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Deutschland 1996

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19.08.2002
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Deutschland 1996

Deutschland, 1996. Auf einer Landstraße vor Kamen wird Roland R. von einem Auto erfasst, und getötet. Eine Woche später, einen Tag nach seiner Beerdigung, entsteigt er seinem Grab im Hauptfriedhof Hamburg-Olsdorf, und belästigt eine alte Dame, die auf dem Rückweg vom Grab ihrer Tochter ist. Die Polizei reagiert prompt und übernervös, und so wurden dann 5 Kugeln in dem schon stark angewesten Roland R. gezählt.
In den folgenden Tagen häuften sich derartige Vorfälle im ganzen Land, und so wurde ein Krisenstab eingesetzt, der dann wider Erwarten auch rasch handelte:
Die bewaffnete Bevölkerung, Jäger, Polizisten, Reservedienstler wurden an den Eingängen der Friedhöfe postiert, und mit der Aufgabe betraut, die aufständigen Toten rasch in Vertikallage zurückzubefördern. Mit der zunehmenden Masse an immer älteren, teils schon vollständig skelettierten Untoten, waren diese aber bald überfordert, und so wurde die gesamte Bevölkerung zum Schichtdienst an der Waffe eingeteilt, um der Gefahr Herr zu werden. Die Rüstungslobby für Kleinwaffen jubelte, und die Bevölkerung entwickelte langsam ein institutionales Bewusstsein für ihre Aufgabe. Bald drehte sich alles darum, den einkehrenden neuen Alltag abwechslungsreicher zu gestallten, und so wurden auf den Grabesstätten mobile Bühnen montiert, Musik und Show erleichterten die Arbeit. Ein kleines Problem stellte der hohe Drogenkonsum der Partygänger dar, der leider immer wieder zum unsachgemäßen Gebrauch der Waffe und zu diversen Unfällen führte. Dafür entwickelten sich lebhafte lokale Subkulturen auf den Schlafstätten unserer Vorväter; die Kultur und Pflicht in Einklang brachten.

Hank, seinen eigentlichen Namen hatte er lange nicht mehr gehört, hörte den infernalischen Krach schon von weitem. Ein dumpfes Wummern der Gewehre, ein technoides Singen der E-Gitarren. Der starke Dunst dieses Abends war von den bunten Lichtern der Show erhellt, eingerahmt vom weitreichendem Orange der Natriumdampflampen der Friedhofsstraßen. Im Nebel gab sich ein sanfter Lichtteppich, wie eine Ufo-Landung aus alten Filmen über die Landschaft gelegt. Fünf Minuten später war er am verzierten, filigranen schmiedeeisernem Tor angelangt. Die Aufseher grüßten ihn, er öffnete auf dem kleinen Vorplatz seinen Basskasten. Der Kontrabass war sperrig und empfindlich, aber trotz regen Gebrauchs hatte er außer diversen Lackschäden und einer durch Einschuss gesplitterten Kontur keine dramatischen Schäden erlitten. Er wachste den Bogen sehr sorgfältig, um ihn lange spielfähig zu halten. Er schraubte die Stele in den Fuß des Instruments, und führte das Ende des Patronengurtes in die an der Rückseite des Basses gelegene Klappe ein. Das sanfte Klicken der sorgfältig geölten Mechanik gab ihm ein warmes Gefühl der Sicherheit. Er hob den weichen Ledergurt über seine Schultern, und klinkte sie in die zusätzlich befestigten Ösen des Basses. Sperrig, aber immer noch mobil. Der Bogen rastete in die Gummischellen am Hals ein. Das Instrument in Gurt und seiner Rechten, den schweren Munitionsstreifen zusammengelegt an der Linken machte er sich auf, den Punkt des grellsten Lichtes aufzusuchen. Die Aufseher schlossen vorsichtig seinen Instrumentenkoffer, und stapelten ihn in die Empfangshalle ein. Das grelle Licht gehörte zur Centerparty, die erhöhte Bühne, für alle, die richtig was zu bieten hatten. Und das hatte er!
Auf der Bühne war kein bekanntes Gesicht, keine Stars, unter dem wilden Geflacker der Lightshow sah man viele Köpfe und er hatte eigentlich mit Florian gerechnet, aber der kam wohl mal wieder später. Bei der Itz-Musik würde der eh wenig Spaß hier haben, und die Reservemunition brauchte er jetzt ja auch noch nicht Er stellte seinen Bass auf, fuhr um ihn herum, sah sich die Köpfe der Leute an... hier die zappelnde Masse der Gutmenschen, in der Ferne die, die nicht vom frischen Fleische gesegnet wahren. Zu einer Seite war es sehr dunkel und er sah gut im Dunkeln, also postierte er sich an diesen Bühnenrand. Er trat sanft gegen den Eisen-Sporn, bis er eine stabile Position auf dem Bretterboden hatte, und griff dann in die dunkle Öffnung an der Seite seines Instruments. Seine Hand schmiegte sich um das im inneren befindliche Griffstück, sein Daumen ertastete die Sicherung, und schnappte sie nach unten. Der rechte Zeigefinger zog den Abzug durch. Die Musik ging Unz-Unz, da brauchte er nicht zu spielen. Jedenfalls nicht auf den Saiten. Außer seinem Repertoire im Jazz- und Klassikbereich konnte er jetzt mit andere Fähigkeiten punkten. Unter donnernden Gebrüll, vom Korpus des Instruments noch verstärkt, bildete sich eine eindrucksvolle, fast einen Meter lange nervös zuckende Mündungsflamme heraus. Sie spiegelte auf den intakten Lackstellen des Basses wieder, und ihrer Spitze entfloss ein unbändiger Strom gehackten Bleis, der ein nervöses Blitzlichtgewitter in die Schädel der fern heranwankenden Gestallten entlud. Hank, der nicht wirklich so hieß, hatte ein gutes Gefühl für die Verlängerung des Laufes, er wusste stets, wohin er sein Rohr zu richten hatte, obwohl es unsichtbar im Instrument verborgen in seiner Hüfthöhe vibrierte.
Ein abgehalfterter, drogenverschwitzter Speedfreak gesellte sich zu ihm, Hank sah das Flackern der tausend Lichter auf seiner nassen Haut wiederspiegeln, er konnte ihn im Lärm kaum verstehen, als der sagte: „Boah.“, und in den wachsenden Haufen messingglitzernder Patronenhülsen blickend, „du bist echt n abgefuckter Killer, Mann.“. Und bevor Hank bewerten konnte, ob ihm hier Mut oder Missmut gegenüberstand, ergänzter er: „Sowas Krasses ham wa nur selten hier.“ Er setzte sich zu Boden, spielte mit der Hand in den Hülsen herum. „Noch warm.“ meinte er. Hank hörte ihn nicht mehr, seine Mündung war seinem Ohr näher als der Freak und die anströmenden Horden verlangten seine ganze Konzentration. Der Freak bemerkte, und sprach lauter. „Ich geh dann mal wieder Tanzen. Ich hab zuviel eingeworfen. Ich kann nur noch tanzen.“ Die im Zig-Zack zum Paket gelegte Munition hatte sich auf wenige Lagen reduziert. Hank sagte auch mal was: „Ey Freak. Kennst du den Kerl mit der schwarzen Kegel-Frisur?“ „Na klar. Wieso?“ „Vielleicht, weil ich jeden Donnerstag hier bin, und deine zernarbte Datengruft trotzdem der Meinung ist, mich nur selten hier zu haben?“ Das war nicht die ganze Wahrheit, er war zwar oft hier gewesen, doch hatte er sich meist auf den musikalischen Aspekt konzentriert. Diesem Kerl hier war er damit wohl nicht aufgefallen... „Ja ja.. kann sein...“ sagte der. „Ok“ unterbrach ihn Hank, „ist der Kerl hier irgendwo?“ „Ja, ja sicher. Dance’t bei den Spastis auf irgend na Nebenbühne, glaubich.“ Hank stellte das Feuer ein, um eine Reserve zu behalten. „He, n paar Spinner mal hierher.“, brüllte er über seine Schulter einer Gruppe von Schrot-Nazis entgegen, denen es eigentlich egal war, in welcher Richtung sie ihrem Vaterland mit der Waffe dienen konnten. Er scheuchte sie aber gleich etwas weiter: „Könnt ihr mit euren scheisslauten Schrotrohren bitte da hinten hantieren, ich unterhalte mich gerade mit diesem Freak!“, sie kuschten ohne Worte. „So, jetzt sind wir unter uns.“ sagte Hank, „also sieh zu, dass du den Kegel-Kerl findest; er hat meine Muni. Er kann dancen, wo er will. Sag ihm, Hank schickt, und bring mir die Muni!“ Hank trat vorsichtig in den lüngelnden Hülsenhaufen, um seiner Hand das Signal zum Aufbruch zu geben. Als der Drogi abgezittert war, glitt seine Hand and der Vorderseite des Basses auf zum Hals. Mit einem sanften ploppen entriegelte er den Bogen, schwang ihn einhändig elegant in Spielposition, und senkte ihn über die Saiten. Die monotone Single-Finger-Akustik schien weiter Ferne, ihr Rhythmus durch die musikalisch unmotivierten Schrotentladungen der Skins entschärft, und so fand er seine Melodie, sein eigenes Lied; inmitten dieser bunten Ansammlung individuellen Schwachsinns. Denn wie es auch bunt, wild und scheinbar differenziert war: Der allgemeine Konsens, wusste Hank, über die zwanghafte Dynamik, die ewig propagierte Vielfalt, erklärte das Chaos wieder zur Regel.
Nahm dem Individuum sein Nische, gab der Kunst den Status des unerreichbaren, des elitären, zurück.

 

Hey dronus!
Schade, dass diese Geschichte so lange unbemerkt blieb, denn die ist wirklich gut.
Allein der erste Absatz ist so herrlich zu lesen, birgt soviel Sarkasmus, Verbitterung und schwarzen Humor, dass ich ihn nur mit einem breiten Grinsen lesen konnte.
Der Rest der Geschichte kann diesen Level leider nicht ganz halten, aber durch

und so fand er seine Melodie, sein eigenes Lied; inmitten dieser bunten Ansammlung individuellen Schwachsinns
wird das Ende wieder sehr aufgewertet. Der Satz war für mich wohl der Beste der ganzen Geschichte.

In Anbetracht der Uhrzeit fällt mir jetzt nicht mehr besonders viel zur Geschichte ein, außer das ich Hank´s Salven anfänglich nicht ganz einordnen konnte. Mir war nicht klar, ob er auf das Publikum schießt oder auf eine Horde Untoter. Vielleicht fällt mir morgen noch etwas ein, mal schauen.

Also, Hut ab vor dieser Geschichte - die für mich allerdings mehr Satire ist - und gute Nacht.

Ugh

 

Der erste Absatz dieser Geschichte ist derartig grob von Stephen Kings "Hausentbindung" abgekupfert, das man nur von einem finsteren Plagiat sprechen kann.
Bedaure,das sagen zu müssen.

 

Krass. Ich muss zu deinem bedauern und meiner eigenen peinlichkeit mitteilen, das ich bisher _niemals_ ein buch von stephen king gelesen habe. evtl. mal einen film gesehen. ("Misery" glaub ich, ist der nach ihm?) Auf jeden fall handelt es sich um einen mehr oder minder warsch. zufall. kann z.b. daran liegen, das ich versucht habe, es in "reportage-dokumentar-stil" zu schreiben, was king villeicht auch getan hat.
(sollte es sich um ein recht exaktes plagiat handeln, müsste ich mich als "analoger urheber" dann geehrt fühlen? ist king's buch gut?)
auf jeden fall währe es nett, mir die fragewürdige stelle mal zu zitieren (wenn das medienrechtlich erlaubt ist?).
vielleicht sollte ich auch mal eben alle berühmtesten eine million bücher der weltgeschichte auswendiglernen, um so etwas mit sicherheit auszuschliessen? ;-)

 

Heute ist Samstag, der 17.1.04....


Zeit sich zu entschuldigen.


Sorry..damals war ich zu unbedarft- selbstverständlich habe ich inzwischen kapiert, was ein Plagiat ist- und das ist keines.

Asche auf mein Haupt!


J.

 

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