Mitglied
- Beitritt
- 04.04.2020
- Beiträge
- 40
Der Walhai
Julito spurtet zum Ufer. In der rechten Hand trägt er seinen Bambusstock, mit der linken umklammert er den Reiskuchen, den er am Abend zuvor vom Tisch stibitzt, eingewickelt und unter seinem Kissen versteckt hat. Am Ufer angekommen, atmet er tief durch. Er riecht das Meer, die Algen, das Salz. Kein Wind, nicht einmal ein Lüftchen, ist zu spüren; das Wasser liegt träge vor ihm und spiegelt die zarten Rosatöne der Morgendämmerung. Am Horizont macht Julito die Silhouetten der Fischerboote aus. Er setzt den ersten Fuß ins Wasser, seine Zehen versinken im glitschigen Sand, wirbeln eine kleine Wolke auf. Nach einigen Schritten reicht ihm das Wasser bis zu den Knien und er trifft auf die ersten Korallen. Direkt vor ihm erwachen sie aus ihrem Schlaf und heißen ihn willkommen. Er liebt die Korallen. Gute, treue Freunde sind sie ihm geworden. Er gibt ihnen Namen, besucht sie nach stürmischen Nächten, flüstert ihnen Geheimnisse zu. Dann spießt er den Reiskuchen auf den Bambusstock, taucht ihn ins Wasser und wedelt sanft damit herum. Winzige Fetzen lösen sich von dem Bissen und sinken tanzend zum Grund hinab. Nach wenigen Augenblicken wagen sich die ersten Fische aus ihren Verstecken und schnappen nach den weißen Stückchen. Julito lächelt. Alle sind sie da.
„Reiskuchen mögen sie ganz besonders.“
Julito fährt herum. Vor ihm steht ein Mann. Ein Riese. Nie zuvor hat er eine so große Gestalt gesehen. Doppelt so groß wie er selbst muss der Mann sein. Mindestens. Der Fremde trägt ein blaues T-Shirt mit weißen Punkten und eine verwaschene, löchrige Jeans. Seine Augen sind dunkel, beinahe schwarz, und liegen weit auseinander unter buschigen Brauen. Am meisten erstaunt Julito jedoch, dass der Mann von oben bis unten nass ist.
„Soll ich dir verraten, was sie noch viel lieber mögen?“, fragt der Fremde. Julito traut sich nicht, etwas zu sagen, und zuckt bloß mit den Schultern. „Ob du’s glaubst oder nicht, aber die Fische sind ganz verrückt danach.“ Der Riese kramt eine Banane aus der Hosentasche, schält sie, bricht die Spitze ab und streckt sie Julito hin. „Worauf wartest du?“
Julito streift den Reiskuchen vom Bambusstock. Dann macht er einen Schritt auf den Mann zu, ergreift das Stückchen und stellt verblüfft fest, dass die Hand des Riesen größer als sein eigener Kopf ist. Schnell spießt er das Bananenstück auf die Spitze des Bambus. Der Fremde tritt neben ihn. „Du musst den Stock ganz ruhig ins Wasser halten. Deine Hand darf sich nicht bewegen“, flüstert er. „Ja, genau so. Jetzt werden sie kommen.“
Die Fische flitzen nach oben. Einer nach dem anderen, von allen Seiten, kommen sie angeschwommen und machen sich über das Bananenstück her. Der Stock in Julitos Hand vibriert. Wasserringe bilden sich um das Fressgelage, dehnen sich immer weiter aus, überziehen einander. Unzählige Luftblasen steigen hoch und platzen an der Oberfläche. „Ich wusste nicht, dass Fische Bananen mögen“, sagt Julito und strahlt den Fremden an. „Gleich ist alles weg!“
„Sieh an, du kannst ja doch sprechen“, erwidert der Riese. „Und hast du auch einen Namen?“
„Julito.“
„Ich freue mich, deine Bekanntschaft zu machen, Julito.“
„Kann ich ein zweites Stück haben?“
„Hier“, erwidert der Mann und drückt ihm die ganze Frucht in die Hand. Eilig bricht Julito ein Stück von der Banane ab, steckt es auf den Bambus und hält den Stock zurück ins Wasser. Ganz ruhig, ohne die Hand zu bewegen. Die Fische schnellen nach oben.
„Hier ist ein Fisch, den ich noch nie gesehen habe. Da! Sehen Sie den?“
Doch Julito erhält keine Antwort.
Er schaut zur Seite, wendet sich um, sieht nach links, dann nach rechts, lässt den Blick über den Strand wandern. Er ist allein. Verwundert dreht er sich zurück. Die ersten Sonnenstrahlen des Tages dringen in seine Augen. Die Fische sind weg, die Fischerboote verschwunden, einzig die treuen Korallen sitzen an ihrem Platz. Ein mulmiges Gefühl breitet sich in Julitos Bauch aus. Er läuft zurück ans Ufer. Und dann sieht er es: Dort, wo das Wasser auf den Strand trifft, ist ein Fisch in den Sand gezeichnet.
Julito lässt den Bambus fallen und reibt sich die Augen. Noch einmal blickt er um sich, doch es ist niemand zu sehen. Nur seine eigenen Fußabdrücke werfen nebelhafte Schatten auf den Sand. Er kniet neben die Zeichnung. Einige Linien hat das Wasser bereits abgetragen, Julito kann sie bloß noch erahnen. Er beginnt damit, die Konturen des Fischs mit den Fingern nachzuzeichnen. Was wohl die Punkte zu bedeuten haben? Der Rücken des Fischs ist voll damit. Er tastet die Punkte einzeln ab, drückt jeden davon tiefer in den Sand. Dann lässt er die Finger an der Rückenflosse entlanggleiten, hoch und runter und weiter bis zum Kopf. Als er das Auge des Fischs berührt, stößt er auf etwas Festes. Ruckartig zieht er die Hand zurück. Julito beugt sich vornüber und entdeckt einen schwarzen, matten Gegenstand, der aus dem Sand hervorlugt. Von allen Seiten beäugt er das dunkle Etwas. Er schnappt sich den Bambusstock, stochert im Sand herum; mit der freien Hand schaufelt er Haufen nasser Sandkörner weg. Nach kurzer Zeit hat er den Gegenstand freigelegt. Ein Freudenschrei entweicht ihm: In dem Loch liegt eine Taucherbrille. Eine echte Taucherbrille. Sofort zieht er sich das Unterhemd über den Kopf und legt den Bambusstock darauf. Dann packt er die Taucherbrille, taucht sie ins Wasser und wäscht den Sand von seinem Fund. Glänzende Tropfen perlen von der Brille ab und lassen noch kleinere Tropfen auf dem schwarzen Plastik zurück. Er presst die Brille aufs Gesicht, zieht das Gummiband über den Kopf und zurrt die Riemen an den Seiten fest.
Augenblicke später bestaunt Julito seine Korallenfreunde. Zum ersten Mal in seinem Leben sieht er sie in ihrer ganzen Pracht. Er schwimmt zu jeder einzelnen Koralle, blubbert ihre Namen und schenkt ihnen ein Lächeln. Die Taucherbrille hält dicht, kein einziger Tropfen dringt ins Innere, und doch hat er feuchte Augen. Immer wieder taucht er auf, hebt den Kopf aus dem Wasser, um zügig aus- und gleich wieder einzuatmen. Nie wieder wird er die Brille ablegen oder aus dem Wasser steigen. Er entdeckt die Fische, die eben noch über das Bananenstück hergefallen sind. Verspielte Paare, grimmige Einzelgänger und in Formation dahinziehende Schwärme in allen Farben, Formen und Größen kreisen um ihn herum. Überall sind sie nun, tauchen vor, neben und unter ihm auf. Julito streckt die Arme nach ihnen aus, nie aber gelingt es ihm, einen Fisch zu berühren. Stets sind sie flinker als er. Nur eine Handvoll schwarzweiß gestreifter Fische wagt sich jetzt an ihn heran, zwickt ihn wieder und wieder in die Zehen. Er taucht auf, füllt seine Lungen mit Luft und macht sich bereit, den Zehenbeißern nachzujagen. Voller Vorfreude blickt er ins Wasser hinab.
Doch unter ihm ist nichts außer dem dunklen, unendlichen Blau.
Er ist allein. Julitos Blickfeld verengt sich. Sein Brustkorb zieht sich zusammen; Luftblasen perlen nach oben. Das Schwebegefühl weicht einem Zerren. Er schwebt über einem Abgrund, der darauf wartet, seinen Körper in die bodenlose Tiefe zu ziehen. Sonnenstrahlen schlagen wie Blitze auf die Wasseroberfläche, entfachen ein Gewitter unter Tage und verschwinden im Rachen der Finsternis. Ein Schatten zieht unter ihm hindurch. Julito durchbricht die Wasseroberfläche, wirft den Kopf in den Nacken, saugt gierig Luft ein. Wild schlägt er um sich, strampelt mit den Beinen, sinkt wieder unter Wasser. Mit Armen und Beinen rudernd, kämpft er sich nach oben. Der Strand zeichnet sich blass am Horizont ab, winzig, zu einer dünnen Linie geschrumpft. Das Knattern eines Motors dringt in seine Ohren. Er dreht sich um.
„Hier!“, schreit ein Mann auf einem Boot. Im nächsten Moment knallt ein rotweiß gestreifter Ring auf das Wasser. „Halt dich daran fest!“ Julito packt den Ring und umklammert ihn mit aller Kraft. Wellen schwappen über ihn herein. Seine Zähne klappern. Und obwohl sein Körper vor Angst zittert, blickt er durch das Loch in der Mitte des Rings: Dunkelheit. Im gleichen Moment packt ihn etwas an den Armen und zieht ihn aus dem Wasser.
„Willkommen an Bord“, sagt der Mann, der ihm den Ring zugeworfen hat, und lässt ihn auf den Boden plumpsen. „Bist wohl komplett verrückt, wie? Hättest ertrinken können!“ Der Mann hält sich ein Nasenloch zu und rotzt über die Reling. „Kannst echt froh sein, dass wir dich gesehen haben.“
Julito sitzt knöcheltief in rotem Wasser. Vom Dach über dem Steuerhaus hängen engmaschige Netze und fingerdicke Metallhaken herunter. Es riecht nach altem Fisch, Salz und Motoröl. Mit wackeligen Bewegungen richtet Julito sich auf.
„Bist der zweitgrößte Fang, den wir heute gemacht haben.“ Der Mann lacht auf und reißt ihm die Taucherbrille vom Kopf. Julito fährt herum. Vor ihm liegt ein Fisch. Ein Riese. „Walhai“, sagt der Mann. „Sieben Meter. Fängt man nicht jeden Tag, kannst du mir glauben!“
Zaghaft berührt Julito die blaue Haut des Fischs. Mit zittrigen Fingern fährt er über die weißen Punkte, blickt in die leblosen, schwarzen Augen. Dann heult plötzlich der Motor auf, brummt, reißt Julito aus seinen Gedanken. Das Boot vibriert. Der Mann watet durch das rote Wasser und kämpft sich zum Heck vor, stützt sich immer wieder an dem Walhai ab. „Verdammt!“, flucht er und stellt den Motor ab. Das Brummen stoppt. Der Mann zückt ein Messer und beugt sich über das Heck. Nach und nach schneidet er blaue Stofffetzen mit weißen Punkten von der Schiffsschraube und wirft sie ins Boot. Die Punkte färben sich augenblicklich rot.
„Reiskuchen mögen sie ganz besonders.“
Julito fährt herum. Vor ihm steht ein Mann. Ein Riese. Nie zuvor hat er eine so große Gestalt gesehen. Doppelt so groß wie er selbst muss der Mann sein. Mindestens. Der Fremde trägt ein blaues T-Shirt mit weißen Punkten und eine verwaschene, löchrige Jeans. Seine Augen sind dunkel, beinahe schwarz, und liegen weit auseinander unter buschigen Brauen. Am meisten erstaunt Julito jedoch, dass der Mann von oben bis unten nass ist.
„Soll ich dir verraten, was sie noch viel lieber mögen?“, fragt der Fremde. Julito traut sich nicht, etwas zu sagen, und zuckt bloß mit den Schultern. „Ob du’s glaubst oder nicht, aber die Fische sind ganz verrückt danach.“ Der Riese kramt eine Banane aus der Hosentasche, schält sie, bricht die Spitze ab und streckt sie Julito hin. „Worauf wartest du?“
Julito streift den Reiskuchen vom Bambusstock. Dann macht er einen Schritt auf den Mann zu, ergreift das Stückchen und stellt verblüfft fest, dass die Hand des Riesen größer als sein eigener Kopf ist. Schnell spießt er das Bananenstück auf die Spitze des Bambus. Der Fremde tritt neben ihn. „Du musst den Stock ganz ruhig ins Wasser halten. Deine Hand darf sich nicht bewegen“, flüstert er. „Ja, genau so. Jetzt werden sie kommen.“
Die Fische flitzen nach oben. Einer nach dem anderen, von allen Seiten, kommen sie angeschwommen und machen sich über das Bananenstück her. Der Stock in Julitos Hand vibriert. Wasserringe bilden sich um das Fressgelage, dehnen sich immer weiter aus, überziehen einander. Unzählige Luftblasen steigen hoch und platzen an der Oberfläche. „Ich wusste nicht, dass Fische Bananen mögen“, sagt Julito und strahlt den Fremden an. „Gleich ist alles weg!“
„Sieh an, du kannst ja doch sprechen“, erwidert der Riese. „Und hast du auch einen Namen?“
„Julito.“
„Ich freue mich, deine Bekanntschaft zu machen, Julito.“
„Kann ich ein zweites Stück haben?“
„Hier“, erwidert der Mann und drückt ihm die ganze Frucht in die Hand. Eilig bricht Julito ein Stück von der Banane ab, steckt es auf den Bambus und hält den Stock zurück ins Wasser. Ganz ruhig, ohne die Hand zu bewegen. Die Fische schnellen nach oben.
„Hier ist ein Fisch, den ich noch nie gesehen habe. Da! Sehen Sie den?“
Doch Julito erhält keine Antwort.
Er schaut zur Seite, wendet sich um, sieht nach links, dann nach rechts, lässt den Blick über den Strand wandern. Er ist allein. Verwundert dreht er sich zurück. Die ersten Sonnenstrahlen des Tages dringen in seine Augen. Die Fische sind weg, die Fischerboote verschwunden, einzig die treuen Korallen sitzen an ihrem Platz. Ein mulmiges Gefühl breitet sich in Julitos Bauch aus. Er läuft zurück ans Ufer. Und dann sieht er es: Dort, wo das Wasser auf den Strand trifft, ist ein Fisch in den Sand gezeichnet.
Julito lässt den Bambus fallen und reibt sich die Augen. Noch einmal blickt er um sich, doch es ist niemand zu sehen. Nur seine eigenen Fußabdrücke werfen nebelhafte Schatten auf den Sand. Er kniet neben die Zeichnung. Einige Linien hat das Wasser bereits abgetragen, Julito kann sie bloß noch erahnen. Er beginnt damit, die Konturen des Fischs mit den Fingern nachzuzeichnen. Was wohl die Punkte zu bedeuten haben? Der Rücken des Fischs ist voll damit. Er tastet die Punkte einzeln ab, drückt jeden davon tiefer in den Sand. Dann lässt er die Finger an der Rückenflosse entlanggleiten, hoch und runter und weiter bis zum Kopf. Als er das Auge des Fischs berührt, stößt er auf etwas Festes. Ruckartig zieht er die Hand zurück. Julito beugt sich vornüber und entdeckt einen schwarzen, matten Gegenstand, der aus dem Sand hervorlugt. Von allen Seiten beäugt er das dunkle Etwas. Er schnappt sich den Bambusstock, stochert im Sand herum; mit der freien Hand schaufelt er Haufen nasser Sandkörner weg. Nach kurzer Zeit hat er den Gegenstand freigelegt. Ein Freudenschrei entweicht ihm: In dem Loch liegt eine Taucherbrille. Eine echte Taucherbrille. Sofort zieht er sich das Unterhemd über den Kopf und legt den Bambusstock darauf. Dann packt er die Taucherbrille, taucht sie ins Wasser und wäscht den Sand von seinem Fund. Glänzende Tropfen perlen von der Brille ab und lassen noch kleinere Tropfen auf dem schwarzen Plastik zurück. Er presst die Brille aufs Gesicht, zieht das Gummiband über den Kopf und zurrt die Riemen an den Seiten fest.
Augenblicke später bestaunt Julito seine Korallenfreunde. Zum ersten Mal in seinem Leben sieht er sie in ihrer ganzen Pracht. Er schwimmt zu jeder einzelnen Koralle, blubbert ihre Namen und schenkt ihnen ein Lächeln. Die Taucherbrille hält dicht, kein einziger Tropfen dringt ins Innere, und doch hat er feuchte Augen. Immer wieder taucht er auf, hebt den Kopf aus dem Wasser, um zügig aus- und gleich wieder einzuatmen. Nie wieder wird er die Brille ablegen oder aus dem Wasser steigen. Er entdeckt die Fische, die eben noch über das Bananenstück hergefallen sind. Verspielte Paare, grimmige Einzelgänger und in Formation dahinziehende Schwärme in allen Farben, Formen und Größen kreisen um ihn herum. Überall sind sie nun, tauchen vor, neben und unter ihm auf. Julito streckt die Arme nach ihnen aus, nie aber gelingt es ihm, einen Fisch zu berühren. Stets sind sie flinker als er. Nur eine Handvoll schwarzweiß gestreifter Fische wagt sich jetzt an ihn heran, zwickt ihn wieder und wieder in die Zehen. Er taucht auf, füllt seine Lungen mit Luft und macht sich bereit, den Zehenbeißern nachzujagen. Voller Vorfreude blickt er ins Wasser hinab.
Doch unter ihm ist nichts außer dem dunklen, unendlichen Blau.
Er ist allein. Julitos Blickfeld verengt sich. Sein Brustkorb zieht sich zusammen; Luftblasen perlen nach oben. Das Schwebegefühl weicht einem Zerren. Er schwebt über einem Abgrund, der darauf wartet, seinen Körper in die bodenlose Tiefe zu ziehen. Sonnenstrahlen schlagen wie Blitze auf die Wasseroberfläche, entfachen ein Gewitter unter Tage und verschwinden im Rachen der Finsternis. Ein Schatten zieht unter ihm hindurch. Julito durchbricht die Wasseroberfläche, wirft den Kopf in den Nacken, saugt gierig Luft ein. Wild schlägt er um sich, strampelt mit den Beinen, sinkt wieder unter Wasser. Mit Armen und Beinen rudernd, kämpft er sich nach oben. Der Strand zeichnet sich blass am Horizont ab, winzig, zu einer dünnen Linie geschrumpft. Das Knattern eines Motors dringt in seine Ohren. Er dreht sich um.
„Hier!“, schreit ein Mann auf einem Boot. Im nächsten Moment knallt ein rotweiß gestreifter Ring auf das Wasser. „Halt dich daran fest!“ Julito packt den Ring und umklammert ihn mit aller Kraft. Wellen schwappen über ihn herein. Seine Zähne klappern. Und obwohl sein Körper vor Angst zittert, blickt er durch das Loch in der Mitte des Rings: Dunkelheit. Im gleichen Moment packt ihn etwas an den Armen und zieht ihn aus dem Wasser.
„Willkommen an Bord“, sagt der Mann, der ihm den Ring zugeworfen hat, und lässt ihn auf den Boden plumpsen. „Bist wohl komplett verrückt, wie? Hättest ertrinken können!“ Der Mann hält sich ein Nasenloch zu und rotzt über die Reling. „Kannst echt froh sein, dass wir dich gesehen haben.“
Julito sitzt knöcheltief in rotem Wasser. Vom Dach über dem Steuerhaus hängen engmaschige Netze und fingerdicke Metallhaken herunter. Es riecht nach altem Fisch, Salz und Motoröl. Mit wackeligen Bewegungen richtet Julito sich auf.
„Bist der zweitgrößte Fang, den wir heute gemacht haben.“ Der Mann lacht auf und reißt ihm die Taucherbrille vom Kopf. Julito fährt herum. Vor ihm liegt ein Fisch. Ein Riese. „Walhai“, sagt der Mann. „Sieben Meter. Fängt man nicht jeden Tag, kannst du mir glauben!“
Zaghaft berührt Julito die blaue Haut des Fischs. Mit zittrigen Fingern fährt er über die weißen Punkte, blickt in die leblosen, schwarzen Augen. Dann heult plötzlich der Motor auf, brummt, reißt Julito aus seinen Gedanken. Das Boot vibriert. Der Mann watet durch das rote Wasser und kämpft sich zum Heck vor, stützt sich immer wieder an dem Walhai ab. „Verdammt!“, flucht er und stellt den Motor ab. Das Brummen stoppt. Der Mann zückt ein Messer und beugt sich über das Heck. Nach und nach schneidet er blaue Stofffetzen mit weißen Punkten von der Schiffsschraube und wirft sie ins Boot. Die Punkte färben sich augenblicklich rot.
Zuletzt bearbeitet: