Was ist neu

Die Bürgermeisterrede

Mitglied
Beitritt
29.08.2002
Beiträge
60

Die Bürgermeisterrede

"Schönes Fräulein, darf ichs wagen, mein Arm und Geleit ihr anzutragen?“

Dieses Zitat von Goethe soll auch zugleich mein Aufruf an euch sein.

Fräulein – jeder und jede einzelne von euch ist das Fräulein, dem ich, zugegeben das Wagnis anbiete, mich als neuen Bürgermeister zu wählen.

Wagnis – Ich verwende dieses Wort nicht, um auf meine Unsicherheit oder gar Inkompetenz hinzudeuten. Jedes politische Amt ist ein Wagnis, dass die wählende Bevölkerung mit ihrer Stimmabgabe eingeht.

Arm – Mein Arm ist zugleich auch die Verlängerung eurer Arme, Vorstellungen und Wünsche. Diese Verlängerung werdet ihr auch immer benutzen können, egal ob es um kleine Streitigkeiten oder um ernste Probleme geht. Auf mich könnt ihr immer zählen, wenn ihr allein nicht weiterkommt und Hilfe braucht.

Geleiten – Ich werde auch mein Bestes geben, um diese prächtige Gemeinde während meiner Amtsperiode zu geleiten.

Wohin uns dieser Weg führt, wird die Zukunft zeigen. Es wäre eine Anmaßung, fast schon Arroganz, dem Beispiel meiner Kontrahenten zu folgen und dubiose. leere Versprechungen zu machen, die schneller wieder verworfen werden als mein kleiner Sohn das Wort Bürgermeister aussprechen kann.

Womit ich auch schon bei den Familien angelangt wäre. Ich kenne eure Wünsche und Probleme. Ich bin selbst Familienvater. Der momentane Zustand unseres Kindergartens ist ein einzige Farce. Ebenso der spartanisch ausgestattete Spielplatz.

Ich möchte in einer Welt leben, in der mein Sohn auf einen Spielplatz gehen kann, ohne sich an rostigen Nägeln oder desolaten Schaukeln zu verletzen. Er soll Straßen überqueren können, die durch Zebrastreifen und Fußgängerampeln eine gesicherte Möglichkeit dazu bieten.

Sicherheit, Lebensqualität und Freude, für unser aller Kinder!

Für mich war auch immer eines wichtig: Mensch sein, Mensch bleiben.

Mein anvisiertes Ziel, das Amt des Bürgermeisters dieser wundervollen Gemeinde, würde daran nichts ändern. Meiner Anteilnahme an den diversen Vereinen hier würde dies keinen Abbruch tun. Ganz im Gegenteil, beispielsweise weiß ich aufgrund meiner Mitgliedschaft im Kegelverein, dass die derzeitige Ausstattung dort stark zu wünschen übriglässt.

Ich möchte für diesen Mißstand, der sicher nicht nur in der Kegelhalle present ist, natürlich nicht die Kollegen der anderen Partei zu Lasten legen. Sie haben schließlich wichtigeres zu tun, wie zB die Aufstellung einer Statue, die den meisten unter uns, gelinde gesagt, genausoviel bedeutet, wie ein Schokolade-Eis im Schneesturm.

Niemand liebt mich so wie ich“ – Das ist der Titel eines österreichischen Bestsellers. Ich kann dem in keiner Hinsicht zustimmen. Ihr könnte euch bei einem sicher sein, dass ich jede und jeden einzelnen von euch mehr liebe, als ihr euch bzw. ich mich selbst. Wie könnte ich auch das Wohl meiner, dass einer einzigen Person, vor das von vielen anderen stellen? Meine Interessen vor die der Bevölkerung?

Das wäre vergleichbar mit dem Spiel eines eigensinnigen Fußballspielers, der immer wieder versucht, im Alleingang auf das Tor zu stürmen. Er wird aufgehalten von der gegnerischen Mannschaft. Nur wenn wir zusammenspielen, eine Einheit bilden, ist es möglich, ein Tor zu erzielen.

Lasst uns euer Stürmer und Torwart sein! Wir wehren Gefahren von uns allen ab und erschließen neue Wege.

Der Weg ist das Ziel“ Das sagte ein Professor während meiner Studienjahre des öfteren. Der Spruch ist wahr und zugleich auch ein Paradoxon in sich selbst.

Weg = Ziel, daraus ergibt sich Ziel/Weg = 0

Diese mathematische Betrachtungsweise mag unpassend, nahezu diletantisch erscheinen.

Doch, ein mißglückter Weg zu einem Ziel kann auch gleichzeitig der Ansatz für ein noch viel größeres Ziel sein bzw. trotz seiner Scheiterung wichtige Akzente setzen. Ein Weg kann mehr oder weniger als sein eigentliches Ziel wert sein.

Es wurden aber auch schon lange Wege gegangen, die zu keinem annehmbaren Ziel führten. Womit Ziel/Weg = 0 seine Berechtigung hätte. Folgendes Beispiel: Die Statue, die unsere Kollegen der anderen Partei dort hingepflanzt haben, wo früher eine Sitzbank war, auf der viele Wanderer ihre geschundenen Gliedmaßen ausrasteten. Das Ergebnis von Ziel/Weg wäre sogar negativ.

Ich möchte an dieser Stelle wieder auf den eigensinnigen Fußballer zurückführen. Er bzw. diese Partei stürmte im Alleingang auf ein Tor zu, vor dem sich eine Mauer aus Menschen gestellt hatte. Nicht nur die gegnerische Mannschaft, auch das Publikum.

Wir verfolgen nicht unsere Ziele, sondern die euren! Wir stürmen alle gemeinsam auf ein Tor zu.

Ich möchte nun meine Frage an euch wiederholen:

„Schönes Fräulein, darf ichs wagen, mein Arm und Geleit ihr anzutragen?“

Beantworten könnt ihr sie bei eurer Stimmabgabe.

 
Zuletzt bearbeitet:

Ja, klar ich glaube wir brauchen Dich hier!

Ich will mich mal gar nicht zu Deiner Rede äußern, d.h. ich tu´s ja doch, habe nämlich auf ANTWORTEN gedrückt.

Als eine Deiner Pflichten solltest Du es ansehen, diejenigen, die das Spiel mit dem Worte nicht allzu gut beherrschen, Deiner nicht ebenbürtig sind, doch ein wenig zu Erfolg und Ruhm, nein...nicht Ruhm du bist ja ein Altruist...also sagen wir ein wenig zu"sozialer Anerkennung" zu verhelfen, allerdings nur dann, wenn Du irgendwann in Deinem Amt wiedergewählt werden möchtest.

Ich heiße Archetyp, habe eine Satire geschrieben, suche sie und du weisst, was du zu tun hast.

Liebe grüsse Arche

P.S Also normalerweise müsste da n echter Hammer werden! Ziemlich aussergewöhnlich

 

Hallo Malaria

Was deine Geschichte anbelangt: Sinnlos ist sie keinesfalls. Sie ist eine Parodie auf die Phrasen der Politiker und in Ansätzen finde ich sie auch komisch.

Lasst uns euer Stürmer und Torwart sein! Wir wehren Gefahren von uns allen ab und erschließen neue Wege.
Der Bürgermeisterkanditat steigert sich immer weiter in seine Rolle hinein und merkt nicht mehr, welchen Unsinn er redet.
Allerdings bleibt der gewünschte Aha-Effekt beim Lesen aus. Im Prinzip legst du nur Bekanntes dar. Da der Redner egozentrisch ist, wäre es - nur so als Vorschlag - interessant, seine Persönlichkeit in den Vordergrund zu stellen; d.h. du erfindest einen Menschen, an dem du exemplarisch das Fehlverhalten der Politiker darlegst. Das wäre auch spannender zu lesen.

Eine Frage habe ich noch:

Weg = Ziel, daraus ergibt sich Ziel/Weg = 0
Ziel duch Weg=1, wenn Weg=Ziel. Ebenso wie 5/5=1 ist.

mfg Stefan

 

Hi Quasi,

Sinnlos ist sie keinesfalls.

danke, aber das bezog ich jedoch auf den Inhalt, den der Kandidat von sich gibt

Ziel duch Weg=1, wenn Weg=Ziel. Ebenso wie 5/5=1 ist.

das stimmt natürlich, als Text zeigt dies natürlich keine Wirkung. Ich hatte die Rede vor kurzem im Zuge eines Rhetorikseminars geschrieben und auch vorgetragen, und mit dieser Scheinthese wollte ich zeigen, dass man den Leuten den größten Unsinn klarmachen kann, solange man davon überzeugt ist und ihn glaubhaft rüberbringt.

 

Hallo Malaria,

am besten fand ich die Idee, Wörter aus dem Goethe- Zitat als `Topics´ zu verwenden. Ansonsten hätte ich mir eine Steigerung der Absurdität gewünscht, so, daß man nicht genau weiß, wann der Unsinn anfängt.

Weg mal Weg mal Weg ... , also Weg hoch Ziel ist --- Verlaufen !

Tschüß... Woltochinon

 

Hallo Malaria,

ich kann Woltochinon und Quasimodo nur beipflichten:
eine Steigerung der Absurdität wäre gut, um aus dem parodistischen Text eine Satire zu zaubern.
Ich könnte mir vorstellen, dass es dir vielleicht z.B: dadurch gelingen könnte, dass du die Gegenseite, also die Zuhörerschaft darstellst.
Wie wäre es,nur als Beispiel, wenn anläßlich der Rede ein Ehepaar unter Umständen so eine der Honoratioren der Gemeinde dort sitzen, den Anschein des bedächtigen Zuhörens mimen und du ihre eigentlichen Gedanken dabei darstellst.
Während z.B. die Gattin vielleicht grad abzählt, wieviele Klunker sie mehr auf die Finger geschoben hat als die neben ihr sitzende Frau Sowiesowichtig und sie laufend die Gästeliste derjenigen Leute durchgeht, die sie für den kommenden Samstag zum Essen bei sich eingeladen hat, sie ärgerlich bemerkt, dass ein kleines Stück vom frisch lackierten Fingernagel zerstört ist und sie fürchterlich drüber nachgrübelt, wo das wohl passiert sein könnte, sitzt er und rechnet sich grad aus, was für Verluste sein kürzlich erworbenes Aktienpaket jetzt wohl wieder reingefahren hat, dass ihm jetzt dringend nach Durstlöschen mit einem Bier zumute ist und dass er unbedingt seiner Geliebten noch schnell Bescheid geben muß, dass er am Samstag nicht kommen kann, weil seine Ehefrau mal wieder...und so weiter.
Während also dein Bürgermeisterbewerber den gröbsten Unsinn aus dem Munde spült,hört keiner zu.
Also, das wäre nur so ein Vorschlag von mir, um deiner Geschichte ein wenig aus der Parodie herauszuhelfen.

Gut geschrieben fand ich sie übrigens.

Gruß lakita

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom