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Der Vogel

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08.02.2016
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Der Vogel

In den frühen Morgenstunden, es dämmerte noch nicht, schritt Captain Willdorpe über das Flugfeld in Foggia, auf dem die viermotorigen Bomber für die Mission bereit standen. Viele Stunden hatte er in den letzten Tagen mit der Planung verbracht. Es hatte auch eine Weile gedauert, seine Vorgesetzten zu überzeugen, aber schließlich hatten sie zugestimmt und seinen Entwurf übernommen. Die Flugzeuge würden heute eine neue Anflugroute wählen und wenn alles wie berechnet verliefe, würde die österreichische Fliegerabwehr den Angriff erst deutlich später registrieren. Er betrachtete die mächtigen Maschinen, doch seine Gedanken waren tausende Kilometer weiter westlich. In einem kleinen Apartment in der Page Street in San Francisco war es gerade acht Uhr abends und er fragte sich, was seine Frau und seine zwei Töchter wohl gerade machten. Die Kleinen waren vielleicht schon im Bett und schliefen. Ob er ihnen fehlte? Träumten sie von ihm? Er sehnte sich nach ihnen und vielleicht half sein Plan dabei, ihn und alle anderen, die hier festsaßen, bald nachhause zu bringen.

Mathilde ließ das Messer auf die Küchenplatte sinken. Vor ihr stieg der Dampf der heißen Kartoffeln auf und beschlug die Fensterscheibe. Hinter dem milchig gewordenen Glas, auf dem die winzigen Wassertropfen die ersten Frühlingssonnenstrahlen brachen und funkelten wie ein Sternenhimmel mitten am Tag, war ein helles Stimmchen zu vernehmen. Mathilde war gerade groß genug, um die Ellenbogen über die Arbeitsfläche zu heben. Sie hatte das Kinn auf den Unterarmen abgelegt und lauschte dem Zwitschern eines Vogels, in das bald darauf weitere einstimmten. Neugierig streckte sie ihre mit Kartoffelschalen verklebte Hand zum Fenster und wischte einen Streifen frei. Auf den Birken vor dem Haus hatte sich eine Schar grau-brauner Vögel niedergelassen, die mit metallisch klirrenden Stimmen sangen. Sie hatten einen schwarzen Streifen über den Augen, eine spitze Federhaube und einen leuchtend roten Punkt auf ihren Flügeln. „Mathilde! Die Erdäpfel werden kalt!“, ermahnte sie Mutter. Mathilde zuckte zusammen, griff nach dem heißen Gemüse und setzte ihre Arbeit fort.

Eine Weile erfüllte jede still ihre Aufgaben: Mathilde und Ingrid schälten die heißen Kartoffeln, Mutter zerstampfte sie und dünstete daneben Zwiebeln. Doch Mathildes Aufmerksamkeit war wie sie selbst. Vor allem wenn man es ihr auftrug, konnte sie nicht ruhig halten. So ruhte Mathildes Messer bald auf dem Schneidbrett. In ihren Fingern fühlte sie die weiche, warme Knolle, von der ihr Blick wieder zu den Bäumen vor dem Haus wanderte.
„Wann kommt Papa zurück?“, fragte sie. Sie erinnerte sich nur in Bruchstücken an seinen Abschied. Ihr Gesicht an die Brustknöpfe seiner Uniform gedrückt, seine großen, rauen Hände an ihren Wangen.
„Wenn du nicht brav bist und tust, was man dir sagt, kommt er gar nicht mehr“, erwiderte Mutter kühl. Mathilde erschrak bei diesen Worten und hantierte sogleich eifrig mit den Kartoffeln und dem Messer. Die Vögel auf den Birken hüpften flatternd von Ast zu Ast und tschilpten aufgeregt.

Ingrid hatte ihre Portion bereits geschält und nahm Mathilde den Rest ab, während Mutter die zerdrückten Kartoffeln mit den gebräunten Zwiebeln in einer großen Pfanne vermischte. Zischend und dampfend milderte die weiche Masse den scharfen Zwiebelgeruch. Als alles fertig war, wuschen Mathilde und Ingrid ihre Hände und deckten den Tisch: drei Teller, drei Löffel und drei Gläser Wasser. In die Mitte stellte Mutter die heiße Schüssel. Mit knurrenden Mägen und großen Augen schauten die Mädchen, wie Mutter den Kartoffelschmarrn mit dem Schöpflöffel teilte.

Ein Geräusch ließ sie innehalten. Niemand im Zimmer regte sich. Aus dem Radio, aus dem bisher leise Stimmen und Melodien dahin geplätschert waren, erklang jetzt klar und unnatürlich ein Kuckucksruf. Mutter, Ingrid und Mathilde aßen schweigend ihre Erdäpfel. Dann schwoll vor den Fenstern ein tiefes Brummen rasch zu einem hohen Heulen an, blieb für einige Sekunden konstant und schwoll wieder ab. Als das Sirenengeheul ein zweites Mal durch das Zimmer schnitt, ließ Mathilde ihren Löffel auf den Tisch sinken und sagte: „Ich habe keinen Hunger mehr.“
„Dann geh und hol den Koffer, wir gehen gleich“, erwiderte Mutter während sie angespannt, aber nach außen hin ruhig, weiter aß. Ingrid versuchte, sich wie die Mutter ruhig zu geben, sie fühlte sich als ältere verpflichtet, erwachsen zu sein und sich von Mathilde zu unterscheiden, doch sie hatte Mühe, ihre zitternden Hände zu kontrollieren.

Mathilde ging ins Vorzimmer und holte aus dem Schrank den Koffer, der immer mit den wichtigsten Dokumenten bereit stand. Sie stellte ihn neben der Eingangstüre ab, dann ging sie auf den Gang hinaus und ins Klosett, das sich direkt neben ihrer Wohnungstüre befand. Als sie fertig war und die Klospülung zog, hörte sie aufgeregtes Vogelgezwitscher über sich, konnte aber nichts sehen, als sie nach oben blickte. Der kleine Raum war hoch und weit über ihrem Kopf war ein offenes Fenster, das zum Lichtschacht hinausging. Sie stieg auf die Klobrille, kletterte über das Rohr zum Spülkasten, stützte dort ihre Beine ab und zog sich schließlich an der Kante soweit hoch, bis sie sich auf dem Fensterbrett in die Höhe stemmen und mit herabbaumelnden Beinen hinsetzen konnte. Dort sah sie einen der Vögel, die sie zuvor vor dem Haus gesehen hatte, aufgeregt hüpfen und flattern, aber er konnte nicht davon fliegen. Sein Bein hatte sich in einem Stück dünnen Draht, das aus dem Fensterrahmen stand, verheddert und hielt ihn gefangen. Sie griff nach dem Vogel und hielt ihn eine Weile in der Hand. In ihren Fingern fühlte sie das kleine, weiche, warme Wesen, in dem das Herz aufgeregt pochte. Während sie den Kopf des Vogels betrachtete, der hin und her und auf und ab zuckte, durchströmte ein Gefühl, das sie nicht genau verstand, ihren Körper und brachte sie dazu, das Tier noch etwas länger festzuhalten, noch etwas länger zu warten und zu schauen. Schließlich aber befreite sie mit der anderen Hand das Beinchen aus dem Draht und öffnete ihre Hand, damit der Vogel davon fliegen konnte. Sie blickte ihm nach wie er zwitschernd auf und ab flog, als sie plötzlich eine Hand am Bein packte und vom Fenster zog. Fast wäre sie rücklings in die Klomuschel gestürzt, aber ihre Mutter fing sie und fauchte sie an: „Spinnst du? Was machst du da oben? Wir haben keine Zeit mehr!“ Sie nahm sie am Arm und zerrte sie fort.

Sie waren alleine, als sie über den Hof liefen. Die übrigen Bewohner hatten das Haus bereits verlassen. Ingrid lief voraus, Mutter mit Mathilde an der Hand hinterher. Zuerst hatte Mutter sie mitgezogen, doch jetzt klammerte sich Mathilde mit aller Kraft an der Hand fest. Bei jedem Schritt fürchtete sie, dass sich ihre Mutter los reißen würde und sie alleine zurück bliebe. Auf der Straße schaute Mathilde über ihre Schulter. Niemand war hinter ihnen. Das Kopfsteinpflaster wartete still auf die Einschläge, die geschwärzten Fassaden blickten mit hohlen Augen auf sie herab. Sie rannten an Schutthaufen und heruntergefallenen Fassadenteilen vorbei, über das Pflaster, dem an vielen Stellen die Steine fehlten.

Mathilde wollte die Maschinen sehen, die sich dunkel brummend näherten, um dann in einem schrillen Kreischen über ihre Köpfe hinweg zu ziehen. Sie blickte zum Himmel. Er war blau, ohne Wolken, windstill und unbewegt. Die Sirenen waren mittlerweile verstummt. Da sah sie über einem Häuserdach am Ende der Straße einen kleinen Punkt aufblitzen, einen Stern, der so hell leuchtete, dass er auch am Tageshimmel zu sehen war. Er wurde rasch größer. Schallwellen begleiteten ihn, die zunächst nur die letzten verbliebenen Fensterscheiben in eine leichte Vibration versetzten, aber nach und nach ins Rückenmark krochen. Dort dehnten sie sich mit zunehmender Kraft aus, bis sie schließlich als Trommeldonner in den Kopf rollten. Orientierungslos und mit verzerrtem Sichtfeld stürzte Mathilde und riss ihre Mutter mit zu Boden. Sie blieben regungslos, die Hände an die Ohren gepresst liegen, bis der Lärm vorübergezogen war.

Aus einiger Entfernung konnten sie die Wellen eines Aufpralls und einer Explosion spüren. Mathilde sah in die Richtung, wo jetzt Rauch aufstieg. Da wurde sie an den Haaren hochgezogen und auf die Beine gestellt. Sie schaute in die zusammengekniffenen Augen ihrer Mutter, deren Brustkorb sich unter kräftigen Zügen hob und senkte. „Du …“ setzte sie mit gepresster Stimme an, doch sie setzte nicht fort. Sie wandte sich ab und blickte die leere Straße hinunter. Ingrid war nicht mehr zu sehen. Sie musste weitergelaufen sein, als sie am Boden gelegen waren und der Bomber über sie hinweg flog. Es hatte keinen Sinn mehr, bis zum Luftschutzbunker zu laufen. So zog Mutter Mathilde über die Straße zu einem Hauseingang, neben dem die Buchstaben „LSK“ geschrieben waren. Sie rüttelten an der Türe, doch die bewegte sich nicht. Sie liefen weiter zum Nebenhaus, wo sie durch das Tor in einen Hof gelangten und auf der gegenüberliegenden Seite eine Eisentür sahen, die in den Keller zu führen schien. Sie ließ sich öffnen und dahinter führte eine Steintreppe in den Untergrund.

Der Weg führte durch mehrere enge Gänge und immer wieder Treppen hinab, und als Mathildes Beine bereits schmerzten, traten sie endlich in ein hohes Gewölbe, an dessen Ende ein schwaches Licht flackerte. Kleine Gruppen, Familien und Paare, kauerten an den Wänden und schenkten den Neuankömmlingen keine Beachtung. Mutter und Mathilde gingen durch den Raum und fanden einen Platz unter einem Strebepfeiler, an den sie sich sitzend lehnten. Aus einer dunklen Ecke kam murmelnd ein grauhaariger Mann mit energischen Schritten in die Mitte des Raumes. Den Blick auf den Boden gerichtet, ging er an ihnen vorüber.

„Ausgehungerte … Bleiche …“, schnappte Mathilde auf, als er sie passierte und zur anderen Ecke des Raumes weiterging. Von dort kam er direkt zurück, „ … ausgeliefert, gedemütigt …“, hörte ihn Mathilde diesmal sagen und noch ein drittes Mal ging er an ihnen vorbei, „diese … Todesgesellschaft …“, zischte er. Aus dem Schatten einer Nische traten zwei Männer in schwarzen Mänteln, die den Aufgebrachten musterten und ihm mit ihren Blicken folgten. Einer von ihnen machte einen Schritt vorwärts, doch der andere hielt ihn am Arm zurück, denn der Schimpfende blieb endlich stehen, lehnte sich an eine Wand und sank, als hätte ihn jegliche Kraft verlassen, völlig erschöpft zusammen. Die beiden Männer zogen sich wieder in die Dunkelheit zurück.

Es war still, niemand rührte sich mehr. Die Steinwände waren wie die Luft feucht und kalt. Alle hockten oder lagen auf dem Boden, manche schienen zu schlafen, bedeckt von zerlumpten, staubigen Mänteln hätten sie auch bereits tot sein können. Die kühle Ruhe dieser Höhle war weit weg vom Kriegslärm. Mutter saß mit angezogenen Beinen an den Pfeiler gelehnt, die Stirn auf die Knie gelegt. Mathilde rollte sich am Boden zusammen und dachte an die Arme des Vaters, die ihren Kopf umschlangen. Sie schloss die Augen und konnte ihn sehen.

Er stand in seinen braunen Hosen und seinem sommerlichen, blauen Hemd, von dem die obersten zwei Knöpfe geöffnet waren, unter einer Birke und streckte die Arme hoch. Er wollte Ingrid auffangen, die den Stamm hochgeklettert war, aber nun herunter springen wollte. Sie ließ sich in Vaters Arme fallen und gemeinsam purzelten sie lachend in die Wiese. Mathilde wollte zu ihnen laufen, doch als ihr eine kühle Hand sanft durch die Haare strich, stellten sich ihre Nackenhaare auf und ihre Muskeln spannten sich. Langsam drehte sie ihren Kopf zur Seite, wo sie Mutter erblickte, die ihr die Hand auf den Kopf gelegt und den Blick auf Ingrid und Vater gerichtet hatte. Vater bemerkte sie nun, zeigte in ihre Richtung und flüsterte Ingrid etwas ins Ohr, die, die Augen auf den Boden gerichtet, zögerlich nickte. Als er fertig gesprochen hatte, küsste er das Mädchen auf die Stirn und umarmte sie lange und kräftig. Dann stand er auf, winkte Mathilde und Mutter zu, drehte sich um und ging fort. Mathilde winkte zunächst zurück, doch als er sich abwandte, stockte ihr Atem. Sie rief den Vater, um ihn aufzuhalten, schrie aus Leibeskräften, brüllte, bis ihr Hals schmerzte und ihr Kopf zu platzen drohte, doch niemand reagierte auf sie. Mutter stand neben ihr und winkte lächelnd ihrem Mann, der zwischen den Hügeln verschwand. Mathilde wollte zu ihm laufen, doch als sie versuchte, sich in Bewegung zu setzen, begann sie zu taumeln und konnte gerade noch das Gleichgewicht halten. Verwirrt schaute sie zu Mutter. Den Blick immer noch in die Ferne gerichtet, begann diese zu Ingrid hinüberzugehen. Als würde sie auf einer Kante balancieren, musste Mathilde den Kopf gerade halten und all ihre Kraft und Konzentration aufwenden, um nicht zu stürzen. Vor Anstrengung zitternd beugte sie vorsichtig den Nacken, folgte mit dem Blick prüfend ihrem rechten Bein von der Hüfte bis zu den Zehenspitzen und wieder zurück. Obwohl sie aus dem Augenwinkel bereits den Grund für ihren unsicheren Stand bemerkte hatte, wollte sie es noch nicht glauben und setzte die ihre Untersuchung auf ihrer linken Seite fort. Doch wo sie ein Bein fühlte, konnte sie keines sehen. Ihr Blick stürzte von der Hüfte in die Leere, die sich unter ihrer linken Seite auftat, eine schwarze Leere, die ihre volle Anziehungskraft erst auf ihre Augen entfaltete und ihr Leuchten in die Finsternis hinab zog.

Sie erwachte, als sie die Druckwelle der Explosion durch den Raum und gegen eine Wand schleuderte. Der Aufprall presste die Luft aus ihrer Lunge. Für einen Moment war sie ein kleiner Fisch, der, von einer großen Hand aus dem Wasser geholt und zusammengedrückt, nach Sauerstoff japste. Schwarze Flecken breiteten sich vom Rande ihres Gesichtsfeldes aus, während sie hustete, keuchte und spuckte. Allmählich aber fand sie ihren Atem wieder und erst jetzt bemerkte sie den Keller um sich. Unter dicken Staubwolken sah sie ein riesiges Loch in der Wand neben dem Eingang. Eine Frau lag am Boden und hielt sich die Brust. Augen und Mund weit aufgerissen, versuchte sie zu atmen. Ihre Gesichtsfarbe wurde immer dunkler. Die Umstehenden, die ihr bereits den Kragen geöffnet hatten und sie aufsetzten, um ihr das Atmen zu erleichtern, konnten nur mit ansehen, wie sie sich in Verzweiflung immer stärker verkrampfte und vergeblich versuchte, sich an irgendetwas festzukrallen, um nicht in die Dunkelheit zu stürzen. „Mutter!“, blitzte es da durch Mathildes Bewusstsein. Sie schaute sich um, aber konnte sie nicht sehen. Einige große und kleine Körper lagen auf dem Rücken, die Gesichter mit Mänteln, Jacken oder Pullovern bedeckt. Um sie herum kauerten ihre Angehörigen, schrien und weinten. Die Männer in den schwarzen Mänteln standen vor ihrer Nische über dem Grauhaarigen, der, als ihn einer der beiden prüfend mit der Fußspitze antippte, regungslos blieb.

Mathilde erhob sich und ging, ohne etwas von der Aufregung um sich herum zu hören, durch den Raum. In ihren Ohren verdrängte ein hoher Pfeifton die Außenwelt. Eine Gruppe von Menschen sammelte sich um jemanden, der von der Hüfte abwärts unter Trümmern begraben lag. Sie halfen einem jungen Mann der sich mit verzerrtem Gesicht wand und sich zu befreien versuchte. Dort unter jenen, die Steine und Schutt vom Körper des Mannes schoben, entdeckte sie Mutter. Mathilde konnte nur ihren Rücken sehen und wandte sich zum Ausgang. Der Durchgang und die Treppe waren frei. Zwar waren Teile der rechten Mauer eingestürzt, aber die Steine versperrten den Weg nicht komplett. Das Pfeifen in ihrem Kopf hob sie aus dieser Welt und trug sie vorwärts. Sie schwebte nach oben und gelangte schließlich ins Freie, in den Hof, in dem die Bombe den Boden durchschlagen hatte und erst unter der Erde, in der Nähe des Kellergewölbes, explodiert war.

Der Himmel war noch immer blau und die Luft war warm. Rauchwolken zogen über das Haus und trugen einen Hauch von verbranntem Fleisch in sich. Langsam verstummte der Ton in Mathildes Ohren und die Umwelt drang zu ihr vor. Außer ihr war niemand in dem Hof, doch in ihrem Augenwinkel sah sie etwas, eine kleine Bewegung, die sich fortwährend wiederholte. Sie ging darauf zu und hörte nun ein Zwitschern. Ein Vogel hüpfte aufgeregt auf einem herabgestürzten Stück der Hausmauer. Als Mathilde unmittelbar vor ihm stand, erkannte sie, dass er nicht hüpfte. Er hatte keine Beine. Ein Flügel war gebrochen und konnte nur noch hilflos zucken. Er drückte sich mit dem gesunden Flügel vom Stein ab, versuchte verzweifelt sich in der Luft zu halten und zu fliegen, schlug mit aller Kraft mit dem Flügel und wollte den Boden verlassen. Doch jeder Versuch endete mit dem dumpfen Aufprall auf der Erde, die ihn immer wieder zu sich zurückzog. Verwirrt piepste er und keuchte erschöpft, während er seine Energie für den nächsten Versuch sammelte. Mathildes Schatten legte sich über ihn. Sie hob ihren Fuß und setzte langsam ihre Schuhsohle auf den schmächtigen Körper, der nun wild zuckte und alle Kraft, die er nicht mehr in seine Bewegungen leiten konnte, in seine Schreie legte. Sie fühlte das Zittern, das rasende Pochen des Herzens, sie meinte auch die Wärme des Lebens zu fühlen, während sie die Luft aus dem Leib presste. Sie dachte an einen Funken und sah ihn erlöschen.

Aus der Mittagssonne kamen die Flugzeuge näher. Auf dem Flugfeld stand beinahe die gesamte Besatzung des Stützpunktes und winkte den Piloten in den herannahenden Fliegern. Der Mission war gelungen. Nicht nur die Munitionsfabriken konnten zerstört werden, sondern auch die Fliegerabwehr des Gegners wurde entscheidend geschwächt. Trotzdem war die Freude gedämpft. Sie hatten ein Flugzeug verloren. In einer Woche würde ein Brief in einem Apartment in der Page Street in San Francisco einlangen, der der Empfängerin mitteilte, dass ihr Mann mit aufopferndem Einsatz sowohl in der Planung als auch auf dem Schlachtfeld in ehrenhafter Erfüllung seiner Pflicht gefallen sei. Captain Willdorpes Maschine war außerhalb der Industriezone schwer getroffen zu Boden gekracht und sofort in Flammen aufgegangen. Von der Stadt aus konnte man die Rauchfahne sehen, die zwischen den Hügeln zum Himmel aufstieg.

 
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Hej Douki,

es fällt mir nicht leicht, deine Kurzgeschichte zu kommentieren. Du hast mich erzählerisch tief in eine entsetzliche Zeit gezogen und mich sehr bewegt. Einige Stunden im Leben der kleinen Mathilde zu beschreiben ist dir gelungen, die verbitterte Mutter, die unscheinbare Schwester, die verloren geht sowie das Beiwerk des Aulösers aus San Francisco.
Dein Aufbau der Erzählung, beginnend mit einem scheinbar alltäglichem Zubereiten einer Mahlzeit, der Bezug nach draußen hat mich total eingespannt. Dein Stil ist für mich beeindruckend. :shy:
Deine bildhafte Beschreibung hat mich tief betroffen und mir selbst teilweise den Atem genommen, sei es während des schrecklichen Traumes oder als Mathilde "für einen Moment ein kleiner Fisch" war. Ich war ganz Mathilde, die Bilder sah, die sie nicht einordnen konnte, durch ein Pfeifen im Ohr akustisch vom Geschehen abgeschnitten, treibend im unverständlichen Chaos.
Jeder Abschnitt steckt voll von Emotionen und Bildern. Ich bin sehr beeindruckt.
Was mich aber fragend zurück lässt: wieso geht Mathilde nicht zur Mutter, die sie von hinten erkennt? Wieso geht sie stattdessen ins Freie.
Auch dass ein kleiner Vogel ohne Beine und mit nur einem intakten Flügel lebt, ist für mich nicht vorstellbar. Dass Mathilde dann mit dem Fuß darauf tritt ist hochdramatisch. Ob es realistisch wäre, kann ich nicht beurteilen, aber ich möchte es nicht glauben.

Im letzten Absatz den Tod des Piloten und mich zurück zum Anfang zu führen, rundet die Geschichte und macht sie nur noch tragischer.

Es war ein entsetzlicher Ausflug in eine Zeit, die kein Mensch (und Tier) erleben sollte und die doch immernoch irgendwo so oder so ähnlich stattfindet.

Nach orthograpischen Fehlern habe ich jetzt nicht gesucht - war zu abgelenkt, lediglich im sechsten Abschnitt stolperte ich über den Begriff "ins Klo gehen", denn das klingt nicht nach einem Raum, eher nach dem Becken.

Freundliche Grüße, Kanji

 

Puuh, Douki, was für ein beeindruckendes Debut.
Ich kann jetzt gar nicht viel sagen, irgendwas raten oder konstruktives Feedback geben. Außer diesem: Das ist eine exzellente Geschichte von einem oder einer sehr versierten Schreiberin. Die Bilder, die du vor unseren Augen entstehen lässt, ziehen einen in den Sog dieser Geschichte, ob man will oder nicht.
Das geschockte Mädchen, das aus dem Keller flüchtet, das nur am Rande registriert, dass die Mutter Mauerreste von einem Verschütteten forträumt. Die Kälte dieser Zeit, die selbst im Keller unter der Gefahr der Bomben lauert oder die ihre Spuren in den Persönlichkeiten aller Beteiligten hinterlässt.
Es ist eigenartig und spricht vielleicht gar nicht beonders für mich, aber es war ausgerechnet die Vorstellung von diesem Vogel, der unermüdlich beinlos das Fliegen versucht, die mir die Kehle zugeschnürt haben. Und dieses junge Mädchen, dieses Kind, das den Funken Leben aus ihm herauspresst. Ja, du zeigst uns düstere Bilder aus einer Zeit, die Verlierer kennt und Sieger, sogar Helden gibt es da, aber gewinnen? Gewinnen wird da letztendlich keiner. Nur der Plan, der geht auf.

Kanji schreibt:

Es war ein entsetzlicher Ausflug in eine Zeit, die kein Mensch (und Tier) erleben sollte und die doch immernoch irgendwo so oder so ähnlich stattfindet.
Und genau das ist es, was auch ich immer denken muss. Ja, dieser Krieg ist vergangen. Aber genau das, was da passiert, das geschieht so ähnlich vielleicht gerade irgendwo.

Ja, es ist beeindruckend, nicht nur beeindruckend geschrieben, sondern auch beeindruckend strukturiert und mit Gedankenwelten spielend.
Wie gut, dass du aus deiner literarischen Einsamkeit herausgekommen bist.
Herzlich Willkommen.
Viele Grüße von Novak

 

Danke für das Lesen der Geschichte und das schöne Feedback! Kritik hilft zwar, wenn es darum geht, sich zu verbessern, aber Lob motiviert und spornt an, weiter zu machen. Und diesen Ansporn braucht man manchmal dringend.
Kanji danke für die kritischen Anmerkungen. "Klo" habe ich in "Klosett" geändert, weil das den entsprechenden und gemeinten Raum bezeichnet. Die anderen Kritikpunkte möchte ich nicht ändern, weil ich denke, dass 1. es im Text zumindest Andeutungen gibt, warum die Dinge so sind und 2. diese Punkte ruhig Diskussionspunkte bleiben können, zu denen LeserInnen verschiedene Meinung haben können/sollen.

 

Hej Douki,

ich gehe nicht davon aus, das der Autor ändert, was mich irritiert - wo kämen wir denn dahin :) - es sollte dir nur einen Eindruck vermitteln, wie die erwähnten Passagen auf einen einzigen Leser (also mich) wirken.

Herzliche Grüße, Kanji

 
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Hallo Douki,

was mich bei deiner Geschichte beeindruckt ist die gekonnte Vermischung von historischer Erzählung und psychologischen Blitzlichern in der Handlung und auch Sichtweise der Protagonisten, die außerhalb der erzählten Situation teilweise fast surreal anmuten.
Die Geschichte ist fatal in ihrer Konsequenz und in der Konstellation der Frau mit Kindern in San Francisco, die ihren Mann, den Pilot verliert und der Mutter mit ihren zwei Mädels in einer österreichischen Stadt, die durch seinen Plan in diese Situation kommen. Im ersten Moment dachte ich noch, dass diese Mutter mit den Kindern seine Familie sei, die eingeführt wird, ein raffinierter Zug als Autor.

Ich blicke bei der Mutter nicht durch - die ist irgendwie daneben, durchgeknallt, keine Ahnung. Jedenfalls verhält sie sich sonderlich.

Ein paar Schnitzer sind mir noch aufgefallen:


In den frühen Morgenstunden, es dämmerte noch nicht, schritt Captain Willdorpe über das Flugfeld in Foggia, auf dem die viermotorigen Bomber für die Mission bereit standen, mit deren Planung er so viele Stunden in den letzten Tagen verbracht hatte
.
Wieso in mehreren Stunden? Das liest sich, als bräuchte der Captain stundenlang, um über das Flugfeld zu kommen.

Es hatte zwar eine Weile gedauert, seine Vorgesetzten zu überzeugen, aber schließlich hatten sie zugestimmt und seinen Entwurf übernommen.
Planung statt Entwurf fände ich passender, wenn du die Doppelung mit Planung im Satz zuvor vermeiden willst, würde auch Vorhaben passen.


Die Kleinen waren vielleicht schon im Bett und schliefen. Ob er ihnen fehlte? Träumten sie von ihm? Er sehnte sich nach ihnen und vielleicht half sein Plan dabei ihn und alle anderen die hier festsaßen bald nachhause zu bringen.
Da häuft sich ihn/ihnen sehr, so dass es sich nicht so elegant liest. Vielleicht könnte man das etwas umformulieren?

Hinter dem milchig gewordenen Glas, auf dem die winzigen Wassertropfen die ersten Frühlingssonnenstrahlen brachen und funkelten wie ein Sternenhimmel mitten am Tag, war ein helles Stimmchen zu vernehmen.
Dieser Satz ist etwas sehr ums Eck geschrieben, so dass er schwer zu verstehen ist. Stimmchen ist auch irreführend für ein Piepsen oder sonstige Laute eines Vogels. Ich würde da zwei Sätze draus machen oder und funkelten wie ein Sternenhimmel mitten am Tag, rausnehmen. So jedenfalls ist er zu vollgestopft.


Mathilde war gerade groß genug, um die Ellenbögen über die Arbeitsfläche zu heben.
Ellenbogen

Sie hatte ihr Kinn auf ihren Unterarmen abgelegt und lauschte dem zwitschern eines Vogels, in das bald darauf weitere einstimmten.
Zwitschern

Eine Weile erfüllte jede still ihre Aufgaben: Mathilde und Ingrid schälten die heißen Kartoffeln, Mutter zerstampfte sie und dünstete daneben Zwiebel.
eine Zwiebel oder Zwiebeln
Doch Mathildes Aufmerksamkeit war wie sie selbst.
Dieser Satz ist keiner. Jedenfalls keiner mit einer Aussage, die man verstehen kann.
„Wenn du nicht brav bist und tust, was man dir sagt, kommt er gar nicht mehr“, erwiderte Mutter kühl.
Hoi, was ist denn mit der los? Wie kann man denn den Vater so in eine Drohung einbauen? Liebevoll ist jedenfalls anders ...
Ingrid hatte ihre Portion bereits geschält und nahm Mathilde den Rest ab, während Mutter die zerdrückten Kartoffeln mit den gebräunten Zwiebeln in einer großen Pfanne vermischte. Zischend und dampfend milderte die weiche Masse den scharfen Zwiebelgeruch. Als alles fertig war, wuschen Mathilde und Ingrid ihre Hände und deckten den Tisch: drei Teller, drei Löffel und drei Gläser Wasser. In die Mitte kam die heiße Schüssel, die Mutter soeben brachte. Mit knurrenden Mägen und großen Augen schauten die Mädchen, wie Mutter den Kartoffelschmarrn mit dem Schöpflöffel teilte.
Diesen Absatz finde ich etwas zu ausgewalzt.

Ingrid versuchte sich wie die Mutter ruhig zu geben, sie fühlte sich als ältere verpflichtet, erwachsen zu sein und sich von Mathilde zu unterscheiden, doch es gelang ihr nicht so recht ihre zitternden Hände zu kontrollieren.
nicht so recht ist umgangssprachlich, vielleicht eher: doch sie hatte Mühe, ihre zitternden ...

. Sie stellte ihn neben der Eingangstüre ab, dann ging sie auf den Gang hinaus und ins Klosett, das direkt neben ihrer Wohnungstüre war.
Das Klo/Klosett war ja schon Thema. Ich denke, auch deshalb, weil ich eher kenne, dass man auf das Klo geht. Aber vielleicht ist das auch Dialekt.

Sein Bein hatte sich in einem Stück dünnen Drahtes, das aus dem Fensterrahmen stand, verheddert und hielt ihn gefangen.
Draht

durchströmte ein Gefühl, das sie nicht genau verstand, kribbelnd ihren Körper und brachte sie dazu, ihn noch etwas länger festzuhalten, noch etwas länger zu warten und zu schauen.
meiner Ansicht nach kann ein Gefühl nicht kribbeln, ein Gefühl stellt etwas im Kopf an und ein Kribbeln wird durch eine Körperreaktion hervorgerufen
Da sah sie über einem Häuserdach am Ende der Straße, KOMMA WEG einen kleinen Punkt aufblitzen, einen Stern KOMMA HIN der so hell leuchtete, dass er auch am Tageshimmel zu sehen war und der immer größer wurde, begleitet von Schallwellen, die zunächst nur die letzten verbliebenen Fensterscheiben in eine leichte Vibration versetzten, aber nach und nach ins Rückenmark krochen, von wo sie sich mit zunehmender Kraft ausdehnten und schließlich als Trommeldonner in den Kopf rollten.
Ich fände hier kurze, prägnante Sätze auch besser, um die Hektik und Gefahr zu intensivieren.
Orientierungslos und mit verzerrtem Sichtfeld stürzte Mathilde und riss ihre Mutter mit zu Boden. Sie blieben regungslos KOMMA HIN die Hände über ihren Köpfen zusammengeschlagen liegen, bis der Lärm vorübergezogen war.
Würde man nicht eher die Hände vor die Ohren halten?
Aus einiger Entfernung konnten sie die Wellen eines Aufpralls und einer Explosion spüren. Mathilde sah in die Richtung, wo jetzt Rauch aufstieg. Da wurde sie an den Haaren hochgezogen und auf die Beine gestellte.
gestellt

Sie schaute in die zusammengekniffenen Augen ihrer Mutter, deren Brustkorb sich unter kräftigen Zügen hob und senkte. „Du…“ setzte sie mit gepresster Stimme an, doch sie setzte nicht fort.
Ich verstehe die Mutter nicht. Was soll diese Reaktion?

Sie wandte sich ab und blickte die leere Straße hinunter. Ingrid war nicht mehr zu sehen. Sie musste weitergelaufen sein, als sie am Boden gelegen waren und der Bomber über sie geflogen war. Es hatte keinen Sinn mehr KOMMA HIN bis zum Luftschutzbunker zu laufen. So zog Mutter Mathilde über die Straße zu einem Hauseingang, neben dem die Buchstaben „LSK“ geschrieben waren.
Und kein Gedanke an Ingrid?
Ich verstehe die Mutter nicht. Einerseits sitzt sie noch gemütlich am Tisch und ißt fertig, andererseits möchte sie mit den Kindern einen längeren Weg in Kauf nehmen, um in einen Bunker statt - wie jetzt zur Not - dann nur in einen Keller zu kommen. Die muss krank sein.
Aus einer dunklen Ecke kam murmelnd ein grauhaariger Mann mit energischen Schritten in die Mitte des Raumes. Den Blick auf den Boden gerichtet KOMMA ging er an ihnen vorüber.

„Ausgehungerte…Bleiche…“, schnappte Mathilde auf, als er sie passierte und zur anderen Ecke des Raumes weiterging. Von dort kam er direkt zurück, „…ausgeliefert, gedemütigt…,“ hörte ihn Mathilde diesmal sagen und noch ein drittes Mal ging er an ihnen vorbei, „diese…Todesgesellschaft…“, zischte er.
Auslassungspunkte haben ein Leerzeichen ... bevor der Text weitergeht.


Es war still, niemand rührte sich mehr. Die Steinwände waren wie die Luft feucht und kalt. Alle hockten oder lagen auf dem Boden, manche schienen zu schlafen, bedeckt von zerlumpten, staubigen Mänteln hätten sie auch bereits tot sein können.
da fehlt doch was

Er stand in seinen braunen Hosen und seinem sommerlichen, blauen Hemd, von dem die obersten zwei Knöpfe geöffnet waren, unter einer Birke und strecke die Arme hoch zu den untersten Ästen, um Ingrid aufzufangen, die den Stamm hochgeklettert war, aber nun herunter springen wollte.

Du hast jetzt schon mehrfach für meinen Geschmack komplizierte, zu ausufernde Sätze vorgelegt.
Versuche doch bei solchen Verschachtelungen lieber mehrere Sätze.


Vor Anstrengung zitternd beugte sie vorsichtig den Nacken, folgte mit dem Blick methodisch prüfend und, obwohl sie aus dem Augenwinkel bereits den Grund für ihren unsicheren Stand erahnen konnte, sich von nichts ablenken lassend, ihrem rechten Bein von der Hüfte bis zu den Zehenspitzen und wieder zurück, den Bauch entlang zu ihrem Linken.
das methodisch passt für mich nicht

Sie erwachte, als sie die Druckwelle der Explosion über den Boden und durch den Raum schleuderte.
über den Boden würde ich streichen

Sie krachte an eine Wand und der Aufprall presste die Luft aus ihrer Lunge.
hmm ... krachen finde ich vom Bild für einen menschlichen Körper nicht so passend, gegen die Wand geschleudert würde mir besser gefallen. Wenn sie an die Wand krachen würde, wäre sie in meiner Vorstellung so verletzt, dass sie sicher nicht mehr fidel aufsteht.


Für einen Moment war sie ein kleiner Fisch, der, von einer großen Hand aus dem Wasser geholt und zusammengedrückt, nach Sauerstoff japste.
da fehlt ein wurde nach zusammengedrückt
Eine Gruppe von Menschen stand um jemanden HERUM KOMMAder von der Hüfte abwärts unter Trümmern begraben war.

Es war ein junger Mann, der sich mit verzerrtem Gesicht wand und SICH versuchte zu befreien.

Er drückte sich mit dem gesunden Flügel, der andere konnte nur noch vergeblich zucken, vom Stein ab, versuchte verzweifelt sich in der Luft zu halten und zu fliegen, schlug mit aller Kraft mit dem Flügel und wollte den Boden verlassen, doch jeder Versuch endete mit dem dumpfen Aufprall auf der Erde, die ihn immer wieder zu sich zurückzog.
Wieder so ein langer Satz, da solltest du vielleicht auch noch mal dran.

Sie fühlte das zucken, das rasende Pochen des Herzens, sie meinte auch die Wärme des Lebens zu fühlen, während sie die Luft aus dem Leib presste. Sie dachte an einen Funken und sah ihn erlöschen.
Zucken


Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo Douki,
ich bin auch einigermaßen beeindruckt von Deinem Debüt. Du hast tolle Bilder beschrieben und die Symbolik mit dem verletzten Vogel und dem Erlösen mit einem Fußtritt geht ziemlich unter die Haut. Die Sprache ist der Zeit angemessen, ich würde aber bei einigen Sätzen durch mehr Punkte strukturieren, dann liest sich das einfacher. Ich habe mal zwei Beispiele rausgesucht:

Vor Anstrengung zitternd beugte sie vorsichtig den Nacken, folgte mit dem Blick methodisch prüfend und, obwohl sie aus dem Augenwinkel bereits den Grund für ihren unsicheren Stand erahnen konnte, sich von nichts ablenken lassend, ihrem rechten Bein von der Hüfte bis zu den Zehenspitzen und wieder zurück, den Bauch entlang zu ihrem Linken.

Der Satz ist echt Kraut und Rüben.

Er drückte sich mit dem gesunden Flügel, der andere konnte nur noch vergeblich zucken, vom Stein ab, versuchte verzweifelt sich in der Luft zu halten und zu fliegen, schlug mit aller Kraft mit dem Flügel und wollte den Boden verlassen, doch jeder Versuch endete mit dem dumpfen Aufprall auf der Erde, die ihn immer wieder zu sich zurückzog.

Ich glaube hier würde ich drei Sätze daraus machen. Es sind nach meinem Gefühl, ich bin da aber eine Niete, auch zu viele Kommas. Es liest sich voll zerhackt.

Aber insgesamt eine beachtliche Leistung, willkommen hier.
Grüßle, Gretha

 
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In der Hoffnung, dass das Leben auf diesem Planeten irgendwann ein
Stadium erreichen wird, in dem kein Mann und keine Frau mehr die
Schande erleben muss, noch so ein Buch wie dieses schreiben zu müssen.

Adam Zameenzad
(zu Beginn seines Buches „Mein Freund Matt und Hena die Hure“)​

An diesen Satz musste ich beim Lesen deiner Geschichte denken, Douki. Vielleicht auch deshalb, weil das genannte (herzzerreißende) Buch aus der Sicht eines Kindes geschrieben ist. Eines Kindes, das eine Odyssee durch die Schrecken eines afrikanischen Landes erleben muss, das von Hunger und Bürgerkrieg heimgesucht wird.

Es sind gerade die so sorgsam gezeichneten Details in deiner Geschichte - der Erdäpfelschmarrn und das Glas Wasser zum Mittagessen, die Drohung der (verzweifelten, verbitterten) Mutter („Wenn du nicht brav bist und tust, was man dir sagt, kommt er [der Vater] gar nicht mehr“, erwiderte Mutter kühl.), der friedvolle, blaue Sommerhimmel während des Bombenangriffs, die (SA?)-Männer in ihren schwarzen Mänteln, die anstatt den anderen zu helfen lieber den Alten sekkieren, usw. - eben diese Details sind es, die den Wahnsinn des Krieges so augenfällig machen, diesen Wahnsinn, den ein Kind zwar wahrnehmen, ihn aber nie und nimmer verstehen kann, und ja, ihn halt irgendwann als Normalität zu begreifen beginnt.
Na ja, und dann diese Szene mit dem verletzten Vögelchen … ist es Mitleid von Mathilde, dass sie das arme Wesen tötet, oder schlicht ihre Abgestumpftheit vor dem Grauen des Todes, und wenn ja, wer könnte ihr das übelnehmen?
Also die Figuren, der Plot, die Atmosphäre sind dir wirklich ungemein gut gelungen, überhaupt behandelst du dieses elendige Thema mit sehr viel Feingefühl.

Und auch stilistisch, sprachlich ist das recht ordentlich geschrieben, finde ich, stellenweise sogar großartig, z.B. die Szene, in der Mathilde vom Abschied von ihrem Vater träumt, oder die immer wieder vorkommenden Vögel, die sich quasi leitmotivisch durch die Geschichte ziehen, ja, das ist echt toll geschrieben, sehr berührend und ohne in Gefühlskitsch abzudriften.

Ein paar Sachen sind mir allerdings aufgefallen.
Nicht ganz zufrieden z.B. war ich gleich mit dem ersten Satz:

In den frühen Morgenstunden, es dämmerte noch nicht, schritt Captain Willdorpe über das Flugfeld in Foggia, auf dem die viermotorigen Bomber für die Mission bereit standen, mit deren Planung er so viele Stunden in den letzten Tagen verbracht hatte. Es hatte zwar eine Weile gedauert,
Ich bin ja selbst berüchtigt für meine endlosen Satzungetüme (mein längster Satz geht über elf Zeilen), aber hier gefallen mir diese nachgestellten Relativsätze einfach nicht. Das holpert irgendwie beim Lesen. Und ganz toll wäre es, wenn du auch noch eines der beiden Hilfsverben eliminieren könntest.

Er sehnte sich nach ihnen und vielleicht half sein Plan dabei[,] ihn und alle anderen[,]die hier festsaßen[,] bald nachhause zu bringen.

Sie hatte ihr Kinn auf ihren Unterarmen abgelegt und lauschte dem zwitschern [Zwitschern] eines Vogels,
Beide Possessivpronomen sind hier unnötig.

In ihren Fingern fühlte sie die weiche, warme Knolle, von der ihr Blick wieder zu den Bäumen vor dem Haus wanderte. „Wann kommt Papa zurück?“ fragte sie. Sie erinnerte sich nur in Bruchstücken an seinen Abschied. Ihr Gesicht an die Brustknöpfe seiner Uniform gedrückt, seine großen, rauen Hände an ihren Wangen. „Wenn du nicht brav bist und tust, was man dir sagt, kommt er gar nicht mehr“, erwiderte Mutter kühl. Mathilde erschrak bei diesen Worten und hantierte sogleich eifrig mit den Kartoffeln und dem Messer. Die Vögel auf den Birken hüpften flatternd von Ast zu Ast und tschilpten aufgeregt.
Bei direkter Rede solltest du so formatieren:

In ihren Fingern fühlte sie die weiche, warme Knolle, von der ihr Blick wieder zu den Bäumen vor dem Haus wanderte.
„Wann kommt Papa zurück?“ fragte sie. Sie erinnerte sich nur in Bruchstücken an seinen Abschied. Ihr Gesicht an die Brustknöpfe seiner Uniform gedrückt, seine großen, rauen Hände an ihren Wangen.
„Wenn du nicht brav bist und tust, was man dir sagt, kommt er gar nicht mehr“, erwiderte Mutter kühl.
Mathilde erschrak bei diesen Worten und hantierte sogleich eifrig mit den Kartoffeln und dem Messer. Die Vögel auf den Birken hüpften flatternd von Ast zu Ast und tschilpten aufgeregt.

Also jedem Sprecher eine neue Zeile gönnen.

In die Mitte kam die heiße Schüssel, die Mutter soeben brachte. Mit knurrenden Mägen und großen Augen schauten die Mädchen, wie Mutter den Kartoffelschmarrn mit dem Schöpflöffel teilte.
Wieder ein vollkommen entbehrlicher Relativsatz.

doch es gelang ihr nicht so recht[,] ihre zitternden Hände zu kontrollieren.

und ins Klosett, das direkt neben ihrer Wohnungstüre war. Als sie fertig war
Vermeide Hilfsverben, wann immer es geht. Hier z.B. könntest du schreiben:
das direkt neben ihrer Wohnungstüre lag (oder sich befand). Als sie fertig war

Schließlich aber befreite sie mit der anderen Hand das Beinchen aus der [dem] Draht und öffnet [öffnete] ihre Hand,

… über das Pflaster[,] dem an vielen Stellen die Steine fehlten.

Da sah sie über einem Häuserdach am Ende der Straße, [kein Komma] einen kleinen Punkt aufblitzen, einen Stern[,] der so hell leuchtete,

Unter dicken Staubwolken sah sie ein riesiges Loch in die [der] Wand neben dem Eingang.

… und mit weit aufgerissenen Augen und Mund versuchte sie zu atmen.
Das Partizip kann sich nicht gleichzeitig auf die Augen im Plural und den Mund im Singular beziehen. (mit aufgerissenem Mund müsste es ja heißen.) Musst du umformulieren.

Sie fühlte das zucken [Zucken]

Tolles Debüt, Douki. Willkommen hier und Grüße von Wien nach Wien.

offshore
(Rapid-Fan)


Edit bernadette

bernadette schrieb:
Für einen Moment war sie ein kleiner Fisch, der, von einer großen Hand aus dem Wasser geholt und zusammengedrückt, nach Sauerstoff japste.
da fehlt ein wurde nach zusammengedrückt

Also für mein Gefühl fehlt da nichts.
Douki verwendet die Partizipien (geholt, zusammengedrückt) hier ja quasi attributiv. Da braucht es kein zusätzliches Verb.
(Schon die Bezeichnung Partizip deutet ja auf die Teilhabe an den Eigenschaften sowohl von Adjektiven als auch von Verben hin.)

:klug:

 

Hallo Douki!

Auch ich bin von deiner Geschichte beeindruckt. Ungewöhnlich und geheimnisvoll, oder, wie bernadette sagt, surrealistisch, sind die Beziehungen zwischen der Rahmenhandlung und der eigentlichen Erzählung:

Mathildes Vater musste in den Krieg ziehen, und das unaufmerksame Mädchen, das sich wieder einmal so leicht ablenken lässt, wird von seiner Mutter ermahnt:

„Wenn du nicht brav bist und tust, was man dir sagt, kommt er gar nicht mehr“, erwiderte Mutter kühl. Mathilde erschrak bei diesen Worten und hantierte sogleich eifrig mit den Kartoffeln und dem Messer.

Da sind also zwei Töchter und der Vater, der vielleicht nicht aus dem Krieg zurückkommt (die Möglichkeit wird von der Mutter durch ihre Drohung in den Raum gestellt) - dies ist gleichsam in der Rahmenhandlung gespiegelt, denn der Bomberpilot, der mit seinem Flugzeug abgeschossen wird, hat auch eine Frau und zwei Töchter in der Heimat, denen sein Heldentod mitgeteilt werden wird. Was aber ist der tiefere Sinn, den diese Übereinstimmung zwischen der österreichischen und us-amerikanischen Familie hat? Ich weiß es auch nicht, aber ich fühle, dass da ein tieferer Sinn waltet - es gibt eine philosophische Weltauffassung, nach der alles in der Welt auf geheimnisvolle Weise zusammenhängt. Das bestätigt deine Erzählung.

Grüße
gerthans

 
Zuletzt bearbeitet:

Vielen Dank für die ausführliche Kritik!

Wenn du zu gegebener Zeit an der Geschichte sitzt und etwas Zeit hast, würden mich ein paar Worte mehr zu meinem Kommentar freuen. Ich habe schon ein paar Stichworte angerissen, von denen ich gerne was von dir als Autor lesen würden.
Das Wichtigste wäre für mich, dass ich von dir etwas von Mutters Position lese, denn bei der weiß ich wirklich nicht, was ich denken soll.

offshore schrieb:
Douki verwendet die Partizipien (geholt, zusammengedrückt) hier ja quasi attributiv. Da braucht es kein zusätzliches Verb.

Ja, da gebe ich offshore Recht.

 

@offshore
Vielen Dank für die detaillierten Anmerkungen! Ich habe die Fehler ausgebessert und versucht, den Ratschlägen gemäß Änderungen vorzunehmen. Das ist wirklich eine große Hilfe, an Stil und Ausdruck zu arbeiten. Nur bei den Hilfsverben in den Plusquamperfekt-Sätzen ist mir keine bessere Variante eingefallen (andere Zeitform?)
Grüße!

 

bernadette
Ich hab auch die von dir entdeckten Fehler ausgebessert und deine Tipps versucht einzuarbeiten. Auf die anderen Kommentare versuche ich noch zurückzukommen.
Danke nochmals!

 

Douki schrieb:
Nur bei den Hilfsverben in den Plusquamperfekt-Sätzen ist mir keine bessere Variante eingefallen (andere Zeitform?)
Ja, das ist halt immer das Problem bei Rückblenden. Gängigen Erzählkonventionen entsprechend behilft man sich üblicherweise damit, dass man nach zwei oder dreimaliger Verwendung des PQPs und sobald klar ist, dass es sich jetzt um einen Sprung in die Vorvergangenheit handelt, wieder ins Präteritum wechselt. Das geht natürlich nicht, wenn die Rückblende nur über zwei Zeilen geht. Da bleibt einem das PQP samt seinen unschönen Hilfsverben einfach nicht erspart.
Aber deine Satzumstellung hat schon was gebracht, finde ich, zumindest stehen die beiden Hilfsverben jetzt nicht mehr unmittelbar hintereinander.

 

Die Vögel auf den Birken hüpften flatternd von Ast zu Ast und tschilpten aufgeregt.
Sperlinge?, die tschilpen,

liebe/r/s Douki -

und damit erst einmal herzlich willkommen hierorts!

Als Totenvogel galt im alten Ägypten der Phönix, in unseren Breiten ist es der Steinkauz, dessen gellender Ruf an die Aufforderung "komm mit!" erinnert. Vögel und vor allem der aufsteigende Rauch stehen hier - so seh ich das - für die verwaisten Seelen.

Im Ruhrgebiet sollen noch 30.000 Bomben aus dem 2. Weltkrieg in der Erde "lauern", dass bei der noch anstehenden Entschärfung einiger Kollateralschaden angerichtet werden kann. Von einem erzählstu, für eine Erstgeburt ganz manierlich.

Anfangs fürchtete ich, dass Du der Herrschaftder Hilfsverben (insbesondere des „haben“ und „werden“ (hatte verbracht/gedauert/zugestimmt/abgelegt//würden wählen/registrieren) anheimgefallen wärest, was sich dann aber in Grenzen hielt. An einem Beispiel weiter unten

Sie musste weitergelaufen sein, als sie am Boden gelegen waren und der Bomber über sie geflogen war.
Kommt es durch den Sprachunterschied nördlich der Benrather Linie (die Platt-/Niederdeutsch von den Hoch-/Oberdeutschen Dialekten scheidet) von hat/te gelegen und ist/war gelegen zur unfreiwilligen Dopplung.

Aber die bairische Zunge braucht nicht geleugnet und unterdrückt zu werden, denn es ginge auch ohne großen Schaden zu nehmen etwa so „Sie musste weitergelaufen sein, als sie am Boden gelegen waren [bei uns "hatten"] und der Bomber über sie (hinweg) flog.“

Nun eine andere unnötige Doppelung, die nicht durch Sprachgrenzen bestimmt ist

Eine Gruppe von Menschen stand um jemanden, der von der Hüfte abwärts unter Trümmern begraben war. Es war ein junger Mann, …
Warum nicht „begraben lag“, dem dann ruhig ein ellipsoider Anflug folgen darf „Ein junger Mann ...“

Gegen Ende dominiert dann – wie ich finde, unnötig - „war gewesen“, was zwar an Verwesung erinnert, aber in den Fällen hier keineswegs aufscheinen brauchte.

Dafür kam dann eine nicht ganz logische Darstellung bzgl. des WC

Sie stieg auf die Klobrille, kletterte über das Rohr zum Spülkasten hoch und zog sich schließlich an der Kante auf das Fensterbrett hinauf. Dort sah sie einen der Vögel, die sie zuvor vor dem Haus gesehen hatte, aufgeregt hüpfen und flattern, aber er konnte nicht davon fliegen. Sein Bein hatte sich in einem Stück dünnen Draht, das aus dem Fensterrahmen stand, verheddert und hielt ihn gefangen. Sie griff nach dem Vogel und hielt ihn eine Weile in der Hand. …
Du weißt, was ich meine?

Ich reduzier mal „Sie stieg auf die Klobrille, kletterte über das Rohr zum Spülkasten hoch und zog sich schließlich an der Kante auf das Fensterbrett hinauf. Dort sah sie einen der Vögel, … [d]er konnte nicht davon fliegen. Sein Bein ... hielt ihn gefangen. Sie griff nach dem Vogel und hielt ihn eine Weile in der Hand.“ Ich bezweifel nämlich, dass eine Hand reiche, das ganze Gewicht des Mädchens zu halten – zumindest hinge man dann ziemlich schräg … und stürzt dann ab, und selbst wenn's nicht so käme, hier wär's so weit

Schließlich aber befreite sie mit der anderen Hand das Beinchen
Da wird die Mutter aber ein anderes Bild vorfinden als angegeben!

Oder sollte ich da was übersehen haben?

Und noch eine Szene befremdet mich

Mathildes Schatten legte sich über ihn. Sie hob ihren Fuß und setzte langsam ihre Schuhsohle auf den schmächtigen Körper ...
?

Wehe dem Besiegten!

Das Kopfsteinpflaster wartete still auf die Einschläge, …
Schön, aber auch zweifelhaft, zumindest märchenhaft oder animistisch angehaucht, was auch für die Fassaden gilt ...

Trivialeres

Hier fehlt was

Während sie den Kopf des Vogels betrachtete, der hin und her und auf und ab zuckte, durchströmte ein Gefühl, das sie nicht genau verstand, …
vorzugsweise der Name oder sein Stellvertreter, das Pronomen.

Und die Kommas treffen zu 85 % zu, aber gelegentlich eben nicht, wie hier

Er sehnte sich nach ihnen und vielleicht half sein Plan dabei[,] ihn und alle anderen[,] die hier festsaßen[,] bald nachhause zu bringen.
oder hier
„Mathilde! Die Erdäpfel werden kalt!“[,] ermahnte sie Mutter
und dto.
„Wann kommt Papa zurück?“[,] fragte sie.

Hier verpasstu den ersten Infinitiv, während alle anderen Infinitiv-Gruppen korrekt getroffen werden
Ingrid versuchte[,] sich wie die Mutter ruhig zu geben, sie fühlte sich als ältere verpflichtet, erwachsen zu sein und sich von Mathilde zu unterscheiden, doch sie hatte Mühe, ihre zitternden Hände zu kontrollieren.
Ähnlich hier
… und vergeblich versuchte[,] sich an irgendetwas festzukrallen, um nicht in die Dunkelheit zu stürzen.

Reine Flüchtigkeit
Er stand in seinen braunen Hosen … unter einer Birke und streck[t]e die Arme hoch.
Mathilde winkte zunächst zurück, doch als er sich abwandte[,] stockte ihr Atem.

... und konnte gerade noch das Gleichgewicht zu halten.
Hier hastu wohl mit zwo Versionen gerungen und die unterlegene ließ ein kleine Spur zurück. Denn: Ist das „zu“ nicht entbehrlich? Oder statt des „können“ „gelingen“ als Verb „und es gelang ihr, gerade noch das Gleichgewicht zu halten“.

Der darauf folgende Satz ist ein wenig arg holprig

Verwirrt schaute sie zu Mutter, die, ihren Blick immer noch in die Ferne gerichtet, zur alleine gebliebenen Ingrid hinüber zu gehen begann.
Aber bis jetzt ist mir nix eingefallen, außer vielleicht ein weniges Möbelrücken
„Verwirrt schaute sie zur Mutter. Den Blick immer noch in die Ferne gerichtet, begann Mutter zu Ingrid hinüberzugehen

Hier wäre m. E. der Dativ statt des Akkusativs angesagt

Einige große und kleine Körper lagen auf de[m] Rücken, …
selbst wenn es mehrere Körper sind hat jeder nur einen Rücken.

Zum Schluss überleg ich noch, wofür die Birke stehe. Als der zäheste Baum in unseren Breiten vielleicht als Lebenswille ... Leben zu wollen, selbst in düsteren Zeiten.

Aber liegen das Kosovo und die jugoslawischen Bürgerkriege, Irak, Afghanistan, aber auch Syrien, Lybien, vor allem aber der Kongo nicht viel näher, wo trotz technischen Fortschritts Kollateralschäden (im Kosovo sogar mit freundlicher Unterstützung der Bundeswehr) keine Ausnahme sind?

Gruß

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Aber liegen das Kosovo und die jugoslawischen Bürgerkriege, Irak, Afghanistan, aber auch Syrien, Lybien, vor allem aber der Kongo nicht viel näher, wo trotz technischen Fortschritts Kollateralschäden (im Kosovo sogar mit freundlicher Unterstützung der Bundeswehr) keine Ausnahme sind?

Und dass im Kosovo, (Ex)-Jugoslawien und Afghanistan stabilere und für die Zivilbevölkerung entspanntere Verhältnisse herrschen, bewaffnete Konflikte beendet wurden, zumindest ansatzweise zivilisierte Verhältnisse für unterdrückte Minderheiten geschaffen werden konnten, wichtige Beiträge zur Bekämpfung von Terror und chaotischen Zuständen geleistet wurden - das verdankt die betroffene Bevölkerung auch der "freundlichen Unterstützung der Bundeswehr"! Zusammen mit unseren toten, verwundeten, traumatisierten Soldaten, die in den Einsätzen ihr Leben, ihre Gesundheit und ihren Seelenfrieden solchen von Grund auf humanen und ehrenwerten Zielen geopfert haben! Es gibt nämlich einen kleinen Unterschied, ob man mitten in Deutschland im warmen Bettchen lauthals militärische Interventionen verdammt, auf die Opferbereitschaft der eigenen Soldaten spuckt und einem dann vor lauter Glückseligkeit über das eigene Samaritertum einer abgeht, oder ob man live und in Farbe in einem Konfliktgebiet mit eigenen Augen sehen kann, wie echte Dankbarkeit von Menschen aussieht, die genau wissen, was man als fremder Soldat mit der "freundlichen Unterstützung der Bundeswehr" in deren Land für sie leistet!

off-topic: sorry, dass ich das unter deine Geschichte gepostet habe, Douki! Ich wollte diese Aussage nicht unkommentiert stehen lassen. Von daher - ich jedenfalls werde über Dinge, die nichts mit deiner Geschichte hier direkt zu tun haben, kein weiteres Wort verlieren.

 

Prophylaktisch: Ich bitte alle, sich weiter nur zur KG zu äußern, alles andere per PN.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Friedrichard!
Danke auch dir für das genaue Lesen, die Korrekturen und die großartigen Ragschläge.

Zu einigen Punkten:

Sie stieg auf die Klobrille, kletterte über das Rohr zum Spülkasten hoch und zog sich schließlich an der Kante auf das Fensterbrett hinauf.

Darin steckt eigentlich in etwa: "Sie stieg auf die Klobrille, kletterte über das Rohr zum Spülkasten, stützte dort ihre Beine ab und zog sich schließlich an der Kante soweit hoch, bis sie sich auf dem Fensterbrett in die Höhe stemmen und mit herabbaumelnden Beinen hinsetzen konnte."
Ich bin mir nicht sicher, ob diese ausführliche Version besser ist.

Und noch eine Szene befremdet mich
Mathildes Schatten legte sich über ihn. Sie hob ihren Fuß und setzte langsam ihre Schuhsohle auf den schmächtigen Körper ...
?

Wehe dem Besiegten!

Warum das Befremden? Das Verhalten der Figur irritiert?

Hier wäre m. E. der Dativ statt des Akkusativs angesagt
Einige große und kleine Körper lagen auf de[m] Rücken, …
selbst wenn es mehrere Körper sind hat jeder nur einen Rücken.
War natürlich Plural und nicht Akkusativ, aber deshalb nicht besser.

Und schließlich: Zeit und Ort der Handlung sind zum einen zufällig zum anderen hängt ihre Wahl, davon ab, dass Informationen über die Zeit des 2. Weltkriegs üppiger vorhanden und leichter zusammenzutragen sind.

Danke nochmals!
Grüße,
Douki

 

Hallo bernadette,

ein paar Anmerkungen zur Mutter:

Sie ist frustriert, verbittert und abgestumpft, soviel geht aus dem Text hervor. Auf die Frage, warum sie so ist, gibt es Andeutungen, das sollte aber nicht unbedingt im Mittelpunkt der Geschichte stehen. Sie hat sich ihr Leben wohl anders vorgestellt, als alleine in schwierigen Kriegszeiten zwei Kinder durchzubringen. Sie bekommt keine Hilfe und, ob ihr Mann jemals wieder zurückkommt, ist ungewiss. Vielleicht hatte sie Ambitionen und bestimmte Vorstellungen wie ihr Leben werden sollte. Vielleicht wollte sie auch das zweite Kind nicht mehr, hatte aber auch hier kaum Alternativen.

Natürlich hat sie aber nicht nur ihre persönliche Geschichte, sondern erfüllt auch eine Funktion für die Erzählung. Familiäre Wärme ist etwas, das nur weit weg von den handelnden Personen existiert (auf der anderen Seite des Atlantiks oder in Träumen). In der Mutter spiegelt sich die Welt - kalt und verroht -, in der die Handlung spielt, sie verkörpert sie und mach sie für Mathilde erfahrbar. Damit entsteht diese konfliktgeladene Situation in der sich die Hauptfigur, Mathilde, bewegt.

Als Vorbild für die Figur (nur in ganz groben Zügen und Teilaspekten) haben Frauenfiguren in Le grand cahier gestanden.

Grüße,
Douki

 

Hallo Douki

und willkommen hier :thumbsup:

Nachdem ich deine eigenen Anmerkungen zur Geschichte gelesen habe, schreibe ich mal ein paar Worte zu deiner Geschichte.
Ist natürlich alles gut geschrieben und jedes Wort durchdacht und gefügt, enthält einige sprachliche Preziosen, Bilder und Metaphern und erinnert an eine Zeit, die aus dem realen Bewusstsein in das historische langsam, aber zügig entschwindet... du machst diese Zeit lebendig - so wie du sie imaginierst... und das ist mein Hauptproblem mit der Geschichte, so was pädagogisches, durchkomponiertes. Dabei frage ich mich spätestens, als deine Protas im Bunker sind, wann die verlorene Tochter wieder auftaucht, warum sich die Mutter keine Sorgen macht und wann der Captain endlich abstürzt, wie es im ersten Absatz angekündigt wird.

Also: gut erzählte Geschichte, aber für meinen Geschmack einfach zu viel von allem. Hat so was artifizielles, was sich auch in deinem letzten Komm spiegelt.

In der Mutter spiegelt sich die Welt - kalt und verroht -, in der die Handlung spielt, sie verkörpert sie und mach sie für Mathilde erfahrbar. Damit entsteht diese konfliktgeladene Situation in der sich die Hauptfigur, Mathilde, bewegt.
Als Vorbild für die Figur (nur in ganz groben Zügen und Teilaspekten) haben Frauenfiguren in Le grand cahier gestanden.

Ich will eine Geschichte nicht vom Autor erklärt bekommen oder gar ein Buch lesen müssen (le grand cahier), um den Kontext oder die Vorbilder zu verstehen.

viele Grüße
Isegrims

 

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