Jahre schon, und bald wollen wir auch heiraten. Zur Zweiten. Nicht Liebste?
Wanderin zwei. Ja, das haben wir bisweilen noch in Planung, überstürze nichts Liebes! Zum Fräulein. Streiten ist doch die Natur selbst, meine Dame, da können wir Menschen wenig machen.
Fräulein. Ja, da ist was dran, auch wenn ich selbst nicht viel davon halten mag. Ich lasse nie etwas unbegründet und halte mich stets ehrgeizig bis zum Schluss – darum geht es hier jetzt nicht.
Wanderin eins. Jetzt muss ich aber meine Partnerin und mich entschuldigen! Wissen sie, wir wurden bereits kurz vor ihnen schon einmal durch ein Gespräch aufgehalten ...
Wanderin zwei. Fällt ihr ins Wort. Das Gespräch war erfreulich doch nicht von langer Dauer ... Das Gespräch mit ihnen hingegen war uns eine herrliche Freude! Bitte entschuldigen sie, wir müssen jetzt aber dringend weiter, wir haben ja noch einiges vor uns – sie dagegen, und das sage ich mit voller Freude, haben nur noch wenig vor sich ... Die Hütte kommt ja in einigen Minuten bereits!
Wanderin eins. Leben sie wohl! Ich wünsche eine weiterhin gute Reise!
Wanderin zwei. Also, dann leben sie wohl, schönes Fräulein, mir war es eine große Freude! Schließt sie hastig in ihre Arme.
Fräulein. Verlegen. Herzlichen Dank! Reisen sie beide gut und leben sie wohl! Wanderinnen gehen ab. Ein wirklich sonderbares Paar. Sie geht ab in die andere Richtung.
Die Wanderinnen hinter der Szene.
Wanderin eins. Du dumme Gans! Machst du's mit Absicht – zürnst du mir?
Wanderin zwei. Habe dich nicht so liebes, es war ja rein gar nichts mit dem Fräulein ... Jawohl – rein gar nichts!
Wanderin eins. Liebe sagt sie, pfui – was ist deine Liebe schon für mich!


Dritter Auftritt
Gravič, vor der Rasthütte im Außenbereich auf einer Bank sitzend, später mit einem Fräulein.

Gravič. Vor sich hin. So, da ist also nun die Rasthütte in ganzer Pracht vor mir, ein wunderbarer Ort wohl angemerkt - Ja, wirklich ganz fein … Ich gehe noch nicht rein – was will ich da jetzt schon? Die Sonne strahlt mich ganz genial an, da erwärmt sich mir alles … Man sollte doch im Allgemeinen denken, es erwärmt nicht nur, sondern beeinflusst auch die Empfindungen maßgebend … Soll solch ein Sonnenschein nicht Wohlbefinden im Menschen erregen? Ich allein verspüre rein nichts von alledem – rein gar nichts … Es ist beinahe so, als läge über mir etwas imposant Negatives, das meinen Geist verdunkelt … Wieder ist mir so melancholisch zumute, Himmel, das ist schlimm! Diese bedrückende Gesinnung verfolgt mich ja fast schon auf Schritt und Tritt …
Pause.
Sonst liebe ich doch das Denken in der Stille – genau wie hier … Könnte es die stille Einsamkeit selbst sein? – Unsinn!
Pause.
Jetzt erinnere ich mich gerade aber wieder an etwas, was mir vor einiger Zeit entschwunden war … Ich bilde mir ein, einen Vorteil gegenüber anderen Menschen zu haben, begründet auf Gedanken, die mir in der Einsamkeit kommen … Allein so ist es nicht – ich meine, welcher Vorteil könnte daraus denn schon entspringen … Kein nennenswerter, sage ich … Ich bin ein Narr.
Pause.
Aber diese Stille hier, so unbeschreiblich grausam still und doch fürchterlich laut im Schädel selbst – wie wird mir! Schritte tönen auf. Wie? Da kommt jemand! Da hast du unglückseliger Kerl einmal gutes Glück!
Fräulein. Guten Abend der Herr!
Gravič. Wunderschönen guten Abend, junges Fräulein!
Fräulein. Ich darf mich setzen – ja? Setzt sich ihm gegenüber auf die Bank.
Gravič. Sehr gerne! Verlegen. Mit wem habe ich denn die Freude?
Fräulein. Diana – Diana Dressler, um es genau zu sagen.
Gravič. Es ist mir eine Freude Diana! Außerdem, ein wirklich hübschen Name haben sie, er passt gänzlich zu ihrem Antlitz! Ich heiße übrigens Gravič – Michael Gravič.
Diana. Errötet. Sehr erfreut Herr Gravič!
Gravič. Ich würde raten, sie bleiben heute Nacht als Gast hier im Haus? Sie sind wohl keine Nachtwanderin wie? Vor sich hin. Nun – wieso sollte sie's nicht sein …
Diana. Ich wandere schon mein Leben lang, aber auf diesen Bergen in der Nacht zu wandern, kommt selbst für mich nicht infrage! Ich plane gegen Mittag am morgigen Tage wieder abzureisen – ein wenig Ruhe und Erholung in den nächsten Stunden brauche ich dringend … Die Sonne stand heute lange und brutal am Himmel, es war ein einziger Kraftakt, dieser heutige Tag … Sie haben's ja auch durchgemacht – nicht?
Gravič. Begeistert. Gegen sie müsste ich allzeit resignieren! Und die Sonne war uns heut ganz und gar, nicht zugetan. Was mich angeht, werde ich mindestens einen Tag hier verweilen, vielleicht auch länger, ich habe das große Glück, dass ich nicht in Zeitnot geraten kann … Nun möchte ich aber erst einmal sehen, wie sich diese Hütte so gibt.
Diana. Verliert sich in der Ferne. Der Anblick dieser Berge ist für unsere Seele die beste Medizin, denn man kann sich auch nach Jahren nicht sattsehen … Es tut der Seele einen großen Gefallen … Finden sie's nicht gleichsam schön hier oben?
Gravič. Gute Diana, sie lesen mir es von den Gedanken. Leise. Da, wo ich mein Zuhause nenne, habe ich sonst so viel Druck und Stress – damit auch viel Leid und Melancholie – und was lindert da mehr als diese herrliche Luft und diese verzaubernde Landschaft! Nein, wirklich – die Luft wirkt besonders!
Diana. Erregt. Nun ja, es stimmt durchaus, wie sie das so sagen, jedoch ist es im Grunde belanglos, wo man ist, wenn man Melancholie lebt, es verfolgt und frisst ohne Ende. Errötet. Verzeihen sie, ich schweife ab!
Gravič. Nicht doch, sie sagen es ja gerade richtig … Freiweg heraus, wie es nun mal ist – sie sind eine interessante Frau! Sie halten sich nicht zurück, das gefällt mir sehr … Wissen sie, das ist doch jetzt ein glücklicher Zufall mit uns beiden – sehen sie's nicht? Leise. Leiden sie's denn auch?
Diana. Wissen sie guter Herr Gravič, wer das verneint, der lügt nun Mal von vornherein – jeder Mensch verspürt und erlebt es beiderlei, ob kurz oder über längere Zeit, ob mit schmerzhafter Erfahrung oder gar, ich will es schon gar nicht aussprechen, vernichtender! Hastig. Bei ihnen, Herr Gravič, ist es doch hoffentlich nicht das Letztere …
Gravič. Ernst. Nein, Fräulein Dressler, Himmel nein, so weit ist es glücklicherweise noch nicht – ich hoffe, bei ihnen steht es ebenfalls noch nicht soweit! Vor sich hin. Wie wird mir … Mir erwärmt sich die Seele!
Diana. Gut, ja sehr gut, es wäre schrecklich darum, ja unerträglich schrecklich darum! Und seien sie über mich bitte nicht besorgt … Verlegen. Sie scheinen mir ein ruhiger und rational denkender Mensch zu sein, Menschen wie sie gefallen mir, mit ihnen lässt sich gut reden!
Pause.
Ja – so einer scheinen sie mir zu sein! Leise. Von uns, denn dazu gehöre ich schließlich auch gibt es nicht viele, denen man einfach Mal so aus reinem Zufall begegnet wie wir am heutigen Tage! Vor sich hin. Ein liebreizender Mensch sind sie, Herr Gravič!
Gravič. Fasst ihre kühle Frauenhand, blickt ihr erwartungsvoll in die Augen. Sie lesen mich wie ein Buch, herrlich schöne Frau, doch ist der ganze Moment hier – genau jetzt – nicht einfach nur wundersamer Natur? Sie erwärmen meine Seele gerade zu sehr – nur dass sie das wissen!
Diana. Vor sich hin. Er schmeichelt gar wunderbar – wie sonderbar mir plötzlich wird! Äußerst verlegen. Ich lese nur mein eigenes Buch, der Herr, und es scheint sich dem ihrigen nahezu zu gleichen … Vor sich hin. Was ist dies Gefühl!
Pause.
Sie sind hier – ich zufällig zur selben Zeit – ist das schon Schicksal genug? Vor sich hin. Mir wird so heiß um die Brust – viel zu heiß – oh meine Güte!
Gravič. Voller Freude. Kann das sein … Ja – ja, es ist perfekt! Er küsst ihre Hände liebevoll, eine nach der anderen. Sieht sie mit funkelnden Augen an.
Diana. Erregt. Warten sie, oh Himmel, warten sie!! Gravič macht Anstalten, sie zu küssen, sie drückt ihn von sich weg. Stoppen sie – besinnen sie sich! Ernst. Wir überstürzen es – alles wird so brutal überstürzt! Verzeihen sie mir bitte Herr Gravič … Sie, wie ich wissen doch eigentlich, dass, wenn man solche Momente so grausam zu überstürzen versucht, dass diese dann im möglichst schlechtesten enden werden! Verzeihen sie mir bitte, ich bitte sie inständig darum … Das war zu viel – gar viel zu viel!
Pause.
Ich nehme mir jetzt ein Zimmer … Zu Abend sehen wir uns wieder, ja? Gut! Bis dahin lieber Herr, leben sie wohl! Sie geht ab in die Rasthütte.
Gravič. Sprachlos erschüttert. Was war es gerade mit mir? Himmel, ich war nicht Herr meiner selbst! Dabei habe ich mich wohl unheimlich geniert – auwei!
Pause.
Vor sich hin. Bedeutungsvoll. Sie ist ein Engel … Sie wird mich retten aus meiner Lebenslage … Ist sie die ersehnte Hoffnung, meiner Verdammnis doch noch entfliehen zu können? Er geht ab in die Rasthütte.

Zweiter Aufzug
Große Rasthütte, gelegen auf einer Bergspitze.

Erster Auftritt
Gravič, in den Eingangsbereich der Hütte gehend, ein Herr am Tresen, ihn empfangend. Der Raum ist warm beleuchtet. Es wird Abend. Die Sonne steht schon tief.

Ein Herr. Herzlich willkommen der Herr! Sie saßen noch lange draußen was? Munter. Da müssen sie sich aber in Acht nehmen, mein lieber, da wird man sehr schnell kränklich – bei dem unscheinbaren Wind!
Gravič. Recht guten Abend der Herr! Ich schätze ihre Achtsamkeit, ich allein habe es zum Schluss hin auch gemerkt, es zieht ganz unscheinbar böse an der Stelle der Bänke … Aber die Aussicht – was für eine Aussicht!
Pause.
Ich würde gerne ein Zimmer für die Nacht nehmen, ganz egal welcher Art, einfach nur das möglichst Günstige.
Ein Herr. Genau so ist es sapperlot! Gelassen. Nun, wenn es ihnen egal ist, so biete ich ihnen das Zimmer zwei an, ein ganz simples Zimmer, sogar mit einem kleinen Schreibtisch – also ihnen wird es an nichts fehlen! Sie zahlen dann beim Gehen, denn zu den Kosten fürs Zimmer fallen ja schließlich auch noch die Kosten für die Verpflegung an – da sind wir ganz bequem … Sie nehmen's sodann?
Gravič. Entzückt. Ja, aber sicher nehme ich's!
Ein Herr. Trefflich, sehr trefflich – eine feine Wahl! Auf welchen Namen geht das Zimmer?
Gravič. Tragen sie's auf Gravič ein!
Ein Herr. Herr Gravič also … Wissen sie, ich sah einmal ein ganz feines, zugleich auch äußerst wertvolles Bild eines Malers mit demselben Namen wie dem ihrigen! Sagen sie mir – ists möglich?
Gravič. Peinlich berührt. Ich bin verblüfft, mein Schaffen drang so weit – wunderlich!
Pause.
Doch sie liegen ganz recht – genau, der steht gerade vor ihnen … Aber ich bitte sie darum machen sie daraus nun keine große Sache …
Ein Herr. Verlegen. Ich fühle mich zutiefst geehrt, Herr Gravič! Es bleibt freiweg unter uns, ich verspreche es ihnen! Hand aufs Herz – ich platze dennoch vor Freude! Auffahrend. Aber nein, ich bin ein Narr … Ich habe mich ihnen nicht einmal selbst vorgestellt! … Ich bin der Hausherr dieser Hütte und begrüße sie nochmals mit höchster Freude als meinen Gast! Reicht ihm seine Hand, Gravič erwidert.
Gravič. Wo finde ich jetzt nun also die Gästezimmer, Her Hausherr … Zeigt nach einer Treppe hin. Diese Treppen da hinauf?
Hausherr. Jawohl, sie haben's richtig erraten … Einfach diese Treppen dort hinauf und dann sind sie schon bei ihrem Zimmer. Schnell ergänzend. Bald schon gibt es zu Abend, da müssen sie dann nach hinten durch diesen Gang hier gehen. Zeigt danach. Dann sind sie schon da … Jetzt aber machen sie es sich erst einmal gemütlich, Herr Gravič!
Gravič. Haben sie vielen Dank – leben sie wohl! Er geht ab, die Treppen hinauf.
Hausherr. Erregt. Ein prächtiger Mann, man sieht's ihm gleich an, dass er eine Künstlerseele ist … Darüber muss ich gleich ein wenig schreiben! Geht ab in ein Nebenzimmer und schreibt in ein kleines Büchlein.


Zweiter Auftritt
Gravič in den Flur zu den Gästezimmern kommend, eine Dame ihm entgegen, später Diana.

Gravič. Vor sich hin. Welch ein Kontrast zu meiner normalen Welt.
Eine Frau kommt Michael Gravič plötzlich unruhig und nicht auf ihn achtend entgegen und rempelt ihn an, Schlüssel fallen zu Boden. Beide machen Anstalten, die Schlüssel zu bergen, ihre Blicke treffen sich, beide baden sich in Verlegenheit, stehen nun still voreinander.
Dame. Verlegen. Herrje, es tut mir schrecklich leid! Ich bin so ungeschickt – verzeihen sie mir!
Gravič. Gelassen. Gute Frau, es ist doch rein gar nichts passiert, uns beiden ist doch wohl auf! Leise. Kein Grund, sich zu genieren – es war ja bloß ein unglücklicher Zufall.
Dame. Da bin ich sehr erleichtert, ja sehr erleichtert – Herzens erleichtert der Herr! Sind sie also der neue Gast ... Ich sah sie vorhin – draußen bei den Bänken sitzend und in die Ferne blickend ... Vor sich hin. Mir wird so warm – fürchterlich warm in meinen Kleidern!
Gravič. Ganz der meinen gute Frau! Sehr richtig, ich kam gerade erst unten beim Empfang vorbei ... Der Hausherr ist ja ein außerordentlich netter Kerl!
Dame. Leise. Sagen sie mir – sind sie Künstler?
Gravič. Nun – ja, sie haben's auf Anhieb erraten ... Ich kanns nie recht verstecken – das gebe ich zu. Verlegen. Dürfte ich fragen – wer diese Frage mir stellt?
Dame. Louise – mein Herr.
Diana hinter der Szene im Gästezimmer eins.
Diana. Bedrückt. Ists jetzt schon aus – gehts so schnell von dannen, dieses Gefühl der Verbundenheit ...
Louise. Mein Herr, bleiben sie nur die eine Nacht?
Gravič. Zu Louise mit schönem Blick. Wer weiß – die Karten stehen noch offen!
Diana. In Tränen. Was tut er mir an, oh Schmerz, womit verdiene ich das? Diese Dirne!
Louise. Sie werden es schon sehen, Herr Gravič, manchmal geschieht es einfach Widerwillen und man lässt sich mitreißen ... Schnell. Ich muss nun aber los – richten sie's sich schön gemütlich ein! Geht ab, die Treppen hinunter, ihre Hand streift zärtlich an Gravič vorbei.
Gravič. Vor sich hin. Wie meinte sie – und woher kannte sie meinen Namen? Geht ab in sein Gästezimmer.
Gravič hinter der Szene im Gästezimmer.
Gravič. Was hatte das nur zu bedeuten? Aber diese Louise, was bildet sie sich ein – und so aufdringlich ... Herrje.
Diana. Wischt sich die Tränen aus dem Gesicht. Mein Kopf, er raucht ... Es war zu viel für mein armes Mädchen Gemüt – und doch denke ich einzig nur an ihn. Legt sich auf ihr Bett, schließt ihre Augen und schläft ein, zuckt dabei einige Male schauderhaft auf.


Dritter Auftritt
Gravič in das Speisezimmer kommend, Diana bereits an einem Tisch sitzend, der Hausherr bei der Bar und andere Besucher an den Tischen, später Louise. Das Zimmer wird von Kerzen hell erleuchtet, der Mond wirft seinen Schein hinein.

Gravič. Zu Diana. Darf ich Fräulein Diana?
Diana. Schaut ihn bedenklich an, nickt dann bereitwillig.
Gravič. Setzt sich. Nun erst mal einen schönen Abend! Wo waren sie denn, ich habe im Flur auf sie gewartet?
Diana. Guten Abend Herr Gravič! Erregt. Bitte entschuldigen sie mich, ich war schon früh wieder aus dem Zimmer. Ich war für eine kurze Zeit noch draußen bei den Bänken, ich brauchte ein wenig frische Luft.
Gravič. Ernst. Aber sie werden sich noch erkälten Liebes, bei dem starken Wind, ich habe es selbst in meinem Zimmer gehört, wie der Wind heult!
Diana. Ach nein, die kalte Luft tut mir wohl – glauben sie mir. Außerdem, ihr Sorgen ist eindrucksvoll Herr Gravič, ich danke ihnen herzlich! Vor sich hin. Wer sind sie nur mein Herr; was soll ich nur über sie denken.
Gravič. Nun ja, ich hoffe auch nur das Beste für sie! Wenn wir jetzt nur etwas zum Anstoßen hätten, würde ich mit ihnen auf ihre Gesundheit anstoßen.
Pause.
… Rauchen sie Fräulein Diana?
Diana. Abwertend. Nein, das Teufelszeug lassen sie bitte von mir weg … Gehen sie nur allein rauchen – wenn der Wirt zu unserem Tisch kommt, dann eile ich zu ihnen hinaus.
Gravič. Gekränkt. In Ordnung meine Teure! Geht ab aus einer Seitentür nach draußen vor die Hütte.
Gravič hinter der Szene, draußen vor der Hütte.
Gravič. Zündet sich die Zigarette an und atmet tief ein. Diese Frau – herrje!
Pause.
Vor sich hin. Bis hierher war die Wanderung ganz wunderbar, doch was soll ich mir vormachen, nun ist das ganze Konstrukt meiner Flucht zusammengestürzt und alles ist ganz anders, als ich es wollte. Himmel, meine Gedanken zerstückeln mich wieder – diese Louise lässt mir keine Ruhe mehr. Und wie es der Schein mir offenbart, ist die gute Diana meiner nicht mehr gut gesinnt – wüsste ich doch gern, weshalb …
Pause.
Sitzt sie drinnen am Tisch und redet so ganz hässlich verstellt mit mir, ist doch schon jetzt alles zugrunde gerichtet. Ach, wieder dieselbe Hektik und Grausamkeit, wie ich sie aus der Heimat kenne – ich habe es nun mehr als satt.
Blickt zur Tür hinein, sieht Diana. Wie schön sie ist. Ist wohl nur oberflächlich gemeint, ja, doch gibt es schließlich nichts anderes zu urteilen über sie. Sie bleibt mir stets verschlossen … Ist es dann nicht töricht, nur im Akt der Lust zu handeln – wie ich es lebend vorhin tat? Ich dachte mir, es könnte ein Funke von Liebe sein, doch dann wäre es nur die Liebe für ihr Äußeres Antlitz. Pfui – wie oft schon! Er zündet sich eine zweite Zigarette an.
Und doch weiß ich, was liebe ist, was sie einmal war und wie ich heute nicht mehr die Selbige finden kann … Ach, was war das für eine Liebe, gesegnet war ich – und dann aus dem nichts, wurde mir diese innige Liebe entzogen – gewaltvoll und so unglaublich schmerzvoll. Herrje … Ich will nicht daran denken, sonst verderbe ich mir den ganzen Abend … Was ist die Liebe heute schon – man lebt schließlich nur seine Lust durch verantwortungslose Liebeleien aus und schreckt sich vehement vor festen Bindungen. Es ist doch schrecklich unangenehm – aber was bedeutet das heute schon … Ein schrecklicher Fluch ist diese Lust! Er geht ab, zurück in das Speisezimmer zu Diana.
Diana. Betrübt. Sie waren aber lange draußen Herr Gravič! Schon morgen muss ich mir sorgen, um ihre Gesundheit machen!
Gravič. Seien sie unbesorgt, liebe Diana, mein Körper hält dem schon stand. Ich hatte nachzudenken – bin nun aber wieder ganz klar in meinen Gedanken. Schnell. Haben sie schon Getränke bestellt?
Diana. Vor sich hin. Was hat er denn solange nachgedacht? Zu Gravič. Ja, der Hausherr war schon da, er fragte, wo sie seien und kurz danach sagte er, dass er schon wissen würde, was sie zu trinken bedürfen …
Gravič. Scherzend. Was wurde aus dem mich holen, wenn der Hausherr zum Tisch kommen sollte? Nun gut – er wird schon wissen, was ich möchte … Außerdem ist es mir auch recht egal. Der Hausherr kommt mit den Getränken von der Bar auf den Tisch zu. Sieh – da kommt er schon!
Hausherr. Verteilt die Getränke, dann munter zu Gravič. Sie brauchen mir nichts zu sagen, mein Lieber, ich weiß doch sehr wohl genau, was sie brauchen – ein schön kaltes, heimisch gebrautes Bier sollte sie doch mindestens vollends zufriedenstellen!
Gravič. Höflich. Ja, sie haben mein Geschmack getroffen, mein Herr ... Besten Dank!
Hausherr. Sehr fein, Herr Gravič, sehr fein … Zu beiden. Welche Mahlzeit darf's denn sein?
Gravič. Nun – die Dame zuerst!
Diana. Verlegen. Danke sehr … Zum Hausherrn. Ich nehme die Käsespätzle! Der Hausherr notiert.
Gravič. Ich nehme die Gulaschsuppe, ja? Der Hausherr notiert, dankt und geht dann ab in die Küche.
Diana. Peinlich verlegen. Herr Gravič, weshalb rauchen sie überhaupt?
Gravič. Blickt sie einige Augenblicke an, schweift dann ab in die Ferne. Ach, was fragen sie's mich – mich, der keine Antwort darauf zu finden vermag … Für sie liebste, versuche ich es einmal ganz fein zu erläutern.
Pause.
Nun, immer wenn ich rauche, kann ich in Ruhe denken – ungestört verstehen sie. Außerdem rauche ich doch auch, weil es mir Freiheit gibt, da ich ja zumeist draußen bin und demnach weg von den Stressquellen bin … Leise. Aber all das könnte ich auch ohne zu Rauchen erreichen – da habe ich mich gerade selbst ertappt ...
Diana. Blickt ihn betroffen an. Ja, ich verstehe sie Herr Gravič, aber wie sie schon selbst sagten, gäbe es andere Möglichkeiten … Diese gibt es schließlich bei allem!
Gravič. Leise. Wenn's denn nur so wäre wie sie's gerade darstellen … Beide schweigen und blicken sich musternd an.
Diana. Wo wir schon warten, lieber Herr Gravič, können wir uns doch voneinander ein wenig erzählen – nicht?
Gravič. Vor sich hin. Jetzt kommt's – abscheulicher Small Talk. Munter. Da gibts viel zu erzählen Liebes – möchten sie etwas Bestimmtes?
Diana. Erregt. Sie scherzen doch wie? Nun gut, ich komme auf sie zu … Was machen sie beruflich?
Gravič. Witzelnd. Sie nehmen auch gleich die belangloseste Frage her – bei der nächsten müssen sie sich mehr Mühe geben, sonst endet diese spröde Fragerei schnell! Leise. Ich bin Künstler ... Mit der Malerei verdiene ich mein Geld.
Diana. Leise. Wie ein Künstler sehen sie auch aus – und das nicht gerade schlecht, mein Herr. Gravič schiebt seine Augen kraftvoll zur Decke. Was für einen Stil malen sie?
Gravič. Liebes Fräulein! Ich bitte sie – lassen sie uns jetzt nicht über Malerei sprechen … Ich habe es mehr als satt! Verstehen sie? Jeder hat mich danach zu fragen, sobald es ein jeder erstmals erfährt … Verlegen. Verzeihen sie mir – bitte! Gleichgültig. Was machen sie beruflich?
Diana. Verlegen. Nicht doch, belästigen will ich sie keinesfalls – das wäre mir nicht recht. Ich studiere selbst noch mindestens ein Jahr und hoffe danach auf eine Übernahme und somit auch auf Arbeit … Dürfte ich erfahren, wie alt sie denn schon sind? Denn wissen sie, man könnte sie jünger einschätzen, als sie es doch am Ende sind!
Gravič. Dreißig Jahre zähle ich in diesem Jahr – fühle mich allerdings, als wäre ich schon ein Greis in meinem Inneren.
Pause.
… Haben sie viele Freunde, liebe Diana?
Diana. Verwirrt. Ob ich was habe – viele Freunde?
Gravič. Neutral. Ja, gewiss doch … Haben sie viele Freunde, Diana?
Diana. Erregt. Nun ja, eine Menge Freunde habe ich gewiss … Weshalb fragen sie mich denn das – mir erscheint die Frage belanglos und fehl am Platz?
Gravič. Leise. Ich habe mich gefragt, wie sie das beurteilen – nun, wer für sie ein Freund ist und wer nicht … Ich selbst habe keine Freunde, wissen sie – dafür viele mehr oder weniger bekannte Gesichter … Aber wer sind denn konkret Freunde für sie?
Diana. Vor sich hin. Dass manche Künstler nicht sehr viel auf Gesellschaft geben, das weiß ich ja – doch, wie er es sagt, ist doch arg sonderbar! Zu Gravič. Jetzt, wo sie mich so fragen Herr Gravič, da habe ich doch eher gerade wie sie es sagten, bekannte Personen – die ich davor als Freunde glaubte. Schnell. Sagen sie mir – ist das schlimm?
Gravič. Fasst ihre Hand, blickt sie aufrichtig an. Teure Diana, sie haben Glück, denn alleine lässt es sich doch viel schmerzfreier leben … Natürlich erst, wenn man sich daran gewöhnt hat und das erfordert Geduld – keine Frage.
Diana. Zieht ihre Hand zurück. Was soll denn das jetzt! … Ich dachte, sie würden mich, wie ich sie begehren …
Gravič. Seufzt. Ach Diana, so einfach ist das alles nicht! Schnell. Sehen sie, ich bin für die Liebe, aber ich sehe nirgendwo diese mir von früher bekannte Liebe – ich sehe nur schadhafte Liebeleien und Lustakte – verstehen sie. Erregt. Ach, ich tue mich nicht gut als Partner und was wäre auch schon die Liebe zwischen uns – ich kenne sie, gute Frau, doch kaum …
Diana. Ärgerlich. Sie sind mir ein garstiger Kerl! Vielleicht stelle ich mir Künstler ab sofort genauso vor, wie sie sich gerade als einer zeigen – die armen Künstler! Doch kann aus dem Bisherigen nichts Festes werden? Sie verwerfen ja gleich die ganze Sache, obwohl sie es noch nicht einmal versucht haben aufzudecken ... Schämen sollten sie sich dafür!
Gravič. Leise. Liebes Fräulein, sie verstehen meine Lage ja bei Weitem nicht! Ich hasse die Lust und alles Schnelllebige, es ist vergänglich und voller Schande für beide gleich – ich liebe zwar, das lässt sich nicht leugnen, aber ich liebe sie jetzt in diesem Moment – nur als Liebhaber … Ich liebe Ihr Äußerliches – vom Inneren ist mir jedoch alles verborgen … Und im Ganzen, da hasse ich mich selbst dafür, dass ich nie mehr tue … Blickt sie trocken an. Mir ist nicht mehr zu helfen, verehrte Diana, machen sie keine Anstalten – ich bitte sie!
Diana. Verwirrt. Wohin soll das führen Gravič – 's ist doch schließlich sture Enthaltsamkeit, die sie mir da zeigen!
Gravič. Ach, die Lust reizt immer mehr, als die Liebe selbst je könnte, da kommt es schnell zu einer ungewollten lüsternen Handlung ... Schon hat man ein weiteres Verhängnis zu beklagen! Wissen sie Liebes, ich hatte schon einige – und der Schmerz, den trage ich bisweilen noch heute in mir! Leise. Sie können mir nicht helfen Teuerste, ich kann es ja selbst nicht einmal … Vor sich hin. Ich armer Tropf – ewig der Verdammnis nah.
Diana. Ernst. Liebster Herr Gravič, ich kann ihnen in diesem Punkte wahrlich nicht helfen, ich schwöre es ihnen hoch und heilig, ich kann nicht! … Ich verstehe ihre Ansichten nicht, viel weniger verstehe ich ihre Handlungsweisen – aber wenn ich es Liebe nenne, es für sie jedoch nur eine Liebhaberei darstellt, dann ist das nicht recht, Gravič – unser beiden willen nicht recht!
Pause.
Heftig. Morgen müssen wir es beenden! Nimmt seine Hände. Gleich morgen, da vergessen wir uns – wir müssen … Ich gehe morgen Mittag schon früher weiter – und ich bitte sie innig darum, bleiben sie doch bitte noch einen Tag hier in der Hütte, denn es geht hier ja um uns beide – lieber Herr. Leise. Nur dann sind wir beide gleichermaßen zu retten …
Gravič. Melancholisch. Sie haben recht, Fräulein Diana, ja sie haben vollständige recht – wir haben keine Wahl! Mir tut es schmerzvoll leid, denn von mir gehen diese Probleme ja schließlich aus, 's ist zum Heulen – liebe Dame!
Diana. Es sind doch keine Probleme, Herr Gravič, es ist schlicht ihre Persönlichkeit und ihre Ansichten in vielerlei Dingen, deren wir beide leider nicht einig werden kön… Sie wird durch den Hausherren unterbrochen, der die Mahlzeiten aus der Küche bringt.
Hausherr. Entschuldigen sie bitte! Es dauerte heute ungewöhnlicherweise länger als sonst, meine Frau Louise, war heute träge in der Küche! … Sie verzeihen es dem Haus doch – ja? Stellt jedem die Mahlzeit auf den Tisch.
Gravič. Freundlich. Es gibt nichts zu verzeihen, schließlich gibt es kein Problem, mein Herr. Vor sich hin. Da bist du also Louise, die Hausherrin – wie sonderbar.
Hausherr. Umso besser, das freut mich sehr – ich wünsche einen guten Appetit! Geht ab in die Küche zurück.
Diana. Guten Appetit, Herr Gravič!
Gravič. Leise. Ihnen auch ...
Beide essen ihre Mahlzeit. Der Hausherr räumt alles ab, kommt dann mit einem Bier für jeden der beiden in den Armen zum Tisch, setzt sich. Mittlerweile hat es halb elf Uhr nachts geschlagen.
Hausherr. Munter. Hier – geht aufs Haus meine verehrten Gäste!
Gravič. Haben sie vielen Dank, der Herr! Trinkt einen starken Schluck.
Hausherr. Zu beiden. Entschuldigen sie bitte, aber ich muss das nun fragen, es liegt mir schon den ganzen Abend auf der Zunge ... Sind sie beide ein Paar? Unterschiedliche Zimmer haben sie ja – das schließt ja noch nichts aus …
Diana. Erregt. Nein! Außerdem ist das keine schickliche Frage, dass sie das Wissen – mein Herr!
Gravič. Ergänzend. Wir sind – nunmehr Freunde ...
Hausherr. Verlegen. Ich entschuldige mich für die törichte Frage – nun aber Prost, meine Gäste! Hebt sein Glas empor, jeder stößt einander an.
Gravič. Laut. Die nächste Runde geht auf mich!
Hausherr. Wunderbar Herr Gravič, sie sind ein ganz feiner Kerl! Zu Frau Diana. Sie sehen ja noch blutig jung aus, ganz wie meine Frau in vergangenen Zeiten – ha, jetzt macht ihr das Alter zu schaffen, man sieht's ihr immer deutlicher an! Lacht schelmisch auf.
Diana. Erregt. Ohne Verlaub will ich doch hoffen, meine Herren, ich halte mich besser und länger!
Gravič. Blickt zur Bar, sieht Louise im Türrahmen stehen, die ihn geheimnisvoll beobachtet.
Hausherr. Hastig. Alle haben leer – wie? Gut, ich hole noch eine Runde, Herr Gravič stellt sie ja! Geht ab zur Bar.
Gravič. Vor sich hin. Die Frau ist doch sonderbar, aber wirkt auf mich, als wäre sie kaum älter als ich selbst … Volles braunes Haar und einen wohlgeformten Körper – nein – hässlich ist sie wirklich nicht! Wie wird mir dabei ...
Diana. Was ist ihnen?
Gravič. Schnell. Ach, nichts, gar nichts ... Vielleicht bin ich nur schon zu gemartert.
Diana. Leise. Gell, ich bin doch hübsch?
Gravič. Verwundert. Die Schönste – ohne Widerrede!
Der Hausherr kommt zum Tisch zurück mit einer neuen Runde Bier, sie trinken es in bester Manier und schwatzen noch allzu lange herum. Es schlägt nun zwölf Uhr nachts, die Gesellschaft wird träge und schläfrig.
Gravič. Munter. Ist spät geworden – was!
Hausherr. Hat gerade erst zwölf Uhr nachts geschlagen – sie sind mir ein Kerl! … Sie haben ja doch recht, wir alle brauchen schließlich auch ein wenig Schlaf!
Diana. Steht auf, macht Anstalten zu gehen. Meine Herren – mich ruft der Schlaf zu Bette, länger wach bleiben wäre mir unmöglich … Sie verzeihen mir gewiss! Zum Hausherrn. Es war mir übrigens eine Freude, geehrter Hausherr! … Beugt sich herunter zu Herrn Gravič, verpasst ihm einen feuchten Kuss auf die linke Backe. Leben sie wohl – mein Gravič! Sie geht ab durch den Flur zur Treppe hin.
Hausherr. Belebt. Sapperlot! … Was ein Weib!
Gravič. Leise. Ja, durchaus – eine edle Seele!
Pause.
… Ist es mir gestattet, hier zu rauchen?
Hausherr. Gelassen. Normalerweise nicht – für sie, Herr Gravič, ist es aber eine ehrenwerte Ausnahme! Er räumt ab und geht ab zur Bar hin.
Gravič. Steckt sich eine Zigarette an, atmet den Rauch in tiefen Zügen in die Lunge ein und bläst ihn schwallend wieder heraus. Ich arme Seele – womit habe ich das alles verdient …
Pause.
Hausherr. Von der Bar herüber. Jetzt haben sie mich angestiftet, ich rauche nach ihrem Vorbild auch eine – tut stets gut nach einer langen Gesellschaft … Raucht.
Gravič. Freundlich. Ja, das Rauchen ist doch fein! Er steht auf, schlendert durch den Raum, bleibt vor der Bar stehen. Es war ein schöner Abend, mein großzügiger Hausherr – freilich, das muss ich ihnen zu ehren halten! … Ich denke, ich bleibe noch einmal eine Nacht – und keine Sorge, zahlen kann ich es mit keiner Mühe! Schnell. Nun genug von mir für diesen Tag, ich suche mir nun auch den Weg zum Schlafgemach! … Leben sie wohl und eine graziöse Nacht! Er geht ab durch die Tür.
Hausherr. In allen Sinnen befriedigt. Ein Prachtkerl – herrje, schön war der Abend wie lange nicht mehr! Er sieht schläfrig in die Ferne und raucht genüsslich vor sich hin.
Gravič hinter der Szene vor einem offenstehenden Zimmer.
Gravič. Verwundert über eine schillernde Lichtquelle aus einem fremden Zimmer. Wie – ein erleuchtetes Zimmer um halb ein Uhr nachts? Tritt näher. Ist da wer – besser noch – ist, allen gut darin?
Eine Silhouette. Leise. Kommen sie doch herein – mein Herr, ich bitte sie herzlich darum – sie werden sehen, wer sie schon sehnsüchtig erwartet! … Erregt. Nun komm – komm schnell hinein zu mir!
Pause.
Gravič. Diese Stimme … Geht ab in das von Kerzen schwach erleuchtete Zimmer, die Türe schließt.


Vierter Auftritt
Gravič in das rätselhafte Zimmer kommend, die Silhouette führt ihn an der Hand hinein. Der neue Tag steht bereits in seiner ersten Stunde.

Gravič. Leise. Was für ein Spektakel! Die Silhouette führt in hin zum Licht – er erkennt in ihr die Hausherrin Louise. Erstaunt. Sie sind's – eben dieselbe Louise!
Louise. Seien sie nicht so erschrocken – herrje! Ich habe sie beobachtet und mir ist etwas Feines an ihnen aufgefallen – sie begehren, aber erhalten es nicht, und ich kenne ihr Problem, lieber Herr Gravič.
Pause.
Die junge Dame, die heute neben ihnen saß, sie sah recht hübsch aus ... Begehren sie dieses Fräulein? Sie nähert sich ihm aufdringlich.
Gravič. Vor sich hin. Wie wird mir. Unruhig. Aber Fräulein Louise, was soll das werden? Ihr Mann könnte jede Minute hereinkommen – und ich hier mit dessen Frau ganz alleine im Zimmer!
Louise. Ach Herr Gravič, mein Mann schläft mit Sicherheit wieder bei der Bar, das wahrscheinlich bis in die frühen Morgenstunden hinein. Ernst. Wissen sie, ich bin seit Jahren sehr betroffen, das Zusammenleben mit dem Kerl an der Bar ist mir eine einzige große Qual! Er trinkt sehr gern, sie wissen es nun ja und ist dann besonders aggressiv, meist gegenüber mir – das ist schlimm, wissen sie!
Pause.
Er kennt keine Verantwortung und ich Ärmste – jawohl, ich versinke nun schon zu lange in meiner schweren Melancholie! Betroffen. Was ist diese Ehe schon, wenn nicht schon längst tot!
Pause.
… Leise. Qualen und Leiden erfüllen mich nun!
Pause.
Die Rasthütte gehörte vor dem Ableben meines ehrenwerten Vaters mir allein ... Nun gehört sie ihm wie mir, er hat sich dieses Eigentum durch List erschlichen, mehr war es nicht – schelmische List! Bitter. Vielleicht auch nur die Heirat mit mir, des Reichtums willens ... Doch bin ich nicht schön – bin ich nicht liebenswert? Weint gekünstelt.
Gravič. Ergriffen von der List. Nicht doch liebe Louise, nicht so, das bricht mir ja gleich das Herz! Sie sind eine stolze Frau, ich sehe es auf den ersten Blick! Verlegen. Noch dazu sind sie eine besonders schöne Frau!
Pause.
Aber wüsste ich's doch was die Ehe ist, bin schon dreißig Jahre alt und habe bisher nicht heiraten gekonnt – ist es doch auch besser darum, wer weiß das schon. Seufzt.
Louise. Ihn am Leib fassend. Sie geben mir Hoffnung, guter Mann!
Gravič. Hält sie gespannt. Aber ich habe auch beobachten können, jawohl, das konnte ich zu Genüge tun – mein Urteil fällt nicht weit von ihrer Erfahrung in der eigenen Ehe! Liebe Louise, ich muss ihnen sagen, ich gebe nicht viel auf die Heirat und ebenso wenig auf eine glückliche Ehe! Nein, nicht mehr in der heutigen Gesellschaft, die wir da vor uns haben – und in der wir selbst schlussendlich verdorben werden!
Pause.
… Heftig. Es ist zum Heulen – oh Louise!
Louise. Kühn. So wenig gebe ich fortan darauf, sie sind mein erhabener Retter!
Gravič. Leise. Ach Ehen sind auch ein einziges Glücksspiel mit einem schönen Sofortgewinn, denn garantiert ist ja nichts für das Zukünftige – und wissen sie liebste Louise, ein Glücksspieler bin ich nicht, nein, so einer bin ich wohlgemerkt nicht!
Louise. Zart. Nein, sie sind kein Glücksspieler, teurer Mann – sie wissen genau, was sie begehren und was sie wollen, und nun frage ich sie: Was sehen sie in mir?
Gravič. Ernst. Louise! Wenn überhaupt – wer bin ich für sie?
Louise. Leise. Wüsste ich's doch lieber Herr, aber ich begehre sie, sie sind es allein – sie edles Geschlecht! Küsst ihn aufdringlich auf seine bebenden Lippen. Ich brauche sie in dieser Nacht, sonst fürchte ich bald schon keinen Morgen mehr zum Leben vorzufinden! Grausam. Wir alle verderben irgendwann, weshalb nicht in der heutigen Nacht?
Gravič. Ernst. Hören sie Louise! Wie soll das sein? Leise. Bin ich mir so egal, dass ich es zulasse, eine unglückliche Ehefrau die Ehe brechen zu lassen ... Louise! Es hieß doch treu bis auf den Tod!
Pause.
Grausam. Bin ich so ein Kerl, der vor Kurzem noch mit dem Ehegatten der Frau sich zu betrinken versteht und dann keine Zeit später, mit genau dieser Frau ein schändliches Freudenfest im Ehebett zu feiern weiß? Vor sich hin. Was droht mir – es gibt keine Ausflucht mehr – alles geht zugrunde, alles ist vorbei – das Verderben ist mir garantiert ...
Louise. Heftig. Liebster, du kennst mich nicht länger als ein paar mickrige Augenblicke, ich war meinem Gatten allzeit treu – ja enthaltsam treu! Doch der Zechbruder, den du mir da nennst, hat auch seine hässlichen Seiten – verstehst du! Schmerzvoll. Einmal, da schlug er mich wegen einer wörtlichen Auseinandersetzung bezüglich der Rasthütte – einfach so, weil es ihm gerade behagte – und Reue zeigte er nie, verstehst du – nie! Bricht in qualvolle Tränen aus.
Gravič. Erbleicht vor Scham. Aber Louise, nein nicht, doch, das ist schrecklich, Himmel, das ist fürchterlich! Umschlingt heftig den Leib der Louise.
Pause.
Louise. Spontan. Mein Lieber – was soll die Vernunft! Entkleidet sich mit einem schnellen Handgriff, steht in ihrem reinen Antlitz vor ihm.
Pause.
Gravič. Verzweifelt. Louise – was tun sie mir! Betrachtet sie mit Würde, dann leise. Da stehen sie nun und verlangen meine Reaktion ... Sie erzwingen sie sich, sie wissen es und das ist nicht fein – nein, das ist gar nicht fein! Wiegt ihre warme Brust in seiner Hand. Es gibt kein Zurück mehr – oh, teuflische Louise!
Er küsst sie heftig und zieht sie hinunter aufs Ehebett.


Fünfter Auftritt
Die Vorigen. Das Zimmer liegt nun in völliger Dunkelheit, die Luft ist lustvoll schwül. Tiefe Nacht.

Gravič. Erwacht. War es ein Traum? Blickt um sich. Bitter. Nein, es war keiner – herrje, mir graust es!
Pause.
Vor sich hin. Da liegt sie nun neben mir, die schöne Louise, und wie ihre Haut im Mondlicht glänzt – eigentlich doch ein herrlicher Anblick ... Und gerade, wo ich sie so betrachte, fällt mir ihre wahre Schönheit auf. Heiter. Von wegen sie wäre vom Alter gezeichnet, und doch ist sie wohl nicht älter, als ich es selbst bin ...
Pause.
Ich bin ein dummer Narr ... Wieder eine Torheit mehr, die meiner Melancholie Brennmaterial in den eisernen Rachen schiebt, von welcher ich sowieso schon zu lange vergewaltigt bin – es ist schrecklich, so furchtbar schrecklich ...
Er streichelt die, an seine Brust geschmiegte Louise. Es war noch gar nicht so lange her, seit dem letzten Mal – und doch habe ich nichts gelernt ... Ich armer Kerl, nun ist alles dahin, es gibt kein richtig oder falsch, in mir ist nunmehr alles verdorben und somit auch alles – jetzt droht mir das ewige Verderben!
Pause.
Ich spüre es schon im Nacken, noch dazu kribbelt meine linke Hand mir schon ... Erschrocken. Ich liege in aller Seelenruhe mit einer Ehefrau im Bett – wo bleibt meine Reue! Nein ... Ich kann keine Sekunde mehr länger, ich werde gehen, ich muss gehen – jetzt sofort. Macht Anstalten aus dem Bett sich zu erheben, Louise erwacht mit Schrecken.
Louise. Leise. Liebster! Es ist gar nicht schön, wirklich ganz und gar nicht! Wolltest dich wegschleichen, ohne deiner Louise – ich meine es ernst um dich – Lebewohl zu sagen ... Das ist nicht fein, mein Herr! Nun muss ich flehen darum, Liebster, komm noch einmal zurück, ich bitte dich von Herzen darum!
Gravič. Seufzt. Setzt sich zu Louise. Ich empfinde nichts Gutes über unsere heutige Nacht, Louise, verstehst du – rein nichts Gutes!
Louise. Erregt. Wie höre ich? Gesehen habe ich anderes von dir ...
Gravič. Böse. Du allein hast mich verführt! Leise. Und mich stürzt es nun tief in mein persönliches Verderben!
Pause.
Erschrocken. Himmel nein Louise, vergiss meine Worte – es war meine Begierde – meine menschliche Begierde! Du hattest irgendwelche Gründe – ich hatte schlicht keinerlei Scham und sieh mich an ... Jetzt bin ich verdorben und verloren!
Louise. Betrübt. Liebster Gravič, weshalb belädst du dich jetzt mit Schuld, die dir nicht zugerichtet ist? Ei, das ist gar nicht schön!
Gravič. Frau! Das Verderben wird mich meines Lebens noch berauben – ich weiß es gewiss! Grausam. Fühlst du gar keine Reue in deinem Gemüt?
Louise. Zürnt. Ich soll Reue zeigen! Ich bin keine böse Frau, verstehst du – ich bin auch keine Dirne, die es leicht mit der Suche hat – oh nein! Ich habe schmerzvoll lange auf jemanden wie dich hier warten müssen! Böse. Die ganze Zeit voll Sehnsucht und jeden Abend diesen schrecklichen Kerl hier in diesem Bett, den ich als meinen Mann anzureden habe – dafür zeige ich keine Reue!
Gravič. Enttäuscht. Was wäre es selbst als nur das reine Verlangen und die reine Lust, die uns heute Abend hier in ein Bett zusammenführte. Leise. Mehr ist es nicht Louise – habe ich nicht recht?
Louise. Belächelnd. Sie sind ein unverbesserlicher Narr! Wären sie heute nicht bei uns gewesen, ich hätte selbst wieder nichts als Qual und Schmerz verspüren müssen, und wer weiß, wie lange ich dies noch aushalten könnte! Betrübt. Mein Herr, es musste sein, um mein eigenes Wohl ... Ich versteh nur nicht, weshalb sie sich dabei so belasten, sie allein haben mit keiner Konsequenz zu rechnen – verstehen sie das nicht?
Gravič. Zieht sie vor sich. Schön das dein eigenes Wohl so fein befriedigt ist, heißt wohl auch, deine letzte Bekanntschaft ist noch nicht allzu lange her ... Besinnt sich wieder. Es rechtfertigt nur unsere gemeinsame Tat um kein Maß – die Tat bleibt schändlich und somit auch alles, was damit verbunden ist!
Louise. Leise. Doch es ist schon lange her, deswegen war es ja auch so dringend, verstehe es doch mein Lieber!
Gravič. Ärgerlich. Ach, ich will nichts mehr hören! Den Weg, den du dir wähltest, ist schändlich und dreckig, falsch und schäbig, dass du dich nicht schämst, wundert mich ganz außerordentlich!
Louise. Grausam. Sie wissen es wohl besser, mein Herr, sie wissen in allem immer alles besser und gehen dabei nicht weit aus ihrer Vorstellung hinaus – das ist schändlich mein Lieber – jawohl ganz schändlich!
Gravič. Sie zürnend fassend. Zürnen sie mir nicht – Louise!
Pause.
Ich kann sie ja verstehen und das Verstandene auch teilweise nachvollziehen! Auch verstehe ich nun, was sie in mir sehen, in meinem ganzen Antlitz – oh Louise. Er küsst sie auf die Stirn. Dennoch! Es gibt nur die eine richtige Entscheidung – sie müssen ihrem Ehemann entsagen, sie müssen sich von ihm lösen, und wenn es ihnen möglich ist, dann verlassen sie diesen einfältigen Ort – ich bitte sie! Leise. Denn ich müsste sonst fürchten, sie begehen ein großes Unglück und allein mir würde ich dafür die Schuld geben – ich flehe darum, solch ein Ende ist der ihren nicht würdig – liebe Louise!
Pause.
Sehen sie nicht – sie sind jung, noch nicht älter als ich und haben viel Zeit zu leben noch ... Die Monotonie der Berge hält kein Mensch über viele Jahrzehnte aus!
Pause.
Flehend. Ich muss sie bitten – nein, ich ersuche sie mit allem, was mein klägliches Herz mir vergeben mag, sie müssen weg von hier! Melancholisch. Denn das Verderben bedeutet inneren Tod, und der äußere folgt diesem in Windeseile!
Pause.
Gefasst. Ich will darauf nun keine Antwort hören – nicht in dieser Nacht! Denken sie darüber nach, es wird ihnen lebenswichtig sein!
Pause.
Leise. Das Leben ist grausam genug – dennoch kommen wir selbst daher und sorgen für noch mehr Grausamkeiten in dem Leben von uns selbst und anderen – alles ist so schrecklich grausam, liebe Louise!
Louise. Zieht ihn heftig zu ihrem Antlitz, küsst ihn inbrünstig. Flüstert. Sie bleiben mir für immer erhalten!
Gravič. Betäubt. Der Kuss brennt mir noch ganz auf den Lippen – gibts Schöneres als das?
Louise. Belebt. Nichts Schöneres als allein das! Geht erregt ab in das anliegende Badezimmer.
Gravič. Vor sich hin. Ich spüre es, ich liebe sie – die Hausherrin Louise ... Ich unglückseliger – nun bin ich restlos verloren! Geht ab, hin zur Treppe, zu den Gästezimmern.


Sechster Auftritt
Gravič in den Flur zu den Gästezimmern kommend. Tiefste Nacht.

Gravič. Macht Anstalten, seine Zimmertür zu öffnen, es kracht und poltert nicht wenig. Schritte lassen sich aus einem der Zimmer vernehmen. Die Tür gegenüber ihm öffnet sich rasant. Betroffen. Entschuldigen sie vielmals, ich bin zu ungeschickt! Erkennt Diana in der Gestalt ihm gegenüber. Sie sind es ja! Jetzt tut es mir gleich noch schrecklicher leid, herrje, entschuldigen sie Fräulein Diana!
Diana. Betrübt. Ist nicht der Rede wert, ich konnte sowieso nicht recht schlafen … Mir liegt’s schwer im Magen … Kommen sie erst jetzt hinauf?
Gravič. Leise. Nun, es ist mir recht peinlich, ich schlief am Tisch nach einer Zigarette einfach ein – jetzt irre ich hier herum.
Diana. Wie? Sie haben drinnen geraucht, das ist aber nicht recht! Außerdem scheinen sie mir gerade doch noch allzu munter zu sein … Als ich gestern vom Tisch wegging, da war doch auch bei euch beiden Herren schon die Luft heraus – ihr habt euch doch auch nur noch mit letzter Kraft rumgeschleppt oder nicht?
Gravič. Verlegen. Ja, sie haben recht, der Hausherr war ab dann auch mit sich selbst beschäftigt. Ich für meinen Teil musste mich noch lange mit schweren Gedanken auseinandersetzen, ehe ich dann wirklich auf dem Tisch, an dem wir saßen, eingenickt bin … Ich schäme mich sehr, allein an ihrem Gesichtsausdruck sehen ich es – selbst in diesem dunklen Flur!
Diana. Nüchtern. Ja, peinlich ist es auch Herr Gravič – das müssen sie nun mal ertragen!
Gravič. Ernst. Ich bleibe heute noch da, zum einen, weil die Nacht ein kleiner Horror für mich war, zum anderen, weil ich mir über das Gespräch mit ihnen noch sehr lange Gedanken gemacht habe … Ich möchte ihnen, so gut es geht, entgegenkommen. Melancholisch. Ach, sie bedeuten mir viel, doch ist alles schon vorbei – verspielt und verloren!
Diana. Verwirrt. Was ist ihnen? Haben wir nicht darüber gesprochen – jetzt verletzen sie mich so, mein Herr? Leise. Leben sie wohl! Geht ab in ihr Zimmer, die Türe schließt schnell.
Gravič. Grausam. Ich bin nicht würdig, deiner zu empfangen, edle Diana, und werde dies auch niemals sein – dennoch, es tut mir herzzerreißend leid um dich! Vor sich hin. Möchte ich doch sterben! Geht ab in sein Zimmer, schließt die Tür langsam und blickt währenddessen geschlagen zu dem Zimmer gegenüber, in dessen Türrahmen vor Kurzem noch die schöne Diana stand.

Dritter Aufzug
Große Rasthütte, gelegen auf einer Bergspitze.

Erster Auftritt
Gravič in seinem Zimmer, später Diana. Früher Morgen.

Gravič. Vor sich hin. Da ist der Morgen, da ist die Qual … Es war eine schreckliche Nacht – wie handeltest du Narr – erst Louise und dann auch noch Diana – in der tiefsten Nacht… In einer einzigen Nacht … Ich fühle mich, als müsste ich sterben.
Pause.
Bitter. Ich kann es kein weiteres Mal tun, ich stehe es jetzt schon nicht durch, ich gehe unter, ganz gewiss – ich sehe es schon kommen, der Tod ist mir nah … Kleidet sich an, macht dann Anstalten zu gehen. Ich bin ein wahrer Teufel – die ärmste Diana, wie habe ich nicht an sie gedacht, bis ich vor der Edlen selbst stand.
Pause.
Verzweifelt. Keinem Menschen kann ich mehr geradewegs in die Augen schauen, es ist ein schreckliches Schicksal, das mir jetzt zuteilwird … Ich will fort von hier, ich verwegener – wohin will ich jetzt schon gehen … Ich brauche Ruhe und Schonung, sonst droht mir die Raserei und Verzweiflung im hohen Maß gegen alles und jeden. Er geht ab in den Flur.
Gravič und Diana hinter der Szene im Flur.
Gravič. Steht vor dem Zimmer zwei, klopft unruhig an. Vor sich hin. Beruhige dich Kerl, du bist schon nicht mehr bei Sinnen – was soll sie nur von mir denken.
Diana. Öffnet flink die Tür. Guten Morgen! Sie schauen sehr mitgenommen aus, mein Herr … Fanden sie keinen Schlaf? Ergänzend. Außerdem warte ich schon eine ganze Weile – hier, in meinem langweiligen Zimmer … Wir verpassen noch das Frühstück, wenn wir nicht baldig nach unten gehen!
Gravič. Verlegen. Guten Morgen Fräulein Diana! Beste, der Schlaf meinte es nicht gut mit mir – doch verdiene ich es mit Sicherheit aus gutem Grunde. Schnell. Sie haben recht, es ist schon fast zu spät! Kommen sie, wir gehen sogleich ins Speisezimmer hinunter – nach ihnen gute Frau! Sie geht ab, die Treppen hinunter, Gravič folgt ihr in einigen Schritten entfernt.


Zweiter Auftritt
Michael Gravič und Diana, im Speisezimmer an einem Tisch sitzend, der Hausherr ihnen entgegenkommend. Blühender Morgen.

Hausherr. Kommt ihnen lächelnd entgegen. Guten Morgen ihr beiden! Wie tat euch die ruhige Nacht?
Gravič. Unterdrückt. Es ging recht ...
Diana. Nur ein wenig Schwierigkeiten beim Einschlafen, doch ansonsten tat die Nacht ihre Pflicht – tat sie ihnen selbst denn gut?
Hausherr. Zu Diana. Ich freue mich, dass sie fragen – mir tat's wunder ganz und gar!
Gravič. Leise. Sie schliefen doch nicht bei der Bar, mein Herr?
Hausherr. Sicher doch – wieso auch nicht! Unruhig. Herr Gravič, sie sehen heute schrecklich aus! Ihnen wird die zusätzliche Nacht guttun ... Dieses Mal aber beizeiten zu Bette gehen und keiner Gesellschaft beiwohnen, auch wenn es gestern gar prächtig mit uns war!
Gravič. Blass werden. Ja, ich werde heute das Bett hüten müssen ... Hinzufügend. Und gestern, da war es wahrhaftig prächtig – zugleich auch fürchterlich schrecklich – ach ich meine die Nacht, nicht die Gesellschaft, diese war ganz wunderbar!
Diana. Vor sich hin. Was hat er's immer von der Nacht – da steckt doch mehr dahinter, es stinkt mir furchtbar ...
Hausherr. Ach, schlaf korrigiert die schlimmste Krankheit, mein Herr – jetzt lassen sie sich aber ein gescheites Frühstück bringen! Was darf's denn sein? Notiert die Bestellung der beiden, geht ab in die Küche.
Diana. Ärgerlich. Was ist ihnen – nun sagen sie es schon endlich, ihr Trauerspiel ertrage ich keine Sekunde länger! Sie belügen mich doch – von wegen nur Gedanken! Was setzt ihnen so nach – Michael Gravič?
Gravič. Blind vor Gewissensbissen. Was soll mit der Nacht sein – ich erzählte es ihnen doch schon alles – herrje! Gedanken und noch mehr Gedanken! Schnell. Heute übrigens ist mir unwohl, mein Magen hats schwer zu ertragen ...
Diana. Schmerzlich gekränkt. Dann müssen sie heute das Bett hüten!
Pause.
Gestern noch, da sagte ich's ihnen – das kam bestimmt von ihrem schändlichen Rauchen an der kalten Luft ... Nun haben sie das Pech. Ironisch. Aber das korrigiert sich schnell aus, glauben sie es mir!
Gravič. Teuerste! Verlegen. Ich hoffe, es missfällt ihnen diese Anrede nicht ... Sie sind liebreizend zu mir, wie ich es je selbst nie sein könnte und dass, obwohl sie selber wissen, dass wir beide schon in wenigen Stunden wieder fremde Wege gehen müssen. Tragisch. Und ich Narr, verdiene nichts von ihnen – ihre rührende Behandlung steht meiner schrecklichen Grobheit gegenüber, das ist ganz und gar nicht recht!
Pause.
Leise. Die letzte Nacht brachte mir ein Elend, das mich schaffen wird, ich kann es ihnen gewiss sagen, denn es ist so grausam wie schrecklich! Im Ganzen geschieht es mir doch sehr zurecht und doch tut es mir schmerzlich leid um alle, die das Leid noch zu treffen hat ... Seufzt.
Diana. Boshaft erregt. Was sagen sie? Sie sind wohl von Sinnen Gravič! Grausam. Sagen sie mir, was in dieser Nacht geschah – ich muss es erfahren!
Gravič. Vor sich hin. Ich kann es ihr nicht mehr vorenthalten, der Schmerz quetscht mich zu arg – mir wird so heiß in der Brust, das Atmen allein fällt mir zunehmend schwer ... Ich werde ihr alles sagen, mein ganzes schreckliches Elend – werde ihr sogleich auch ihr verbundenes Elend offenbaren und sie so qualvoll verletzten müssen ... Ich bin ein Teufel, was wird mir das Leben jetzt schon noch sein! Grausam flüsternd. Die Nacht Diana – die brachte allein mir lebensbedrohliche Qual – was, wenn es ihnen Selbiges bringen wird?
Diana. Kühn. Ich werde es hören – heute oder irgendwann – ich bleibe solange an ihrer Seite, bis sie es mir sagen ... Komme was nur wolle!
Gravič. Melancholisch. Die Höllenglut bricht mir zusammen, schreckliche Welt, heute geht sie vor die Hunde! Diana fassend. Brutal. Die Hausherrin verführte mich in der gestrigen Nacht!
Pause.
Leise resignierend. Schrecklich, oh so unfassbar schrecklich – ich möchte tot sein!
Diana. Heftig hervorbrechend. Was sagst du Kerl – was gehts jetzt um die Hausherrin!
Pause.
Doch wie sollte das zustande kommen? Vor sich hin. Wie ein Dolchstoß durch mein kläglich armes Herz ...
Gravič. Das Gesicht in die Hände werfend. Bitter. Ich bin schuldig – ich bin ein Narr und es tut mir allein um dich schrecklich leid! Ich wurde verführt, ich toller Kerl, ging auf ihr Angebot ein – ich bin schwach und hatte keine Reue und sieh nun her, was passierte!
Pause.
Die Lust bemächtigte sich meiner – ergriff meinen Verstand, machte mich gar willenlos ... Boshaft. Du musst mich verurteilen – ja du musst es, ich bin deiner nie würdig gewesen, und nun findet alles ein Ende, hier an diesem Ort! Verzweifelt. Ich muss heute abreisen, entgegen deiner Richtung werde ich rennen – bis ich tot umfallen werde!
Pause.
Ich blicke dich an und sehe die schönste Reinheit, und ich selbst bin der teuflischste Mensch – ich gehöre hier nicht mehr hin! Was hat die Lust mir angetan! Melancholisch. Sprich nicht ... Schone dich – du leidest – allein ich sehe es dir an ... Auch ich würde kein weiteres Wort von dir mehr ertragen können – ich würde mich hier an diesem Tisch noch selbst aufknüpfen!
Pause.
Ich liebe zwei Frauenzimmer, herrje, beide auf unterschiedliche Art – was ist nur aus mir geworden ... Melancholisch. Es ist mein Verderben – mein endgültiger menschlicher Untergang!
Diana. Weint still vor sich hin, das Gesicht ist schmerzvoll verzogen. Ausbrüllend. Oh warum nur ich, sag's mir Herr – warum nur ich!
Gravič. Entsetzt. Du leidest schrecklich, weshalb ist kein Messer auf dem Tische da, ich würde sogleich den letzten Schnitt mir setzen wollen! Verrückt. Ich finde hier keinen Frieden mehr – nimmermehr! Leise. Es ist vorbei Diana ... Ich mache allem heute ein Ende – dir verspreche ich es vor Zeugen! Geht bebend ab aus dem Speisezimmer.
Diana. Starr vor Herzensbruch. Wie konnte er nur ... Ein Vergewaltigungsakt meiner Seele – ich sehe schwarz! Geht wankend ab aus dem Speisezimmer.
Wenige Minuten nach dem Geschehen. Der Hausherr mit dem zubereiteten Frühstück in das leere Speisezimmer kommend. In der Luft liegt noch die Kraft jenes Wortgefechts.


Dritter Auftritt
Gravič vor, dem Zimmer der Hausherrin stehend, später im Zimmer mit Hausherrin Louise.

Gravič. Vor sich hin. Wie ist mir, ich verfalle der Raserei – ich muss mich besinnen, herrje, wie soll das sonst hier werden ... Schrecklich wie alles nun geschah – es ist zu schrecklich, ganz gleich der Wahl ... Im Herzen, da wollte ich's nicht, aber diese teuflische Lust und geschehen ist unveränderlich. Schrecklich. Wie kann ich beide lieben – ich verliere mich. Öffnet die Tür, tritt ins Zimmer ein. Zu sich selbst. Ich darf jetzt nur nicht rasend werden, ich muss fürchten, ich schlage sie sonst tot – besinne dich Kerl!
Pause.
Der Hausherr weiß noch immer nichts und sie macht keine Anstalten, ihm zu entsagen ... Scheußliches Spiel, das sie hier treibt ... Und du Mann, du tust mir um deine Dummheit leid, doch heute muss es enden – heute wird es enden. Geht auf Louise zu, die sich im Spiegel an einem kleinen Schminktisch pflegt, bleibt dicht vor ihr stehen, er merkt ihre leichten, koketten Kleider.
Louise. Dreht sich rasch um. Leise. Sie stürmen aber auf mich zu – herrje! Ich hoffe, es ist nicht ihre normale Art, mein Herr, doch jeder, der sie gerade sehen könnte, müsste ihre Schönheit beteuern, denn im Tageslicht gefallen sie mir noch viel mehr als zur nächtlichen Stunde!
Gravič. Kaltblütig. Nein, Louise – lass es ja bleiben! Deine grausam liebende Art ertrage ich keine Sekunde länger mehr ... Schämst du dich kein Stück weit – nicht einen Moment? Melancholisch. Ich könnte hier nicht mehr sein – steckte ich in deinem Frauenkleid!
Louise. Gleichgültig. Was hast du denn nun – gestern warst du noch völlig anderer Ansicht, erinnerst du dich etwa nicht mehr an den lustvollen Kuss ... Und außerdem habe ich meine Gründe, die du wissen solltest!
Gravič. Ironisch. Du bleibst also doch hier?
Louise. Belustigt. Ja, weshalb auch nicht – es ist doch fein hier oben ... Ich gestehe, ich schenkte deiner gestrigen Rede kaum Gehör, dein Äußeres verschlang meine volle Aufmerksamkeit – verzeihe mir ...
Gravič. Wütend. Pfui – das ist also ganz normal für dich!
Pause.
Ironisch. Du machst es doch mit jedem, der dir passt – was bist du Dirne schon! Heftig. Du Schandweib, wie konnte ich mich nur dir hingeben!
Louise. Enttäuscht seufzend. Schade mein lieber Herr, ich dachte, du wärst kühnerer Natur, jetzt sehe ich dich ganz gemartert und weichlich sowie deine Seele selbst weich und schwach zu sein scheint ... War es der Alkohol, der dich so schicklich machte – jedenfalls habe ich mich geirrt in dir!
Pause.
Es mag nicht recht gewesen sein – was solls ... Mir liegt viel an diesem Ort und eher würde ich meinen lieben Gatten meucheln, als dass ich von hier weggehen würde! Siehst du, mein Lieber, du verstehst mich nicht ... Vor dir, da gab es schon bessere, sowie es auch nach dir bessere geben wird – das sei dir gesagt!
Gravič. Und ich dachte, du besäßest Stolz und Klasse, nun sehe ich's – vor mir steht eine melancholische Ehebrecherin ohne Reue, du kannst dich rühmen, denn solch eine Frau wie dich sah ich zuvor zum Glück noch nicht! Bitter. Ich wurde betrogen und ausgenutzt, meine Sinne wurden mir geraubt und alles, was daraus bis jetzt entstand, wurde begleitet von Unheil und Verdammnis für meine eigene Person – famos ist das Leben, wie!
Louise. Belustigt. Kerl, es ist die reine Lust, die uns beide liebend machte, und erzähl mir nicht, du hattest keine Wahl, sonst muss ich noch meinen, du bist wirklich so schwach wie vorhin gewähnt! Erregt. Und jetzt stellst du alles dahin, als wäre es mein reiner Verdienst – du solltest dich was schämen Kerl! Kalt. Wenn sonst noch was ist, so bleibe gern hier, ansonsten kann ich dir nicht helfen – so gehe schnell ab! Dreht sich kühl von ihm weg. Und denke wohl an meinen Gatten, der wird allein mir alles glauben, was er von mir aufgetischt bekommt – nur für den Fall, dass du ihn zu belästigen versuchest ... Mein Gatte ist des Öfteren brutal, alleine gegenüber mir, er schlägt mich gerne zur Bestrafung – ich möchte mir nicht vorstellen, was er dir hübschen Kerl antäte!
Gravič. Vor sich hin. Ich bin freilich nicht von der Schuld befreit, doch wurde ich ausgenutzt – dessen bin ich mir sicher ... Und sie hat ganz recht, der Alkohol macht einen ganz zugänglich und schwächt die Sinne fein herab ... Dein Antlitz Louise erfüllt mich nun mit größtem Hass – Grausames tatst du mir an!
Pause.
Boshaft. Weib, du hast mich nur als Objekt benutzt ... Gestehe es und es nimmt kein böses Ende mit uns!
Pause.
Ich weiß wohl auch, weshalb dein Gatte dich zu schlagen hat ... Greift sie und reißt sie vom Spiegel zu sich hin. Du magst es wohl geschlagen zu werden, frevelnde Dirne!
Louise. Kaltblütig. Nun drohst du mir – bist feige genug, eine Dame zu schlagen ... Ich will's sehen, vielleicht liebst mich dann wieder wie in der gestrigen Nacht – liebst wieder an meiner warmen Brust ... Nimmt seine Hand an ihre Brust. Und noch viel mehr an meinem reinen Körper ... Ich will dir noch mal dieselbe Kost geben – du verlangst es doch, mein Herr!
Gravič. Rasend. Hure, Hexe und böses Geschlecht – ich muss dich meucheln, das hat sonst kein end! Würgt sie zu Tode.
Pause.
Jetzt ist alles aus! Louise, du hast es so hergeführt – welche Schuld habe ich daran ... Pfui – du verdorbenes Weib! Er lässt ab vom toten Frauenkörper.
Pause.
Trauernd. Ich muss hier fort – ich habe mich zu revidieren ... Lebe wohl du himmlische Louise – meine Liebe war dein Tod! Verrückt. Ich folge dir alsbald die nächste Geisterstunde schlagen wird ... Er geht schnell ab.


Vierter Auftritt
Gravič in seinem Zimmer, an Briefen schreibend.

Gravič. Vor sich hin. Heute ist mein letzter Tag – ein schockierender Tag – gleich an Grausamkeit und Tragik ... Dreißig Jahre lebe ich nun schon auf dieser schändlichen Welt und am heutigen Tage wird es mir zu viel – am heutigen Tage mordete ich einen Menschen ... Bald schon werde ich mich M... Mir wird und kann niemand mehr helfen, mein Schicksal hat sich mir nun schrecklich offenbart ... Schreibt hektisch. Heute ist der schlimmste Tag, den ich erleben werde – morgen könnte es schon nicht mehr mit mir sein ... Kommt zum Schluss. So – es ist zu Ende geschrieben. Sinnend. Da kommt mir auch meine liebe Diana in die Gedanken – um dich tut es mir umso mehr leid ... Heute habe ich mich für immer verloren – was wird bloß aus deiner armen Seele, wenn du das alles wüsstest ... Ach, ich hoffe doch, du kannst mir verzeihen, zwar bitte nicht jetzt, aber in Jahrzehnten wäre es doch schön darum – ich schaue dir vom Himmel zu ... Seufzt qualvoll.
Die Liebe ist mein tot – heute ist mein Trauertag!
Nimmt die Briefe vom Schreibpult, legt den einen auf den Stuhl, steckt den anderen ein und geht ab.


Fünfter Auftritt
Der Hausherr im Zimmer der toten Louise, diese liegt auf dem Bett, später Diana.

Hausherr. Blass vor Verzweiflung. Oh Himmel – Louise, meine arme Frau ... Wach einfach wieder auf, ich flehe dich an, es ist nur ein schwerer Traum, bald ist schon alles wieder in Ordnung … Leiden aufschreiend. Wieso nahm er mir meine teure Louise – dieser Heuchler – dieser Teufel ... Ich hasse ihn und würde ich ihn jetzt sogleich sehen, ach, wie wäre es mir darum, ihn zu meucheln – bestialisch zu meucheln ... So wie der Hund es verdient! Kläglich. Oh – ärmste Louise ... Wie kalt du bist ...
Diana. Hört die Klagerufe, kommt in das Zimmer, ein Brief in ihrer Hand. Sieht die tote Louise, schmeißt sich der Ohnmacht nah in den nahen Stuhl ... Mir wird schwarz! Wie konnte es geschehen – wie schrecklich dieser Tag!
Pause.
Leise bebend. Er hat es getan ... Wie konnte er – der Feigling! Was ist aus unserer Welt nur geworden! Liegt kraftlos im Stuhl zusammengesackt.
Hausherr. Brutal. Ja – der feige Teufel Gravič ... Er ist der Täter! Er hat meine sanfte Louise so kaltblütig erwürgt – Sie her an ihren Hals ... Es ist schrecklich – selbst den Abdruck kann ich noch ungewollt sehen! Dreht sich heftig zu Diana um, rückt ihr grausam nahe auf. Sie kannten den Teufel ... Sagen sie mir, war das vorausschaubar ... Haben sie damit etwas zu tun oder wissen sie – wieso?
Pause.
… Gewalttätig. Sagen sie's mir jetzt oder es endet nicht schön mit uns!
Diana. Erbleicht vor nackter Furcht. Bitte – ich habe damit nichts zu tun ... Oh Himmel – in tausend Leben hätte ich es nicht soweit kommen lassen!
Pause.
Es war mir – das schwöre ich heilig – nicht vorhersehbar ... Nur bitte tun sie mir nichts – womit verdiene ich das! Schluchzt bitterlich auf. Zittert.
Hausherr. Boshaft. Sei still Weib! Du musst darum wissen – ich werde mich verlieren, sagst du mir nicht schleunigst, weshalb das geschah! Hebt die Faust zum Schlag bereit empor.
Diana. Von Angst bebend. Vor sich hin. Er wird es tun – wird mich wirklich schänden – macht keine Szene ... Ich werde hier gleich mit ihr sterben! Stammelt unverständliche Worte. Sich fassend. Um alle Gnaden, Herr, ich wusste von nichts, doch fand ich diesen Brief in meinem Zimmer, er muss es unter der Tür durchgeschoben haben – gleich nach der Tat ... Der Hausherr entreißt ihr den Brief gewaltvoll, sie schreit leidend auf. Wieso schänden sie mich ... Was habe ich ihnen nur getan! Sie sind selbst ein Monster – nicht weniger schlimm wie der Teufel selbst! Jammert weiter lauthals auf.
Hausherr. Brutal. Halt jetzt endlich dein Maul! Er reißt den Brief auf, liest in Eile, dann mit mehr Zeit den Inhalt, lässt den Brief fallen. In tiefer Trauer.
Pause.
Dieses Scheusal – es behauptet ... Louise – meine edle Louise solle ihn verführt und benutzt haben ... Sie soll ihn gewollt haben, sich ihm dargeboten haben, und er wurde durch die Lust zu alledem fast schon unwillkürlich gezwungen ... Von mir schreibt er, wie arm ich in meiner Unwissenheit doch sei, wie falsch sie sei – die Tote Louise ... Die da auf dem Bette liegt, soll falsch und eine verdammte Hure gewesen sein ... Wie betäubt sitzt er auf dem Bett.
Pause.
Was tischt hier nur auf – alles Lügen ... Ganz gewaltige Lügen! Dieser schändliche Teufel, meint er könne jeden täuschen – mich nicht, ich durchschaue ihn sogleich ...
Diana. Flehentlich. Sehen sie den Zusammenhang denn nicht – es ist möglich ... Könnte es nicht Raserei aus genau dem Geschriebenen gewesen sein?
Hausherr. Schändend. Du sprichst von Raserei ... Weib – ich zeige dir, was Raserei bedeutet! Er schlägt sie mit seiner blanken rechten zu Boden, die Beine zappeln ihr vor Schock. Was bildest du dir ein, mir gegenüber zu behaupten – dass hättest du wenigstens voraussehen können ... Du bleibst eben nur ein dummes Weib vor meinem Angesicht!
Pause.
Grausam. Nein – meine Louise war ein Engel und mir treu bis auf den Tod ... Dieses Monster Gravič brachte sie um ... Niemand begehrte sie außer meiner – das weiß ich gewiss! Auf Diana blickend. Du törichtes Ding – wieso tust du mir die zusätzliche Qual nur an ... Er legt sie auf das Bett, neben die Tote Louise. Zu sich selbst. Ein Glück, sie hat noch Atem – was habe ich nur getan!
Pause.
Verrückt. Nun bin ich auch dahin ... Der fürchterlichste Tag – ich selbst tat die zweite Schreckenstat ... Bin ich doch nicht besser als der Teufel selbst! Himmel – ich bin selbst das Monster! Weint bitterlich, das Gesicht liegt ihm kraftlos in seinen zitternden Händen.
Pause.
… Verrückt. Tötender Schmerz, hier du bist – erlöse mich von all meiner Schuld …

Ende

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin und herzlich willkommen hierorts,

@N.W. ,

schön, dass sich mal wieder jemand traut, diese Rubrik hier zu nutzen. Ich werd mich wieder melden, aber das vorweg, die Wechselreden zB durch Fettdruck des wechselnden Personals anzuzeigen, also etwa wie hier im vierten Auftritt statt

Louise. Spontan. Mein Lieber – was soll die Vernunft! Entkleidet sich mit einem schnellen Handgriff, steht in ihrem reinen Antlitz vor ihm.
Pause.
Gravič. Verzweifelt. Louise – was tun sie mir! Betrachtet sie mit Würde, dann leise. Da stehen sie nun und verlangen meine Reaktion ... Sie erzwingen sie sich, sie wissen es und das ist nicht fein – nein, das ist gar nicht fein! Wiegt ihre warme Brust in seiner Hand. Es gibt kein Zurück mehr – oh, teuflische Louise!
Er küsst sie heftig und zieht sie hinunter aufs Ehebett.
besser

Louise, spontan
Mein Lieber – was soll die Vernunft! Entkleidet sich mit einem schnellen Handgriff, steht
in ihrem reinen Antlitz vor ihm.

Pause

Gravič
Verzweifelt. Louise – was tun sie mir! Betrachtet sie mit Würde, dann leise. Da stehen sie
nun und verlangen meine Reaktion ... Sie erzwingen sie sich, sie wissen es und das ist nicht fein – nein, das ist gar nicht fein! Wiegt ihre warme Brust in seiner Hand. Es gibt kein Zurück mehr – oh, teuflische Louise!

Er küsst sie heftig und zieht sie hinunter aufs Ehebett.

usw.

Und schön, dass Du den ollen Schiller zitierst. Er liefert mir in den ästh. Briefen die Grundlage zur Satire ... Aber alles andere später ...

Bis bald

Friedel

 

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