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Die Berührung
„Das ist ein Hilferuf. Nein, ich suche keine Partnerschaft. Nicht jetzt. Wie soll ich das als Gefangener dieser Einsamkeit? Ich würde klammern, würde dich auffressen, anstatt dich zu genießen. Oder dich oder dich oder dich. Wahrscheinlich würde meine Sehnsucht nicht einmal einen Unterschied machen zwischen dir oder dir oder dir. Ich habe nicht das Auge, um dich zu erkennen, um die Richtige in dir zu sehen, selbst wenn du es wärst. Nicht jetzt. Nein, ich wäre kein guter Partner.
Ich suche auch keine Affäre. Ich suche nicht einmal richtigen Sex. Ich möchte berührt wurden. Endlich wieder Hände an meinem Körper fühlen, die nicht meine sind. Hände, die einer Frau gehören. Ich weiß nicht mehr, wie das ist, wie sich das anfühlt.
Sie darf alt sein. Sie muss nicht schön sein. Nein, eigentlich sollte sie nicht einmal schön sein. Sie darf dick sein, sie darf dürr sein. Wenn ich sie mir erfinden dürfte, hätte sie lange keinen Mann mehr berührt.
Ich will keine virtuellen Flirts. Ich will keine Dates in Cafes mit Frauen, die Froschprinz um Froschprinz begutachten gehen.
Ich bin 4o, schlank, gut aussehend, interessant, charmant. Ich könnte jede haben, aber das weiß keine.
Bekomme ich deine Hände, fremde Frau? Vielleicht nur einmal? Vielleicht öfter? Ich werde dich respektieren, ich werde deine Schönheit sehen, ganz gleich, wo du sie versteckst. Magst du mich berühren, streicheln, ertasten, erwecken, den Mann in mir wieder finden? Magst du selbst wieder spüren, was deine Hände an einem Mann tun können?
Dann schreib mir bitte!“
Er klickte auf „Senden“. Besser würde er nicht mehr werden, der Text.
„Was bist du für ein Schwein. Willst irgendeine alte einsame Frau dazu bringen, dass sie dir einen runterholt! Dabei sehnt sie sich vielleicht nach einem Partner, hält ihr Alleinsein nicht mehr aus. Und du willst sie einfach benutzen! Einem wie dir müsste man die Eier abschneiden!!!“
Er antwortete nicht, aber er war nicht sicher, ob sie Unrecht hatte.
„Einsamer Mann! Du willst so wenig. Suchst du nicht in Wirklichkeit jemanden, der dich begleitet, an deiner Seite ist? Eine Partnerin, die dir Geborgenheit schenkt. Ein Ende des Alleinseins?“
Er antwortete nicht, aber er war sich sicher, dass sie Unrecht hatte.
„Fremder. Ich habe seit vielen Jahren keinen Mann mehr berührt. Ich gehe kaum unter Menschen. Komme vom Büro nach Hause. Dort wartet nichts und niemand auf mich. Manchmal ein Buch. Oder der Fernseher. Oder die Internetsuche. Ich habe viele Kontakte und Freundschaften in der virtuellen Welt. Ich bin dort nett und geistreich. Viele mögen mich und ich werde den Teufel tun und zulassen, dass sie mich kennen lernen. Hässlich, alt, dick. Dann habe ich deine Anzeige gelesen. Ich bin so, wie du die Frau deiner Suche beschreibst. Du musst mich nicht mal erfinden. Möchtest du meine Hände?“
Er musste lange warten, bis ihm geöffnet wurde. Sie saß im Rollstuhl. Er quoll über von ihrem Fleisch. Teile ihres Hinterns drängten links und rechts über den Sitz hinaus. Sie öffnete die Tür und ließ ihn eintreten. Versuchte ein Lächeln, zeigte ihm, wohin er seine Jacke hängen konnte. Unerwartet behände rollte sie vor ihm her in die Küche. Sie bot ihm einen Kaffee an, der bereits fertig in der Thermoskanne wartete. Sie betrachteten sich, während sie Belangloses sprachen. Einführendes, Aufwärmendes, Worte die man spricht, wenn man bei Null ist und den Weg sucht. Aber sie fanden ihn schnell.
Keinen Augenblick lang ekelte es ihm vor ihrem Körper, den Schenkeln und Wülsten, irgendwo in deren Tiefe gefangen ihre Scham. Nicht einen Augenblick. Er sah ihre Augen, die so voller Wärme waren, ihm jetzt schon so offen ihre Freude über sein Hiersein entgegen strahlten.
Komm mit, sagte sie irgendwann und rollte vor ihm in ihr Schlafzimmer. Sie fuhr an den Rand des Bettes, klappte die Armlehne des Rollstuhls zurück und ließ sich seitlich auf das Bett fallen.
Ich bin nicht gelähmt, erklärte sie, habe nur kaputte Knie und eine Tonne zu viel Gewicht. Jetzt komm, leg dich neben mich.
Er zog sich aus, ohne jede Scham.
Zuerst auf den Bauch, ja?
Er lag auf dem Bauch auf diesem fremden Bett. Die Augen geschlossen. Hände, die über seinen Rücken vagabundierten. Es schien ihm, als ob diese Hände Erinnerungen suchten. Sie begannen seine Beine zu streicheln, seinen Muskeln nachzufühlen. Als er ihre Fingerkuppen an den Innenseiten seiner Schenkel fühlte, öffnete er sie ein wenig, damit sie mit sanften Fingern seine Hoden massieren konnte.
Du bist wunderschön, sagte sie und er antwortete nicht, obwohl er gern das Selbe gesagt hätte. Sie hätte ihm nicht geglaubt, aber es wäre die Wahrheit gewesen.
Ihre Hände waren überall, hörten nicht auf, nichts hörte auf, etwas begann gerade. Die Zeit entschwamm ihm.
Drehst du dich um, sagte sie.
Er legte sich auf den Rücken, genoss es, wie ihre Hände über seine Brust wanderten. Seine Härchen richteten sich auf, seine kleinen Brustwarzen strafften sich, als ihre Finger sanft darüber strichen. Er betrachtete ihr Gesicht. Ihre Augen waren offen, auch ihr Mund ein wenig. Als sie wahrnahm, dass er sie ansah, lächelte sie unsicher.
Sie beugte sich zu einem Kästchen neben dem Kopfende, öffnete eine Schublade und entnahm ihr ein Knäuel schwarzer Strümpfe.
Darf ich, fragte sie lächelnd und wartete seine Antwort nicht ab. Ein geknoteter Strumpf fixierte eine seine Hände an einem hölzernen gedrechselten Pfosten. Dann die andere Hand, dann die Füße. Bereitwillig und lächelnd spreizte er die Beine und sie bückte sich und rollte sich und ächzte und knotete.
Er freute sich, wie schnell sie Zutrauen und Mut und Lust gefunden hatte. Wie stark ihre Verbindung schon geworden war.
Bitte schau mich nicht an, sagte sie. Er schloss die Augen. Hauchsanft streichelten ihre Handflächen seinen Bauch, umkreisten seinen Penis, der sich aufgerichtet hatte. Als ihre Finger zart über seinen Schaft strichen, die Unterseite seiner Eichel betupften, zuckte er und er spürte ihre Freude darüber. Sie nahm ihn in ihre Hand und massierte ihn langsam und sanft.
Die Erregung überfiel ihn nicht, sie kroch in ihn, vermischte sich mit Dankbarkeit, verdichtete sich in seinem Penis, der in ihrer Hand pulsierte. Er kam mit einem leisen Keuchen, entspannte sich, öffnete die Augen und sah in den ihren eine fast ungläubige Freude. Zärtlich verrieb sie das Sperma an ihren Händen und auf seiner Haut.
Da war nichts Befangenes, nichts Eiliges, nichts Schales. Nicht die allerkleinste Spur davon.
Wieder öffnete sie die Schublade des Kästchens. Ihre Hand kehrte zurück in sein Blickfeld, zwischen Daumen und Zeigefinger eine Rasierklinge. Die andere ergriff seine Hoden.
Du erinnerst dich an meine Mail, fragte sie.
Natürlich.
Die Hodenhand griff fest zu.
Ich meine die andere, die ich davor geschrieben habe.