Was ist neu

Der Schlüsselmann

Mitglied
Beitritt
01.06.2009
Beiträge
24
Zuletzt bearbeitet:

Der Schlüsselmann

Der Schlüsselmann

Es wurde schon Dunkel, als Ralf Schelling, bekannt als der Schlüsselmann das Auto verließ um zu helfen. Der Schlüsselnotdienst war sein ganzer Stolz, deshalb ignorierte er auch, dass seine Beine bei jedem Schritt wegknickten und die Wolken am Himmel zu kreisen schienen. „Die Sonne scheint immer, die Wolken entscheiden darüber, ob du sie siehst“, dieser Spruch war ihm ans Herz gewachsen. Zumindest waren in diesem Fall zwar Gangunsicherheit und Schwindel, jedoch keine Schmerzen zu spüren. Sein Auftrag hatte Priorität: „Weiter, immer weiter“, schärfte er sich deshalb ein.

Die Frau klang ängstlich, als sie ihn anrief: ihre Tür öffne sich nicht und es wäre sehr eilig und wichtig sowieso. Wankend näherte sich der Schlüsselmann nun dem Hochhaus, welches sich in Mitten einer dieser urbanen Sozialwohnungsgebiete befand. Die Kundin sagte, dass es das Höchste der Gebäude sei und er es nicht verfehlen könne und beeilen solle er sich. Niemand sah, wie schlimm es um ihn stand, nur die Fenster der umliegenden Häuser beobachteten, wie dem fleißigen, torkelnden Türöffnungsspezialisten plötzlich der Koffer aus der Hand glitt und er der Länge nach auf den Gehweg fiel.

Als er zitternd wieder auf die Beine kam, legte sich ein grauer Schleier auf sein Blickfeld. Schwer atmend bückte er sich um seine Tasche wieder aufzuheben. „Solange es nicht weh tut, kann es nicht so schlimm sein“, sagte er sich und rieb sich die Schläfen. Schließlich wurde er jetzt gebraucht. Die Sicherheitsbemühungen der Schließmechanismen zu überwinden war nicht nur sein Beruf, sondern seine Passion. So leicht konnte ihn nichts aus der Bahn werfen.

In einer der unteren Etagen des Hochhauses wehten unansehnliche Gardinen in die Dämmerung, während das Gummigefühl seiner Beine ihn in das düstere, übel riechende Foyer begleitete. "Im obersten Stockwerk wollte die Frau vor Wohnung 7 auf ihn warten", bemühte der Schlüsselmann sein Gedächtnis. Das pingende Geräusch verriet ihm, dass der Fahrstuhl gerade angekommen war. „Solch ein riesen Haus und keine Menschenseele zu sehen“, dachte er und betätigte mit zittriger Hand den Knopf für die 35. Etage. Graffitis hatten das Innere des Aufzugs klischeehaft mit dem sozialen Umfeld verbunden. Klappernd begann das Gefährt seinen Weg nach oben. „Kühl hier“, fröstelte er und klappte den Kragen seines Overalls hoch, es kam ihm so vor als würde es immer kälter, je höher der Fahrstuhl im Inneren des Molochs hinauf rumpelte.

Einige Zeit später kam er mit einem Ruck zum stehen. Die Tür glitt quietschend zur Seite und kaltes Licht flutete den dunklen Flur. Er war da." Frau finden, Tür auf machen, zum Arzt gehen“, sagte er sich. Sein Körper war völlig kraftlos, trotzdem setzte er seine Beine in Bewegung.
„Hier", rief eine raue, bebende Stimme, während die Aufzugstür sich knarzend schloss und der Fahrstuhl wieder nach unten kroch und ihn im Dämmerlicht des Flurs zurück ließ. Schemenhaft konnte der Schlüsselmann eine zierliche Gestalt ausmachen, die am Ende des Gangs an einer Tür lehnte. „Kommen sie schnell“, forderte die Frauenstimme ihn auf. Mehrfaches betätigen des floureszierenden Lichtschalters an der gegenüberliegenden Wand brachte nichts. Es blieb dunkel. Tatterig kramte er eine Taschenlampe aus seinem Koffer. Irgendwie ist das alles seltsam hier, dachte er und knipste die Lampe an, die nun einen wackelnden Lichtkegel in den Flur warf, der sich, nachdem sich der Schlüsselmann schwankend in Bewegung gesetzt hatte, langsam der Frau näherte.

„Guten Abend, mein Name ist Schelling“, begrüßte er seine Aufraggeberin und bemühte sich darum, seine Stimme nicht erschöpft klingen zu lassen.
„Machen Sie schnell“, antwortete die Frau. Sie lehnte zusammengekrümmt an der Wand während sie die Worte hervor presste. "Diese Tür dort“, fügte Sie keuchend hinzu und deutete auf den Wohnungseingang direkt neben Ihr.

„Dürfte ich bitte zuerst Ihren Ausweis sehen, Sie wissen ja, die Formalitäten.“

„Der ist in der Wohnung.“ Trotz des offensichtlich angeschlagenen Zustands seiner Kundin, hielt sich der Schlüsselmann ans Protokoll, welches vorsieht, niemanden die Tür zu öffnen, der sich nicht als Besitzer oder Mieter der Wohnung ausweisen kann. „Es tut mir leid“, sagte er, „ da kann ich nichts machen, aber ihnen scheint es ja wirklich schlecht zu gehen, soll ich sie zu einem Arzt fahren“?

„Bitte nicht, ich bin okay. Wichtig ist, dass ich jetzt in meine Wohnung komme“, krächzte die Frau. Der Schlüsselmann befand sich in einer Situation, die ihm gar nicht schmeckte. Einerseits tat ihm die Frau leid, anderseits gab es Regeln und zu all dem stand er selbst fast vor einem Kollaps. Er wendete seinen Blick der Frau zu und leuchtete ihr mit der Taschenlampe ins Gesicht. Was er sah ließ ihn nach Luft schnappen und zurück taumeln.

Das Gesicht seiner Kundin war Blut überströmt. „Oh mein Gott, was ist Ihnen bloß zugestoßen?“ fragte er fassungslos. „Sie müssen sofort ins Krankenhaus“, stammelte er und kramte umständlich nach seinem Handy, um sofort einen Krankenwagen zu verständigen.
„Bitte“, flehte sie, „zuerst muss ich in die Wohnung, bitte“!
Was konnte nur so wichtig sein, dass seine Kundin ihre offensichtlichen Verletzungen ignorierte, um in ihre Wohnung zu gelangen. „Wenn sie mir die Tür nicht öffnen, dann rufe ich einen anderen Schlüsseldienst“, drohte sie ihm. In welchem Dilemma steckte er da nur? Alles drehte sich in seinem Kopf. Er hatte Mühe sich zu konzentrieren. Seine Kehle war staubtrocken. „Okay. Wenn Sie mir versprechen, dass ich zuerst einen Rettungswagen verständigen darf, öffne ich die Tür“.

„Abgemacht, aber jetzt beeilen Sie sich“!

Der Schlüsselmann informierte den Rettungsdienst und machte sich anschließend kopfschüttelnd an die Arbeit. Reine Routine, dachte er. Tatsächlich war er trotz Dauerschwindels in der Lage seine Arbeit zu verrichten. Nach kurzer Zeit hatte er den Draht so in das Schloss geführt, dass er mit geschickten Bewegungen den Schließmechanismus austricksen konnte. Es war ein deutliches Klack zu hören, als das Schloss aufsprang. „So, jetzt warten wir bis der Krankenwagen kommt", informierte er die Frau“. Sie hörte Ihn nicht, sondern stieß die Tür auf. In diesem Moment wurde der gesamte Flur in gleißendes weißes Licht getaucht. „Kommen Sie“, flüsterte seine Kundin, nahm ihn an die Hand und zog ihn in das Licht. Er folgte ihr ohne Widerstand.

Johann Mahlstedt raste mit seinem Kollegen Peter in Richtung Fleckenviertel, über Ihnen heulte das Martinshorn. Die Notrufzentrale hatte die beiden Rettungsassistenten kurz zuvor informiert, dass ein Notruf eingegangen sei. Verletzte Frau im Europahochhaus. Aus der Ferne sahen sie zwei ineinander verkeilte Autos. „Auch das noch“, krähte Johann, „ ruf noch einen zweiten Wagen, wegen der verletzten Frau, dieser Unfall scheint jetzt dringender. Kurze Zeit später bremste der Krankenwagen an der Unfallstelle. Mit routinierter Eile sprangen die beiden Sanitäter auf die Straße und rannten los. Johann steuerte auf den kleinen Lieferwagen zu, auf dessen verformten Seite in Leuchtbuchstaben „ Der Schlüsselnotdienst Nr.1“ stand. „Zu spät“, rief Peter ihm vom anderen Auto zu. „Die Frau lebt nicht mehr.“ In der Hoffnung noch helfen zu können zerrte Johann an der Tür des Lieferwagens, die zwar leicht klemmte, aber schließlich kreischend nachgab und einen Anblick offenbarte, den er nur zu gut kannte und trotzdem etwas besonderes hatte. Der Fahrer hatte sein Handy noch in der rechten Hand, hatte scheinbar selbst den Notruf getätigt.

Alexandra Schelling, die Frau des Schlüsselmanns bereitete gerade das Abendbrot zu. Ihr Sohn Paul spielte im Wohnzimmer. Im Radio lief gerade Ihr Lied. Bei diesem Song hatte sie ihren Mann kennen gelernt. „Paul, gehst du dir die Hände waschen, Papa müsste gleich da sein und dann wollen wir essen“, rief sie ihrem Sohn fröhlich zu. „Och Menno“, nölte ihr Sohn und rappelte sich schließlich auf, um ins Badezimmer zu laufen, da er sich immer auf seinen Vater freute. Alexandra nahm gerade die Kartoffeln vom Herd um sie ab zu gießen, als der Radiosprecher die Nachrichten begann. „ Bei einem tragischen Unfall kamen heute eine junge Frau und ein Mann im Fleckenviertel ums Leben, als ihre Fahrzeuge frontal zusammen stießen. Beide waren laut Polizeiangaben sofort tot“. In diesem Moment sah sie zwei Polizeibeamte am Küchenfenster vorbei gehen. Sie ließ den Topf fallen. Die Kartoffeln verteilten sich rollend über den Küchenboden. Danach kam nichts mehr.

 

Hallo Eule,

ich finde deine Geschichte klasse. Normalerweise lese ich nur einige Sätze, bevor ich einen guten Grund finde nicht weiterzulesen. Deine Geschichte allerdings war wirklich spannend geschrieben. Dir sind ein paar Flüchtigkeitsfehler unterlaufen, z.B. :
- unansehnliche Gardinen in der Dämmerung
- in Richtung Fleckenviertel. Über ihnen...
- kurz zuvor darüber informiert, dass ein Notruf eingegangen sei: verletzte Frau im ...
- "Och Menno", nörgelte ihr Sohn
Ansonsten ist dieser Text meiner Meinung nach echt gut geschrieben.
Die Handlung ist spannend, interessant und gut aufgebaut.
Schönen Tag noch

Darinka

 

Hallo Darinka,

es freut mich sehr, dass dir die Geschichte gefällt.

Liebe Grüße
Jens

 

Hallo eule!

. „Kommen Sie“, flüsterte seine Kundin, nahm ihn an die Hand und zog ihn in das Licht. Er folgte ihr ohne Widerstand.
Pflichtbewusstsein über den Tod hinaus.
Schelling musste (von einer höheren Macht) eine Chance bekommen, seinen letzten Auftrag zu erfüllen, sonst wäre er wohl nie ins „Licht“ gegangen.
In einigen Details eine etwas gewagte Konstruktion – warum bekommt er einerseits einen Schwächeanfall, andererseits jedoch verspürt er keinen Schmerz -, aber wer weiß schon genau, was „danach“ passiert. Da hilft Logik nicht weiter.

Textkram:

Er war da.“ Frau finden, "Tür auf machen, zum Arzt gehen“, sagte er sich.
Er war da. „Frau finden, Tür auf machen, zum Arzt gehen“, sagte er sich.

„Hier “, rief eine rauhe, bebende Stimme,
„Hier“, rief eine raue, bebende Stimme,

„Kommen sie schnell“, forderte die Frauenstimme ihn erneut auf, sich zu beeilen.
„sich zu beeilen“ kann raus; geht aus der Rede hervor.

Er betätigte den fluoreszierenden Lichtschalter der sich gegenüber an der Wand befand. Nichts passierte. Auch eine Wiederholung des Vorgangs brachte keinen Erfolg.
Das geht kürzer:
Er betätigte mehrmals den fluoreszierenden Lichtschalter der sich gegenüber an der Wand befand. Nichts passierte.


Tatterig kramte er daraufhin eine Taschenlampe aus seinem Koffer.
Solche Füllwörter müssen nicht sein, zumal die Handlung chronologisch erzählt wird.

„Guten Abend, mein Name ist Schelling“, begrüßte er seine Aufraggeberin und bemühte sich darum, seine Stimme nicht erschöpft klingen zu lassen. „Machen Sie schnell“, antwortete die Frau.
Bei Sprecherwechsel neue Zeile. Das hast du öfter vergessen.

ignorierte, um in ihre Wohnung zu gelangen. „Wenn sie mir die Tür nicht öffnen, dann rufe ich einen anderen Schlüsseldienst“, drohte sie ihm. In welchem Dilemma steckte er da nur? Alles drehte sich in seinem Kopf. Er hatte Mühe sich zu konzentrieren. Seine
Auch hier neue Zeile:
ignorierte, um in ihre Wohnung zu gelangen.
„Wenn sie mir die Tür nicht öffnen, dann rufe ich einen anderen Schlüsseldienst“, drohte sie ihm.
In welchem Dilemma steckte er da nur? Alles drehte sich in seinem Kopf. Er hatte Mühe sich zu konzentrieren. Seine …


Nach kurzer Zeit hatte er den Draht so in das Schloss geführt, dass er mit geschickten Bewegungen den Schließmechanismus austricksen konnte.
Wirklich mit einem einfachen Draht?

„So, jetzt warten ich bis der Krankenwagen kommt",
„So, jetzt warte ich bis der Krankenwagen kommt",

Johann Mahlstedt raste mit seinem Kollegen Peter in Richtung Fleckenviertel über Ihnen heulte das Martinshorn.
Hinter Fleckenviertel Punkt oder Komma.

Die Notrufzentrale hatte die beiden Rettungsassistenten kurz zuvor informiert, dass ein Notruf eingegangen sei.
Oder kürzer:
Die Zentrale hatte die Rettungsassistenten über den Notruf informiert.
Allgemein könntest du knapper formulieren.

Alexandra Schelling, die Frau des Schlüsselmanns …
Der ganze letzte Absatz ist überflüssig.
„Der Fahrer hatte sein Handy noch in der rechten Hand, hatte scheinbar selbst den Notruf getätigt.“, ist für mich ein passender Schluss.


Gruß

Asterix

 

Hey Asterix,

vielen lieben Dank für deine Anmerkungen und Korrekturen, schließlich bin ich hier, um zu lernen. Ich hoffe, dir hat die Geschichte ein wenig gefallen.
Liebe Grüße
Jens

 

Hallo eule1969,

ich war beim Lesen deiner Geschichte zuerst auf der falschen Fährte und dachte der Mann vom Schlüsseldienst bekäme bei seinem Arbeitseinsatz erste Anzeichen von einem Schlagfanfall, MS oder einem Herzinfarkt.
Der Schluss war wirklich sehr überraschend und gelungen.

Gruß
Leia4e

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom