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Dialog des Lebens

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04.02.2015
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Dialog des Lebens

They tell me there´s a world out there
That I don´t see at all
I will not witness miracles
Behind these empty walls
The truth connects us to the ones
We all pretend to be
And I can promise you, my friend
You don´t belong to me*

Medals, The Wicked


„Was willst du eigentlich?” fragt sie mich.
Ich schaue sie an und werde mir bewusst, dass ich es nicht weiß.
„Ich will alles! Und ich will nichts!“ sage ich. „Ich weiß es nicht.“
Sie schaut mich an. Wie eine Mutter ihr trotziges Kind anschaut, das gerade schreit und nicht mehr weiß, wieso es schreit, es aber nicht aufhören möchte, weil es das Gefühl hat, einen Sieg herbeiführen zu müssen. Was genau gewonnen werden soll, weiß es nicht mehr.
„So kommen wir nicht weiter. Du musst schon genauer werden. Sonst kann ich dir nicht helfen.“ sagt sie. „Wenn du nicht weißt, was du willst, kann es dir keiner sagen.“
„Ich weiß. Das musst du mir nicht sagen!“ entgegne ich trotzig.
Sie schaut mich nur an. Geduldig. Abwartend. Herausfordernd.
„Was soll ich bloß tun?“ Verzweiflung macht sich breit. „Ich weiß nicht weiter. So kann es nicht weitergehen.“ Ich schließe die Augen und fange an zu weinen.
Ich beruhige mich wieder. Langsam öffne ich die Augen und sehe sie an. Sie hat Tränen in den Augen.
„Wohin soll das alles führen? Ich möchte nicht mehr. Hilf mir!“
„Das Leben, das du führst, ist nicht schlecht. Es ist nur nicht deins. Ein anderer Mensch wäre glücklich über dieses Leben. Aber du nicht. Es war mal deins, aber das ist schon lange her. Du hast nicht gemerkt, als es sich von dir entfremdet hat. Oder du hast dich dem Leben entfremdet. Ihr passt nicht mehr zusammen.“
„Aber ich kann mich doch nicht von meinem Leben trennen.“ schrei ich heraus.
Ich begegne einem verständnislosen Blick.
„Was redest du da? Du sollst dich nicht von deinem Leben trennen. Es gibt andere Lösungen. Wieso siehst du das nicht?“
Ich habe das Gefühl, dass sie mich an den Armen packen und schütteln möchte. Sie macht es aber nicht.
„Wann habe ich begonnen, mein Leben nicht mehr zu führen? Wann ist mein Leben verschwunden?“
Wieder schaut sie mich an und überlegt.
„Die Frage kann ich dir nicht beantworten.“ räumt sie ein.
„Mein Leben war gut. Aber ich habe irgendwann aufgehört darauf zu achten, wo es mich hinführt und habe mich treiben lassen. Ich habe nicht gemerkt, wohin mich der Strom führt. Jetzt bin ich da, wo ich nicht sein will. Und ich komme nicht weg, weil ich nicht weiß, wo ich hin will. Ich weiß nur, dass ich nicht hier sein will.“
Ich muss mich hinsetzen. Mein Kopf schwirrt. Meine Knie sind weich. Ich möchte nicht, dass sie mich so sieht. Ich verschwinde kurz aus ihrem Blickfeld, aber ich spüre ihre Gegenwart. Und ihre Ungeduld. Möchte sie gehen? Mich verlassen?
Langsam stehe ich wieder auf und schaue sie an.
„Du gehörst zu meinem alten Leben, oder?“ stelle ich fest.
„Ja.“ Entgegnet sie.
„Das bedeutet, dass ich dich auch nicht mehr sehen werde, wenn ich mir ein neues Leben suche, oder?“
„Ja.“
Panik. Verlust. Angst. Wut. Hoffnung.
„Was ist, wenn ich bleibe, wo ich bin?“
„Du wirst traurig sein. Du wirst anfangen, mich zu hassen. Du wirst anfangen, dich zu hassen. Du wirst anfangen, alles zu hassen. Und dann wirst du verzweifelt nach einem Ausweg suchen, den du nicht finden wirst.“
Es ist eine Feststellung. Keine Emotionen. Eine reine Feststellung.
Ich habe Angst. Angst davor, dass ich das falsche Leben wähle und das richtige verlasse. Gibt es das denn? Falsches und richtiges Leben?
Mein Blick hebt sich und ich schaue ihr in die Augen. Sie hat sich mir entfremdet. In wenigen Augenblicken. Und ich spüre, dass es nicht mehr so ist wie vorher. Ich verliere sie. Oder verliert sie mich?
„Ich werde gehen müssen. Ich werde dich verlassen müssen.“
„Ich weiß.“
„Wohin ich gehe, weiß ich aber noch nicht. Wird es besser werden?“
„Das kann ich dir nicht sagen. Ich gehöre nicht mehr zu deinem Leben.“
Tief in mir spüre ich, dass das ihre letzten Worte sind. Ich schließe die Augen. Panik und Verlust. Angst, Wut und Hoffnung. Panik davor, allein zu sein. Verlust des Lebens, das ich kenne. Angst vor dem neuen, Wut auf mein altes Leben. Hoffnung auf ein besseres Leben. Ein anderes Leben. Mein richtiges Leben.
Ich öffne die Augen und schaue wieder in den Spiegel. Sehe mich.
Ich mache das Licht aus und verlasse mein altes Leben.

[SUP]*Sie sagen mir, dass es da draußen eine Welt gibt / Die ich nicht sehe / Ich werde keine Wunder sehen / Hinter diesen leeren Mauern / Die Wahrheit verbindet uns mit denen / Die wir vorgeben zu sein / Und ich kann dir versprechen, mein Freund / Du gehörst nicht zu mir

Medals "The Wicked" aus dem Album Disguises[/SUP]

 

A little less conversation, a little more action please

Hallo Anitovic,

da ich hier allen Kurzgeschichten ohne Handlung den Kampf angesagt habe, muss ich intervenieren ;)

Das kann durchaus subjektiv sein, aber mir gehen solche Reflexionen gegen den Strich. Ist nicht unser Alltag, das Fernsehen, die Medien überhaupt übervoll von Blabla, er sagte, sie sagte … ?

Natürlich sprichst Du wichtige Themen an: Selbstzweifel, Selbstentfremdung, Verlust von Bezogenheit, Identität und Identitätsverlust, das wahre und das falsche Leben. Aber das ist in diesem Ping Pong Dialog alles so zusammengeklatscht, dass bei mir keine Bilder entstehen. So wie in einem dieser schrecklichen Filme, wo die Leute ständig über ihre Gefühle reden.

Ich wünsche mir den Transport des Inhalts nicht über Sprechblasen sondern über Aktionen, Handlungen. Das ist viel näher dran: Eine Frau kann sagen: "Ich bin wütend auf dich, Scheißkerl!" oder sie kann einen Teller durch den Raum schmeißen. Letzteres ist besser.

Sorry keine tiefschürfende Analyse, nur ein kurzes Statement.

Gruß Achillus

 
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Hallo Anitovic

Willkommen bei den Wortkriegern, denn hier kriegst du Worte.
Aber lieblos aneinandergereihte Worthülsen ergeben leider keine Geschichte.

Auch der poetische Einstieg gibt mir keine Hilfestellung, was genau du mir erzählen möchtest.
Sie weiss keine Antwort auf seine Fragen, er weiss nicht, was ihn erwartet, die Trennung naht, Verlust, Angst, Panik, alles schön und gut, aber was möchtest du mir erzählen?

Sein altes Leben bleibt mir fremd, wie auch sein neues Leben. Diese Szene, die du da beschreibst, ist völlig blutleer, kein Erzählrahmen, wie wenn sich zwei ganz in weiss gekleidete Personen, Mann und Frau in einem sterilen Raum gegenüber stehen und sich anstarren. Da bewegt sich nichts, das bewegt auch nichts in mir.

Das scheint die Quintessenz zu sein

Ich schließe die Augen. Panik und Verlust. Angst, Wut und Hoffnung. Panik davor, allein zu sein. Verlust des Lebens, das ich kenne. Angst vor dem neuen, Wut auf mein altes Leben. Hoffnung auf ein besseres Leben. Ein anderes Leben. Mein richtiges Leben.
Das trägt aber deinen Text nicht, da braucht es schon etwas mehr von einer richtigen Geschichte, um mich auch zu unterhalten.

Nix für ungut,
Gruss dot

 

Hallo Anitovic,

ich finde genau diesen Aspekt, den Achillus in seinem Kommentar kritisiert besonders interessant. Dieses vage "Herumgerede" lässt große Interpretationsfreiheiten, jeder kann die Handlung selbst auslegen und sich seine eigenen Gedanken dazu machen.
Insgesammt finde ich den Text sehr gelungen, er spricht viele kritische Themen an. Selbstzweiflung, Ungewissheit, Unsicherheit,...
Dramatische Gefühlsausbrüche wären unangebracht, die Hauptperson ist dazu zu verschlossen und abweisend.
Der Dialog bringt Dynamik in die sonst eher ruhige Handlung.
LG
Alicia

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Anitovic und willkommen

Ich muss mich Achillus und dotslash leider anschließen. Irgendwie ist da nichts in der Geschichte, was mir den/die Charakter/e näher bringt (gehe ich richtig in der Annahme, dass es sich bei deiner Geschichte um ein Selbstgespräch handelt. Also quasi dass sich das alte ich mit dem vermeidlichen neuen ich unterhält?).
Ich knüpfe mal an das an, was Alicia gesagt hat:

Dieses vage "Herumgerede" lässt große Interpretationsfreiheiten, jeder kann die Handlung selbst auslegen und sich seine eigenen Gedanken dazu machen.
Da hat sie wohl recht, das Problem ist nur, wenn absolut gar keine Hinweise auf irgendetwas gegeben werden. Vages Herumgerede kann sehr gut und auch wichtig für eine Geschichte sein, aber wenn man absolut nichts erfährt, dann kann man sich auch nichts zusammeninterpretieren. Was genau stört die Person an ihrem alten Leben und wieso muss da ein neues Leben her? Was wäre schlimm daran, wenn das alte ich (ich interpretiere es einfach mal so weiter) auf einmal weg wäre, wo doch der Weg nur ins Unglück führen würde etc. Da hätte ich sehr gerne mehr drüber erfahren. So ists eher langweilig...

lg zash

PS danke für den Ohrwurm Achillus :D

 

„Ich will alles! Und ich will nichts!“ sage ich. „Ich weiß es nicht.“

"Ich weiß es nicht" hätte gereicht, denn mit "ich will alles und ich will nichts" sagt er nicht nur einen der abgedroschensten philosophischen Floskeln der Welt, sondern, ganz genau, gar nichts.

Wie eine Mutter ihr trotziges Kind anschaut, das gerade schreit und nicht mehr weiß, wieso es schreit, es aber nicht aufhören möchte, weil es das Gefühl hat, einen Sieg herbeiführen zu müssen.

zu lang. Ich glaube kaum, dass er diesen exakten Blick bei einem kurzen hinschauen erkennt. Sie schaut ihn an, wie eine überfragte Mutter ein quengelndes Kleinkind. Reicht doch!

„So kommen wir nicht weiter. Du musst schon genauer werden. Sonst kann ich dir nicht helfen.“ sagt sie.

Ist sie eine Art Flaschengeist? Ich habe bis jetzt keine Ahnung, worum es eigentlich geht.

„Was soll ich bloß tun?“ Verzweiflung macht sich breit. „Ich weiß nicht weiter. So kann es nicht weitergehen.“ Ich schließe die Augen und fange an zu weinen.
Ich beruhige mich wieder. Langsam öffne ich die Augen und sehe sie an. Sie hat Tränen in den Augen.
„Wohin soll das alles führen? Ich möchte nicht mehr. Hilf mir!“

Was denn? Womit? Warum heult er/sie? Warum ist er/sie so verzweifelt?

Und so geht es weiter. Ich werde meine Ratlosigkeit jetzt nicht weiter zitieren.

***

Mir kommt diese Dialoggetriebene Geschichte vor, als wäre sie ein rausgerissenes Stück aus einem Romankapitel.

Ich habe keine Ahnung, worum es überhaupt gehen soll und werde zwischen zwei Charaktere geworfen, die ich nicht kenne, von denen ich nichts weiß und die mich damit nicht interessieren. Wenn mir sowas im wirklichen Leben begegnet, laufe ich einfach weiter, weil es mir egal ist, was irgendwelche Hampel erzählen.

So ging es mir dann auch beim Lesen. Meine Aufmerksamkeit war relativ schnell weg und ich musste mich bemühen, bis zum Ende zu kommen. Etwas Exposition oder eine fesselnde Begebenheit, die zu diesem GEspräch geführt hat, wären sehr, sehr hilfreich um die Aufmerksamkeit des Lesers auf dem Text zu halten.

Hier kann ich die Geschichte in wenigen Sätzen zusammenfassen:
"Was willst du?"
"Keine Ahnung."
"Und jetzt?"
"Kein Plan."
"Oh."
"AAAAAAH"

Nicht mein Fall. Da würde ich nochmal die Baustelle eröffnen und mächtig dran feilen!

 

Liebe Anitovic,

In Deinem Dialog sprichst Du Themen an, die sehr aktuell sind. Leben ohne Sinn und Perspektive, Verzweiflung und Verlustangst.

"Mein Leben war gut", sagt die Person. Mich würde interessieren, wie war dieses Leben, als es gut war. Und was ist passiert, dass sie nun da ist, wo sie ist?
Und wer ist diese Person, die da zuhört und von anderen Lösungen redet, als sich vom Leben zu trennen? Und wie könnten diese Lösungen aussehen?

Ich denke, Du könntest aus diesem Dialog eine Geschichte machen, die anspricht. Ich wünsche Dir gute Ideen.

Liebe Grüsse
Marai

 

Hallo zusammen,
danke, dass ihr euch Zeit genommen habt, meine Geschichte zu lesen und zu kritisieren. Da es mein erster Versuch ist, bin ich dankbar für ehrliches Feedback.
Es geht dabei tatsächlich um einen Monolog und ist in einer Lebenssituation entstanden, in der ich selber nicht wußte, wie es weitergehen soll.

Ich werde mir die Geschichte aber noch einmal vornehmen und dann entweder ausbauen oder so als ersten Versuch stehen lassen. Aber mein Ehrgeiz wird sich wahrscheinlich für die Überarbeitung entscheiden. :-)

Leider bin ich noch nicht dazu gekommen, alle eure Kommentare genau durchzulesen, aber das hole ich hoffentlich am Wochenende nach.

So, das mal zu meinem Einstand hier.

Viele Grüße
Anita

 

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