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Die Essenz
Wüsste ich es nicht besser, könnte ich ihr Verhalten, ihre aufgesetzte Übellaunigkeit und ihre schnippischen Antworten, ihre frechen Blicke und Gesten, als eine reine Herausforderung und Provokation bezeichnen. Doch es ist mehr und weniger als das. Mehr, weil es ihr nicht um die Provokation an sich, sondern um das Erreichen ihrer Ziele, ihrer geheimen Wünsche geht, die nur ich ihr so und in der mir eigenen Art erfüllen kann, da sie nur mir ihre blinden Flecken und Schatten zeigt, die vor ihr selbst oft noch verborgen sind, bis ich sie ans Licht zerre, manchmal zu ihrem Schrecken, meist zu ihrer Überraschung, doch stets zu ihrer Lust. Weniger, weil sie sich in solch aufmüpfigen Momenten ihres eigenen Verhaltens nicht voll bewusst ist, ist sie doch von ihrer eigenen Gier, ihren Sehnsüchten und Lüsten derart angetrieben, dass allein diese und nicht mehr ihr bewusster Wille ihr Handeln bestimmen, ihr Handeln, das danach strebt, gestoppt und in die Schranken verwiesen zu werden, ihr Handeln, das mit jeder Geste, jedem Wort danach schreit, sie zu nehmen, zu beherrschen und zu erniedrigen.
Nun, ich weiß es besser, doch um ihrer Sehnsucht und meiner Leidenschaft Willen ignoriere ich mein besseres Wissen, gebe mich herausgefordert und provoziert, erfreut und amüsiert über die Doppeldeutigkeit dieses Spiels, eine Doppeldeutigkeit, die nur in mir alleine stattfindet, nur für mich spürbar und erfahrbar ist, innerlich ruhig und gelassen, doch nach Außen ungehalten und herrisch wirkend, mich dabei an ihren Reaktionen weidend, ihrem erschreckten Blick, ihrem flachen Atem und darunter deutlich erkennbar ihr Bewusstwerden der Situation, das Erkennen, dass es ihr wieder einmal gelungen ist, mich zu erzürnen, dass nun geschehen wird, wonach es sie so sehnt - gestraft zu werden für ihr Verhalten, das so provokant und herausfordernd war, wie es sich für sie nun einmal nicht geziemt.
Begibt sie sich dann auf ihre Knie und senkt sich ihr Blick zu Boden, dann ist es dieser Moment, in dem eine Transformation stattfindet, wir beide in uns versunken, uns sammelnd, sie auf ihre und ich auf meine Art und Weise uns vorbereitend für das, was kommen mag, gleichsam Energien aufbauend, eine Spannung erzeugend, deutlich spürbar, anwachsend im Verstreichen der Zeit, bis zu dem Moment, in dem ich sie auffordere, mich anzuschauen. Stets mit ruhiger und annehmender Stimme, halte ich diese in solch einem Augenblick doch für wirkungsvoller als einen brüsk herrischen Tonfall, der nur ihre Kontemplation stören und zerstören würde, und sie ihren Kopf hebt, eine langsame, gleichermaßen scheue wie anmutige Bewegung, und ich in ihren Augen sehen kann, dass sie in sich angekommen ist, im Einklang mit ihrer Sehnsucht, hinter der schon unruhig ihre Lüste lauern, um von meiner Hand herausgelockt zu werden.
Diese Sekunden, in denen sich mein Blick in sie bohrt, sie erforscht und erkundet, in sie eindringt bis in ihre tiefsten Tiefen, ohne dabei auf Widerstand zu stoßen, nein, wird er doch im Gegenteil von ihrer ruhigen Hingabe Willkommen geheißen, diese Sekunden sind mir die heiligsten und intimsten, liegt in diesem so stummen wie an Gefühlen reichen Dialog doch alles, was uns ausmacht, alles, was uns bewegt und antreibt, die Essenz unserer Zuneigung und Liebe.