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Der Mann, der einen Schlüssel fand

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24.03.2015
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Der Mann, der einen Schlüssel fand

Toni war ein Kindskopf. Er war es immer gewesen, er war es jetzt, an seinem neunundzwanzigsten Geburtstag, und wer ihn kannte war sich sicher, dass er auch in hundert Jahren noch einer sein würde, falls er es schaffen sollte solange zu überleben ohne entweder von jemandem für einen seiner Sprüche oder Scherze erschlagen zu werden, oder durch eine seiner Dummheiten das Zeitliche zu segnen. Gelegenheiten, mit diesem Risiko zu spielen, fand er ausreichend, so auch just an diesem Tage, als er mit einem Pogostick an seinen Geburtstagsgästen vorbeihüpfte und dabei nur dank einer gehörigen Portion Glück nicht von dem rückwärtsfahrenden Wagen seiner Verlobten überrollt wurde, an dem er achtlos und in Windeseile vorbeihüpfte. Bei Kaffee und Kuchen schoss er mit seiner Gabel kleine Portionen Schlagsahne in die Menge, die mit dem Rücken zu ihm saß und drehte sich blitzschnell weg um auszusehen als wäre er in ein Gespräch mit Sandra - besagter Verlobten - vertieft.
Toni war ein Kindskopf, aber er wurde auch gemocht und respektiert. Die Leute schätzten seine herzliche, offene Art und seinen Hang alle Dinge bei ihrem richtigen Namen zu nennen, ohne lange um den heißen Brei herumzureden. Er war impulsiv, wurde aber von seinen Arbeitskollegen geschätzt, vermochte er doch seine kindliche Lebensfreude und sein blödelndes Auftreten gut zu kaschieren, wenn die Situation es erforderte. Wenn er verärgert war, zeigte er eine andere, fürchterlich ernste Seite von sich, und er neigte in solchen Situationen dazu persönlich zu werden. Seine kurz bevorstehende Beförderung stimmten ihn zuversichtlich, insgeheim wünschte er sich Kinder, hatte bisher jedoch nicht den Mut aufbringen können, diesen Wunsch auch seiner Partnerin mitzuteilen. Sie hatten sich in letzter Zeit häufiger gestritten, meistens wegen Belanglosigkeiten und er spürte wie das ihre Beziehung belastete. Trotz seines oftmals kindlichen Gemüts hatte er auch eine vernünftige, erwachsene Seite, und er hoffte, dass die Beförderung seine Bedenken etwas beschwichtigen würde und seine Beziehung durch den neuen, kräftigen Standfuß etwas stabiler werden würde.

Er fand den Schlüssel eine Woche nach seinem Geburtstag vor einem Mittelklassehotel namens Stayway im Stadtzentrum. Er war gerade auf dem Weg nach Hause, um seine Einkäufe abzuliefern, als er an dem Hotel vorbeikam, wo soeben ein Transporter mit dem Logo des Hotels an der Seite ausparkte und davon fuhr. Toni dem Auto nach, wobei ein funkelnder Gegenstand auf dem Boden seine Aufmerksamkeit erweckte. Er bückte sich, griff zu, und betrachtete seinen Fund. Der Schlüssel schien unscheinbar. Er hatte das Hotellogo auf dem Griffstück eingraviert und war vollkommen schwarz. Toni fiel auf, dass er nicht das typische Loch vorzuweißen hatte, mit dem ein Schlüssel am Bund befestigt werden kann. Er nahm ihn in die Faust und ging durch die Eingangstür.

Toni stand an der Rezeption und wartete seit einigen Minuten darauf, dass der Portier sein Telephongespräch beendete, damit er ihm den Schlüssel überreichen konnte. Er wollte ihn gerade wortlos auf der Theke hinterlassen und gehen - das Tiefkühlhähnchen musste langsam nach Hause! -, da legte der Portier auf und wandte sich zu ihm. Toni setzte an.
»Hi, ich will nicht lange stören, ich habe draußen ...« Der Portier unterbrach ihn barsch.
»Jaja, einen Moment junger Mann, ich bin sofort für sie da, lassen sie much nur kurz sehen wo ..., ja wo ist denn ... « Der Portier klopfte seine Taschen ab, sah sich auf der Theke um, bückte sich um den Boden abzusuchen und griff schließlich, die Stirn in tiefe Sorgenfalten gelegt, zum Telephon.
»Hallo Werner. Sag mal, hab’ ich den Generalschlüssel bei dir liegen lassen? Ich kann ihn nirgends finden. Nein, ich hab schon nachgesehen.« Genervt klopfte er wieder seine Taschen ab, er schnaubte.
Toni sah, die Faust unter die Theke haltend, den Schlüssel an. Generalschlüssel, dachte er. Ihm kam ein Gedanke. Ein lächerlicher Gedanke. Ein unmöglicher Gedanke, den man besser schnell vergessen sollte. Oder? Toni sprach in Gedanken mit sich selbst.
»Kannste nich’ bringen.«
»Wieso nicht? Ich könnte wenigstens mal schauen was es mit dem Ding aufsich hat. Zurück bringen kann ich ihn immer noch.«
»Ja, schon, aber ...«
Die Stimme des Pförtners brachte ihn zurück zu seiner Umwelt.
»Junger Mann! Ich habe sie gefragt, was ich für sie tun kann! Hören sie schlecht?«
Toni sah den alten Mann an, dann nach unten in seine Hand. Er zögerte noch kurz, dann drehte er sich langsam um.
»Ist schon gut. Ich hätte bloß eine Auskunft gebraucht, bezüglich meines Zimmers. Aber ich komm’ einfach später wieder.«, sagte er und ging zum Aufzug.

Zögernd drückte er die Taste zum ersten Stock. Mit einem flauen Gefühl im Magen, wie er es früher hatte wenn seine Mutter die Verwüstungen seiner Streiche fand und seinen Namen in diesem gewissen Tonfall rief, beobachtete er wie sich die Türen des Lifts schlossen. Die Unsicherheit wich während der zehnsekündigen Fahrt nach oben Vorfreude. Es war einfach zu perfekt. Würde dieser Schlüssel tatsächlich jedes Schloss im Hotel öffnen können ... er konnte sich gar nicht ausmalen was er alles tun könnte. Er würde den Leuten die Wecker verstellen, das Besteck verstecken ... es war herrlich. Als sich die Tür des Aufzugs öffnete, trat er mit einem vor strahlenden, schelmischen Lächeln heraus und hielt die Augen nach einem abseits gelegenen Raum auf.
Er musste nicht lange suchen. Als er um die Ecke des Korridors bog, stand er in einer Art Sackgasse. Nur zwei Räume lagen sich hier gegenüber - das Gästezimmer mit der Nummer 118, und eine Abstellkammer, die als ebensolche durch ein kleines Schild an der Tür gekennzeichnet wurde. Toni lauschte. Nichts. Langsam, die Füße kaum von dem Teppichboden hebend, trat er an 118 heran und hielt den Kopf an die Tür. Er vernahm keinen Ton. Niemand war da. Er führte den Schlüssel zum Schloss, hielt dann aber inne und besann sich eines besseren. Er wollte erst ausprobieren ob der Schlüssel überhaupt funktioniere, ohne das Risiko, entdeckt zu werden, unnötig zu erhöhen. Er drehte sich herum und trat an die Abstellkammer. Er hielt den Schlüssel fest in der Hand, führte ihn blitzschnell in das Schloss ein - er glitt wie durch Butter, - und drehte. Das unverkennbare Geräusch eines sich öffnenden Schlosses verhallte leise in dem Flur. Er steckte den Schlüssel in seine Jackentasche und drehte den Türknauf. Geräuschlos ließ die Tür sich öffnen und offenbarte einen stockfinsteren Raum. Toni konnte nur einige Kisten an der rechten Wand ausmachen, der Rest der Kammer lag in absoluter Dunkelheit. Sein Herz klopfte wild. Er tastete gerade die Wand nach einem Lichtschalter ab, da klingelte sein Telephon. Er erschrak fürchterlich. In Windeseile zog er die Tür zu, nahm den Schlüssel aus der Tasche und sperrte ab, steckte ihn wieder ein und lief zurück zum Aufzug bevor er auf das Handy sah. Es war seine Verlobte. Mit zitternder Stimme hob er ab.
»Ja?«
»Hi Schatz. Sag mal, bist du noch im Laden? Mir ist gerade aufgefallen dass wir keine Schwämme mehr haben, und da dachte ich, du könntest gerade noch welche mitbringen?«
Toni war mittlerweile in dem Lift und suchte nervös nach dem Schalter der ihn ins Erdgeschoss bringen sollte. »Nein«, sagte er nach einer kurzen Pause. Er zögerte. »Ich bin schon auf dem Weg nach Hause. Ich geh’ schnell zurück und hol’ noch welche.«
»Okay«, sagte Sandra. Ihre Stimme klang beunruhigt. »Ist alles klar? Du wirkst irgendwie angespannt«, fragte sie.
»Jaja, sicher, ich bin nur etwas im Stress. Ich springe schnell nochmal in den Laden und bin gleich da. Ich drück dich!« Ohne ihre Antwort abzuwarten legte er auf. Im Erdgeschoss angekommen lief er eilends zu dem Ausgang, ohne auf den Portier zu achten der ihm etwas nachrief.

Zwei Tage später stand er erneut vor dem Hotel. Er hatte sich von der Aufregung bestens erholt. Seiner Verlobten hatte er seinen Fund verschwiegen, aber als er Abends mit ihr auf dem Sofa saß und sie sich einen Film ansahen, schweiften seine Gedanken immer wieder ab, hin zu dem Schlüssel. Toni war ein guter Kerl. Niemals wäre es ihm in den Sinn gekommen etwas von den Hotelgästen zu stehlen. Er wollte nur seinen Spaß, und wenn man ihm auch hätte vorwerfen können die Folgen seines Handelns nicht ausreichend abzuschätzen - ein Einbruch in ein Zimmer war immerhin keine Kleinigkeit - , so war er doch ein herzensguter Mensch, der nichts böses im Schilde führte. Er war eben ein Kindskopf.
Als er das Hotel betrat war die Rezeption verlassen. Toni sah sich kurz nach dem Portier um - er dachte, er würde mit Sicherheit wiedererkannt werden und hatte sich im Vorraus eine Rechtfertigung parat gelegt, mit der er seine Answesenheit erklären konnte. Er würde sagen dass er hier ein Zimmer hätte, leider jedoch gerade sehr in Eile sei und deswegen keine Zeit hätte, nicht einmal für einen kurzen Plausch. Als er niemanden entdecken konnte, fuhr er hinauf in den ersten Stock.

Er hatte sich etwas Einfaches überlegt, um seine Nervosität loszuwerden, bevor er zu den richtig coolen Dingern kommen würde. Die Idee mit dem Wecker schien ihm passend. Im Flur gab es ein Schild mit der Illustration des Grundriss des Flurs. Darunter befanden sich Informationen zu den Lagepunkten der verschiedenen Zimmertypen. Toni las.

Flur A - Gang 1: Kurzzeiträume 001 - 069
Flur A - Gang 2: Dauergäste 001 - 069
Flur B - Gang 1: Kurzzeiträume 070 - 120
Flur B - Gang 2: Dauergäste 070 - 120

Er nahm an, dass die Wahrscheinlichkeit das Zimmer eines Gastes zu treffen, der morgens aus den Federn musste, in den Zimmern für Dauergäste höher war, und so machte er sich auf in Richtung Flur A, Gang 1. Leise lief er durch den Gang, horchte, versuchte herauszufinden welches Zimmer leer sein mochte. Aus einigen Räumen drangen Fernseherlaute, in zweien vernahm er gedämpfte Gespräche, der Rest war still. Seine Hände begannen zu schwitzen, sein Herz schlug wieder schneller. Doch er mahnte sich selbst, sich zusammen zu nehmen. Er würde jetzt einfach das erstbeste stille Zimmer nehmen, und wenn jemand darin war würde er behaupten ein Angestellter des Hotels zu sein, sich entschuldigen und dann blitzschnell verdrücken. Er steuerte auf Zimmer 020 zu. Ein letztes Mal horchte er, dann nahm er den Schlüssel und führte ihn das Schloss. Innerhalb von drei Sekunden war die Tür offen, Toni eingetreten und die Tür wieder zu.
Das Zimmer war spartanisch eingerichtet, aber wohnlich. Man hat sofort ein anheimelndes Gefühl dachte Toni bei sich, als er das Kirchholzbett betrachete, die blank polierte Tischplatte auf dem Schreibtisch in einer Nische des Zimmers, und den gemütlich, wenn auch etwas abgenutzt aussehenden Sessel in der hinteren Ecke des Raumes. Schwere, braune Vorhänge machten es dem Tageslicht schwer einzudringen und sorgten für ein gedämpftes Licht, das den ganzen Raum in eine Atmosphäre versetzte wie er sie mit dem Haus seiner Großmutter in Verbindung brachte. Unter der Fensterbank stand ein Koffer, halb offen, mit heraushängender Herrenwäsche. Das Bett war zerwühlt, über dem Stuhl vor dem Schreibtisch hing ein Handtuch. Der Gast konnte noch nicht lange fort sein, und es würde wahrscheinlich nicht lange dauern bis der Zimmerservice erschien. Im Halbdunkel schlich Toni durch den Wohnraum, befühlte den massiven Kleiderschrank der hinter der Tür stand und steuerte dann auf das Badezimmer zu, nicht ohne den Wecker zu entdecken, der auf dem Nachttisch am Kopfende des Bettes stand. Das Bad war winzig, aber elegant. Ein vornehmes Waschbecken aus schwarzem Marmor, darüber ein einfacher, rahmenloser Spiegel. Auf dem Waschbeckenrand stand Rasierschaum und ein Rasierer. Zusammen mit der Toilette nahm die rustikal wirkende Kabinendusche den Großteil des Raumes ein. Die Wände der Kabine waren nass. Toni verließ das Badezimmer eilenden Schrittes und trat schnurstracks an den Nachttisch heran. Er nahm den Wecker in die Hand und sah nach, ob der Alarm eingestellt war. Tatsächlich. Die Weckfunktion war eingeschaltet, der Zeiger stand auf sechs Uhr. Toni drehte ihn mit schweißnassen Fingern zurück auf fünf. Dann stellte er den Wecker zurück auf den Nachttisch, wischte sich die Stirn mit dem Ärmel seines Shirts ab, ging zur Tür und lauschte nach Geräuschen auf dem Flur. Als er nichts hörte, verließ er das Zimmer, sperrte ab und rannte zur Treppe. Hektisch sah er sich um, fand die Empfangshalle verlassen vor und eilte durch die Eingangstür.
Auf der Straße angekommen fiel die Angespanntheit augenblicklich von ihm ab. Toni brach in ein ehrliches, euphorisches Gelächter aus. Die Vorstellung, wie der arme Mann am nächsten Morgen nichtsahnend eine Stunde zu früh aufstehen, sich fertig machen und zur Arbeit oder sonstwo hin aufbrechen würde, war einfach zu schön. Bestens gelaunt machte er sich auf den Weg nach Hause.

Zuhause angekommen trat er mit der Erwartung durch die Tür, seine Verlobte vorzufinden. Sandra hatte heute früher Feierabend und sie hatten geplant, den Abend gemütlich miteinander zu verbringen, Kino vielleicht, vielleicht auch nur eine Flasche Wein auf dem Sofa. Doch sie war nicht da. Er rief sie an. Zwölfmal ertönte das Freizeichen, bevor sie abhob.
»Hi«, sagte sie, und ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr sie mit einem seltsamen Ton in der Stimme fort, den Toni als entnervt-nervös zu erkennen glaubte.
»Hör zu, ääh, ich ... es dauert hier noch etwas länger, ich ääh, ich melde mich wenn ich fertig bin. Ich muss auflegen. Bis später.« Nach jedem ‘ääh’ folgte eine absurd lange Pause. Toni blickte verwirrt auf sein Telephon.
Zwei Stunden später rief Sandra ihn an und sagte ihre Verabredung für den Abend ab. Er war sauer. Gerade weil sie sich in letzter Zeit häufiger gestritten hatten, Sandra immer häufiger Sonderschichten übernahm -sie sagte, sie hoffe ebenfalls auf eine Beförderung. Sie sahen sich nur selten und Toni hatte sich auf den Abend gefreut, der seit langem die erste Gelegenheit für ein wenig Gemütlichkeit bot.

In den folgenden Wochen verschlechterte sich die Situation weiter. Sie stritten beinahe immer wenn sie sich sahen. Immer öfter sahen sie sich tagelang gar nicht, weil Sandra Überstunden machte, ihre Mutter besuchen wollte, einen dringenden Termin hatte oder sonstwas. Toni spürte, dass sie ihm aus dem Weg ging und Ausreden vorschob. Wenn er sie anrief, um mit ihr darüber zu sprechen, wich sie ihm aus und sagte sie wolle diese Angelegenheiten nicht am Telephon besprechen. Sie schien ständig wütend zu sein, wenn sie mit ihm sprach.
Er war, vor allem bedingt durch die unfreiwilligen Nachmittage allein, in der Zwischenzeit noch viermal im Hotel gewesen. Er sah sich nicht in der Lage, dem Portier glaubhaft zu versichern dass er Gast des Hotels sei, und so, wartete er jedesmal lauernd in der Nähe des Eingangs, bis der alte Mann hinter der Rezeption verschwand um dann schnell in die oberen Stockwerke zu verschwinden. Er beschränkte sich nichtmehr nur auf die erste Etage. Der Herr in Zimmer 020 war noch ein weiteres Mal sein Opfer. Toni schlich sich in das Zimmer wie er es beim ersten Mal getan hatte und machte sich am Kleiderschrank zu schaffen. Er vertauschte die Positionen der Hemden und Hosen und band Socken falsch zusammen. Er ließ sich alles in allem mehr Zeit als beim ersten Mal, war aber dennoch wahnsinnig nervös, weil er befürchtete der Zimmerservice könnte aufkreuzen. Vor seinem dritten Mal bereitete er sich besser vor. Die leere Rezeption ausnutzend, packte er sämtliche verfügbaren Infobroschüren ein und photographierte den Plan des Hotels. Er erfuhr aus den Broschüren, dass der Zimmerservice grundsätzlich nur zwischen zwölf und zwei Uhr nachmittags erschien, je nachdem auf welchem Flur das jeweilige Zimmer lag. Am nächsten Tag um fünfzehn Uhr befand er in dem Flur der zweiten Etage und blickte sich um. Als er sich für ein Zimmer entschieden hatte schlich er pfeilschnell hinein und machte sich ans Werk. Er stellte die Lautstärke des Fernsehers auf MAX - er hatte zu diesem Zweck extra ein paar Kopfhörer mitgebracht -, verstellte auch hier den Wecker und brachte allgemein verwirrte Unordnung in die Einrichtung des Zimmers. Als er nach seinem vierten Besuch, der aus ähnlichen Banalitäten bestand, das Hotel verließ fühlte er sich unbefriedigt und war gereizt. Die Situation mit Sandra nahm ihn mit, auch er war ständig wütend auf alles und jeden, weil die Wut, die jedesmal entstand wenn er sich von ihr ignoriert und belogen fühlte, kein Ventil fand. Sein nächster Besuch würde anders sein, dachte er bei sich. Schluss mit den Kindereien. Diesmal würde es etwas Besonderes sein. Vielleicht würde er die Gäste beobachten, sich ein Mädchen herauspicken und künstliche Spinnen in ihrer Wäsche verstecken. Vielleicht könnte er bei irgendeinem Opa eine Zeitschaltuhr am Fernseher anbringen und ...
Er erschrak vor sich selbst. Sowas konnte er unmöglich tun. Er wollte seine Wut auf keinen Fall an anderen Leuten auslassen. Heute Abend war Sandra da und er würde mit ihr reden. Sie hatten sich schon zwei Stunden zuvor gesehen - und gestritten. Er ging auf dem Heimweg am Supermarkt vorbei und kaufte eine Flasche Wein und Zutaten für ihr gemeinsames Lieblings-Lasagnerezept. Was soll’s, es ist zwar ein wenig kitschig, aber naja, dachte er sich und nahm sogar einen Strauß Rosen mit.

Zuhause angekommen fand er die Wohnung leer vor.
Er stellte seine Einkäufe in der Küche ab und ging, sein Handy in der Hand, zum Wohnzimmer, wo er sich auf die Couch fallen ließ. Er wollte sie anrufen und fragen wo sie stecke. Zu seinen Füßen klingelte es. Er beugte sich nach vorn und sah Sandra’s Telephon in der Spalte zwischen Boden und Sofa liegen, vor sich hin vibrierend. Er legte auf und nahm es. Es musste ihr aus der Hose gerutscht sein oder ähnliches, dachte er, als sein Blick auf den Couchtisch fiel, auf dem ein Zettel lag. Er las.

“Bin gleich zurück, gehe bloß schnell einkaufen.”

Er schaltete das Display des Handys an um auf die Uhr zu sehen. Er starrte etwa zwei Minuten auf das Display. Er las auf dem Bildschirm, scrollte durch den Text, während seine Miene sich verfinsterte. Den Zettel in der linken Hand zerknüllte er; seine Knöchel färbten sich weiß. Dann hörte er Schritte auf dem Flur. Eilends schaltete er den Bildschirm ab und legte das Handy zurück dorthin wo er es gefunden hatte, bevor er in die Küche rannte. Als Sandra die Tür aufschloss, rief er ihr eine fröhliche Begrüßung aus der Küche zu und ging zu ihr, um ihr von seinem Plan für den Abend zu erzählen.

Am nächsten Abend um einundzwanzig Uhr öffnete sich der Lift im zweiten Stock des Stayway Hotels und aus ihm traten ein Mann und eine Frau, beide Ende zwanzig. Sie waren offensichtlich leicht beschwipst und losgelöster Stimmung. Arm in Arm liefen sie, halb gehend, halb tanzend, zu Zimmer 056, wobei der Mann seine Hand wie beiläufig unter den Rock seiner Begleiterin gleiten ließ, wo sie einen nackten Oberschenkel streichelte. Als sie an der Zimmertür ankamen durchsuchte die Frau ihre Handtasche aufwendig nach dem Zimmerschlüssel. Als sie ihn endlich gefunden hatte und sie zusammen eintraten, hatte sie ein mulmiges, flaues Gefühl im Magen.

 

Hallo Donald

Damit deine Geschichte nicht vollkommen unkommentiert bleibt, versuche ich dir mal die eine oder andere Anregung zu geben:

Er war es immer gewesen, er war es jetzt, an seinem neunundzwanzigsten Geburtstag, und wer ihn kannte war sich sicher, dass er auch in hundert Jahren noch einer sein würde, falls er es schaffen sollte solange zu überleben ohne entweder von jemandem für einen seiner Sprüche oder Scherze erschlagen zu werden, oder durch eine seiner Dummheiten das Zeitliche zu segnen.
Das ist der zweite Satz. Ich würde dir dazu raten, ihn zu kürzen, bzw. mehrere kurze Sätze daraus zu machen. Das erschlägt einen als Leser irgendwie direkt mal.

Die Leute schätzten seine herzliche, offene Art und seinen Hang alle Dinge bei ihrem richtigen Namen zu nennen, ohne lange um den heißen Brei herumzureden.
Glaube zwischen Hang und alle Dinge sollte ein Komma.

Seine kurz bevorstehende Beförderung stimmten ihn zuversichtlich [...]
stimmte

Toni dem Auto nach, wobei ein funkelnder Gegenstand auf dem Boden seine Aufmerksamkeit erweckte.
Im ersten Teil des Satzes fehlt etwas. Evtl ein "sah".

Aber ich komm’ einfach später wieder.«, sagte er und ging zum Aufzug.
Der Punkt nach der wörtlichen Rede gehört da nicht hin. Einfach Schlusszeichen, dann Komma und dann weiter mit sagte.

Die Unsicherheit wich während der zehnsekündigen Fahrt nach oben Vorfreude
Glaube hier fehlt auch etwas.

er konnte sich gar nicht ausmalen was er alles tun könnte.
Komma zwischen was und er.

und hielt die Augen nach einem abseits gelegenen Raum auf.
offen anstatt auf klingt mMn besser.

Er wollte nur seinen Spaß, und wenn man ihm auch hätte vorwerfen können die Folgen seines Handelns nicht ausreichend abzuschätzen
Komma zwischen können und die Folgen.

Er nahm an, dass die Wahrscheinlichkeit das Zimmer eines Gastes zu treffen, der morgens aus den Federn musste, in den Zimmern für Dauergäste höher war [...]
Komma zwischen Wahrscheinlichkeit und das Zimmer.

und wenn jemand darin war würde er behaupten ein Angestellter des Hotels zu sein, sich entschuldigen und dann blitzschnell verdrücken.
Komma zwischen war und würde und zwischen behaupten und ein Angestellter.

Ja, lieber Donald, du musst an deiner Kommasetzung arbeiten. Evtl handelt es sich dabei und auch bei den Sätzen, bei denen etwas fehlt, auch einfach nur um Flüchtigkeitsfehler und ein oder zweimal durchlesen würden schon den Unterschied machen. Das musst du wissen ;).

Was ich leider auch sagen muss ist, dass ich nach den ersten zwei Dritteln aufgehört habe zu lesen. Der Grund hierfür ist einfach: Das ließt sich wie ein Bericht. Keine wörtlichen Reden oder sonst was. Der Text wird einfach nur runtergeleiert. Du sagst, Toni sei ein Kindskopf. Ich fände es witzig zu sehen, wie dieser 29jährige Kindskopf Gespräche führt. Ist er da albern? Oder witzig? Oder was er sonst noch so für ein Typ ist eben. Kindskopf kann jeder sein und mit einem Pogostick kann auch jeder rumhüpfen, aber macht ihn das gleich zu einem erwähnenswerten Kindskopf? Im Allgemeinen mag ich Kindsköpfe, deswegen hätte ich mich gefreut, deinen Kindskopf etwas besser kennenzulernen.

Ich denke, dass all die Sachen, die ich erwähnt habe, mit Übung früher oder später von alleine nicht mehr so häufig auftauchen werden, also bleib dran :thumbsup:.

lg zash

 

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