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14.08.2012
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Der Sprung

Anja flitzte die Leiter zum Fünfmeterbrett hoch, als hätte sie Hornissen im Hintern. Ohne innezuhalten lief sie an den Rand der Betonplatte, sprang ab, schraubte sich wie schwerelos in die Höhe und vollführte in der Luft Drehung um Drehung, dass Fins alleine vom Zusehen schwindlig wurde. Kerzengerade und fast geräuschlos verschwand sie im Wasser. Wie ein Fischotter, dachte Fins. Augenblicke später tauchte Anja am Beckenrand auf, schwang sich heraus und war schon wieder oben. Und noch ein Sprung, und dann noch einer.
Fins konnte sich nicht sattsehen, nicht an Anjas Sprüngen, nicht an ihrem Grinsen, das sie ihm dazwischen immer zuwarf, und schon gar nicht an ihren gebräunten, wasserglitzernden Beinen. Und erst ihr süßer Hintern, Herr im Himmel! … Fins spürte ein Ziehen im Bauch.
Endlich kam sie zu ihm, prustete, schüttelte sich wie ein nasser Hund und ließ sich neben ihn auf die Decke fallen.
„So, und jetzt du.“ Ganz außer Atem war sie.
Fins streckte sich, starrte in den Himmel und zündete sich eine Zigarette an.
„Gleich. Ich rauch grad eine.“
„Der Martin ist gestern von ganz oben runter. Vom Zehner.“
„Sagt wer?“
„Na er selber.“
„Und zufällig hat’s niemand gesehen.“
„Doch, der Joe und die Tanja waren dabei. Und die Moni.“
„Blödsinn. Der Martin doch nicht, der Hosenscheißer.“
„Wenn ich’s dir sag.“
Anja blickte ihn spöttisch an. Beinahe unmerklich schüttelte sie den Kopf und zuckte mit der Schulter. Sie stand auf, hüllte sich in ihr Handtuch und nestelte sich den Badeanzug vom Leib, dann bückte sie sich nach ihrem Slip. Fins atmete tief ein, seine Eingeweide spielten schon wieder verrückt. Als Anja das Badetuch fallen ließ und sich das T-Shirt überzog, erhaschte er einen sekundenkurzen Blick auf ihre Brüste. Dunkel und hypnotisierend wie Raubtieraugen blitzten ihn die Nippel an. Oh Gott, oh Gott. Er drehte sich auf den Bauch und ließ seine Blicke an dem grauen Betonungetüm hochwandern. Ausgerechnet der Martin. Verdammt, der war erst dreizehn. Er fummelte an der Packung, Mist, die Zigaretten gingen ihm auch aus. Gerade mal zwei waren noch drin.
Anja band sich die Haare hoch, dann stopfte sie ihren Kram in die Tasche.
„Na ja, ich muss dann mal los. Ist eh niemand mehr da.“
„Warte, Anja.“
Fins warf die Kippe ins Gras und sprang auf, tänzelte herum und boxte in die Luft. Er grinste wie ein Blödmann.
„Okay, okay, okay, ich mach‘s … Warum nicht heute. Pff. Scheiß doch drauf.“
Anja wippte auf den Zehen und hob die Brauen, dann setzte sie sich wieder und Fins schlenderte zum Sprungturm.
Zehn Meter, … wie der zweite Stock von einem Haus ungefähr, na und? Eh nur Wasser, ist ja kein Beton. Pff. Sprosse für Sprosse stieg er die Leitern hoch. Es war längst Abend, im Freibad unter ihm waren kaum noch Menschen und die tiefstehende Sonne ließ die Bäume am Rand der Liegewiese in einem magischen Licht erstrahlen, grün, orange, golden. Ein schöner Tag zum Sterben, dachte er. Dann war er oben, im zweiten Stock. Entschlossen ging er auf den vorderen Rand der Plattform zu und starrte dabei mit zusammengekniffenen Augen unentwegt in den roten Feuerball. Erst als er ganz vorne war, bemerkte er mit Entsetzen, dass er die rechte Hand in der Badehose hatte und an seinem Pimmel herumzupfte wie ein verängstigter Dreijähriger. Hatte Anja das gar gesehen? Grundgütiger, er schiss sich vor Angst fast in die Hose. Das war mindestens der dritte Stock.
Er strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und schloss die Augen.
„Scheiß doch drauf“, murmelte er und sprang.

***​

„Mama, bitte. Die Alex hat sogar zwei. … Bitte, Mama.“
„Himmelherrgottnochmal, Gloria, wie oft soll ich’s dir denn noch sagen? Ein für alle Mal: Vergiss es. Vergiss es einfach. Oder meinst du etwa, wir hätten einen Geldscheißer?“
Gloria stieß Rauch an die Decke, schniefte und zog Rotz die Nase hoch.
„Was grinst’n so blöd, Doofi?“ Sie schnitt eine Grimasse und streckte ihrem Bruder die Zunge raus.
„Leck mich doch, Pickelfresse“, zischte Tommi.
„Ihr hört jetzt sofort auf. Beide. Mach deine Aufgaben endlich fertig, Tommi. Und du nimm gefälligst die Füße vom Tisch und hol dir verdammt noch mal ein Taschentuch. Dein Geplärre ist ja nicht zum Aushalten.“
„Und wenn ich’s nicht mach?“
„Wirst schon sehen.“
Aufreizend langsam nahm Gloria die Füße vom Tisch und zog noch einmal Rotz hoch. Tommi lachte laut auf. Ihre Mutter fuhr herum und schlug Gloria ins Gesicht.
Gloria sprang so heftig auf, dass ihr Stuhl durch die Gegend flog. Tommis Glas fiel um und Kakao ergoss sich über sein Schulheft.
„Nein, nein, nein“, heulte er auf, „oh Fuck!“
„Ich hasse dich, Mama. Ich hasse dich, ich hasse dich!“, schrie Gloria, stürmte aus der Küche und knallte die Tür hinter sich zu.
„Spinnst du jetzt komplett, du blöde Göre?“, rief ihr die Mutter nach. „Hast mir jetzt die Kleinen auch noch aufgeweckt, du Miststück. Scheiße, Scheiße, Scheiße. Ich dreh noch durch mit euch.“
Sie ging zum Gitterbett und rüttelte ein wenig daran. „Schschsch, Schschsch. Haltet einfach die Klappe, ihr kleinen Scheißer. … Schschsch.“ Mit dem Fuß schob sie ein paar Wäschestücke unter das Bettchen. Die Zwillinge brüllten.
„Sag mal, Fins, hast du eigentlich vor, heute noch mal deinen Arsch hochzukriegen? Das darf ja nicht wahr sein.“
„Anja, bitte.“ Fins schmiss die Zeitung zu Boden und richtete sich auf dem Sofa auf. Er angelte sich die Bierdose, schüttelte sie, dann zerdrückte er sie und ließ sie fallen. Er steckte sich eine Zigarette an.
„War doch eh erst gestern um die Stütze, was brauch ich denn noch mehr Bewegung, hä? Bin rank und schlank wie ein Jungspund, hähä.“
„Arschloch.“
„Ist doch wahr. Schau dich doch nur mal an.“
Er stand auf, rülpste und ging zum Kühlschrank.
„Man kommt ja kaum noch an dir vorbei, echt. Mach mal Platz.“
„Hab vielleicht ich mir diese gottverdammte, scheißwinzige Bude ausgesucht, du Versager?“
„Ja, ja, reg dich wieder ab. … Hab vielleicht ich mir diese gottverdammten Bälger ausgesucht, hä?“
„Nein, natürlich nicht, die hat der Storch gebracht, du Schlappschwanz.“
„Ach leck mich doch am Arsch. … Bier gibt’s auch keins mehr. Scheiße. Sag mal, kümmerst du dich eigentlich um irgendwas?“
Fins kramte im Kühlschrank und zog eine halbvolle Weinflasche hervor. Er pfefferte den Korken in die Ecke und nahm einen tiefen Schluck.
„Sieh dich doch nur mal an“, murmelte er und schlurfte zum Sofa, „deine Wampe, deine Haare, oh Gott, oh Gott ...“
Anja setzte sich an den Tisch und begann zu heulen. Tommi malte mit dem Finger Kakaokreise in sein Heft.
„… ja, heul nur. Meinst du vielleicht, mir ist nicht zum Heulen? Sieh uns doch nur mal an. … Und ihr zwei Hosenscheißer seid jetzt endlich still! Gebt endlich Ruhe, verdammt noch mal! … Was für ein Irrenhaus.“ Er sprang auf und warf die Flasche in die Spüle.
„Ich muss noch mal zu Joe rüber.“ Fins schnappte sich seine Jacke und schlug die Türe hinter sich zu. Weg war er.
„Ja, geh du nur. … Bring eine Flasche Wein mit, du Arschloch“, schluchzte Anja.

***​

Der Aufprall war fürchterlich. Nix Fischotter. Wie ein toter Wal trudelte Fins zum Boden des Bassins und meinte zu spüren, wie es ihm das Trommelfell zerfetzte. Er strampelte und strampelte und endlich durchstieß er die Wasseroberfläche. Er schnappte nach Luft, riss die Augen auf und starrte geradewegs in die untergehende Sonne. Zwischen den Fingern spürte er seinen verschreckten Penis, winzig wie ein Radiergummi, und auf der Wiese unter ihm war keine Menschenseele mehr zu sehen.
„Herr im Himmel, Fins, springst du jetzt endlich, oder willst du da oben übernachten?“
„Leck mich doch am Arsch“, flüsterte er tonlos, „lass mich doch einfach in Ruhe.“ Er spürte, wie ihm Tränen hochstiegen.
„Schlappschwanz!“, rief Anja, drehte sich um und lief Richtung Ausgang, verschwand hinter den Kabinen. Weg war sie.
Fins blickte in die Sonne und sprang.

 
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Tja, ist quasi sowas wie ein inoffizieller Copywrite-Text.
Irgendwie hat’s mich einfach gereizt, als snif unter seiner Geschichte Der Sprung (Romantikrubrik) in einer Kommentarantwort an mich das schrieb:

snif schrieb:
Deine Lieblingsvariante? Ich gäbe etwas daf ür, eine Geschichte von dir zu dieser Lieblingsvariante zu lesen.

Na ja, und jetzt hab ich’s halt einfach versucht, hähä.
Unsicher war ich mir bei der Rubrikwahl. Diverser Unfug schiene mir passend, gibt’s leider nicht.

offshore

 

Lieber offshore,

nee, ehrlich, so ein schöner Anfang, mit ein bisschen Herzklopfteenwehmut (ach ja, damals, die Sommer im Schwimmbad) und dann, peng, Absturz in 'nen alkoholgeschwängerten, lieblos-hart gestalteten Frustalltag, an dem noch das Schönste ist, dass - zumindest ihm - die Flucht aus ihm hin und wieder möglich ist.
Also klar, sehr gut eingefangen die Stimmungen, du kannst eben toll schreiben, aber wenn einer sich schon traut, für sie vom 10er zu springen ... dann endetet das nicht so. Jedenfalls ist das meine unzerstörbare Hoffnung.
Für mein Empfinden eine gelungene Geschichte, die mich aber leider auf Distanz hält (weil ich sie so nicht glauben mag :-).
Übrigens hatte ich mal eine Wette mit meinem Sohn verloren und musste auch da runter, ich weiß, was dein Prot mitgemacht hat!

Viele Grüße,

Eva

 
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Lieber offshore,

Ich mochte das gerne lesen, schon allein wegen deiner Sprache, die mir von Anfang an (von deiner ersten Geschichte an meine ich) super gefiel.
Aber ich muss mal sagen, dass ich an einer Stelle total auf dem Schlauch stehe. Und die ist entscheidend für das Verständnis der gesamten Geschichte.

Aber ich fang vorne an.

Ohne innezuhalten lief sie an den Rand der Betonplatte, sprang ab, schraubte sich wie schwerelos in die Höhe und vollführte in der Luft Drehung um Drehung, dass Fins alleine vom Zusehen schwindlig wurde.
So schön.

Kerzengerade und fast geräuschlos verschwand sie im Wasser. Wie ein Fischotter, dachte Fins.
Das auch
Auch wenn mir bösartigem Weib natürlich einfällt, dass Fischotter zwar sehr wendig sind, aber keine Turmspringer. Aber das sage ich auch ein bisschen um dich zu ärgern. Der Vergleich ist schon sehr schön.

„Der Martin ist gestern von ganz oben runter. Vom Zehner.“
„Sagt wer?“
„Na er selbst.“
„Und zufällig hat’s niemand gesehen.“
„Doch, der Joe und die Tanja waren dabei. Und die Moni.“
Zuerst noch ganz souverän, dann oh je, son Scheiß, der Arme.

Als Anja das Badetuch fallen ließ und sich ihr T-Shirt überzog, erhaschte er einen sekundenkurzen Blick auf ihre kleinen Brüste, auf ihre Nippel. Dunkel und hypnotisierend wie Raubtieraugen waren die.
Echt? Raubtieraugen? Sieht er sie so gefährlich? Aber im Nachhinein passts vielleicht doch.


Sprosse für Sprosse stieg er die Leitern hoch. Es war längst Abend, im Freibad unter ihm waren kaum noch Menschen und die tiefstehende Sonne ließ die Bäume am Rand der Liegewiese in einem magischen Licht erstrahlen, grün, orange, golden.
Ja, die Farben die Atmosphäre, die da entsteht, das ist offshore. Schön.

Erst als er ganz vorne war, bemerkte er mit Entsetzen, dass er die rechte Hand in der Badehose hatte und an seinem Penis herumzupfte wie ein verängstigter Dreijähriger.
Schöne Idee, wie sich da hinterrücks seine Bubenangst in archaischer Körpersprache Geltung verschafft.

Hatte Anja das gar gesehen? Grundgütiger, er schiss sich vor Angst fast in die Hose. Das war mindestens der dritte Stock.
Da hätte er dann einen draufgesattelt! :D
Schön, dass sich da die Stockwerke steigern.


Und dann kommt der Teil, wo sie älter sind, zwei völlig überforderte und vergrätzte Leute, die füreinander und für die Kinder so viel an Liebe aufbringen wie eine Klapperschlange für einen Kaktus. Sie arbeitet, ist aber nur am Schreien, ist gewalttätig und völlig am Ende und er arbeitet nicht und lässt seine Frau alles machen und beschimpft sie auch noch, weil sie aus der Form gegangen ist. Dafür wird sie von ihm als Versager beschimpft.
Das ist echt ein Absturz. Fast könnt man sagen , dass sie ein bisschen überzogen dargestellt sind. Jedenfalls hab ich mich tüchtig erschrocken vor diesem Gruselausgang einer Liebe.

Der Aufprall war fürchterlich. Nix Fischotter. Wie ein nasser Sack trudelte Fins zum Boden des Bassins und meinte zu spüren, wie es ihm das Trommelfell zerfetzte. Er strampelte und strampelte und endlich durchstieß er die Wasseroberfläche. Er schnappte nach Luft, riss die Augen auf und starrte geradewegs in die untergehende Sonne. Zwischen den Fingern spürte er seinen verschreckten Penis, winzig wie ein Radiergummi, und auf der Wiese unter ihm war keine Menschenseele mehr zu sehen.
Ja ist er jetzt gesprungen? Nein, er springt erst später.
Der Absturz muss also in seiner Fantasie stattgefunden haben. Und der Absturz in ein schreckliches Eheleben symbolisieren. Er hat das gesehen, was aus dieser Liebe zu Anja werden könnte.

„Herr im Himmel, Fins, springst du jetzt endlich, oder willst du da oben übernachten?“
„Leck mich doch am Arsch“, flüsterte er tonlos, „lass mich doch einfach in Ruhe.“ Er spürte, wie ihm Tränen hochstiegen.
„Schlappschwanz!“, rief Anja, drehte sich um und lief Richtung Ausgang, verschwand hinter den Kabinen. Weg war sie.
Fins blickte in die Sonne und sprang.
Da ist jetzt wieder die Realität, er springt erst, als sie weg ist. Gottseidank.
Denn, wenn man immer nur gegen Martins anstinken und Sachen machen muss, die einen völlig überfordern, nur damit die kleine Lady zufrieden ist, dann ist das mit der Liebe vielleicht auch so eine Sache. Und wenn man sie nicht mehr gewinnen muss, die Lady, dann kann man vielleicht springen.


Also ich weiß jetzt auch nicht, ich hab wie du siehst, das ganz anders aufgefasst als Eva, deshalb hab ich mal direkt mitgeschrieben.

Ansonsten fand ich das hübsch zu lesen, eine merkwürdige Jungenfantasie, die ihn vor einer falschen Liebe bewahrt.
Ja, Zeiten auf dem 10meter Brett können lang werden.

Gut geschrieben von offshore, gern gelesen von Novak
viele Grüße und ein schönes Wochenende

 

Hallo ernst

Ich sehe die Geschichte als einen Beleg für die Aussage Sei vorsichtig mit deinen Wünschen - sie könnten in Erfüllung gehen. Wäre Fins gesprungen, hätte er Anja beeindruckt, wären sie ein Paar geworden, hätten geheiratet, zwei Kinder bekommen und wären in den düsteren Alltag abgerutscht, den du uns im zweiten Absatz präsentierst.

Aber Fins springt (zunächst) nicht, wird von Anja beleidigt, sie haut ab, verliert das Interesse an ihm und sie kommen nie zusammen. Fins hat sich also diese düstere Zukunftsvision erspart.

Nun - ich weiss nicht, wie ernst ich den Text jetzt nehmen soll, weil du selbst schreibst, am besten hätte er in Diverser Unfug gepasst. Für mich schwingen da aber auch Themen wie Schicksal, Vorbestimmung, Zufall und Eigenverantwortung mit, also nicht unbedingt das, was man gemeinhin als Unfug bezeichnet. Ich könnte mir den Text auch in der Rubrik Philosophie vorstellen (und vielleicht entlockt dir das jetzt ein Grinsen, weil du ihn mit einer ganz anderen Absicht geschrieben hast).

Auf der einen Seite impliziert der Text einen direkten Zusammenhang zwischen Fins' Sprung und dem gesellschaftlichen Absturz; der Sprung startet eine Kausalkette an Ereignissen, die nicht mehr unterbrochen werden kann, ähnlich wie umfallende Dominosteine. Auf die Art gelesen vertritt er einen fatalistischen Ansatz.

Andererseits aber postuliert er auch das Gegenteil, denn Fins hat ja durchaus die Wahl, was den Sprung angeht. Erst springt er nicht, dann tut er es doch, das widerspricht dem Fatalismus (auch wenn man argumentieren kann, dass genau diese Reihenfolge - kein Sprung, Sprung - durch das Schicksal von Anfang an vorgegeben war, aber dann wird es allzu philosophisch) und damit auch dem zweiten Absatz (oder dem, was ich hineingelesen habe). Nach meiner Lesart widerspricht sich der Text selbst, stellt zwei Aussagen in den Raum, und vielleicht ist es dieser Aspekt, den du als Unfug betrachtest. Oder mache ich mir da schon zu viele Gedanken?

Vielleicht. Auf der rein inhaltlichen Ebene hat mich der Text gut unterhalten, ich fand ihn angenehm zu lesen. Kleiner Kritikpunkt: Die Figuren werden mir gegen Ende zu überzeichnet, also vor allem natürlich der zweite Abschnitt trieft vor Klischees, aber auch Anja am Ende - dass Anja ihn da als Schlappschwanz bezeichnet, er ihr sagt, sie soll ihn am Arsch lecken - das bringe ich nicht ganz mit den Figuren aus dem ersten Absatz in Einklang, wo sie mir noch am besten gefallen haben, da war ich auch sehr nah an ihnen dran. Den Fins hast du sehr realitätsnah rübergebracht, auch nachvollziehbar geschrieben, warum er unbedingt vom 10er springen muss. Auch seine Angst kann ich verstehen - ich habe selbst kein Problem mit Höhen, es sei denn, ich muss runterspringen :). Für mich war bei 7,5m Schluss. Und die Anja macht mir zu Beginn ein wenig zu viele und zu tolle Sprünge vom 10er, aber vielleicht ist sie ja Leistungssportlerin bei den Turmspringern ;).

Also ernst, ich habs gern gelesen, vielleicht hab ich ein wenig mehr reingedichtet als es deine Absicht war - mal schauen was du meinst.

Grüsse & schönen Samstag noch,
Schwups

 
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Servus Eva,

nee, ehrlich, so ein schöner Anfang, mit ein bisschen Herzklopfteenwehmut (ach ja, damals, die Sommer im Schwimmbad) und dann, peng, Absturz in 'nen alkoholgeschwängerten, lieblos-hart gestalteten Frustalltag, an dem noch das Schönste ist, dass …

… er nur imaginiert, phantasiert, geträumt, was weiß ich was, ist? In Wahrheit also gar nicht stattfindet?

Also klar, sehr gut eingefangen die Stimmungen, du kannst eben toll schreiben, aber wenn einer sich schon traut, für sie vom 10er zu springen ...

Fins springt eben nicht für Anja vom Turm. Erst als sie weg ist springt er dann runter, ohne Zeugen, ausschließlich für sich selbst.
Ja, ich weiß, ist schon eine etwas seltsame Geschichte (und möglicherweise in der falschen Rubrik), am besten liest du auch noch meine Antwort an Novak.

Auf jeden Fall hab Ich mich über dein Lob gefreut, und ich freu mich auch, dass du wieder da bist. Über den Sommer hast du dich ja im Forum etwas rar gemacht. Schreib doch mal wieder was, würde mich freuen.

Vielen Dank, Eva.


Aber ich muss mal sagen, dass ich an einer Stelle total auf dem Schlauch stehe. Und die ist entscheidend für das Verständnis der gesamten Geschichte.

Das schreibst du ganz am Anfang deines Kommentars, liebe Novak, und beim Weiterlesen warte ich natürlich gespannt auf deine Erklärung, wo es dich denn nun verständnismäßig geschleudert hat. Und ich lese und lese und hab dabei das Gefühl, du hast die Geschichte eigentlich eh vollkommen durchschaut, möglicherweise besser als ich selbst. Und bevor du noch einmal besagte Stelle erwähnst, kommst du schon zum Resümee, und ziehst dabei die richtigen Schlüsse:

Ja ist er jetzt gesprungen? Nein, er springt erst später.
Der Absturz muss also in seiner Fantasie stattgefunden haben. Und der Absturz in ein schreckliches Eheleben symbolisieren. Er hat das gesehen, was aus dieser Liebe zu Anja werden könnte.

eine merkwürdige Jungenfantasie, die ihn vor einer falschen Liebe bewahrt.


Was, liebe Novak, hast du denn nun nicht kapiert?
Was da wirklich während Fins‘ imaginiertem Sprung passiert?
Tja, da muss selbst ich passen, ehrlich, ich hab keine Ahnung.

Hat Fins einen Wachtraum? Eine Vision? Hat er am Nachmittag Drogen genommen? Schießt ihm ein überaus heftiger Photonensturm von der Sonne das Hirn zu Matsch? Lässt gar eine Art Riss im Raum-Zeit-Kontinuum Fins in eine mögliche, wenn auch nicht determinierte Zukunft blicken? Zum Teufel, ich weiß es einfach nicht.
Ach Novak, es ist nicht so, dass ich mir über die Geschichte nicht den Kopf zerbrochen hätte, aber über viele der Sachen, die man da noch rauslesen bzw. reininterpretieren kann, ging mir eigentlich erst nach dem Schreiben ein Licht auf.
Und überhaupt war es in Wahrheit die Jugendgeschichten-Challenge, die mich diesen Text wieder hervorkramen ließ. Klar hat mich ursprünglich snifs Geschichte inspiriert, aber mehr als ein paar Sätze der Anfangsszene bekam ich damals nicht hin, und die schlummerten seit Juni als erbärmliches Fragment auf meiner Festplatte.
Und dann kamen die ganzen Challenge-Texte mit ihren wirklich ungemein spannenden und ergiebigen Themen, all dieses unausgegorene, durcheinandere Zeug in pubertierenden Gehirnen, die ambivalente Gefühlswelt von Jugendlichen, das nicht Wissen, an welchen Werten man sich orientieren soll, das Drama und gleichzeitige Wunder um die erwachende Sexualität, dazu vielleicht noch zerrüttete Familienverhältnisse, überhaupt die Sinnsuche, die Angst vor der Zukunft, usw.
Na ja, und all das ließ mich in den letzten Tagen halt viel nachdenken und mich schließlich diese Story fertigschreiben. (Obendrein ist mein jüngerer Sohn momentan gerade vierzehn.)
Und irgendwie seh ich das jetzt schon auch so, dass Snif kein Feigling ist, sondern ein sehr reflektiertes Kerlchen eigentlich, dem es, wenn auch eher unbewusst, schon in seinem zarten Alter gelingt, sich von diesen Geschlechterrollenklischees zu emanzipieren. Er scheißt quasi auf den Mainstream. Klar springt dann letztendlich auch er, aber nicht weil er ein Poser ist, sondern er tut’s nur um seinetwillen. Er will und braucht keine Zeugen. Der Sprung ist gleichsam sein ganz persönlicher Initiationsritus. Meinetwegen auch eine Art Katharsis.
Und klar kann man die Geschichte auch als böses Gleichnis dafür verstehen, dass halt auch die noch so romantische Liebe oftmals sehr schnell in Alltagstristesse und Drama endet. Und das ist ja ein Phänomen, das wirklich alle Gesellschaftsschichten teilen.

Ich will da jetzt nicht zu viel hineingeheimnissen in die Geschichte. Dass genug Raum für die eigenen Gedanken der Leser drin ist, war allerdings durchaus beabsichtigt.

Ich hab mich sehr über deinen Kommentar gefreut, Novak, und dass du immer und immer wieder meine Sprache lobst, kann ich natürlich nicht oft genug hören. Vielen Dank

offshore

PS

Jedenfalls hab ich mich tüchtig erschrocken vor diesem Gruselausgang einer Liebe.

Ich hätte nie gedacht, dass ich hoffnungsloser Romantiker einmal die Horrortante Novak erschrecken könnte.


Servus Schwups,

dein Kommentar ließ mich tatsächlich grinsen, mich aber auch gleichzeitig nachdenken, weil du ein paar wirklich interessante Aspekte ansprichst.
Ich will dir auch ausführlich darauf antworten, allerdings schaffe ich das frühestens morgen. Einstweilen musst du mit meiner Antwort an Novak vorliebnehmen, möglicherweise findest du darin ein paar Antworten auf deine Fragen.
(Übrigens macht Anja ihre Kunstsprünge vom Fünfmeterbrett, nicht vom Zehner.)

Und auch wenn du die böse Familienszene als zu klischeehaft empfindest, hab ich heute noch mal ein wenig nachgelegt und sie noch böser gemacht, hähä.

Einstweilen vielen Dank, Schwups.

 

Ja, das wäre toll,

lieber ernst,

und mal wieder Grund genug, vorbeizuschauen (früher hieß die geschlossene Anstalt Tollhaus!, und ist das wirkliche Leben nicht eh reif für die Anstalt?) aus finS Snif zu verkennen (vorsicht, fast grinst der sn[agenn]iF aus seiner Kiste da durch [hätt’s gern in Spiegelschrift geschrieben, ist aber im Gegensatz zur Lautschrift fast unmöglich und ein Zeichenprogramm find ich hier nicht an dieser Kiste im Internetcafé]):

Was für ein Irrenhaus[!],
allemal
[e]in guter Tag zum Sterben.
Allemal!, ob nun auf der tobacco road oder in der gewässerten Sprunggrube.

Zwo kleine Schnitzel wären kommentarlos nachzutragen

Anja flitzte die Leiter zum Fünfmeterbrett hoch[,] als hätte sie Hornissen im Hintern.

Gerade[…]mal zwei waren noch drin.
Grund genug, nochmals bei Snif vorbeizuschauen ...

Gruß

Friedel,
der noch'b schön' Wochenend wünscht!

 

Hallo offshore

Es kostete mich Überwindung, in diese Geschichte einzutauchen ;). Das im Titel in Klammern gesetzte erweckte mir das Vorurteil auf eine Abhandlung zu stossen, die einzig dazu dient, die Kritik an einer andern Geschichte zu betonieren. Dass es ein abbröckelndes Vorurteil von mir ist, merkte ich beim Lesen der eintrudelnden Kommentare. Also nochmals rein, angelesen hatte ich es schon mal, und alle Kommentare im Gedächtnis in den Hintergrund drängend, damit ich es möglichst unbefangen angehe.

Der Einstiegssatz, mit Hornissen im Hintern, na ja, ich verbuchte es unter der jugendlich-literarischen Ambition, Deine Söhne prägen Dich, ansonsten hätte ich es als hemmend empfunden. Ab dem zweiten Absatz erlangt die Geschichte dann den Elan, den ich von Dir gewohnt bin, es perlte sprachlich dahin, sodass ich es einer Strömung gleich einziehen konnte.

Aber auch wenn es flüssig daherkommt, nachfolgend gar neckisch, warf es mich aus dem Lesefluss, da eine eher unwahrscheinliche Szene auftrat:

Sie stand auf, hüllte sich in ihr Badetuch und nestelte sich den Bikini vom Leib, dann bückte sie sich nach ihrem Slip.

Anlagen mit einem Zehnmeterturm, die Profis für ihr Training benötigen, verfügen seit jeher über eine Infrastruktur, zu der auch Umkleidekabinen gehören. Das erwähnt Ambitionierte labte sich da an erwachender Männerfantasie. :D

Erst als er ganz vorne war, bemerkte er mit Entsetzen, dass er die rechte Hand in der Badehose hatte und an seinem Penis herumzupfte wie ein verängstigter Dreijähriger.

Für einen Dreijährigen durchaus plausibel, aber bei einem Jungen in diesem Alter, also ich weiss nicht?
Als Jüngling war ich einst in einer Felswand am Piz Griatschuls stecken geblieben, in keine Richtung konnte ich mich mehr bewegen, bis man mich herausholte. Aber in dieser angstbesetzten Situation haltsuchend an den Penis zu fassen - gut ich hatte keine Hand frei - wäre ich nicht gekommen.

Der Einschub, das erschreckend visionäre Zukunftsbild seiner Ehe mit Anja hängt in der Luft, als Leser musste ich mich erst zurechtfinden, bis es Bodenhaftung fand. Insofern fand ich es gewagt aber interessant, da es seine wirkliche Bedeutung erst mit dem Schlussteil findet. Auch die Sprache, welche da variiert, hebt es auf eine andere Ebene. Nur bin ich mir nicht so sicher, ob ein Junge es in dieser gelungenen Ausartung sich so visualisieren könnte.

Und gleich nochmals treibst Du ein Spiel mit dem Leser, lässt ihn den Sprung fiktiv erleben, seine Angst, welche ihn da beherrscht. Dies dünkte mich sehr gut inszeniert.

Ein Hinweis noch, den ich hier keineswegs als Kritik einbringe, der aber Bedeutung hat. Höhenangst erlaubt i. d. R. nicht sehr nah an einen Abgrund zu treten, da die wahrgenommene Tiefe eigendynamisch einen starken Sog erzeugt und entgegen jeder Absicht einen Absturz auslösen kann.
Im Nachgang zu meinem Erlebnis am Fels machte ich die Erfahrung, dass mir reale Tiefe weiche Knie beschert oder in einem Film visualisiert beinah körperlich wahrnehmbare Schmerzen erzeugt. Zwar desensibilisierte ich mich selbst, halte zu Abgründen aber einen Sicherheitsabstand ein, da mir mulmig wird. Eine freischwebende Plattform oder ein Balkon in gewisser Höhe signalisiert dann schleunigst einen Rückzieher.

Die Überwindung mich auf die Geschichte einzulassen hat sich mir gelohnt. Ich empfand sie als amüsant, nicht in allen Facetten der Wirklichkeit entlehnt, im Einklang mit sprachlicher Umsetzung aber zu einem angenehmen Leseerleben führend. Meine subjektiv geprägten Anmerkungen klingen zwar kritisch, doch objektiv war es mir unterhaltsam, und dies ist die Anforderung, welche eine Geschichte mir erfüllen muss.

Schöne Grüsse

Anakreon

 
Zuletzt bearbeitet:

… vielleicht hab ich ein wenig mehr reingedichtet als es deine Absicht war.

Mitnichten, Schwups, ich find’s echt toll, wie sehr du dich da reingekniet hast.
Mir hat’s ja nach dem Schreiben selbst förmlich das Hirn verknotet, als ich über die möglichen Implikationen der Geschichte nachgedacht habe.
Ich vermute, du „kennst“ mich mittlerweile gut genug, um zu wissen, wie vollkommen konzeptlos ich an meine Geschichten herangehe. Bei der hier war’s nicht anders. Monatelang gab’s nicht viel mehr als die Anfangsszene, und die war halt wirklich noch von snifs Text inspiriert, bzw. von meiner Absicht, die Vision, die Bilder, die ich beim Lesen seiner Geschichte im Kopf hatte, umzusetzen: Teenager im Schwimmbad, Sprungturm.
Okay, mehr hatte ich nicht, und was mach ich jetzt draus? Irgendwie hatte ich von Anfang an die Idee, dass mit Fins etwa passiert da oben auf dem Turm, bzw. während des Sprunges. Und mit dieser blöden Idee, dass während der einen, winzigen Sekunde seines Fallens was weiß ich was geschehen könnte, dass er eben dieses „in Momenten von Todesgefahr läuft das Leben noch einmal wie ein Film ab usw."-Dingsbums, pff, irgendeine Rückblende halt, keine Ahnung, kämpfte ich monatelang. Und ich hab gegrübelt und gegrübelt. Ergebnislos.
Und ganz plötzlich, und ich meine wirklich ganz plötzlich, nämlich letzten Dienstag, um 17h34, während einer Baubesprechung, kein Witz, hat’s Ploing gemacht in meinem Hirn: Nicht in die Vergangenheit schaut Fins, sondern in eine (mögliche?) Zukunft.
Na ja, und diese Idee gefiel mir dann halt: Eine ganz realistische, furchtbar triste, lieblose Alltagsszene aus einer gescheiterten Ehe, aus einer zerrütteten Familie als möglichen Endpunkt einer ursprünglich vielleicht wunderschönen Liebe darzustellen. Ja, dieser extreme Kontrast reizte mich einfach.

Wäre Fins gesprungen, hätte er Anja beeindruckt, wären sie ein Paar geworden, hätten geheiratet, zwei Kinder bekommen und wären in den düsteren Alltag abgerutscht, den du uns im zweiten Absatz präsentierst.

Na ja, so einfach ist’s natürlich auch nicht. In den seltensten Fällen führt die erste Liebe schnurstracks in die Ehe. Die zwei sind ja gerade mal vierzehn, fünfzehn, das war mir schon klar beim Schreiben, aber, na ja, möglich wäre es natürlich gewesen

Auf der einen Seite impliziert der Text einen direkten Zusammenhang zwischen Fins' Sprung und dem gesellschaftlichen Absturz; der Sprung startet eine Kausalkette an Ereignissen, die nicht mehr unterbrochen werden kann, ähnlich wie umfallende Dominosteine. Auf die Art gelesen vertritt er einen fatalistischen Ansatz.

Allerdings springt Fins ja gar nicht, also zunächst nicht, immerhin steht er in der letzten Szene ja immer noch auf dem Turm. Ja, und was heißt das jetzt? Wem schlägt er da ein Schnippchen? Wohl kaum einer determinierten Zukunft, oder nennen wir es meinetwegen Schicksal. Gäbe es das nämlich, hätte er ohnehin keine Wahl, bzw. wäre seine vermeintlich eigene Entscheidung eine Chimäre. Aber in Wahrheit entscheidet er sich ja eh für den Spriung, er springt ja gleich, so steht‘s zumindest am Ende der ersten Szene. Jedenfalls vermeint er zu springen!

Andererseits aber postuliert er auch das Gegenteil, denn Fins hat ja durchaus die Wahl, was den Sprung angeht. Erst springt er nicht, dann tut er es doch, das widerspricht dem Fatalismus (auch wenn man argumentieren kann, dass genau diese Reihenfolge - kein Sprung, Sprung - durch das Schicksal von Anfang an vorgegeben war, aber dann wird es allzu philosophisch) und damit auch dem zweiten Absatz (oder dem, was ich hineingelesen habe).

Und was war dann sein vermeintlich erster Sprung? Hat ihm da sein „wahres Schicksal“ arglistig etwas vorgegaukelt, weil es seine Felle davon schwimmen sah? Weil es in Wahrheit etwas ganz anderes mit Fins vorhatte? (Glücklich verheiratet, berühmt, double Income-no Kids?) Kann sich ein „Schicksal“ sozusagen die Kausalkette nach Gutdünken zurechtbiegen? Und was wäre passiert, wäre Fins wirklich gleich zu Beginn gesprungen?

Nach meiner Lesart widerspricht sich der Text selbst, stellt zwei Aussagen in den Raum, und vielleicht ist es dieser Aspekt, den du als Unfug betrachtest. Oder mache ich mir da schon zu viele Gedanken?

Nein, Schwups, tust du überhaupt nicht.
Ist ja wirklich so ein ähnliches Dilemma, wie bei diesen ganzen hirnwegfetzenden Paradoxa, die sich z.B. durch eine Zeitreise ergäben, wo sich sozusagen die Schlange in den eigenen Schwanz beißt.
Und aus diesem Dilemma einen plausiblen Ausweg zu finden, war mir schlicht ein Ding der Unmöglichkeit.

Im Grunde gibt es eigentlich nur eine einzige mögliche Lesart des Textes, die physikalische Naturgesetzlichkeiten nicht verletzt:

Das Geschehen im zweiten Abschnitt ist echt und real und der erste und der letzte Abschnitt sind ebenso real, allerdings Rückblenden.
Im Sinne der Kausalität ergibt sich die zweite Szene natürlich aus der ersten und der letzten, aber nicht zwingend aus dem Umstand, ob und wann Fins nun springt oder nicht springt. Und in den folgenden Jahren konnte dann halt sonst was passieren, ganz egal, ob Fins und Anja nun als Teenager ein Paar wurden, oder sich aus den Augen verloren und erst Jahre später sich zufällig wieder begegnen und heiraten.

Als einziges Rätsel bleibt dann nur, was Fins da oben auf dem Turm, zwischen dem imaginierten ersten und dem tatsächlichen Sprung, widerfährt.

Das schrieb ich an Novak:

offshore schrieb:
Hat Fins einen Wachtraum? eine Vision? Hat er am Nachmittag Drogen genommen? Schießt ihm ein überaus heftiger Photonensturm von der Sonne das Hirn zu Matsch? Lässt gar eine Art Riss im Raum-Zeit-Kontinuum Fins in eine mögliche, wenn auch nicht determinierte Zukunft blicken? Zum Teufel, ich weiß es einfach nicht.

Na ja, und in der Hoffnung, tolerante und geistig halbwegs gefestigte Leser zu finden, ließ ich dieses (klitzekleine?) Rätsel einfach stehen.
Soviel zu den „philosophischen Aspekten“ des Textes.

Die Figuren werden mir gegen Ende zu überzeichnet, also vor allem natürlich der zweite Abschnitt trieft vor Klischees, ...

Ja, das ist in der Tat ziemlich grenzwertig, aber genau das habe ich beabsichtigt. Und das Schreiben dieser Familienidylle hat mir einfach wahnsinnig Spaß gemacht, Klischee hin oder her.

… aber auch Anja am Ende - dass Anja ihn da als Schlappschwanz bezeichnet, er ihr sagt, sie soll ihn am Arsch lecken - das bringe ich nicht ganz mit den Figuren aus dem ersten Absatz in Einklang.

Und warum nicht, Schwups? Weil sie deiner Erwartungshaltung als Leser nicht gerecht werden? Weil du die beiden zu Beginn wahrscheinlich als nette, gebildete, Mittelschichtssprösslinge sehen wolltest? Weil es einfach angenehmer und bequemer ist, von solchen zu lesen, als von, was weiß ich, Unterschichtsrabauken? Aber die verlieben sich doch genauso wie die höheren Töchterchen und Söhnchen aus gutem Haus. Ich habe nicht den Eindruck, dass in der ersten Szene eine gesellschaftliche Zuordnung der beiden Teenager impliziert ist. Ich glaube eher, dass das deinem Wunschdenken entspringt.
Außerdem:

... er ihr sagt, sie soll ihn am Arsch lecken.

Das hab ich so eigentlich auch nicht geschrieben, sondern:

„Leck mich doch am Arsch“, flüsterte er tonlos, ...

Das ist für mich ein semantisch zwar klitzekleiner, aber in Wahrheit ganz wesentlicher und ein für die Geschichte wichtiger Unterschied …

Pff, ich glaub, ich hab mir da mit dieser Geschichte ein ganz schönes Fass aufgemacht. Aber ich freue mich wahnsinnig, wie sehr du dich darauf eingelassen hast. Und dass du dir so viele Gedanken dazu gemacht hast, das finde ich einfach toll.

Ein ganz großes Dankeschön, Schwups.


@ Friedel & Anakreon

Euch beide bitte ich noch um etwas Geduld, meine Mittagspause ist längst vorbei …

offshore

 

Lieber offshore,

da lag Novak ja viel dichter dran, am Kern deiner Geschichte. Und ich dachte, er springt für sie - und sie verpasst das tragischerweise. Also, sie sieht ihn nicht und so wird das dann auch später, sie können sich nicht wirklich sehen, wahrnehmen.
Ein irgendwie beruhigender Gedanke, dass dies vielleicht nur eine Warnvision war, dieser schaurig-traurige Alltag, und in Wirklichkeit kommt ihm das Leben dann schöner daher. Mir einer, die keine Leistung erwartet, sondern ihn (an-)erkennt, wie er ist.
Ja, ich war länger weg, das echte Leben kam dazwischen.

Viele Grüße,

Eva

 

Hey offshore,

mir hat das nicht so gefallen, das sage ich gleich von Anfang an. Was Schwups zu deiner Geschichte geschrieben hat, stimmt:

Schwups schrieb:
Für mich schwingen da aber auch Themen wie Schicksal, Vorbestimmung, Zufall und Eigenverantwortung mit, also nicht unbedingt das, was man gemeinhin als Unfug bezeichnet. (...)

Auf der einen Seite impliziert der Text einen direkten Zusammenhang zwischen Fins' Sprung und dem gesellschaftlichen Absturz; der Sprung startet eine Kausalkette an Ereignissen, die nicht mehr unterbrochen werden kann, ähnlich wie umfallende Dominosteine. Auf die Art gelesen vertritt er einen fatalistischen Ansatz.


Das ist das gedankliche Bauwerk deiner Geschichte, egal, ob du das mit Konzept hingestellt hast oder sich das unterbewusst aufgebaut hat, diese Gedanken mag ich, die Szene an und für sich auch, aber mir ist das zu sehr, ja, "dahin gesagt". Zu viele flache Beleidigungen, die sich auch ständig wiederholen, auch, dass du in der wörtlichen Rede Ausrufezeichen und Fragezeichen stellenweise in Punkte verwandelst, das zeigt die inflationäre Verwendung dieser Aussprüche, ich denke, du kannst nachvollziehen, was ich meine, bei Bedarf suche ich dir das noch raus.

Ich mag eigentlich, wie du schreibst. Das ist bildhaft, filmhaft manchmal, aber hier gefällt mir am besten, wie der kleine Junge in der "Zukunftsvision"/ "Utopie" Kakaokreise ins Heftchen malt. Dieses ständige "Kannst mich mal am Arsch lecken.", "Scheiß doch drauf.", (mit Punkt) zerstört für mich alles, was ist das für eine Einstellung? Dann steht er auf dem Zehnmeterturm und kratzt sich am Radiergummipenis - und im Mittelteil wird mal kurz RTL mitgeschnitten. Nein, das hat mir überhaupt nicht gefallen. Er könnte so tiefsinnig sein der Text, der Sprung, der suizidal sein kann, man muss nicht einmal sterben, man kann auch so tot sein, wenn man so ein Leben lebt, aber das ist mir irgendwie zu belanglos alles.

Ich denke, es ist gar nicht viel, was du ändern müsstest, und mir würde die Geschichte gefallen, aber so wie sie dasteht, kann sie mich nicht begeistern.
Am Ende schreibe ich die Geschichte auch nochmal!

Sorry, dass ich heute kein Konfetti dabei habe!

Beste Grüße
markus.

 
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(Offtopic?)

Friedel, Friedel!

Manchmal kannst du einen echt verrückt machen … was zum Teufel meint Friedel mit Snagennif, fragte ich mich. Na ja, hab ich’s halt gesuchmaschint.
Ha, und tatsächlich was gefunden:

Il cavallo muove e non è più scacco al re - -Snagennif ekaw-
freeforumzone.leonardo.it/.../- D33766

Natürlich bin ich dem Link gefolgt, mangels Kenntnissen des Italienischen allerdings ziemlich bald dumm dagestanden. So leicht ließ ich mich allerdings nicht ins Bockshorn jagen und klickte mich unermüdlich von weiterführendem Link zu weiterführendem Link, dachte mir dabei, so ungefähr muss sich Ulysses auf seinen Irrfahrten gefühlt haben, bis ich schließlich hier landete:

Universidad Juárez Autónoma de Tabasco, Villahermosa, Mexiko-

Zweifellos eine sehr interessante Institution. Und wie’s der Zufall will, forscht dort zurzeit gerade mein Freund Jakob als Mikrobiologe, kein Witz. Den rief ich dann natürlich sofort an und traf mich anschließend mit ihm in der Kneipe um die Ecke, um Guinness mit ihm zu trinken. Wir hatten eine Menge Spaß. Natürlich erzählte ich Jakob, eigentlich nennen wir Freunde ihn Tschäems, der immerhin ein Prof. Dr. Dr. und darüber hinaus ein ungemein schlaues Kerlchen ist, von meiner erfolglosen Recherche.
„Was, Himmel, Arsch und bababadalgharaghtakamminarronnkonnbronntonnerronntuonnthuuntrov-
arrhounawnskawntoohoohoordenenthurnuk will dir Friedel damit wohl sagen?“, lallte er und bestellte noch eine Runde.
„Ach was, vergiss es“, antwortete ich und bestellte noch eine Runde.
„Genau, lass und einfach noch einen saufen, tot in die Kiste fallen wir früh genug“, sagte Jakob und bestellte noch eine Runde.
Es war ein ganz bezaubernder Abend, als ich allerdings zwei Tage später erwachte, war ich so schlau, als wie zuvor …

PS
Ich schwör’s dir, Friedel, das Komma, das du in der ersten Zeile anmahnst, hab ich gezählte neunundzwanzigmal eingefügt und wieder rausgenommen. Um die entsprechende Regel im Duden nachzuschlagen war ich schlicht zu faul zu müde zu betrunken zu sehr mit wichtigeren Dingen beschäftigt. Irgendwann hab ich drauf gepfiffen und kurzerhand ein Programm geschrieben, das imstande ist, nicht nur in Echtzeit alle online-verfügbaren deutschen Wörterbücher unter Berücksichtigung sämtlicher denkmöglicher komparatistischer Aspekte und mit besonderem Augenmerk auf die Kommasetzung im Werk Jean Pauls zu durchforsten, sondern das obendrein meine Steuererklärung ausfüllen, die Magistra-Arbeit meiner Nichte lektorieren, meine Wäsche bügeln und mir bei Bedarf eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank holen kann. Das Programm rechnete siebzehn Stunden und präsentierte mir dann das Ergebnis:
„offshore, ich schlage vor, das Komma wegzulassen. Letztendlich aber ist es deine Entscheidung.“
Na ja, hab ich’s halt weggelassen, das blöde Komma. Als quasi Abfallprodukt der komplexen Rechnerei generierte das Programm dann noch eine ganz entzückende Kurzgeschichte, die ich in Bälde hier zu veröffentlichen gedenke. Ich weiß noch nicht, in welcher Rubrik … blablabla usw.

Ist natürlich vollkommener Quatsch, Friedel, in Wahrheit hab ich das Komma nur dir zuliebe weggelassen …


So, Schluss mit offtopic, offshore ist offline.
Verdammt, nein! offshore ist noch nicht offline sondern antwortet natürlich noch

Anakreon

Schön, dass du trotz der Vorbehalte noch in die Geschichte hineingefunden hast.

Das im Titel in Klammern gesetzte erweckte mir das Vorurteil auf eine Abhandlung zu stossen, die einzig dazu dient, die Kritik an einer andern Geschichte zu betonieren.
Dabei lag das überhaupt nicht in meiner Absicht, im Gegenteil, ich verstand meinen Text schon eher als eine Art Hommage an snif.

... na ja, ich verbuchte es unter der jugendlich-literarischen Ambition, Deine Söhne prägen Dich,
Das kann ich schwer leugnen. Doppelt so viel, wie sie von mir bekommen, bekomme ich von ihnen zurück, ach was sag ich, weit mehr.

Ab dem zweiten Absatz erlangt die Geschichte dann den Elan, den ich von Dir gewohnt bin, es perlte sprachlich dahin, sodass ich es einer Strömung gleich einziehen konnte.
Ein wirklich schönes Kompliment, Anakreon.

Anlagen mit einem Zehnmeterturm, die Profis für ihr Training benötigen, verfügen seit jeher über eine Infrastruktur, zu der auch Umkleidekabinen gehören.
Ich muss zugeben, dass ich da nicht näher drüber nachgedacht habe, sondern einfach nur in meinem Erinnerungsschatzkästchen kramte, und nicht bedachte, dass jeder Leser die Geschichte automatisch in der Jetztzeit ansiedelt. Aber jetzt, wo du das ansprichst, na ja, womöglich ist das heute wirklich anders. Ich hab nämlich schon das Gefühl, das wir Jugendlichen in den 1970ern weit unbefangener miteinander umgegangen sind, nicht so gschamig waren. Um die Badehose zu wechseln rannten wir wirklich nicht extra zur Kabine. BH z.B. trugen damals nur die allerwenigsten Mädchen, das war ein echtes Minderheitenprogramm.
Ja, war schon eine tolle Zeit …

Für einen Dreijährigen durchaus plausibel, aber bei einem Jungen in diesem Alter, also ich weiss nicht?
Als Jüngling war ich einst in einer Felswand am Piz Griatschuls stecken geblieben, in keine Richtung konnte ich mich mehr bewegen, bis man mich herausholte. Aber in dieser angstbesetzten Situation haltsuchend an den Penis zu fassen - gut ich hatte keine Hand frei - wäre ich nicht gekommen.
Klein Anakreon in der Senkrechten? Wie schön. Ich entdecke einen Seeelenverwandten in dir.
Na ja, und dieses kindliche, verlegene Herumspielen am „Zumpferl“ (= österr. Fachterminus) erschien mir halt als ein nettes Bild.

Ein Hinweis noch, den ich hier keineswegs als Kritik einbringe, der aber Bedeutung hat. Höhenangst erlaubt i. d. R. nicht sehr nah an einen Abgrund zu treten, …
Also für mich hat Fins ja nicht Höhenangst, er hat nur Angst vorm Runterspringen.
(Als Vierzehnjähriger verbrachte ich eine geschlagene Viertelstunde auf dem Zehnmeterturm, bevor ich endlich sprang, einfach weil ich eine irre Angst vor dem Aufprall hatte, die Höhe war mir eigentlich egal.)

Die Überwindung mich auf die Geschichte einzulassen hat sich mir gelohnt. Ich empfand sie als amüsant, nicht in allen Facetten der Wirklichkeit entlehnt, im Einklang mit sprachlicher Umsetzung aber zu einem angenehmen Leseerleben führend. Meine subjektiv geprägten Anmerkungen klingen zwar kritisch, doch objektiv war es mir unterhaltsam, und dies ist die Anforderung, welche eine Geschichte mir erfüllen muss.

Sehr schön gesagt, Anakreon, danke.
Und zum Abschluss will ich dir noch sagen, dass ich bei diesem Text eigentlich gar nicht mit einem Kommentar von dir gerechnet habe, ehrlich. Ich befürchtete nämlich, dass dich Schöngeist die doch einigermaßen vulgäre Sprache der Familienszene abschrecken könnte …
Umso mehr freue ich mich, dass du dich doch auf die Geschichte eingelassen hast und dich dann obendrein noch so positiv zur ihr äußerst.

Vielen Dank dafür, Anakreon.


Ja , und auch bei dir, Eva, will ich mich für deinen neuerlichen Besuch bedanken.
Ich verweise dich jetzt einfach auf meine Antwort an Schwups, da findest du vielleicht noch einiges Erhellendes zur Idee(?) der Story.

Und vertrösten muss ich diesmal dich, markus.
Zu deinem Kommentar hab ich nämlich wirklich viel zu sagen. Braucht aber noch ein wenig Zeit.

Gute Nacht.

 

Hallo Ernst,
snagennif ewak - finnegans wake. Aber das weißt Du vermutlich doch (Ulysses, Guinness etc.) schon. Wenn nicht, bitte sehr.
Harry

 

@ harrytherobot

Himmel, Arsch und bababadalgharaghtakamminarronnkonnbronntonnerronntuonnthuuntrov-
arrhounawnskawntoohoohoordenenthurnuk! Dass ich da nicht draufgekommen bin. Wirklich beschämend.

Danke für deine erhellenden Worte, Harry.

 

Hi ernst offshore,

deine Geschichte ist gut geschrieben, aber ich tu mich wirklich schwer, sie dir inhaltlich abzunehmen.

Wobei ich den Anfang wirklich mag. Der ist sehr schön gemacht. Sie scheint ja sein "erstes Mädchen" zu sein. Deshalb dieses Bewundern und Überfahren werden von ihrer Körperlichkeit. Das ist echt nett gemacht und sehr bildlich. Und dann fordert sie ihn quasi heraus, dass er auch mal vom 10er springt und zwar für sie. Dabei ist es dann eigentlich völlig egal, ob Martin das gemacht hat, der gibt nur den Anlass ab. Eigentlich testet sie ihn, wie weit geht er für sie - ist jedenfalls seine Sicht der Dinge. Und schließlich ist er cool (raucht ja schon) und kann nicht vor einem 13-jährigen zurückstecken, also rauf aufs Sprungbrett. Also der Abschnitt gefällt mir. Da dachte ich, schicker Anfang und je nachdem, ob er jetzt springt oder nicht, entwickelt sich die Geschichte halt weiter.

Aber du machst dann diesen Sprung und ich bin völlig raus aus der Geschichte. Also, ich seh das schon mit der Verbindung. Er springt und bekommt sein Mädchen und bekommt auch den Alltag und das verfahrene Leben. Doch der Sprung ist mir zu einfach. Ist ein bisschen wie bei Matheaufgaben: Du lieferst mit Ausgangsproblem und Lösung, aber den Rechenweg lässt du weg. Aber das wäre doch das eigentlich interessante: Wie kommt man von jung und begeistert, zu erwachsen und desinteressiert und kaputt? Klar, in einer Kurzgeschichte ist das nicht erschöpfend darzustellen, vielleicht auch nicht in einem Roman, aber etwas mehr in diese Richtung hätte ich mir schon gewünscht. Letztlich ist es ja ein Gedankenspiel: Wie wäre es, wenn wir unsere Träume tatsächlich erfüllt bekommen? Könnte es nicht sein, dass wir damit viel schlechter dran wären? Und das ist ja als Thema durchaus reizvoll. Aber mir fehlt ein wenig der Schritt, der das ganze zu einer vollständigen Geschichte macht. Für mich ist das zur Zeit mehr eine Skizze. (Freilich eine sehr gut, die sich gut lesen lässt und wie gesagt mit dem Anfang durchaus zu fesseln weiß).
Ich weiß, du hast ja drunter geschrieben, dass die Geschichte nicht gerade ein Großprojekt von dir ist. Falls ich dir hier zuviel rumlaber, ignorier's einfach. Ich find's halt einfach schade, dass du aus einem guten Anfang (meiner Ansicht nach) so wenig machst.

Zum verpfuschten Leben noch: Das ist schon hart am Klischee. Kinder nerven, Vater säuft + Hartz IV + Mutter fett und überfordert. Und auch die Streitpunkte, an denen sich das aufhängt: Naseputzen, Füße vom Tisch, Bier alle, Rumgammeln - das wird es sicher alles geben und ist auch überzeugend geschrieben, nur les ich das mit einer Check-Liste im Kopf mit und hack die Sachen ab, die ich erwarte. Mir fehlt da ein bisschen der Ausbruch aus dem Schema. Ich mein damit nicht, dass da was positives mit reinmuss. Nur irgendetwas, dass ich so nicht erwarten würde, das mir neu ist. Mir einen neuen Blickwinkel ermöglicht. Vielleicht doch auch etwas Ambivalenz. So ist die Bewertungslage für mich zu eindeutig: Alles schlecht. Das macht es mir als Leser das ganze eigentlich zu einfach.

So kommt es eben zum Urteil von Oben: Sprachlich gut zu lesen, vom Inhalt, naja. Aber vielleicht hab ich auch einfach nicht den Zugang.

Hoffe es ist was für dich dabei.

Gruß,
Kew

 
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markus schrieb:
Am Ende schreibe ich die Geschichte auch nochmal!

Yeah, markus, lass uns eine Sprungturm-Challenge ins Leben rufen, und snif macht den Juror.

… aber mir ist das zu sehr, ja, "dahin gesagt". Zu viele flache Beleidigungen, die sich auch ständig wiederholen, auch, dass du in der wörtlichen Rede Ausrufezeichen und Fragezeichen stellenweise in Punkte verwandelst, [???] das zeigt die inflationäre Verwendung dieser Aussprüche, ich denke, du kannst nachvollziehen, was ich meine, …

Ja und nein. Ich kanns insofern nachvollziehen, dass dir der elende Umgangston und die ganze Atmosphäre, die in dieser Familie herrschen, nicht behagen.
Nicht nachvollziehen allerdings kann ich deine Kritik am spärlichen Wortschatz der Figuren.
Weil ich wollte ja wirklich eine ultrarealistische Situation darstellen, das tägliche Gekeife in einer desolaten Familie, die Rücksichts- und Lieblosigkeit, die gegenseitige Verachtung.
Und ich mein, von welcher Gesellschaftsschicht reden wir denn hier? (Dazu hab ich auch Schwups schon was geschrieben.) Möglicherweise verleiten die zwei harmlosen Teenager in der ersten Szene euch Leser dazu, sie euch automatisch als nette, brave Mittelschichtkinder vorzustellen, obwohl ihr minimalistischer Dialog das eigentlich überhaupt nicht nahelegt. Vielleicht, weil man als Leser einfach lieber von fröhlichen, in Geborgenheit aufwachsenden Jugendlichen lesen will als von ordinären Unterschichtrabauken?
Wir brauchen uns ja nichts vormachen, markus es gibt doch wahrlich genug Menschen, die ihr Leben lang am unteren Rand der Gesellschaft verbringen, die es niemals schaffen, die Bürde ihrer Herkunft, ihrer schlechten Bildung usw. abzuwerfen, aber selbstverständlich gehen auch die ins Freibad, verlieben sich und heiraten wie die allermeisten anderen auch. Nur werden aus solchen Menschen dann halt nur sehr selten heile Fernsehwerbespot-Familien.

Dieses ständige "Kannst mich mal am Arsch lecken.", "Scheiß doch drauf.", (mit Punkt) zerstört für mich alles, was ist das für eine Einstellung?

(Wieso übrigens nicht mit Punkt? Die brüllen das ja nicht, die sagen das so beiläufig wie z.B.: „Na ja, ist eh egal.“)
Dass dich der Text offenbar wirklich genervt hat, zeigt sich daran, wie du diese Stelle:

… und an seinem Penis herumzupfte wie ein verängstigter Dreijähriger.

uminterpretierst in:

Dann steht er auf dem Zehnmeterturm und kratzt sich am Radiergummipenis …

Also damit tust du dem Fins (mir?) wirklich Unrecht, weil das sind schon zwei ganz verschiedene Paar Schuhe.
Wie auch immer. Was ich sagen will, der Vergleich:

… wird mal kurz RTL mitgeschnitten.

drängt sich natürlich zurecht auf, aber warum? Weil sowohl irgendein Reality-Dreck im Fernsehen als auch meine Geschichte das echte, trostlose, ungeschönte Leben darstellen? Sowas geht in so komprimierter Form dann natürlich schon hart an die Schmerzgrenze.
Aber verlangst du etwa, dass diese Simpel beim Schimpfen über so Luxusprobleme wie „Ups, unschöne Wortwiederholung!“ nachdenken, dass sie sich so originell und eloquent beflegeln, wie zwei Kleinganoven in einer Filmkomödie? Um es mit Konfuzius zu sagen: „Wer Geist hat, hat sicher auch das rechte Wort, aber wer nur Worte hat, hat darum noch nicht notwendig Geist.

aber hier gefällt mir am besten, wie der kleine Junge in der "Zukunftsvision"/ "Utopie" Kakaokreise ins Heftchen malt.

Ja, der kleine Tommi. Der stahl sich erst zwei Tage nach dem Posten in die Geschichte. Mit dem vierten Kind wollte ich das (Familien-)Fass endgültig zum Überlaufen bringen.

… aber das ist mir irgendwie zu belanglos alles.

Na ja, schade, markus, dass es diesmal nichts für dich war. Aber ich habe mich mit ja voller Absicht einmal an einem hässlichen Sujet versucht, weil ich nicht schon wieder so einen konsensfähigen Wohlfühltext wie es z.B. „Witwer“ ist, schreiben wollte
Irgendwann schaff ich’s schon wieder, dass du mich mit Konfetti überschüttest, bin ich mir sicher. (Noch lieber wäre mir Konfekt.)

Vielen Dank, markus, für deine Gedanken.


@ Kew

Falls ich dir hier zuviel rumlaber, ignorier's einfach.

Wieso sollte ich, Kew? Weder laberst du zu viel, noch will ich’s ignorieren. Zum einen sagst du ja auch viel Positives zum Text, zur bildlichen Sprache, zur Anfangsszene und so, das freut mich wirklich, dass dir das gefällt.

Aber du machst dann diesen Sprung und ich bin völlig raus aus der Geschichte.

Zum anderen kann ich auch deine kritische Sichtweise vollkommen nachvollziehen. Aber ich muss zugeben, ich bin bewusst die Gefahr eingegangen, dass mit diesem harten Schnitt zwischen den Szenen möglicherweise nicht jeder Leser etwas anfangen kann. Ja, das war so eine Art Experiment, ob es überhaupt funktionieren kann, zwei atmosphärisch so gänzlich konträre Szenen nebeneinander zu stellen.
Dass es da manchem Leser so gehen könnte wie dir, hab ich natürlich befürchtet. Nach der vielversprechenden Anfangsszene dem Leser dann diese trostlose Tristesse um die Ohren zu hauen, ist ja wirklich sehr brutal, hinterhältig gemein beinahe. Vorsätzliches Herumtrampeln auf den Erwartungen (den Gefühlen?) der Leser sozusagen. Na ja, ich hab’s halt riskiert.

Zum verpfuschten Leben noch: Das ist schon hart am Klischee.

Und auch diesen Vorwurf muss ich gelten lassen, ich habe ihn ja förmlich provoziert. Aber beim Beschreiben dieser häuslichen Idylle fiel es mir echt schwer, mich einzubremsen. Da wollte ich einfach nichts auslassen. (Und habe zwei Tage nach dem Posten die Kinderschar sogar noch auf vier anwachsen lassen.)

Mir fehlt da ein bisschen der Ausbruch aus dem Schema. Ich mein damit nicht, dass da was positives mit reinmuss. Nur irgendetwas, dass ich so nicht erwarten würde, das mir neu ist. Mir einen neuen Blickwinkel ermöglicht. Vielleicht doch auch etwas Ambivalenz.

Da hast du natürlich recht, Kew, die ganze Szene ist schon sehr eindimensional. Der kakaokringelmalende Tommi war vielleicht ein winziger Schritt in die Richtung, die dir vorschwebt, aber, klar, viel zu wenig.

Du lieferst mit Ausgangsproblem und Lösung, aber den Rechenweg lässt du weg. Aber das wäre doch das eigentlich interessante: Wie kommt man von jung und begeistert, zu erwachsen und desinteressiert und kaputt? Klar, in einer Kurzgeschichte ist das nicht erschöpfend darzustellen, vielleicht auch nicht in einem Roman, aber etwas mehr in diese Richtung hätte ich mir schon gewünscht. […] Für mich ist das zur Zeit mehr eine Skizze.
[…]
Ich find's halt einfach schade, dass du aus einem guten Anfang (meiner Ansicht nach) so wenig machst.

Tja, Kew, das scheint mein persönliches Schreibproblem zu sein, bekam ich ja auch schon unter der Milo-Geschichte zu hören. Zu wenig ausgearbeitet, zu skizzenhaft, viel versprechend und zu wenig einlösend. Gleichsam verschenktes Potential. Vermutlich ist es mein Hang zu Verdichtung und Reduktion, dazu meine Fixiertheit auf Stil, dass ich dem Leser dann schlussendlich einfach zu wenig vorsetze. Meine Texte sind ja tatsächlich auch alle sehr kurz. Vielleicht bin ich einfach zu faul …
Jedenfalls empfinde ich deine Kritik schon aus dem Grund überwiegend als positiv, weil sie meiner Story „Potential“ bescheinigt.
Ich kann dir jetzt nicht versprechen, mir den Text noch mal vorzunehmen, das hatte ich bei Milo ja auch vor, aber drüber nachdenken werde ich sicher.

Vielen Dank, Kew,
offshore

 
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Hey ernst!

Mann, der erste Teil deiner Geschichte, der hat mich richtig gepackt. Der war echt schön geschrieben, und auch diese Story im Schwimmbad, das springen und sich nicht trauen, das hat sich echt amüsant gelesen, auch durch deinen Schreibstil.
Dann kommt der Teil mit den Kindern und dem Dosenbier - und da glaubte ich, bis zu dem Augenblick, als Fins Name fällt, dass es sich um das Elternhaus von Fin handelt, weiß auch nicht, warum ich das dachte, war mir echt sicher. Sollte so ein Zeitsprung sein, kam ich dann natürlich schnell drauf, ein was-wäre-wenn, und die Grundidee dahinter hat mich schon fasziniert und hat mir auch gut gefallen. Vor allem mit dem letzten Teil dann, als Fin doch nicht springt - das regt einen doch ziemlich zum Nachdenken an. Und diese was-wäre-wenn-ich-nicht-damals-diese-oder-jede-Kleinigkeit-gemacht-hätte-Denkweise hat mich schon immer fasziniert, manchmal denke ich mir, scheiße, wäre ich an dem und dem Tag einfach nur eine Minute später diese Straße entlanggelaufen, hätte ich den und den nicht getroffen, dann wäre das und das nicht passiert und fuck, dann stände ich heute echt ganz woanders. So dieser Gedankengang, das finde ich den eigentlichen Highlight deiner Story. Die Liebelei im Schwimmbad und das sich behaupten müssen ist schön zu lesen, die Zukunftsszene ist schon krass gezeichnet, das sind ja echt zwei lieblose Eltern, beide saufen, vielleicht ein Tröpfelchen zu klischeehaft gezeichnet, weiß auch nicht, aber ohne Scheiß, ich finde du könntest aus diesem was-wäre-wenn-Gedanken noch viel rausholen! Ich finde das echt eine klasse Idee, kein Plan, kenne jetzt die Story nicht, an die du dich angelehnt hast, aber hier hat es mir sehr gut gefallen. Deine Geschichte war dann relativ schnell rum, und obwohl sie sich zum Schluss rund angefühlt hat, dachte ich mir: Boah, da hätte ich gerne mehr gelesen. Das könnte schon in die Richtung Philosophie gehen - ich meine, du könntest theoretisch auch zwei verschiedene Szenarien zeichnen, nur so eine Idee nach zwei Bier um zehn Uhr nachts. Zum Beispiel das eine Szenario, in dem Fin springt, und dann könntest du schreiben, wie er sie durch diesen Sprung beeindruckt hat, und wie sie dann langsam zusammenkommen, irgendwie aber auch zusammen untergehen, abstürzen - und gleichzeitig könntest du ein zweites Universum laufen lassen, in dem er eben nicht springt und nicht mit ihr zusammen kommt, und irgendwann in diesen zwei fiktiven Zukünften (gibt's den Plural?) merkt man dann: Mann, so verschieden ist er gar nicht geworden. Oder: Mann, dieser Sprung hat echt sein Leben verändert. Oder du zeichnest einfach nur den gemeinsamen Absturz und das Zusammenkommen davor, und zum Schluss kommt diese kleine Szene, in der Fin dann oben steht als Jugendlicher, auf dem Sprungbrett, und nicht springt. Oh Mann, will dir echt nicht zu viel reinreden, aber irgendwie hat mich das gerade gepackt gehabt, dieser Gedanke, dass so kleine Situationen so viel ausmachen, da wollte ich dir das zukommen lassen ;)
Wie gesagt, ich mochte deine Story, habe sie gerne gelesen, aber bei dir denke ich mir immer: Mensch, du weißt irgendwie, was einen guten Text ausmacht, du kannst schreiben, und dann lese ich deine Geschichten, und sie sind echt immer gute Einstiege, Szenen, würdest du einfach tiefer in die Materie eintauchen, käme da mit Sicherheit sehr sehr gutes Zeug raus.
Aber gut. Soviel von meiner Seite, hoffe du kannst was damit anfangen.

Grüße!

 
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@ zigga

zigga schrieb:
… und irgendwann in diesen zwei fiktiven Zukünften (gibt's den Plural?) …

Glaub ich nicht, zigga, aber diese Wortschöpfung finde ich ausgesprochen hübsch und sie passt sehr gut als Titel über meine Antwort an dich.

Und diese was-wäre-wenn-ich-nicht-damals-diese-oder-jene-Kleinigkeit-gemacht-hätte-Denkweise hat mich schon immer fasziniert, […] So dieser Gedankengang, das finde ich den eigentlichen Highlight deiner Story.

Mir war beim Schreiben ja klar, dass handlungsmäßig ein unlösbarer Knoten in der Geschichte steckt, wenn nicht gar ein Paradoxon, und es wirklich auf den einzelnen Leser ankommt, ob er sich darauf einlassen will oder nicht. Aber du scheinst das ähnlich intensiv getan zu haben wie z.B. auch Schwups. Und natürlich gibt es unzählige Möglichkeiten, wie man mit diesem Dilemma des ja wirklich einigermaßen hirnverdrehenden Handlungsablaufes umgehen kann:
Ob man nun existenzphilosophische Erklärungsmodelle heranzieht oder die drei Szenen der Geschichte einfach als Rückblende, Gegenwart, Rückblende liest, und Fins schlicht einen temporären Bewusstseinsausfall attestiert, während er auf dem Turm steht, oder ob man nun in die quasireligiöse oder in die esoterische Ecke abbiegt, und Fins kurzerhand paranormale „seherische“ Fähigkeiten zugesteht und ihn einen Blick in die Zukunft (Zukünfte?) tun lässt, oder ob man gar einen mutigen Kopfsprung in die unauslotbaren Abgründe der Quantentheorie wagt, und sich über die Existenz annähernd unendlich vieler Paralleluniversen den Kopf zerbricht - ich will jetzt nicht näher auf die wissenschaftlichen Grundlagen (Hubble-Volumen, stetig steigende Expansionsgeschwindigkeit des Alls, Dunkle Energie, 11-Dimensionalität, usw.), eingehen, welche Paralleluniversen mittlerweile nicht mehr nur möglich, sondern sogar höchst plausibel erscheinen lassen, sondern nur sagen, dass z.B. die Multiversum-Hypothese der Quantentheorie im Wesentlichen besagt, dass alle Ergebnissse gleichzeitig eintreten können, sofern ein bestimmtes Ereignis mehrere mögliche Resultate haben kann usw. … (Wenn heute in der Kneipe „Zum fröhlichen String“ ein Physiker vom Multiversum spricht, wird er nicht mehr rausgeschmissen, sondern bekommt vermutlich zwei Freibier) - tja, das alles ist letztlich Sache des Lesers. (Genauso wie es Sache des Lesers ist, diesen hirnverschwurbelnden 14-Zeilensatz zu verstehen …)
Ich muss dir sagen, zigga, je mehr ich über den Text nachdenke, umso mehr Spaß habe ich mit ihm. Und dass du den offenbar auch hattest, finde ich echt toll.

Ich finde du könntest aus diesem was-wäre-wenn-Gedanken noch viel rausholen! Ich finde das echt eine klasse Idee, […]
… bei dir denke ich mir immer: Mensch, du weißt irgendwie, was einen guten Text ausmacht, du kannst schreiben, und dann lese ich deine Geschichten, und sie sind echt immer gute Einstiege, Szenen, würdest du einfach tiefer in die Materie eintauchen, käme da mit Sicherheit sehr sehr gutes Zeug raus.

Tja, zigga, abgesehen davon, dass da ein fettes Lob drinsteckt, für das ich mich bedanken will, kann ich dir darauf (zähneknirschend) eigentlich nur dasselbe antworten, was ich schon Kew sagte:

offshore schrieb:
… das scheint mein persönliches Schreibproblem zu sein, bekam ich ja auch schon unter der Milo-Geschichte zu hören. Zu wenig ausgearbeitet, zu skizzenhaft, viel versprechend und zu wenig einlösend. Gleichsam verschenktes Potential. Vermutlich ist es mein Hang zu Verdichtung und Reduktion, dazu meine Fixiertheit auf Stil, dass ich dem Leser dann schlussendlich einfach zu wenig vorsetze. Meine Texte sind ja tatsächlich auch alle sehr kurz. Vielleicht bin ich einfach zu faul …

Verdammt, ich befürchte, ich bin tatsächlich einfach zu faul.
(Einzig bei der Nordwand-Geschichte habe ich das Gefühl, den Plot angemessen behandelt und auch zu einem plausiblen Ende geführt zu haben.)

Aber gut. Soviel von meiner Seite, hoffe du kannst was damit anfangen.

Und ob! Und ich schwör’s dir, zigga, über alle deine Gedanken zu einer Erweiterung der Story werde ich nachdenken.
Oder aber ich lasse es bleiben und schlage dir stattdessen vor, den Stoff selbst zu bearbeiten und dann bei der Sprungturm-Challenge mitzumachen. markus hab ich schon am Haken, glaub ich …(Und möglicherweise können wir neben snif auch noch Stefan Raab für die Jury gewinnen.)

Vielen Dank, zigga, für deinen tollen Kommentar.
offshore

PS
Und noch was will ich dir sagen, zigga, und das meine ich jetzt ganz ehrlich: Ich hätte meine Geschichte genauso gut dir widmen können, letztendlich war es nämlich dein aktueller Challenge-Text, dessen Lektüre mich letzte Woche inspirierte, „Der Sprung“ endlich fertig zu schreiben, kein Witz.

 
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Jawollja,

lieber ernstl,

"das ist klassisch" (wer sagt das noch mal bei Nestroy?, gehört hab ich's mehr als zwomal von Lohner und dann auch mal bei Qualtinger) & da bin ich nochmals aus der Villa Herrn mosas & die Propheten aber auch, kann auch gar nicht anders sein, seit die Geschichte dem jugendlich-biografischen Authentismus schon ziemlich zu Anfang entflieht, was einem eigentlich schon mit dem schönen Satz

[e]rst als er ganz vorne war, bemerkte er mit Entsetzen, dass er die rechte Hand in der Badehose hatte und an seinem Penis herumzupfte wie ein verängstigter Dreijähriger
hätte auffallen müssen, dass da jemand seinen Joystick in der Hose bedient. Wir Knaben kannten noch den Scherz, dass wir Hausverbot in der Badeanstalt (ob bedacht oder unbedacht – man beachte das Wortspiel, Gruß von Fritz J. P. Richter) bekommen hätten, weil wir ins Wasser pinkelten. Was ja mal jeder tut, wenn auch nicht vom Fünf- bis Zehnmeterbrett (was ein Hausverbot begründet) – wobei schon die Freilegung des entsprechenden Handwerkzeuges am Beckenrand für einige Aufregung gesorgt hätte, als wäre Hildegard Knef zugegen in unsittlicher Pose.

In unsern ach so fickrigen Zeiten will sich mir hier weniger der Harndrang als die öffentliche Masturbation (incl. der angemessenen Gefühlswelt) vom Zehnmeterbrett aufdrängen – und der Mix aus Angst, Rausch und freiem Fall gibt genug Anlass dazu, zitier ich doch nicht ohne Grund gelegentlich die Missfits im Wennze-meinz-Lied „nur wer vögelt, kann auch fliegen“.

Genug der anderen Sicht auf die Dinge ob zehn Meter oben oder in der Familiengruft, getarnt als Familiensoap der Privaten (mit dem authentischen Touch der Dolumentation), da es allemal Wichtigeres als Zeichensetzung oder die Allgegenwärtigkeit der Massenkommunikation für uns gibt. Dennoch: das bereits zitierte

die rechte Hand in der Badehose
strahlt in seiner Vollständigkeit eine gewisse Konjunktiefe aus wie der erste Satz (der dann den Antipoden des Vorderteils beschreibt):
Anja flitzte die Leiter zum Fünfmeterbrett hoch[,] als hätte sie Hornissen im Hintern,
leitet die vergleichende Konjunktion doch einen Nebensatz ein (K112, Duden Bd. 1, S. 77), was Dir aber nicht die Entscheidung abnehmen kann oder wird. Schließlich ist das Wichtigste überhaupt, 'nen eignen Kopp zu haben – bis hin zur Dickköpfigkeit …

Gruß -
mit einigem amusement vom (um auch da kein Geheimnis draus zu machen) die Dudenredaktion in ihrem Anpassungswahn – Ausdrücke von Kanakdeutsch der 1990er zB sind ja wieder futsch, selbst in seiner 24. Auflage eher skeptisch sehenden

Friedel,
der es trotz eiteln Sonnenscheins im Pott ins Internetcafé gefunden hat auf ein zartes Stündchen. Wäre ja noch schöner, wenn's Finanzministerium die Steuergesetze änderte, weil Herr Höhniss lieber spendete nach eigenem Gustav!

 

Hey Ernst O.,

man kan den Text echt gut lesen, sprachlich ist der wirklich sehr angenehm. Das wohlige Leseempfinden wird dann natürlich im zweiten Teil extrem gebrochen, und man steckt halt in dieser Familie drin, was mich an Tucholksy erinnert hat "Danach", was endet mit den Worten ... "Und darum wird beim happy end im Film jewöhnlich abjeblendt." Absatz drei hat mich dann verwirrt, er springt und gleich darauf springt er nochmal und ich hatte keine Lust, mir darüber weiter Gedanken zu machen und las die Kommentare und fand dann dies:

Und irgendwie seh ich das jetzt schon auch so, dass Snif kein Feigling ist, sondern ein sehr reflektiertes Kerlchen eigentlich, dem es, wenn auch eher unbewusst, schon in seinem zarten Alter gelingt, sich von diesen Geschlechterrollenklischees zu emanzipieren. Er scheißt quasi auf den Mainstream. Klar springt dann letztendlich auch er, aber nicht weil er ein Poser ist, sondern er tut’s nur um seinetwillen.

Snif = Fins :D, sehr cool :)

sondern ein sehr reflektiertes Kerlchen eigentlich, dem es, wenn auch eher unbewusst, schon in seinem zarten Alter gelingt, sich von diesen Geschlechterrollenklischees zu emanzipieren.

Aber darüber habe ich echt geschmunzelt, er emanzipiert sich kein Stück von Geschlechterrollenklischees, der ganze zweite Absatz (seine Zukunftsmalerei) ist ja wohl so was von vollgeproft damit, mehr geht ja gar nicht. Auf diesen Zirkelschluss wäre ich im Leben nicht gekommen. Ohne den Mittelteil ja vielleicht noch, wenn er gewartet hätte, bis sie weg ist und dann tatsächlich für sich und nicht für sie gesprungen wäre. Ich glaube, dass hätte mir auch gereicht. Teil eins und drei - das hätte ich, glaub ich, schöner gefunden. Schon allein auch deswegen, weil ich keinem Jugendlichen, der sich auf den Bauch dreht beim angucken eines Mädchens, solche Zukunftsmalerei zutraue. Aber es ist eigentlich auch ein schöner Bruch, das mal zu verkehren, nur weiß ich halt nicht, ob mir diese Art der Vision gefällt, weil ich fand die voll Klischee und nichts weiter. Vielleicht hätte es mir besser gefallen, wenn in der Zukunftsvision das "Verhältnis" der beiden aufgegriffen worden wäre, und sie da ständig Sachen verlangt, die er nicht erfüllen kann/will, er ständig unter Druck von ihr steht und darunter leidet, also wenn das Thema fortgesetzt geworden wäre. So in der Art - studiere was, dabei will er doch Koch werden, dann ist er BWL'er mit schlechtem Abschluss und bekommt daher nur ne Stelle als Buchhalter, die Beförderung geht immer an die anderen. Er der Versager, beruflich, als Vater und wenn noch einen Liebhaber hat, ... Also irgendwie in dieser Richtung.

Also, Grundidee finde ich gut (Teil eins und drei), sprich, dass er am Ende nicht für sie springt. Sprachlich ist es wirklich sehr schön, Mittelteil ist mir zu sehr aus der Luft gegriffen, verstehe aber die Absicht dahinter und dafür bekommste auch noch einen Punkt :).

Beste Grüße, Fliege

 

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