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Der Mord

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18.05.2003
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Der Mord

Eines Tages, ich war ungefähr vier Jahre alt, erklärte mir meine Mutter was der Tod bedeutet. Sie erzählte, dass man begraben wird und dass die Toten in den Himmel kommen. Meine Oma war gestorben und ich wollte einfach nicht das schwarze Kleid anziehen, was ich mir nicht ausgesucht hatte.

Ein paar Tage später, nach der Beerdigung, bekam ich von meiner Tante Hilda meine erste Puppe geschenkt. Ihr Name war Isa. Sie hatte braune, lange Haare und blaue Augen und war einfach wunderschön. Ich spielte nur noch mit ihr und es kam mir vor, als hätte ich eine Schwester, denn sie konnte sogar Pipi machen. Ich zog ihr Kleider an und wieder aus und flocht ihr Zöpfe.

Als ich ihr mal wieder ein neues Kleid anziehen wollte, blieb der Kopf im Kragen stecken. Doch wie ich auch zog und zerrte, der Kopf wollte einfach nicht rauskommen. Plötzlich machte es "knack" und der Kopf fiel mir in den Schoß.
Vor Schreck sprang ich auf, so dass der Kopf von meinem Schoß unter das Bett rollte. Ich traute mich nicht, nach dem Kopf zu schauen und schob schließlich ihren restlichen Körper mit dem Fuß unter mein Bett.

Am Abend, als meine Mama mich ins Bett gebracht hatte, konnte ich lange nicht einschlafen. Ständig hatte ich vor Augen, wie der Kopf von Isa da unten lag und mich vorwurfsvoll durch die Matratze ansah. Zitternd machte ich die Nachttischlampe an, beugte mich langsam über den Rand und schaute unter das Bett. Zwei große Augen starrten mich an und schnell ließ ich mich zurückfallen und versteckte mich unter der Bettdecke.

Stunden später war ich immer noch wach und dachte darüber nach, was ich mit Isa machen sollte. Tränen standen mir in den Augen und meine Fantasie quälte mich, wie Isa ohne Kopf unter dem Bett hervorkam und mich angriff.
Ich sprang aus dem Bett, flitzte schnell zum Schrank und kramte meinen Turnbeutel hervor. Dann bewaffnete ich mich mit meiner roten Plastikschaufel und schlich zum Bett.
Langsam kniete ich mich nieder, schloss ganz fest meine Augen und schob die Schaufel langsam unter mein Bett. Ich fühlte Widerstand und blind schob ich die Körperteile in meinen Beutel. Ich ließ die Schaufel sofort fallen und machte ruck zuck den Beutel zu. Isa sollte nicht die Chance kriegen, herauszukommen.
Endlich wusste ich, was zu tun war.

Tagelang aß ich kaum etwas und erfand immer wieder Ausreden, um draußen nicht zu spielen. Ich wollte meinen Eltern nichts von meiner schlimmen Tat erzählen. Sie hätten mich dann bestimmt ins Gefängnis gesteckt, weil alle bösen Menschen dahin kommen. Das hatte ich im Fernsehen gesehen.

Bald besuchte uns Tante Hilda wieder. Eigentlich freute ich mich immer, wenn sie kam. Aber diesmal nicht, denn ich zitterte vor Angst. Ich wartete auf die Frage, wo Isa sei und ob ich mit ihr auch spielen würde. Nach dem Abendessen kam sie dann auch.
Ich fing zu weinen an und Tante Hilde nahm mich auf ihren Schoß.
"Was ist denn los, Kleine?"
"Ich habe Isa getötet!", heulte ich und vergrub meinen Kopf an ihrer wogenden Brust.
"Getötet? Ja wie denn das?", schmunzelte Hilda und drehte meinen Kopf zu sich.
Ich wollte sie schön machen....und da...da ist ihr der Kopf abgefallen!" schluchzte ich wieder.
"Und wo ist Isa jetzt?", fragte Tante Hilda.
"Ich hab sie begraben - so wie Oma Gertrud!"
"Was denn, auf dem Friedhof?", staunte Hilda.
"Nein im Garten, hier", hickste ich aufgeregt.

Schließlich nahm mich Tante Hilda an die Hand und wir machten uns mit einer großen und einer kleinen Schaufel auf den Weg.
Wir gruben Isa aus und Tante Hilda wusch sie sauber und machte den Kopf wieder drauf. Meine Mutter nähte ein neues Kleid, mit einem größeren Ausschnitt und ich war glücklich.
Und jedes Mal, wenn ein Körperteil meiner Puppen abfiel, wusste ich, Puppen können nicht sterben.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Joker!

Eine schöne Geschichte, die ich gern gelesen habe. Für eine mögliche Deutung bin ich jetzt ehrlich gesagt zu faul, sorry.

"Als ich ihr eines Tages wieder ein neues Kleid anziehen wollte, blieb der Kopf im Kragen stecken. "
Das Bild ist so schön morbide, dass ich schrekclich lachen musste... Sorry. Mein Geschmack. Äh.

"Doch wie ich auch zog und zerrte(KOMMA) der Kopf wollte einfach nicht rauskommen. Plötzlich machte es (*)knack(*) und der Kopf fiel mir in den Schoß.
Vor Schreck sprang ich auf, so das der Kopf(KEIN KOMMA) von meinem Schoß(AUCH KEINS) unter das Bett rollte. "

"Denn ich hatte ständig vor Augen, wie der Kopf von Isa da unten lag und mich vorwurfsvoll durch die Matratze ansah."
Ist eine sehr nette Idee, finde ich.

" mit dem Fuß unter das Bett."
" und schaute unters Bett."
INKONSEQUENZ! ERTAPPT!

"Langsam stand ich auf, flitzte schnell zum Schrank "
Wir trinken die schwarze Milch der Frühe, als ein buntgescheckter Schimmel langsam um duie Ecke sprang.. Oder so. Ach, das mache ich auch immer und ärgere mich drüber.

"Isa sollte nicht die Chance bekommen(KOMMA) herauszukommen."
Und wortwiederholung, statt herauszukommen vielleicht -gelangen?

"Und wo ist Isa jetzt?" (KOMMA)fragte Tante Hilda.
"Ich hab sie begraben - so wie Oma Gertrud!"
"Was denn, auf dem Friedhof?"(KOMMA) staunte Hilda
"Nein im Garten, hier"(KOMMA) hickste ich aufgeregt.
Ach. Bitte!

"Und jedes Mal, wenn ein Körperteil meiner Puppen abfiel,"
Kein sehr sanftes Mädchen, hm? Da musste ich wieder Lachen. Ach, mein Geschmack.

Was ich mich frage: ist das wirklich eine KINDERgeschichte? Hm.

Äh- sorry, wenn das nicht zusammenpasst. Ich bin momentan ziemlich durcheinander.
Äh.

Guten Abend noch,
All-Apologies

 

Hallo Joker!

Da hast du ja eine schaurig-schöne Kindheitsanekdote aufgetischt! Die Vorstellung von der "ermordeten" Puppe hat mich zum Schmunzeln gebracht... ;)
Ich mag solche Geschichten aus der Kindheit - egal, ob sie nun fiktiv sind oder nicht.
Dabei habe ich den Eindruck gewonnen, dass es eher eine Geschichte für Erwachsene ist, und keine Vorlesegeschichte für Kinder (du sagst zB.: "Visionen quälten mich...")
Aber eine Erwachsenen-kindergeschichte, so wie deine, ist mal eine nette Abwechslung in diesem Forum...

Eine Kleinigkeit noch:

Sie erzählte, das man begraben wird und das die Toten in den Himmel kommen.
Ich glaube, jeweils ein 'ss' bei 'das'.


LG
Wolf

 

@ all-apologies und @kleiner Wolf!
Vielen Dank für Eure netten Kommentare und Berichtigungen (Ich und Kommas :bonk: )

Jedenfalls, ist diese Geschichte wahr, denn ich habe das angestellt :D

Gruß Ulrike

 

"Jedenfalls, ist diese Geschichte wahr, denn ich habe das angestellt "

KLASSE!
Oh mann, das ist soooo süß, wenn ich nicht die Vermutung hätte, das du 100 oder so Jahre älter bist als ich, ich würd' dich KNUDDELN!:kuss:

Jona

 

Hallo Joker,

was hast Du denn noch so alles angestellt als Kind?
Einfach seine Puppe ermorden, schäm Dich.:messer: :D

Nette Geschichte, die ich aber glaube ich nicht als Vorlesegeschichte für kleine Kinder nehmen würde.
Ich schliesse mich da auch Wolfs Meinung an, eine schön beschriebende Kindheitserinnerung, aber eher für Erwachsene oder zumindest ältere Kinder.
Ich denke, die Szene, wo Du beschreibst, wie der Kopf der Puppe unter dem Bett liegt, und Du Angst hattest, dass die Augen Dich durch die Matraze anstarren würden, und dass der Kopf Dich angreifen würde ist zu gruselig für kleine Kinder.
Ansich fand ich die Geschichte aber echt süss.

LG
Blanca

 

Hallo Blanca! Ja, da habt ihr auf jeden Fall recht. Vielleicht sollte ich die Geschichte eher zu "Alltag" stellen lassen? Was meint ihr?
Gruß Ulrike

 

Hallo Ulrike,
tja, schwere Frage, könntest Du natürlich auch machen.
Oder aber, wie Wolf schon sagte, als nette Abwechslung als Erwachenen-Kindergeschichte hier stehen lassen.
Hm, jetzt bist Du glaube ich genau so schlau wie vorher.:confused: :D
Mal schauen, was die anderen meinen.

LG
Blanca

 

Hallo Joker,

Kinder haben sehr oft ganz gespenstischen Fantasien, und in sofern finde ich deine Geschichte auch nicht zu grausam als Vorlesegeschichte für Kinder.
Denn sie gibt ja auch deine dich erschreckenden Fantasien angesichts des abgefallenen Kopfes von Isa wieder.
Was mich ein bisschen stört ist die Drohung "Gefängnis zu Onkel Paul". Auch das wäre durchaus eine kindgerechte Verarbeitung, aber der Onkel Paul müsste in der Geschichte dann eine Rolle spielen. Ist er Wärter im Gefängnis, oder sitzt er dort ein?

Zu Beginn deiner Geschichte hasat du ein bisschen zu viel "eines Tages" und "doch" in zu kurzer Folge hintereinander. Vielleicht fällt dir da ja noch etwas besseres ein.

Lieben Gruß, sim

 

Vielen Dank Sim-werde mich gleich an die Änderung machen!
Gruß Ulrike

 

Hallo Joker!
Echt süss, die Geschichte. Ich finde sie jetzt gar nicht so ungeeignet für Kinder. Zwar... Auf jeden Fall würde ich sie hier lassen, wie der kleine Wolf schon gesagt hat, eine gute Abwechslung.

Gute Geschichte.

Liebe Grüsse,
Marana

 

hallo Ulrike!

Auch mir hat Deine Geschichte sehr gut gefallen. Ich dednke, für etwas ältere Kinder ist sie auf jeden Fall geeigent, und für Erwachsene ist sie auf jeden Fall nett zu lesen...

liebe Grüße
Anne

 

Hallo Joker!
Der Titel deiner Geschichte hat mich neugierig gemacht, denn ich finde "Der Mord" als Titel einer Kindergeschichte ziemlich ungewöhnlich.

Ich finde dir ist eine nette Geschichte gelungen. :)
Und ich denke nicht, dass die Geschichte zu grausam ist, denn, wie sim schon sagte, haben Kinder eine blühende Fantasie und ihre Gedanken gehen manchmal seltsame Wege. :D

bye und tschö

 

Der Titel deiner Geschichte hat mich neugierig gemacht, denn ich finde "Der Mord" als Titel einer Kindergeschichte ziemlich ungewöhnlich
Allerdings. Finde ich ziemlich wirksam, den Namen.

 

Hallo Joker,

eine alte Geschichte von Dir, die ich hier ausgegraben habe ...

Ob sie als Kindergeschichte wirklich so richtig geeignet ist, das bezweifle ich. Und zwar liegt das nicht an dem Mord - ich finde es durchaus glaubwürdig, dass Kinder glauben, sie hätten ein Spielzeug umgebracht - es liegt mehr an einigen allzu erwachsenen Formulierungen. Z.B.:"Tränen standen mir in den Augen und meine Fantasie quälte mich". Das würde ein vierjähriges Kinder weder denken, noch sagen.

Aber als unterhaltsame Anekdote aus Deiner Kinderzeit habe ich sie gerne gelesen.

Liebe Grüße
Barbara

 

Hallo al-dente!
Schon ein bißl her, aber trotzdem vielen Dank für Dein Kommentar :)

LG Joker

 

Hi Joker!
Lustiege Geschichte.
Du hast geschrieben: Ich fühlte den Widerstand und blind schob ich die Körperteile in den Beutel.

Und am Schluss schreibst du: "Nein im Garten, hier.", hickste ich aufgeregt.

Erst ist im Beutel und dann im Garten, aber vom Garten habe ich garnichts gelesen.

LG

Anaid

 
Zuletzt bearbeitet:

hallo Anaid :)
Danke für Dein Kommentar :)

Der Abschnitt mit den Körperteilen im Beutel ist schon richtig so...also ohne Garten, da sie ja noch in ihrem Zimmer ist..und danach steht ja: sie wusste nun was zu tun war...

Später kommt dann erst heraus..das sie die Puppe im Garten vergraben hatte :)

LG Joker

PS: @ all: Dies ist keine Kindergeschichte im eigentlichen Sinne, sondern von einem Erwachsenen erzählt...wie es früher einmal passierte..da die Ausdrücke und Gedanken erwachsener sind und die ein Kind wohl so nicht formulieren würde :)

 

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