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Die Essenz

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20.03.2015
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Die Essenz

Wüsste ich es nicht besser, könnte ich ihr Verhalten, ihre aufgesetzte Übellaunigkeit und ihre schnippischen Antworten, ihre frechen Blicke und Gesten, als eine reine Herausforderung und Provokation bezeichnen. Doch es ist mehr und weniger als das. Mehr, weil es ihr nicht um die Provokation an sich, sondern um das Erreichen ihrer Ziele, ihrer geheimen Wünsche geht, die nur ich ihr so und in der mir eigenen Art erfüllen kann, da sie nur mir ihre blinden Flecken und Schatten zeigt, die vor ihr selbst oft noch verborgen sind, bis ich sie ans Licht zerre, manchmal zu ihrem Schrecken, meist zu ihrer Überraschung, doch stets zu ihrer Lust. Weniger, weil sie sich in solch aufmüpfigen Momenten ihres eigenen Verhaltens nicht voll bewusst ist, ist sie doch von ihrer eigenen Gier, ihren Sehnsüchten und Lüsten derart angetrieben, dass allein diese und nicht mehr ihr bewusster Wille ihr Handeln bestimmen, ihr Handeln, das danach strebt, gestoppt und in die Schranken verwiesen zu werden, ihr Handeln, das mit jeder Geste, jedem Wort danach schreit, sie zu nehmen, zu beherrschen und zu erniedrigen.
Nun, ich weiß es besser, doch um ihrer Sehnsucht und meiner Leidenschaft Willen ignoriere ich mein besseres Wissen, gebe mich herausgefordert und provoziert, erfreut und amüsiert über die Doppeldeutigkeit dieses Spiels, eine Doppeldeutigkeit, die nur in mir alleine stattfindet, nur für mich spürbar und erfahrbar ist, innerlich ruhig und gelassen, doch nach Außen ungehalten und herrisch wirkend, mich dabei an ihren Reaktionen weidend, ihrem erschreckten Blick, ihrem flachen Atem und darunter deutlich erkennbar ihr Bewusstwerden der Situation, das Erkennen, dass es ihr wieder einmal gelungen ist, mich zu erzürnen, dass nun geschehen wird, wonach es sie so sehnt - gestraft zu werden für ihr Verhalten, das so provokant und herausfordernd war, wie es sich für sie nun einmal nicht geziemt.
Begibt sie sich dann auf ihre Knie und senkt sich ihr Blick zu Boden, dann ist es dieser Moment, in dem eine Transformation stattfindet, wir beide in uns versunken, uns sammelnd, sie auf ihre und ich auf meine Art und Weise uns vorbereitend für das, was kommen mag, gleichsam Energien aufbauend, eine Spannung erzeugend, deutlich spürbar, anwachsend im Verstreichen der Zeit, bis zu dem Moment, in dem ich sie auffordere, mich anzuschauen. Stets mit ruhiger und annehmender Stimme, halte ich diese in solch einem Augenblick doch für wirkungsvoller als einen brüsk herrischen Tonfall, der nur ihre Kontemplation stören und zerstören würde, und sie ihren Kopf hebt, eine langsame, gleichermaßen scheue wie anmutige Bewegung, und ich in ihren Augen sehen kann, dass sie in sich angekommen ist, im Einklang mit ihrer Sehnsucht, hinter der schon unruhig ihre Lüste lauern, um von meiner Hand herausgelockt zu werden.
Diese Sekunden, in denen sich mein Blick in sie bohrt, sie erforscht und erkundet, in sie eindringt bis in ihre tiefsten Tiefen, ohne dabei auf Widerstand zu stoßen, nein, wird er doch im Gegenteil von ihrer ruhigen Hingabe Willkommen geheißen, diese Sekunden sind mir die heiligsten und intimsten, liegt in diesem so stummen wie an Gefühlen reichen Dialog doch alles, was uns ausmacht, alles, was uns bewegt und antreibt, die Essenz unserer Zuneigung und Liebe.

 

Ein älterer Text aus einer Phase, in der ich viel mit Schachtelsätzen herumgespielt habe. Viel Pathos, viel Wortblümelei - was soll ich sagen? Ich mag den Text immer noch! :)

 

Hallo Oilenspiegel!

Ich vermisse die Geschichte. Da ist keine Handlung, das ist eher die Zusammenfassung der Beziehungsstruktur. Also sicherlich ist der Stoff, der daraus entstehen könnte, interessant. Aber die Umsetzung des Themas gefällt mir nicht. Dabei versteht man den Sinn der Sätze ziemlich gut, obwohl sie so verschachtelt sind und überladen mit Adjektiven und Adverbien, was erkennen lässt, dass du dich treffend ausdrücken kannst. Aber du wills nicht wirklich erzählen, es ist nicht genug, eine einzige Idee zu nehmen und darüber zu schwadronieren und das als Geschichte zu verkaufen. Wenn du die Charaktereigenschafte der beiden nimmst, kannst du das über zwanzig Seiten spannend auserzählen, was zwischen den beiden passiert. So ist das langweilig. Meine Meinung.

Herr Lollek

 

Hi Lollek,

"Aber du willst nicht wirklich erzählen, es ist nicht genug, eine einzige Idee zu nehmen und darüber zu schwadronieren und das als Geschichte zu verkaufen."

Einspruch! :)

Denn gerade dafür liebe ich das Medium "Kurzgeschichte". Erlaubt ist, was funktioniert. In diesem Fall ist es eben ein innerer Monolog. Mehr als das wollte ich nicht, zwanzig Seiten wären für die " Essenz" neunzehn Seiten zu viel. Das würde mich langweilen.

Die Frage, die du für mich aufwirfst, lautet allerdings: was ist eine (Kurz) geschichte, bzw. welche Kriterien muss sie erfüllen? Ist eine Handlung zwingend erforderlich, oder genügt es, ein Bild oder eine Emotion im Leser entstehen zu lassen? Ich persönlich tendiere zu zweiterem.

 

zwanzig Seiten wären für die " Essenz" neunzehn Seiten zu viel
. Ja, stimmt. Deswegen sage ich, dass eine Idee zu wenig ist, um eine Geschichte zu schreiben. Okay, eine Geschichte, wie ich sie verstehe und lesen will. Was da jetzt irgendeine Definition zu sagt, interessiert mich nicht. Es ist für mich ein gutes Samenkorn für eine Geschichte und aus solchen erblühen normalerweise noch viele, viele andere Ideen und diese würden dann für 20 oder 300 Seiten reichen. Aber du wolltest einen inneren Monolog schreiben. Okay, ist nicht meine Sache. Ich wollte eigentlich nur sagen, dass der Stoff, und auch deine Sichtweise auf die Charaktere, Potenzial hätte für eine Geschichte, wie ich sie gerene lesen würde ...

 

Hallo Oilenspiegel,

das ist ein schöner Text. Aber ich stimme Lollek völlig zu, dass es sich hierbei nicht um eine „echte“ KG handelt. Es ist eine Momentaufnahme von Gefühlen und Begehren, ohne Charakterisierung oder Handlung. Ich denke, diesen Moment mit einer Story „einzukleiden“ könnte sehr stark werden. Du schreibst „20 Seiten wären dir 19 zu viel“. Dann versuche es vielleicht mit 5-10 Seiten. Ich denke, ein Gerüst um das Szenario kann ruhig sparsam mit Worten und Beschreibungen daher kommen – aber wie gesagt, es sollte daher kommen, um die Momentaufnahme zu bereichern.

Von allen BDSM-Texten, die die Shits, äh sorry, Shades Grey-Welle hier in das Forum gespült hat, ist das sicherlich einer der ausdrucksstärkeren. Aber ich bin ja noch klein, vielleicht ist es keine Welle, sondern war früher, vor meiner Zeit, auch schon so ...

Ein sonniges, langes Wochenende wünscht
die heiterbiswolkig

 

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