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Der Zeitungsträger

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03.11.2007
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Der Zeitungsträger

Der Zeitungsträger

Jeden Morgen um die selbe Zeit legte er in die Briefkästen der Abonnenten die Tageszeitung. Er war ein alter Bauer, der
sich so ein kleines Zubrot verdiente. Der Hof hatte über die Jahre keine großen Gewinne abgeworfen. Deshalb war seine Rente eher bescheiden und klein.
An manchen Tagen half seine Frau mit aus, dann hatten sie die Zeitungen schneller zugestellt. Das Leben hatte seine Spuren hinterlassen, die harte Landarbeit den einst stolzen Hünen gebrochen. Krumm der Rücken langsam der Schritt. Das überqueren der Straße nahm so deutlich mehr Zeit in Anspruch. Überhaupt ist jeder Arbeitsgang nicht mehr so zügig wie in früheren Jahren.
Der alte Mann zog so durch das Jahr, vom Frühling in den Herbst, dann in den Winter. Die schöne Zeit der Jugend vorüber. Wer im Winter seines Lebens noch malochen musste, der hatte es wahrlich schwer.
Viele werden sagen: Selber Schuld! Hätte er doch in früheren Jahren sein Geld zur Bank getragen!
Das sind große Sprüche, locker daher gerufen mit netter Unschuldsmiene. Doch wie sieht es in der Wirklichkeit aus? Die Lachenden von heute werden die Armen von Morgen sein. Der alte Mann dachte sich hingegen:
„Glaubt ja nicht die Zeiten würden besser, im Gegenteil: Bald werden wir vier Minijobs haben, keine Chance für die Alterssicherung , am Ende nicht Mal mehr genug Geld für eine Krankenkasse zu bezahlen. Eigenverantwortung heißt es hier! Viva Amerika! Tolle Sache, in Amerika funktioniert diese Erfindung schon. Das alte Europa holt sich diese Seuche auch ins eigene Haus. Die Kluft wird immer größer, da gibt es nur noch Wenige die oben an der frischen Luft sein werden, die Masse aber wird im Gestank gehalten. Hört sich gut an, da will ich doch glatt dabei sein, wenn unsere Lachenden dann endlich auf dem Boden angelangt sind.“
Der Zeitungsausträger schlurfte durch den Schnee. Das sah nach vorweihnachtlicher Idylle aus, doch der Schein trug. Der Schnee lag auf Eis, stellenweise war es mehr als glatt. Die kleinste Unaufmerksamkeit schon war eine harte Landung am Boden sicher. Das tat zum einen weh, deutlich schlimmer waren die Folgen, Prellungen, Zerrungen, Stauchungen, Brüche der Gelenke.
An jenem Morgen war es eben soweit, der Zeitungsausträger rutschte aus, schlug ohne sich abzustützen hart auf dem Hintern auf. Ein deutlich hörbares Knacken verriet: An Aufstehen war nicht mehr zu denken.
Die Außentemperatur lag im leichten Frostbereich, wahrlich keine angenehme Angelegenheit. Der Mann bedurfte jetzt der Hilfe. In der Folge stellte sich die Frage: „Ist um diese Morgenstunde jemand unterwegs?“
Eine Reihe von Autofahrern fuhr vorbei. Die hatten es eilig, Schichtwechsel sowie viele andere Gründe nicht anzuhalten.
Ist solches ein Grund, einem Schwerverletzten nicht zu helfen? Nein! Trotzdem fuhren sie vorbei. Manche werden gedacht haben: „ Was hat der Alte auch um die Zeit auf der Straße zu suchen.“ Andere werden gedacht haben: „ Das ist mir zu kalt! Zu umständlich! Gibt nur Ärger!“
Fachlich ausgedrückt sprechen wir von „ Unterlassener Hilfeleistung“. Gesellschaftlich besehen verwundert es kaum. Ohne weitere Diskussion! Die Menschen zeigen ihr wahres Gesicht, ohne Mitgefühl oder Sensibilität für das Leid. Angesichts dieser Tragweite steht der Mann wohl richtig besehen nahe am Tod. Er wird erfrieren. Oder gibt es eine Rettung?
An jenem Morgen ließ eine Nachbarin ihren Hund vor die Tür. Die Frau war erstaunt über ihre fehlende Tageszeitung.
Sie hörte komische Geräusche. Unter ihrer Eingangstür stehend, versuchte sie die Ursache zu ergründen.
Kurzentschlossen zog sie sich einen Mantel über, ging vor ihr Haus, blickte die Straße hinauf, sowie hinab. Was sah sie?
Zwei Häuser unterhalb lag etwas auf dem Gehweg. Mutig machte sie sich auf den Weg, um die Sache in Augenschein zu nehmen. Mit großer Verwunderung stellte sie fest, das Bündel war ein Mensch. Der Mensch ihr wohl bekannt. Sie zog ihren Mantel aus, legte ihn über den Mann. Den Notruf alarmierte sie von ihrem Haus. Im Winter brauchte der Notarzt bei diesen Straßenverhältnissen eben länger, so dauerte es gut zwanzig Minuten. Gott sei Dank! Der Mann lebte noch, so wurde er in das nächste Krankenhaus gebracht. In der Klinik wurde schnell festgestellt, komplizierter Oberschenkelhalsbruch. Das bedeutete für ältere Menschen in vielen Fällen das Todesurteil. Leider hatte auch der alte Zeitungsausträger kaum eine wirkliche Chance, am Leben zu bleiben. Er verstarb, im Alter von sechsundsiebzig Jahren, auf der Intensivstation.

Bernard Bonvivant,November 2007

 

Hallo Bernard Bonvivant!

Zunächst einmal gehört die Geschichte definitiv in die Rubrik "Gesellschaft", nicht in "Alltag".
Ich fand die Geschichte nicht so gelungen, weil Du einerseits eine Handlung erzählt hast, andererseits hast Du an zwei Stellen den Leser als Autor direkt angesprochen, das finde ich nicht gut. Warum bleibst Du nicht bei der Handlung? Wenn Du die zwei besagten Stellen einbauen willst, hättest Du mAn diese Stellen als Gedanken des Zeitungsträgers darstellen sollen.

Natürlich eine Reihe von Autofahrern fuhr vorbei. Die hatten es eilig, keine Zeit, Schichtwechsel sowie viele andere Gründe nicht anzuhalten.
Ist solches ein Grund, einem Schwerverletzten nicht zu helfen? Nein! Trotzdem fuhren sie vorbei. Manche werden gedacht haben: „ Was hat der Alte auch um die Zeit auf der Straße zu suchen.“ Andere werden gedacht haben: „ Das ist mir zu kalt! Zu umständlich! Gibt nur Ärger!“
Fachlich ausgedrückt sprechen wir von „ Unterlassene Hilfeleistung“. Menschlich besehen verwundert es kaum. Die Menschen haben die einfachsten aller Spielregeln eines gesellschaftlichen Lebens bewusst verlernt. Eine Ausrede ist hier unangebracht, es ist eine Schweinerei. Basta! Ohne weiter Diskussion! Die Menschen zeigen ihr wahres Gesicht, ohne Mitgefühl oder Sensibilität für das Leid. Angesichts dieser Tragweite steht der Mann wohl richtig besehen nahe am Tod.

Dieser Part hat mir am allerwenigsten gefallen. Es ist klar ersichtlich, dass Du hier Deine eigene Meinung widerspiegelst, was auch Dein gutes Recht ist, dabei gehst Du aber SEHR pauschalisierend vor. Der ganze Part lässt sich auf eine einzige Aussage reduzieren: "Alle Menschen denken nur an sich. Punktum." Blödsinn! Mag sein, dass in den Medien immer wieder solche Vorfälle geschildert werden, aber muss es deswegen der Realität entsprechen? Mit einer solchen Aussage stößt Du all denjenigen vor den Kopf, die sich eben NICHT so verhalten, wie Du es schilderst.
Immerhin: Du schreibst, dass dem Zeitungsträger eine Frau hilft, damit entschärfst Du Deine Aussage ein wenig und machst Hoffnung. Aber dennoch, Du hast viel zu hart und undifferenziert formuliert!

Jetzt zum Text selber:

Er war ein alter Bauer, der
sich so ein kleines Zubrot verdiente.

Weg mit dem Zeilenumbruch.
Das überqueren der Strasse nimmt so deutlich mehr Zeit in Anspruch überhaupt ist jeder Arbeitsgang nicht mehr so zügig wie in früheren Jahren.

Auch nach der neuen Rechtschreibung heißt es "Straße", nicht "Strasse". Nach Anspruch würde ich einen Punkt setzen, denn danach kommt ein Hauptsatz.
Der alte Mann zog so durch das Jahr, vom Frühling in den Herbst, dann in den Winter.

Die Formulierung gefällt mir gut!
Viele werden sagen selber Schuld!

So ist es richtig: "Viele werden sagen: Selber Schuld!"
locker, leicht, flockig

Das ist dreifach gemoppelt! Lass leicht und flockig (vor allem flockig) weg.
Die heutigen Lacher

"Die Lachenden von heute" klingt in diesem Satz besser.
wenn unsere Lacher dann

Auch hier "Lachenden". Ein Lacher kann auch einen Lachanfall bezeichnen statt einer Person.
Das sah nach vorweihnachtlicher Idylle aus doch der Schein war Betrug.

Das hört sich auch seltsam an. Besser "der Schein trug".
Der Schnee lag sozusagen auf Eis,

Wie jetzt? Lag der Schnee auf Eis oder nicht? "sozusagen" ist zu undeutlich, einfach weglassen.
Das tat zum einen Weh,

Das tat zum einen weh, ...
Was will er damit sagen?

Was will wer damit sagen? Verstehe ich nicht, der Zusammenhang ist nicht ersichtlich.
Ein deutlich hörbares Knacken verriet, an Aufstehen

Hinter "verriet" ein Doppelpunkt anstatt des Kommas.
Natürlich eine Reihe von Autofahrern fuhr vorbei.

Verschiebe "Natürlich" lieber hinter "fuhr", das liest sich flüssiger.
Die hatten es eilig, keine Zeit,

Doppelt gemoppelt, wenn man es eilig hat, hat man nun mal keine Zeit ;).
Ist solches ein Grund,

Ist das ein Grund, ...
Menschlich besehen verwundert es kaum.

Da Du hier auf die Gesellschaft Bezug nimmst, musst Du "Menschlich" durch "Gesellschaftlich" ersetzen.
Ohne weiter Diskussion!

Ohne weitere Diskussion!
Die Menschen zeigen ihr wahres Gesicht, ohne Mitgefühl oder Sensibilität für das Leid.

Das ist der Gipfel Deiner brutal harten Pauschalisierung!
Er wird erfrieren oder gibt es eine Rettung?

Hinter "erfrieren" würde ich einen Punkt setzen. Das ist aber Geschmackssache. Ansonsten zumindest ein Komma.
Dieser sollte auf ihrem Grundstück sein Geschäft erledigen.

Den Satz kannst Du komplett streichen.
noch mehr erstaunte sie

noch mehr erstaunten sie ...

Die zahlreichen fehlenden Kommata erspare ich mir jetzt, denn es ist schon sehr spät.

Grundsätzlich finde ich es ja lobenswert, die Themen "Rentenpolitik" und "fehlende Zivilcourage" zu behandeln, dabei musst Du aber sehr viel sensibler umgehen, vor allem bei letzterem!

Gruß
Friedesang

 

Hallo lieber Friedesang,

herzlichen Dank für deine Mühe. Leider bin ich noch nicht früher zur Beantwortung gelangt. Ich finde es sehr gut das Leser ihre Meinung schreiben. Nur an der Kritik können wir wachsen. Übrigens die Kommata und ich haben schon seit Ewigkeiten unsere sehr eigenwillige Beziehung.
Ich habe den Text überarbeitet. Jeder Schreiberling hat eine Aussage, ich habe aber nicht die Absicht die Leser zu beleidigen. Ich halte eben der Gesellschaft gerne den Spiegel vor. Meine Texte sind zuweilen eben sehr nahe an der Satire und mein Humor ist dabei schon heftig britisch. Ich freue mich über jede Meinung, versuche sie auch einzuarbeiten, soweit es in meine Geschichte passt.

 

Gauten Abend Bernard Bonvivant.
Das alte Europa holt sich diese Seuche auch ins eigene Haus. – Ein toller Satz!
Ist solches ein Grund, einem Schwerverletzten nicht zu helfen? Nein! – Hm,… da gibst du schon eine Meinung vor. Hätte ich weg gelassen. Generell versuche ich in der Erzählstimme Gefühle jedlicher Art zu vermeiden. Magst du aber anders sehen und darfst dies natürlich auch :)
Doch alles in allem: Eine wahre Geschichte. Schön, schön. Ellenbogen haben keine Finger, sag ich da nur. (= wegen Ellenbogengesellschaft)Kann ich nicht verstehen. Na ja, Hauptsache man wird nicht selbst so! ;)
Liebe Grüße,
die freche Lola

 

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