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Die Frau in Rot

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27.02.2014
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Die Frau in Rot

Über der Stadt lag die Nacht.
Alles was er tat, tat er still und leise. Er wickelte es in einem riesigen, schwarzen Laken ein; und mit einer Schnur schnürte er, jeweils an den beiden Enden, dieses ganz fest zusammen. Wie ein Paket! Dann zog er sich die Schuhe und seine Jacke an und warf das Laken über die Schulter. Danach trat er aus der Wohnungstür in den Hausflur. Er schlich langsam die Stufen hinunter an den anderen Wohnungen vorbei bis zum Hauseingang, öffnete die Tür und ging ins Freie. Er schritt durch die endlosen Gassen. Ganz nah an den Hauswänden entlang. Immer darauf bedacht, dass ihn niemand bemerkt. Doch er kam nur sehr langsam voran. Denn seine Fracht war ziemlich schwer und drückte sehr auf seine Schulter. Bis er plötzlich mitten auf einer Brücke stehenblieb. Dort sah er hinter sich, nach links, nach rechts. Als er sich ganz sicher war, dass niemand außer ihm sich auf der Brücke befand, warf er seine Fracht über die Mauer in den Fluss. Dann verschwand er schnell wieder in der Dunkelheit.

1

Ein dicker Nebel lag an diesem Dienstagmorgen über Paris.
Trotz dieses Wetters saßen zwei Angler schon sehr früh am Quai d´Henri IV. und versuchten einen guten Fang an Land zu ziehen. Nach einer Weile zogen sie auch etwas aus der Seine. Es war sehr schwer. Daher gingen beide davon aus, dass sie an diesem Tag eine richtig fette Beute gemacht hatten. Einer der beiden ging nah genug heran, um den Fang in Augenschein zu nehmen. Doch dieser verursachte einen großen Schrecken bei ihm. „Was ist los? Hat dir die Größe des Fisches die Sprache verschlagen? Antworte doch!“, fragte der andere Angler. Der erste schwieg aber. Also kam der zweite zu ihm und erblickte den vermeintlichen Fisch. Er zuckte innerlich zusammen. Die beiden sahen sich gegenseitig an und brachten keinen Ton heraus. Nach langer Stille fingen sich die beiden wieder und ließen nach der Polizei schicken.
Am Nachmittag wimmelte es am Quai nur so von Polizisten. Unter ihnen befand sich auch der Kriminalist Jean Lacroix. Dieser war sehr angesehen bei seinen Kollegen. Er war ein schmächtiger Mann. Mit seinem schmalen Gesicht und den grüngrauen Augen stach er meist aus der Menge hervor. Er trug stets einen braunen Anzug und darüber einen braunen Mantel. Dieser besagte Polizist sah sich den Tatort sowie die Leiche ganz genau an. Nebenbei machte er sich eine Reihe von Notizen in seinem Büchlein. Dieses Buch war sein Markenzeichen. Denn er trug es immer bei sich. Egal wohin er kam, alles notierte er sich in diesem Büchlein. Es war sozusagen sein zweites Gedächtnis. Also wie gesagt, schrieb er seine Eindrücke in das Buch. „Hmm. Das Opfer ist eine junge Frau. Sie hat Blutergüsse am Hals.“ Nachdem er die Erlaubnis gegeben hatte, brachte man die Leiche in die Gerichtsmedizin.

In der Gerichtsmedizin nahm sich Dr. Maximé Bertrand ihrer an. Er nahm das Tuch von Gesicht und Hals, ließ dabei den Rest des Körpers erst einmal noch bedeckt. Er schaute in das bleiche Gesicht und sagte: „Noch so jung. Die heutige Welt ist wirklich grausam.“ Danach begann er das Opfer zu untersuchen. „Am Hals hat sie mehrere Blutergüsse. Diese stammen von einer starken Strangulierung. Wahrscheinlich mit einer Kordel oder einem Halstuch durchgeführt.“, sprach er in sein Diktiergerät. Nun sah er sich den Rest des Körpers an, nachdem er das Tuch ganz vom Opfer genommen hatte. „Am restlichen Körper befinden sich keine Blutergüsse.“ Dann stach ihm die Narbe unter der linken Brust ins Auge. Der Gerichtsmediziner schnitt behutsam mit einem Skalpell die Wunde auf. „Dem Opfer wurde das Herz entnommen. Die anderen Organe befinden sich sich noch in der Leiche. Der Tod muss zwischen 19.00 und 21.00 Uhr eingetreten sein. Ursache für den Tod ist eindeutig die Strangulierung. Denn das Herz wurde dem Opfer erst nach dem Eintreten des Todes entnommen.“ Zum Schluss wusch er das Opfer, legte das Tuch wieder über den ganzen Körper und schob diesen in die Kühlkammer.

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Im Polizeigebäude am Place de l´Hôtel de Ville brannte nur in einem einzigen Büro das Licht.
Inspector Lacroix war an diesem Mittwochmorgen der Erste im Büro. Er saß über seinen Notizen und war in diese sehr vertieft. „Warum wurde sie ermordet? Wo wurde sie in den Fluss geworfen?“ Diese Fragen stellte er sich. Er stand von seinem Stuhl auf und ging hinüber zu den zwei Pinnwänden. Vor der einen, auf der der Stadtplan von Paris abgedruckt war, blieb er stehen. In diese steckte er eine rote Pinnnadel an die Stelle, wo sich der Quai d´Henri IV. befand. Mit dem Finger folgte er auf dem Plan dem Flusslauf der Seine. Dann steckte er eine gelbe Nadel an die Stelle, wo die Pont d´Austerlitz lag. Eine weitere gelbe Nadel steckte er in die Pont de Bercy. „Von diesen zwei Brücken könnte das Opfer herunter geworfen worden sein. Aber man muss noch die Strömung mitberücksichtigen. Also noch einen Meteorologen kontaktieren.“, schrieb er in sein Büchlein. Er rief einen Streifenpolizisten zu sich. „Oh, bon. Merzac, Sie sind es. Können Sie zum meteorologischen Institut fahren und dort nachfragen, wie stark die Strömung der Seine vorgestern war.“ – „Ich habe verstanden. Ich mache mich sofort auf den Weg.“ Nachdem dieser wieder gegangen war, setzte Lacroix sich erneut an seinen Schreibtisch und grübelte von Neuem über seinen Notizen.
Im Laufe des Vormittags war der Kriminalist immer noch sehr vertieft in seinen Gedanken. Daher bemerkte er nicht, als jemand in sein Büro trat. Erst als die Person vor seinem Schreibtisch stand und einen Räusper von sich gab, sah der Inspector nach oben. „Oh, Maximé. Was gibt es? Hast du die Obduktion abgeschlossen?“ – „Salût, Jean. Oui, ich habe die Obduktion abgeschlossen. Ich habe dir nicht nur den Bericht mitgebracht, sondern auch die Kleidung des Opfers.“ – „Sehr gut. Dann gib mal den Bericht her. Die Kleidung kannst du auf den leeren Tisch vor dem Fenster legen.“- „Gehen wir nachher zusammen was trinken?“ – „Das können wir machen.“ Bertrand verabschiedete sich und ging.

Lacroix las sich den Obduktionsbericht durch und notierte sich – wie üblich – alles in seinem Büchlein. „Hmm. Durch eine Strangulierung kam das Opfer zu Tode. Die Blutergüsse können entweder von einer Kordel oder einem straff gezogenen Halstuch stammen. Nur das Herz wurde der Leiche entnommen. Der Tod trat zwischen 19.00 und 21.00 Uhr ein.“ Er stand auf und ging zu der leeren Pinnwand hinüber. An dieser befestigte er mit einem Magneten das Foto des Opfers. „Warum wurde nur das Herz entnommen?“, fragte er sich. Danach nahm er die Kleidung der Toten unter die Lupe. „Die Tote hatte ein hellblaues Kleid und darüber einen roten Mantel getragen.“ Als er den Mantel ein bisschen unbewusst schüttelte, fiel eine Blume heraus auf den Boden. Reflexartig schrieb er in sein Buch: „In dem Mantel befand sich eine weiße Blume.“ Auf die Pinnwand neben dem Foto des Opfers schrieb er mit einem Stift: Blaues Kleid, roter Mantel, weiße Blume. Weitere Fragen schwirrten in seinem Kopf herum. „Wie heißt die Tote? Sie muss doch eine Handtasche bei sich getragen haben?“ Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, begab sich der Kriminalist noch einmal an den Fundort der Leiche. Am Quai d´Henri IV. angekommen, sah er sich dort erneut ganz genau um. Er schaute am Ufer nach. Doch er fand nichts. Eine wiederholte Befragung der zwei Angler brachte auch keine weiteren Erkenntnisse. Ihm blieb also nichts anderes mehr übrig, als die Presse um Hilfe zu bitten. Deswegen machte er sich sofort auf in Richtung des Fernsehsenders. Dort sprach er mit dem für die Nachrichten zuständigen Redakteur. „Wobei kann ich Ihnen helfen?“ – „Könnten Sie bitte eine Beitrag über diese Tote bringen, damit wir – von der Polizei – wissen, wer ihre Angehörigen sind und wie sie hieß.“ – „Évidemment! Haben Sie irgendwelche Informationen, die wir für den Beitrag verwenden können?“ – „Sicher. Das Opfer ist ca. 1,72 m groß. Sie hat braune Haare und blaue Augen. Vor ihrem Tod hat sie ein hellblaues Kleid und darüber einen roten Mantel sowie rote Ballerinas getragen. Um den Hals trug sie eine Kette mit einem grünblauen Schmetterlingsanhänger. Sie wurde am Quai d´Henri IV. von zwei Anglern am Dienstagmorgen gefunden.“ – „Der Beitrag wird heute Abend in den 20.00 Uhr-Nachrichten gesendet.“

Um 20.00 Uhr liefen die Nachrichten. Die Moderatorin berichtete von dem Auffinden der Toten am Quai d´Henri IV. Es wurde ein Foto von ihr eingeblendet und die Journalistin gab die Beschreibung des Opfers wieder. Als Françoise de Bonnet dies im Fernseher sah, ließ sie die Tasse aus der Hand zu Boden fallen. „Mon Dieu! Meine kleine Babette soll tot sein?!“ Diese Nachricht war ein Schock für sie. Sofort rief sie bei der Polizei an und wollte eine Erklärung haben. „Hören Sie, gerade in den Nachrichten berichtete man vom Tod meiner Tochter. Dies kann aber nicht sein.“ – „Sie sind die Mutter des Opfers?“ – „Oui, bin ich. Aber die Nachricht ist falsch.“ – „Ich muss Sie, Madame, enttäuschen. Dies entspricht schon den Tatsachen. Am besten ist, Sie kommen aufs Präsidium und der zuständige Inspector erklärt Ihnen alles.“ – „Bon. Das mache ich. Wer ist dafür zuständig?“ – „Inspector Lacroix. Doch er ist erst morgen früh wieder im Haus.“ – „Dann bin ich morgen im Präsidium.“ Sie legte auf und war immer noch fassungslos und davon überzeugt, dass dies bloß ein Missverständnis sei.

3

Es war früh am Donnerstag, als sich Françoise de Bonnet auf den Weg zum Präsidium am Place de l´Hôtel de Ville machte.
Am Empfang fragte sie nach, in welcher Etage sich das Büro des betreffenden Inspectors befinden würde. Als sie vor dessen Bürotür stand, klopfte sie an. Von drinnen hörte sie eine Stimme, die sie hereinbat und daraufhin betrat sie das Büro. „Madame, wobei kann ich Ihnen helfen?“ – „Mein Name ist Françoise de Bonnet. Laut dem gestrigen Bericht in den Nachrichten wurde meine Tochter tot aufgefunden.“ – „Sie sind die Mutter der Toten? Madame… wie war gleich noch einmal der Name?“ – „Françoise de Bonnet.“ Lacroix notierte sich dies prompt in seinem kleinen Büchlein. Dann nahm er den Telefonhörer in die Hand und unterrichtete den Gerichtsmediziner von seinem Kommen.
In der Gerichtsmedizin hatte Dr. Bertrand schon alles vorbereitet, als Lacroix mit der Dame zu ihm kam. „Das ist Madame de Bonnet. Der Herr Ihnen gegenüber ist Dr. Bertrand.“ Die beiden Personen nickten zustimmend. Der Gerichtsmediziner nahm das Tuch vom Gesicht des Opfers. Die ältere Dame sah sich das Gesicht genau an, ehe sie einen Ton von sich gab. „Dies könnte meine Tochter sein.“ – „Was soll das heißen? Ist dies nun Ihre Tochter oder nicht, Madame?“ – „Meine Babette hat am rechten Oberschenkel ein kleines Muttermal in der Form eines Schmetterlings.“ Der Doktor und der Polizist sahen sich an und der Arzt schaute sich daraufhin den rechten Oberschenkel an. Und… er erblickte das Muttermal. „Sie ist es.“ – „Non. Das kann nicht sein.“ Dr. Bertrand deutete mit der Hand auf das Muttermal und die Dame kam zu ihm herüber und sah sich ebenfalls den Oberschenkel an. Erst jetzt lenkte sie ein. „Oui, das ist meine Babette.“ Weil dies alles ziemlich viel für sie war, beschloss Lacroix mit ihr zurück in sein Büro zu gehen. Dort setzte sie sich auf einen der Stühle und der Polizist gab ihr ein Glas Wasser zur Beruhigung. Anschließend setzte er sich ebenfalls und stellte ihr noch ein paar Fragen. „Wissen Sie, was Ihre Tochter an dem Tag, als Sie sie zuletzt gesehen haben, getan hatte?“ – „Ich weiß nur, dass sie sich mit ihrer Freundin in einem Café treffen wollte.“ – „Aha. Wissen Sie auch in welchem Café?“ – „Non, das weiß ich nicht.“ – „Können Sie mir den Namen der Freundin sagen?“ – „Oh, oui. Ihre Freundin heißt Claudette Fransac.“ Dies notierte er sich alles. Dann rief einen Streifenpolizisten zu sich und bat diesen die Dame nach Hause zu fahren.

Am Nachmittag suchte der Kriminalist sich die Adresse der besagten Frau heraus. „Bon. Sie wohnt in der Rue Alexandre Dumas.“ Nachdem er sich die Daten notiert hatte, machte er sich auf den Weg dorthin. Er klingelte und wurde ins Haus gelassen. An der Wohnungstür zeigte er der jungen Frau seinen Ausweis und sie ließ ihn eintreten. „Setzen Sie sich doch. Möchten Sie eine Tasse Tee?“ – „Merci. Zu einer Tasse Tee sage ich nicht nein.“ – „Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“ – „Mademoiselle Fransac, Sie sind eine Freundin von Babette de Bonnet?“ – „Oui. Wieso fragen Sie?“ – „Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Ihre Freundin einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen ist.“ – „Non, da irren Sie sich, Inspector. Ich habe sie am Montag noch gesehen und mit ihr gesprochen.“ – „Ich muss Ihnen widersprechen. Am Dienstagmorgen wurde sie tot aufgefunden.“ – „Oh. Das ist ja furchtbar.“ – „Kann ich Ihnen ein paar Fragen stellen?“ – „Sicher.“ – „Sie haben gesagt, dass Sie Babette de Bonnet am Montag noch gesehen haben?“ – „Oui.“ – „Was haben Sie genau an dem Tag gemacht?“ – „Wir trafen uns in einem Café.“ – „In welchem Café?“ – „In dem Café Le Viaduc auf der Avenue Daumesnil.“ – „Worüber haben Sie sich unterhalten?“ – „Wir sprachen über ihren Freund und ihre bevorstehende Hochzeit.“ Während sich Lacroix alles notierte, vernahm er in der Stimme von der jungen Frau einen leichten Unterton. „Klingt so, als seien Sie nicht erfreut gewesen über die Hochzeitspläne Ihrer Freundin?“ – „Doch, doch. Aber ich fand es noch ein bisschen früh für eine Hochzeit.“ – „En réalité?! Aber Sie wollen nicht abstreiten, Mademoiselle, dass Sie sich beide gestritten haben?“ – „Oui, wir hatten eine Auseinandersetzung.“ – „Und in dieser ging es nur um die zu frühen Hochzeitspläne?“ – „Oui.“ – „Oder nicht vielleicht doch noch um etwas anderes?“ – „Non, nur um die Hochzeitspläne.“ – „Aha. Es ging also nicht um den zukünftigen Bräutigam?“ – „Non. Warum sollten wir uns seinetwegen streiten?“ – „Weil Sie, Mademoiselle Fransac, ebenfalls ein Auge auf den Bräutigam geworfen hatten.“ – „Non.“ – „Der Streit eskalierte, weil Ihre Freundin nicht bereit war, ihn aufzugeben. Dann haben Sie Ihre Freundin ermordet und in der Seine entsorgt.“ – „Non, habe ich nicht. Ich gebe zu, dass wir uns gestritten haben. Auch gebe ich zu, dass ich Gefühle für ihren Freund hege. Aber ermordet habe ich sie auf gar keinen Fall. Als ich gegangen bin, hat sie noch gelebt.“ – „Das überprüfe ich. Ich muss Sie darüber in Kenntnis setzen, dass Sie die Stadt nicht verlassen dürfen.“

4

Für diesen Freitag hatte sich Jean Lacroix viel vorgenommen.
Im Büro stand er vor der Pinnwand und schrieb mit einem Stift unter das Foto der Toten ihren Namen: Babette de Bonnet. Dann machte er einen Pfeil nach unten und notierte den Namen des Cafés, in dem sie sich mit ihrer Freundin getroffen hatte. Dabei dachte er über das gestrige Gespräch mit der Freundin des Opfers nach. „Ist sie in der Lage einen Menschen zu erwürgen und danach diesen einfach – ohne eine Regung irgendeines Gefühls zu zeigen – wie ein Paket in eine Decke einzuwickeln und in die Seine zu werfen?“ Als jemand seinen Namen rief, wurde er unsanft aus seinen Gedanken gerissen. „Inspector Lacroix.“ – „Oui. Was gibt es denn?“ – „Sie wollten doch, dass ich Erkundungen beim meteorologischen Institut einhole.“ – „Oh, oui. Merzac, Sie sind es. Was haben Sie dort herausgefunden?“ – „Also die Meteorologin erklärte mir, dass die Seine am Montag keine starke Strömung besaß.“ – „Ich verstehe.“ Nachdem der Streifenpolizist gegangen war, stellte er sich vor die Pinnwand mit dem Stadtplan. „Also, es gab keine Strömung. Das heißt: Es kommt nur die Pont d´Austerlitz als Brücke, von der das Opfer geworfen worden ist, in Frage.“ Somit zog er die Nadel aus der Pont de Bercy heraus.

Um die Mittagszeit begab sich Lacroix zu der Wohnung des Opfers. Die Tote wohnte mit ihrer Mutter in einer großen, geräumigen Wohnung in einem alten Haus aus der Gründerzeit in der Rue des Couronnes. Die Zimmer der Wohnung verteilten sich auf zwei Etagen. Der Kriminalist klingelte und Madame de Bonnet ließ ihn eintreten. „Inspector, was kann ich für Sie tun?“ – „Dürfte ich mir das Zimmer Ihrer Tochter ansehen?“ – „Aber selbstverständlich. Folgen Sie mir bitte.“ Die beiden gingen in den zweiten Stock der Wohnung und sie öffnete dort eine Zimmertür, die den Einblick in ein schönes, gemütliches Zimmer gewährte. Der Polizist sah sich um. Das Zimmer bot viel Platz und war unterteilt in einen Schlaf- und Wohnbereich. Alles was er dort erblickte, notierte er sich in seinem Buch. Besonders die vielen Fotos sprangen ihm ins Auge. „Die Freundin Ihrer Tochter hat erzählt, dass Ihre Tochter verlobt gewesen sei?“ – „Das stimmt. Ist dies in irgendeiner Weise relevant für die Ermittlungen?“ – „Es könnte von Nutzen sein. Wie ist der Name des Verlobten?“ – „Ihr Verlobter heißt Philippe Bellier. Die beiden kannten sich schon seit der Schulzeit. Ein ganz adretter junger Mann.“ – „Interessant. Sie sagten Philippe Bellier, richtig?!“ – „Oui.“ – „Bon. Wo wohnt der junge Mann?“ – „Einen Moment, bitte. Ich hole schnell mein Adressbuch.“ Madame de Bonnet ging hinunter und kam nach ein paar Minuten mit einem dicken Buch wieder zurück. Sie blätterte eine Weile in diesem herum, ehe sie auf einer Seite innehielt und ihm dann die die Adresse mitteilte. „Oh! Hier steht es. Philippe wohnt in der Rue de Bretagne, Hausnummer 23.“ – „Merci.“
Am Nachmittag machte er sich auf den Weg in die Rue de Bretagne. Dort angekommen, ließ ihn der Verlobte der Toten in dessen Wohnung. „Sie wissen, warum ich Sie aufsuche?“ – „Oui, Madame de Bonnet hat mich über Ihr Kommen vor ein paar Stunden in Kenntnis gesetzt.“ – „Bon. Wann haben Sie Ihre Verlobte zuletzt gesehen?“ – „Wir haben uns am Montag zum letzten Mal gesehen.“ – „Wie war da die Stimmung Ihrer Verlobten?“ – „Sie war eigentlich guter Laune.“ – „Worum ging es in Ihrem gemeinsamen Gespräch?“ – „Um ehrlich zu sein, hatten wir eine kleine Meinungsverschiedenheit.“ – „Einen Streit?! Worum ging es in dem Streit?“ – „In unserem Disput ging es um nichts Weltbewegendes.“ – „Na, machen Sie doch kein Geheimnis daraus. Sagen Sie schon, warum Sie sich gestritten haben?“ – „Wir haben uns wegen eines kleinen Flirts in die Haare bekommen.“ – „Aha. Und wer von Ihnen beiden hat fremdgeflirtet?“ – „Sie!“ – „Und Sie wurden eifersüchtig?“ – „Oui. Aber das ist doch nicht schlimm.“ – „Das mag sein. Doch Ihre – wie haben Sie das genannt – ja, Meinungsverschiedenheit eskalierte. Ihre Eifersucht übermannte Sie, sodass Sie Ihre Verlobte dann getötet haben und am Ende deren Leiche von der Pont d´Austerlitz in die Seine geworfen haben.“ – „Non, ich hätte Babette nie ein Leid zufügen können. Ich habe sie geliebt. Und wenn ich sie getötet hätte, wieso hätte ich mir die Mühe machen sollen und ihre Leiche so weit weg von meinem Zuhause zu entsorgen?“ – „Das ist eine sehr gute Frage. Vielleicht damit der Verdacht nicht auf Sie fällt?!“ – „Aber ich habe Babette nicht getötet.“ – „Nun gut. Wo waren Sie zwischen 19.00 und 21.00 Uhr am Montag?“ – Ich war mit ein paar Freunden unterwegs. In verschiedenen Bars.“ – „Genauer geht es nicht?“ – „Wenn Sie wollen, nenne ich Ihnen die Namen meiner Freunde. Aber die Namen der Bars habe ich mir wahrhaft nicht gemerkt.“ – „Aber die grobe Gegend, in der Sie sich aufgehalten haben, können Sie mir doch nennen, oder?“ – „Wir haben uns hauptsächlich auf dem Boulevard du Temple aufgehalten.“ – „Ich verstehe. Können Sie mir ein Foto von sich geben?“ – „Wozu?“ – „Damit ich Ihr Alibi überprüfen kann. Vielleicht können Sich die Barkeeper an Sie erinnern.“ Philippe Bellier gab dem Inspector ein Foto von sich. Danach verabschiedete er sich.

Am Abend ging Lacroix in ein Restaurant auf der Avenue de Suffren. Dort hatte er schon ein paar Wochen zuvor einen Tisch reserviert. Für sich und seine Gattin. Wie üblich wartete sie bereits auf ihn. „Clarisse, es tut mir leid. Mir ist noch etwas Wichtiges dazwischen gekommen.“ – „Naturellement. Wie immer. Aber an diesem besonderen Tag hättest du dir ein bisschen Mühe geben können, dass dies nicht vorkommt.“ – „Oui. Du hast vollkommen recht. Doch der Fall, den ich gerade bearbeite, ist sehr heikel.“ – „Sind deine Fälle nicht immer heikel.“ – „Oui.“ – „Siehst du, dies ist wahrlich kein Grund zu spät zu kommen. schließlich ist heute unser Hochzeitstag.“ – „Es tut mir wirklich leid. Ich versuche mich zu bessern.“ – „Hmm. Das werden wir dann noch sehen. Wollen wir jetzt bestellen?“ – „Gerne.“ Die beiden bestellten. Nach dem Dessert gab Lacroix seiner Gattin sein Hochzeitsgeschenk. Es war ein silbernes, mit zwei kleinen Diamanten besetztes Armband. Auf der Innenseite hatte er noch etwas Hübsches eingravieren lassen, nämlich: Non soleil chéri.

5

Nach dem Wochenende hatte sich Jean Lacroix vorgenommen die zwei Geschichten – sowohl von der Freundin als auch von dem Verlobten des Opfers – zu überprüfen.
Er rief Merzac zu sich. „Merzac, ich möchte Sie bitten, ein Alibi zu überprüfen.“ – „Das mache ich.“ – „Bon. Die Person auf diesem Foto hatte sich angeblich am letzten Montagabend in einigen Bars auf dem Boulevard du Temple aufgehalten.“ – „Ich verstehe. Ich gehe der Sache nach.“ Der Kriminalist reichte dem Streifenpolizisten das Foto. Er selbst begab sich dann zur Avenue Daumesnil. Im Café Le Viaduc befragte er den Kellner. Doch dieser zierte sich erst einmal ein bisschen, ehe er dem Inspector die Auskunft gab. „Oh oui, die Frau auf dem Foto war mit ihrer Freundin hier.“ – „Und was geschah weiter?“ – „Es schien als hätten die beiden Frauen einen Streit gehabt.“ – „Wieso glauben Sie das?“ – „Naja. Eine von den beiden wurde etwas laut und verließ daraufhin fluchtartig das Café.“ Aha. Die Frau auf dem Foto?“ – „Non. Die andere.“ – „Was machte das Opfer?“ – „Sie trank ihre Heiße Schokolade aus und ließ sich die Rechnung bringen.“ – „Sie hat also bezahlt und ist dann ebenfalls gegangen.“ – „Non, da muss ich Sie korrigieren.“ – „Wie meinen Sie das?“ – „Sie ist nicht gegangen. Gerade als sie sich bereit machte zum Gehen, setzte sich ein Mann zu ihr.“ – „En réalité?! Da sind Sie sicher?“ – „Oui. Absolut.“ – „Wie sah der Mann aus?“ – „Er war etwa 1,80 m groß. Er war Mitte zwanzig, wahrscheinlich eher schon Anfang dreißig. Er sah sehr gepflegt aus. Er trug einen schwarzen Anzug.“ Wie üblich schrieb der Kriminalist alles auf. „Achso. Er trug mit sich noch einen kleinen schwarzen Koffer.“

Im Büro wartete bereits der Streifenpolizist Merzac auf ihn. „Haben Sie das Alibi des Verlobten überprüft?“ – „Oui. Er hat die Wahrheit gesagt.“ – „Das habe ich mir schon fast gedacht.“ – „Ich habe noch mehr herausgefunden.“ – „Und was?“ – „Sie hatten doch in dem Mantel der Toten eine weiße Blume gefunden, richtig?“ – „Oui. Wieso?“ – „Meine Recherche ergab, dass es sich dabei um eine Orchidee handelt.“ – „Interessant.“ Sofort notierte er auf der Pinnwand neben dem Vermerk Weiße Blume Orchidee. Um die Mittagszeit erschien Dr. Bertrand bei ihm. „Na, ich habe dir einen Schwarzen Tee mit Zitrone mitgebracht.“ – „Oh, das ist sehr freundlich von dir.“ – „Für einen Freund doch immer. Hast du schon Fortschritte bei den Ermittlungen gemacht?“ – „Ich bin schon etwas weitergekommen.“ – „Hast du Verdächtige?“ – „Die zwei Personen, die als Verdächtige in Frage kommen würden, konnten ausgeschlossen werden.“ – „Hast du eine neue Spur?“ – „Vielleicht. Unser Opfer hat im Café eine Bekanntschaft mit einem Unbekannten gemacht.“ – „Aha. Der Täter muss sich auf jeden Fall mit der Anatomie des Menschen auskennen. Schließlich wurde das Herz – wie aus dem Lehrbuch – dem Opfer entnommen.“ – „Also käme ein Arzt als Täter in Frage?!“ – „Zum Beispiel.“ – „Aber warum sollte ein Arzt so eine grausame Tat begehen?“ – „Tja, das ist eine gute Frage. Aber du wirst dies schon herausfinden.“ – „Ich werde es versuchen. Weißt du, welche Hôpitals in der Nähe der Avenue Daumesnil liegen?“ – „Hmm. Müssen diese denn unbedingt in der Nähe der Avenue sein?“ – „Nicht unbedingt. Es wäre aber von Vorteil.“ – „Ich kann es für dich herausfinden.“ – „Non, das ist nicht nötig.“ Dr. Bertrand verabschiedete sich, denn er hatte in der Gerichtsmedizin noch eine Menge zu tun. Lacroix ermittelte nun in die neue Richtung. Er klapperte die Hôpitals in der Umgebung des Cafés ab. Ohne Erfolg. Er wusste nicht mehr weiter. Und so verliefen seine Ermittlungen im Sande.

6

Ein paar Tage später kam der Inspector – wie gewöhnlich – sehr früh morgens zur Arbeit.
Gerade als er sich gesetzt hatte, klopfte es an seiner Bürotür. „Merzac, was wollen Sie?“ – „Ich weiß, Sie sind noch mit dem Fall der Leiche aus der Seine beschäftigt. Könnten Sie sich trotzdem einer anderen Sache annehmen?“ – „Worum geht es denn bei der Sache?“ – „Bei der Sache handelt es sich um eine Beschwerde.“ – „Um eine Beschwerde. Und damit werden Sie nicht alleine fertig?“ – „Nicht wirklich.“ – „En réalité?! Na dann. Schießen Sie mal los.“ – „Eine ältere Dame hat sich darüber beschwert, dass in ihrem Wohnhaus immer wieder – in gewissen zeitlichen Abständen – ein widerlicher Geruch auftreten würde.“ – „Aha. Na gut. Da ich sowieso bei meinem Fall nicht weiterkomme, nehme ich mich der Sache an. in welcher Straße wohnt die ältere Dame?“ – „Die Dame heißt Marianne Chevalier. Sie wohnt in der Rue de la Victoire, Hausnummer 14.“ – „Bon. Ich mache mir gleich daran.“

Am Nachmittag stand der Kriminalist vor dem Haus mit der Nummer 14 in der Rue de la Victoire. Er sah auf die Namensschilder und drückte auf den Klingelknopf neben dem der Madame Chevalier. Die Dame ließ ihn rein und er musste die Treppen bis in die dritte Etage hinaufgehen. „Kommen Sie rein.“ – „Merci.“ – „Sie sind wegen meiner Beschwerde hier?“ – „Oui. Sie sagten meinen Kollegen, dass häufiger ein unangenehmer Geruch im Haus auftrete?!“ – „Genau. Meistens kommt dieser aus der Nachbarwohnung.“ – „Ich verstehe. Wissen Sie, ob Ihr Nachbar zu Hause ist?“ – „Hmm. Es ist gerade fünf Uhr am Nachmittag. Um diese Zeit kommt er meist nach Hause.“ – „Bon. Dann verabschiede ich mich von Ihnen und werde Ihrem Nachbarn einen Besuch abstatten.“ Somit ging er über den Hausflur zur anderen Wohnungstür, an die er klopfte. Es dauerte eine Weile, bis die Tür geöffnet wurde. „Ja?“ – „Mein Name ist Inspector Jean Lacroix. Kann ich Sie in einer heiklen Angelegenheit sprechen?“ – „Kommen Sie herein. Um welche Sache geht es?“ – „Es geht um den strengen Geruch, der sich häufiger im Haus breit macht.“ – „Und weiter?“ – „Ihre Nachbarin, Madame Chevalier, hat mir berichtet, dass dieser Geruch aus Ihrer Wohnung käme. Was sagen Sie dazu?“ – „Es kann schon sein, dass ab und zu unangenehmer Geruch aus meiner Wohnung kommt. Aber es war nicht meine Absicht, meine Nachbarn zu belästigen.“ – „Wieso tritt dieser Geruch überhaupt auf?“ – „Ich habe eine Affinität zu Herzen.“ Die beiden Männer gingen hinüber in den Wintergarten. Dort erblickte der Kriminalist einige Regale, auf denen Gläser mit menschlichen Herzen gefüllt standen. Auch befanden sich dort – auf dem Fußboden – mehrere Blumentöpfe mit weißen Orchideen. „Sie sammeln menschliche Organe?“ – „Oui. Aber nur Herzen.“ – „Wie kommen Sie an diese?“ – „Da ich in einem Hôpital arbeite und wir dort auch mal Leichen eingeliefert bekommen, können meine Kollegen und ich diese genau in Augenschein nehmen. Natürlich zum Wohle der Medizin.“ – „Aha. Sie sind Arzt?“ – „Richtig. Chirurg, um genau zu sein.“ – „Also tritt der Geruch nur dann auf, wenn Sie ein neues Herz aus der Klinik mitbringen?!“ habe ich das richtig verstanden?“ – „Ganz genau. Ich lege die Herzen in die Gläser, die mit Ether gefüllt sind. Wenn ich dies getan habe, ist der Geruch meist nach kurzer Zeit wieder verflogen.“ – „Bon. Es wäre von großem Vorteil – und auch im Sinne der guten Nachbarschaft – wenn Sie versuchen könnten, dies schon in der Klinik zutun. So müsste die Polizei nicht noch einmal bei Ihnen vorstellig werden.“ – „Oui, dies könnte ich in Erwägung ziehen.“ Mit dieser Aussage gab sich der Polizist zufrieden und verabschiedete sich.

Auch in den kommenden Tagen ließ ihn die Geschichte mit den eingelegten Herzen nicht los. In seinem Notizbuch hatte er sich den Namen des Mannes notiert. In seinen Computer tippte er den Namen ein: Joffrey René Ledoux. Doch in der Verbrecherkartei tauchte nichts über diesen Mann auf. „Er ist Arzt.“, sagte Lacroix zu sich selbst. Daraufhin nahm er den Telefonhörer in die Hand und rief bei der Ärztekammer an. „Bonjour. Hier spricht Inspector Lacroix.“ – „Bonjour. Wie kann ich Ihnen helfen?“ – „Können Sie mir eine Auskunft über einen Arzt geben?“ – „Naturellement. Geben Sie mir den Namen des Arztes durch.“ – „Joffrey René Ledoux.“ – „Einen Moment. Ich suche die Akte heraus.“ Für ein paar Minuten herrschte an beiden Enden Stille. „Inspector, hören Sie.“ – „Oui.“ – „Also Ledoux ist Chirurg in der Clinique Milan an der Kreuzung Rue d´Amsterdam und Rue de Milan.“ – „Merci.“ – „Bonsoir.“
Lacroix zog sich seinen Mantel an und verließ daraufhin das Polizeigebäude in die Rue d´Amsterdam. Am Empfang der Clinique Milan fragte er, in welcher Etage sich die Personalabteilung befindet. Mit dem Fahrstuhl fuhr er in den fünften Stock. Dort begab er sich in das Büro der Personalchefin. „Wie kann ich Ihnen behilflich sein, Inspector?“ – „Sie beschäftigen einen gewissen Joffrey René Ledoux, richtig?“ – „Oui. Wieso? Hat er irgendetwas ausgefressen?“ – „Ich bin mir da noch nicht ganz sicher.“ – „Was wollen Sie denn über ihn wissen?“ – „Können Sie mir etwas über seinen Charakter sagen?“ – „Er ist stets höflich und nett sowohl zu den Patienten als auch zu den Kollegen. Im Großen und Ganzen ist er eine sehr umgängliche Person.“ – „Hat Ledoux Ihnen gegenüber etwas von seiner Leidenschaft erzählt?“ – „Von welcher Leidenschaft reden Sie?“ – „Er sammelt menschliche Herzen. Er sagte, dass er sich die Herzen aus den Leichen, die manchmal hier in diese Klinik geliefert werden, holt.“ – „En réalité?! Davon weiß ich nichts. Außerdem bekommen wir sehr selten Leichen in die Klinik geliefert.“ – „Aha. Haben sie vielleicht ein Foto von ihm?“ – „Sicherlich. In seiner Akte.“ Die Personalchefin schaute in die Akte und gab dem Kriminalisten das Foto. Danach ging er. Nun wollte Lacroix seinen Verdacht sich bestätigen lassen. Daher lief er durch die Straßen bis zum Café Le Viaduc. Dem Kellner hielt er das Foto von dem Arzt vor die Nase. „War dies hier der Mann, der sich zu der jungen Frau an den Tisch gesetzt hatte?“ – „Oui. Dies ist der Mann.“ – „Sind Sie sich sicher?“ – „Auf jeden Fall. Er war sogar ein echter Gentleman und bestand darauf, sie nach Hause zu begleiten.“ – „Das ist ja sehr aufschlussreich.“

7

Im Polizeigebäude wieder zurück, gab er Merzac den Befehl, den Arzt auf das Präsidium zur weiteren Befragung zu holen.
In der Zwischenzeit bereitete er das Verhörzimmer vor. Er stellte zwei Gläser mit Wasser gefüllt in die Mitte des Tisches. Das Aufnahmegerät positionierte er auf der linken Seite des Tisches und daneben legte er sein kleines Notizbuch. Nach einer guten Dreiviertelstunde war Merzac zurück. Den Arzt brachte der Polizist in das Verhörzimmer. „Bitte setzen Sie sich. Der Inspector wird gleich bei Ihnen sein.“ Danach sagte er dem Inspector Bescheid. „Der Arzt sitzt nun im Verhörzimmer.“ – „Merci.“ Lacroix nahm die Akte vom Fall in die Hand und ging dann ins Verhörzimmer.

„Bonjour, Monsieur Ledoux.“ – „Bonjour. Warum bin ich hier? Geht es wieder um den Geruch aus meiner Wohnung?“ – „In gewisser Weise spielt der unangenehme Geruch eine Rolle.“ – „Ich verstehe das nicht. Was wird mir nun vorgeworfen?“ – „Vor knapp zwei Wochen, am Montagnachmittag tranken Sie eine Tasse Kaffee im Café Le Viaduc, richtig?“ – „Vor zwei Wochen… das kann sein, dass ich in einem Café etwas getrunken habe.“ – „In dem besagten Café machten Sie die Bekanntschaft einer jungen, hübschen Frau.“ – „Ich mache oft die Bekanntschaft von hübschen Frauen. Ich kann mich aber nicht an jede Frau erinnern.“ – „Die junge Frau, dich ich meine, haben Sie nach Hause begleitet.“ – „Das mag sein.“ Der Kriminalist fuhr nun härtere Geschütze auf. „Also gut. Sehen Sie sich das Foto an.“ – „Wer soll das sein?“ – „Diese junge Frau wurde an dem Montag, vor zwei Wochen, ermordet.“ – „Und was habe ich damit zu tun?“ – „Dies ist die junge Frau, die sie nach Hause begleitet haben. Aber dort ist sie nie angekommen. Denn Sie haben die Frau ermordet.“ – „Was soll ich getan haben?! Eine Frau ermordet haben?! Non, das habe ich nicht.“ – „Und ob. Sie haben sie ermordet.“ – „Aus welchem Grund hätte ich diese Frau töten sollen?“ – „Der Beweggrund für Ihre Tat ist Ihre Affinität für menschliche Herzen.“ – „Ich komme an menschliche Herzen über die Klinik, in der ich arbeite.“ – „Non, tun sie nicht. Ich war bei Ihrer Arbeitsstelle und habe mit der Personalchefin gesprochen. Diese sagte, dass kaum Leichen in die Klinik eingeliefert werden. Also sprechen wir Klartext.“ – „Wie oft denn noch, ich habe niemanden ermordet.“ – „Geben Sie schon die Tat zu. Im Café gab es Zeugen, die Sie mit der Toten gesehen haben. Und wenn man die eingelegten Herzen aus Ihrer Wohnung untersucht, wird sich herausstellen, dass ein Herz – laut DNA-Test – zu dem Opfer passt.“ –Immer noch blieb Joffrey René Ledoux standhaft. „Was wollen Sie?“ – „Ich will, dass Sie gestehen.“ – „Ich kann nicht etwas gestehen, was ich nicht getan habe.“ – „Sie haben diese Frau ermordet, ihr das Herz entnommen und dann ihren Leichnam in der Seine entsorgt.“ – Lacroix haute mit der Faust auf den Tisch. Um sich selbst zu beruhigen, verließ er den Raum. Er ließ Ledoux noch eine halbe Stunde warten, ehe er wieder zurückkam. Nachdem er in den Raum erneut zurückgekehrt war, setzte er sich mit einer entspannten Gelassenheit auf seinen Stuhl, als gäbe es keinen Morgen. Und dann plötzlich… knickte Ledoux ein. „Sie haben gewonnen.“ – „So, so. Na dann packen Sie mal aus.“ Bevor Ledoux weiterredete, drückte der Inspector auf dem Aufnahmegerät auf Play.
„Ich habe die junge Frau getötet.“ – „Wie haben Sie sie getötet?“ – „Ich begleitete sie bis zu ihr nach Hause. Als wir vor ihrer Haustür standen, habe ich sie von hinten festgehalten und ihr ein in Chloroform getränktes Taschentuch auf Mund und Nase gedrückt. Danach trug ich sie zu mir nach Hase und legte sie auf dem Sofa im Wohnzimmer ab.“ Ledoux unterbrach für einen kurzen Augenblick seine Ausführungen. „Was taten Sie dann?“ – „Aus dem Schlafzimmer holte ich ein langes, schwarzes Seidenhalstuch und band ihr dieses um den Hals. Danach stellte ich mich aufrecht am Kopfende des Sofas hin und zog an beiden Enden des Tuches. Bis sie sich nicht mehr bewegte und einfach reglos dalag. Nachdem ich das Tuch wieder von ihrem Hals gelöst hatte, platzierte ich sie auf einem riesigen Laken auf dem Fußboden und entfernte ihr das Herz aus ihrem Körper. Ich nahm ein Skalpell in die Hand, machte mit diesem einen Schnitt unterhalb ihrer linken Brust und holte ganz sorgfältig das Herz heraus. Das entnommene Herz gab ich in ein mit Ether gefülltes Glas. Dann erst nähte ich sie wieder zu und wickelte sie mit dem Laken ein. In ihrem Mantel legte ich vorher noch eine weiße Orchidee. Und den Rest kennen Sie ja.“ – „Von welcher Brücke haben Sie sie in die Seine geworfen?“ – „Von der Pont d´Austerlitz.“ – „Und das alles wegen Ihrer Leidenschaft für das menschliche Herz?“ – „Sie haben es erfasst.“ Der Inspector hielt das Aufnahmegerät an und ließ einen Uniformierten kommen. „Führen Sie ihn ab.“ Merzac machte Ledoux die Handschellen um und brachte ihn in die Zelle.
Lacroix ging in sein Büro, nahm die Bilder von der Pinnwand und legte alles in die Fallakte. Danach tippte er seinen Bericht ab und druckte diesen aus, ehe er ihn in der Akte abheftete. Zum Schluss machte er das Licht in seinem Büro aus und begab sich auf den Heimweg.

 

Hallo Athene25

Und Herzlich Willkommen bei den Wortkriegern.

Ein dicker Nebel lag an diesem Dienstagmorgen über Paris. Man konnte kaum etwas sehen. Nicht einmal die eigene Hand vor Augen.

Du solltest darauf achten, Informationen nicht doppelt und dreifach an den Leser heranzutragen. Hier zum Beispiel reicht der erste Satz. Bei dickem Nebel kann man normalerweise kaum etwas sehen, daher kannst du den zweiten streichen. Und der dritte widerspricht dem zweiten sogar (wenn man nicht einmal die Hand vor Augen sehen kann, ist das weniger, als "kaum" etwas zu sehen).

Antworte doch, Gustave.“; fragte Hugo Lubin.

Also generell geht die Interpunktion anders bei wörtlicher Rede. Wenn der Satz nach der wörtlichen Rede weitergeht, wird das durch ein Komma getrennt, nicht durch einen Punkt. Und wenn die wörtliche Rede selbst mit einem Punkt endet, lässt man diesen weg (ein Frage- oder Ausrufezeichen kann man hingegen setzen). Also müsste der zitierte Teil so lauten:

Antworte doch, Gustave", fragte Hugo Lubin

Auch solltest du darauf achten, Absätze zu machen, wenn der Sprecher wechselt. Das ist viel angenehmer zu lesen dann, der Blocksatz ist nicht gut.

Er zuckte innerlich zusammen und wäre beinahe ebenfalls vor lauter Schreck zu Boden gefallen.

Du wählst oft abgegriffene Formulierungen, die dann nicht ganz passen. Hier auch wieder: wie kann man innerlich zusammenzucken? Und wenn man beinahe zu Boden fällt, kann nicht von einem inneren Zucken die Rede sein, oder?

Er war sehr angesehen und wurde von seinen Kollegen geschätzt.

Hier auch wieder, du sagst zweimal dasselbe. Als Grundregel für Kurzgeschichten gilt, dass man unwichtige Informationen weglassen sollte. Das gilt natürlich vor allem für doppelte Informationen.

„Hm. Das Opfer ist eine Frau. Gerade einmal zwanzig Jahre alt.“

Das Alter weiß er woher?

Er arbeitete dabei sehr gewissenhaft, denn er wollte keine Fehler machen.

Hier wieder: doppelte Information. Wer gewissenhaft arbeitet, will natürlich keine Fehler machen.

„Aha. Bon.

Du streust immer wieder französische Brocken in den Text ein. Das passt nicht, weil die ja ohnehin alle französisch reden da. Wenn Hercule Poirot immer mal wieder was auf Französisch sagt, nimmt man ihm das ab, weil er im Original ja Englisch spricht. Aber bei dir ist ja jedes Wort eigentlich Französisch. Ich frage mich dabei, warum der Text eigentlich in Paris und nicht bspw. in Berlin spielt. Wenn das in Berlin wäre und der Kommissar französische Wurzeln hätte, dann würde auch das Bon und Oui usw. passen.

Als er den Mantel ein bisschen unbewusst schüttelte, fiel eine Blume heraus auf den Boden.

Ich habe das Gefühl, du hast nicht viel recherchiert, was Polizeiarbeit angeht. Das geht los bei dem Gerichtsmediziner, der mal so nebenbei beim Kommissar vorbeischaut und die Ergebnisse der Obduktion übermittelt, anstatt einen Bericht zu schreiben. Dann glaube ich auch nicht, dass der Kommissar alleine arbeiten würde. Und auch hier: die Kleidung der Toten, das wird doch sicher von der Spurensicherung und/oder der Gerichtsmedizin untersucht und nicht so nebenbei durch den Kommissar in dessen eigenem Büro? Oder hast du da andere Infos?

Reflexartig schrieb er in sein Buch:

Ein Reflex ist etwas, das man nicht bewusst kontrollieren kann, das geschieht unwillkürlich. Das gilt aber nicht für das Schreiben in ein Buch, das kontrolliere ich.

Am Nachmittag ging der Inspector zur Redaktion der L´Equipe und gab eine Beschreibung des Opfers auf.

Das ist doch auch komisch: Der Kommissar geht zu einer Redaktion? Würden nicht die Reporter ins Revier kommen? Würde man nicht eine Pressekonferenz geben?

Nach ein paar Minuten nickte Madame Bonnet und sagte: „Oui, das ist meine Tochter.“

Wirklich nach ein paar Minuten?

Und weil sie diesen Anblick ihrer Tochter nicht weiter ertragen konnte, verließ sie fluchtartig den Raum.

Eben, das beißt sich. Erst schaut sie minutenlang die tote Tochter an, dann verlässt sie fluchtartig den Raum.

Er ging den Weg, den das Opfer von dessen Zuhause, der Rue des Couronnes, bis zum Café am Boulevard de Magenta genommen hatte, ab.

Woher kennt er den Weg des Opfers? Hier fehlen mir Informationen.

Doch leider geriet der Kriminalist mit den Ermittlungen ins Stocken.

Also das ist schon extrem verdichtet. Ich finde, so kann man einen Whodunit-Krimi nicht schreiben. Der lebt ja auch viel davon, dass man als Leser die Ermittlungen verfolgen kann und auf demselben Informationsstand wie der Kommissar ist. Du fliegst da so behände drüber hinweg, was heißt das, die Ermittlungen gerieten ins Stocken? Wo ermittelt der Kommissar denn überhaupt? Bis jetzt hat er nicht einen Angehörigen befragt, keine Freundinnen, keinen Freund der Toten, nichts.

„Derjenige, der das Herz des Opfers entnommen hatte, muss sehr gute Kenntnisse in der Anatomie des Menschen haben. Er muss auch sehr geschickt im Umgang mit einem Skalpell sein. Nach dieser Schlussfolgerung kommt eigentlich nur ein Arzt dafür in Frage.“;

Nee du, das passt leider alles nicht, ich nehme dir das nicht ab. Da rennt der Gerichtsmediziner in das Büro des Kommissars und tut so, als hätte er Wahninns-Neuigkeiten, dabei erzählt er etwas überaus Offensichtliches. Natürlich braucht man Kenntnisse der menschlichen Anatomie, wenn man das Herz eines Menschen entfernt. Und ja, man muss mit einem Skalpell umgehen können, aber ich behaupte mal, das lässt nicht zwingend auf einen Arzt schließen. Da machst du es dir zu einfach.

Den anderen Hinweis gab dem Inspector eine Frau, die sich bei der Polizei gemeldet hatte. Sie wollte nur, dass sich jemand ihrer Beschwerde annahm.

Es ist leider nicht authentisch: Warum schickt man eine Frau, die sich über einen penetranten Geruch beschweren will, direkt zu einem Kommissar des Morddezernats? Vielleicht machen die Franzosen das ja so und du hast das recherchiert oder kennst dich da auch aus, falls ja, nehm ich es zurück, aber ich kann mir das nicht vorstellen. Da würde man sicher auch erst mal Streifenbeamte hinschicken, die sich darum kümmern sollen, und wenn man dann eine Leiche findet, dann würde die Mordermittlung ins Spiel kommen.

Lacroix verabschiedete sich und klingelte dann neben an.

nebenan

Naja, ich muss Ihnen ein paar Fragen z einem Vorkommnis

zu

„Es gab eine Beschwerde bezüglich des öfter, in diesem Haus auftretenden Geruchs.

Da stimmt was nicht.

dann kann man diesen Fall schnell abschließen.

Dann (Satzanfang groß)

Und der unangenehme Geruch aus Ihrer Wohnung kommt daher, weil Sie als Jäger Ihre Beute selber ausnehmen?“

Gut, immerhin fragt der Kommissar ein paar Zeilen später nach, aber das ist doch absurd, dass der im dritten Stock eines Mehrfamilienhauses mitten in Paris erlegtes Jagdwild auseinandernimmt.

Also Athene, mich hat das leider nicht überzeugen können. Handwerklich solltest du sorgfältiger arbeiten, auf Interpunktion, Rechtschreibung achten. Auch darauf schauen, keine unnötigen Informationen dem Leser zu geben, bestimmte Dinge doppelt zu erwähnen oder abgegriffene Floskeln zu verwenden.

Inhaltlich habe ich den Eindruck, du hast dich nicht sehr intensiv mit der Polizeiarbeit auseinandergesetzt. Für mich klingt das alles nicht authentisch. Ich vermisse auch wirkliche Ermittlungen, der Fall geht viel zu einfach von der Hand. Solche Krimis in eine KG zu verpacken ist echt nicht einfach, ich weiß das weil ich seit einiger Zeit selber an einer solchen Geschichte arbeite und das echt knifflig werden kann. Aber es geht doch auch darum, dass der Leser mitraten kann, es müssen Verdächtige präsentiert werden. Gerade wenn Spannung aufkommen soll. Man muss was über den Hintergrund des Opfers erfahren etc. Bei dir erfährt man eigentlich gar nichts und der Kommissar wird zielgerichtet auf die richtige Spur und den Täter gelenkt. Das ist zu einfach dann.

Ja - auch wenn da jetzt viel Negatives dabei war, hoffe ich, du bleibst am Ball. Betrachte es als ehrliches Leserfeedback, darauf legen wir hier großen Wert.

Grüsse,
Schwups

 

Hallo Athene25,

eine abrupte Wendung, die Deine Geschichte nimmt.
Mir gefällt die Idee des Endes.

Du sorgst für Flair mit französischen Einsprengseln, das ist Geschmackssache, gibt der Geschichte m. E. aber insgesamt einen mysteriösen Hauch, obwohl der Inhalt eigentlich ein sehr geradliniger Kriminalfall ist.

Wo es für mich holpert sind viele Kleinigkeiten und Stilfragen.

Am Anfang zum Beispiel:


Jemand schlich – wie ein Schatten – durch die endlosen Gassen. Bis er plötzlich mitten auf einer Brücke stehenblieb. Dort sah er hinter sich, nach links, nach rechts. Als er sich ganz sicher war, dass niemand außer ihm sich auf der Brücke befand, warf er etwas über die Mauer in den Fluss.

Die Leiche wird in den Fluss geworfen, richtig? Es liest sich, als wäre es etwas in der Größe einer leeren Bierflasche. Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, wie man mit einer Leiche über der Schulter wie ein Schatten schleicht.

Ein dicker Nebel lag an diesem Dienstagmorgen über Paris. Man konnte kaum etwas sehen. Nicht einmal die eigene Hand vor Augen. Trotz des diesigen Wetters saßen zwei Angler schon sehr früh am Quai d´Henri IV.

Man sieht nicht mal die Hand vor Augen? Krasser Nebel. Weit mehr als diesiges Wetter.
Das ist aber nur eine Kleinigkeit.
Dann wird die Hauptfigur eingeführt, Lacroix.

Seine schnelle Auffassungsgabe brachte ihm nicht nur die Bewunderung der Kollegen ein, sondern auch die des französischen Präsidenten.

Ich mir kaum vorstellen kann, dass der Prädsident einen normalen Kriminalpolizisten bewundert, dass er überhauot von ihm Kenntnis hat. Warum tut er das? Eine Erklärung wäre vielleicht schön. Allerdings weiß ich gar nicht, was die Bemerkung hier tut. Meine Erwartung ist; ich lerne mehr von dieser Figur kennen. Aber wir begleiten Lacroix nur bei der sachlichen Beschreibugn seiner Handlungsabläufe, wir erfahren nichts über die Figur. Das ist schade. Denn der Fall an sich ist eben auch sehr geradlinig und zieht mich alleine nicht genügend in seinen Bann.

Dann bei 2. kommt die Familie. Das ist sehr blass beschrieben.

Nach ein paar Minuten nickte Madame Bonnet und sagte: „Oui, das ist meine Tochter.“ Sie hielt sich an ihrem Begleiter fest, der versuchte, sie zu trösten. „Sind Sie sicher?“, fragte Lacroix noch einmal nach. „Oui, ich bin mir absolut sicher. Das ist sie. Meine kleine Babette.“, antwortete die Dame und fing an zu weinen.

Die Mutter schaut erst lange, dann geht sie. Sie will noch nicht mal wissen, was genau passiert ist?

„Ich bin… ich war ihr Verlobter.“, entgegnete Philippe Bellier. „Aha. Wann sollte die Hochzeit sein?“, erwiderte Lacroix. „Sie war für den Sommer geplant.“, war die Antwort. „War dies dann alles? Ich würde mich gern um ihre Mutter kümmern.“, wollte Bellier von ihm wissen. „Ja, ja. Sie können gehen.“, meinte der Inspector.

Der Verlobte zeigt keinerlei Regung? Es gibt keine Befragung der Beiden? Es gibt noch keinen Tatverdächtigen, aber der Verlobte wird noch nicht einmal gefragt, was er zur Tatzeit getan hat? Diese Stelle erscheint mir wirklich gar nicht plausibel.
Dass Du hier auf Distanz zu den Figuren und ihrme Kummer bleibst, passt für mich grundsätzlich in den Stil des Textes. Aber es ist für mich so zu verkürzt, um noch glaubwürdig zu sein.


Am Montag, in der darauf folgenden Woche, begab sich Jean Lacroix auf Spurensuche.

Er hat doch sicherlich nicht erst knapp eine Woche nach dem Fund der Leiche damit begonnen, oder?

Er ging den Weg, den das Opfer von dessen Zuhause, der Rue des Couronnes, bis zum Café am Boulevard de Magenta genommen hatte, ab. Er kam an dem Blumenladen vorbei, in dem sie einen Strauß Nelken gekauft hatte. im Café bekam er, nach langem Zögern des Kellners, die gewünschte Auskunft.

Woher weiß Lacroix, welchen Weg sie genommen hat? Dass sie in der Blumenhandlung war und Nelken kaufte? (Weiter oben war es außerdem noch eine Orchidee, die er in der manteltasche fand) Das verstehe ich nicht.

Der Kellner sagte: „Sie war in Gesellschaft eines Mannes.“ „En réalite?! Da sind Sie sicher?“, fragte der Kriminalist energisch nach. „Oui. Da bin ich mir ganz sicher. Dabei wollte sie eigentlich schon gehen. Sie hatte nämliche ihre Heiße Schokolade bereits bezahlt.“, erwiderte der Kellner. „Und wie sah der Mann aus?“, wollte der Polizist nun wissen. „Er trug einen braunen Anzug. Er sah sehr gepflegt aus. Er war Mitte zwanzig, aber wahrscheinlich schon Anfang dreißig.“, entgegnete der Kellner. Wie üblich notierte Lacroix sich alles in seinem Büchlein. „Achso. Er trug mit sich noch einen kleinen schwarzen Koffer. Der Mann kam aus der Richtung des Hôtel de Ville zum Café.“

Hier erscheint es mir doch recht merkwürdig, wie genau sich der Kellner noch an alle Details der Vorwoche erinnert. Vielleicht erinenrt er sich an die Begebenheit, wenn er die Verstorbene gut kannte. Aber aus wlecher Richtung der Fremde kam, der sie dann ansprach - hm, glaube ich irgendwie nicht.

Einen der Hinweise lieferte ihm sein Freund Dr. Bertrand. Dieser kam an einem sonnigen Mittwoch ganz aufgelöst in das Büro des Polizisten. „Mir ist noch etwas eingefallen, was ich vergessen habe, dir zu sagen.“, sagte der Doktor. „Wirklich?! Na dann raus damit.“, war die Reaktion. „Derjenige, der das Herz des Opfers entnommen hatte, muss sehr gute Kenntnisse in der Anatomie des Menschen haben. Er muss auch sehr geschickt im Umgang mit einem Skalpell sein. Nach dieser Schlussfolgerung kommt eigentlich nur ein Arzt dafür in Frage.“

Weiter oben war beschrieben, dass Dr. Bertrand sehr sorgfältig vorgegangen ist. Das passt nicht zusammen. Außerdem erscheint mir das keine Kleinigkeit zu sein, die ein Gerichtsmediziner zuerst einmal vergisst. Sobald ihm das auffällt, weiß er, dass es wirklich wichtig ist. Könnte das Dr. Bertrand nicht von Anfang an sagen? Es würde ein bisschen Spannung erzeugen, und später kommt der zweite Hinweis dazu, dann erst ergibt es einen Sinn. Nur so ein Gedanke.

Das sind alles Details, die die Gesamtwirkung für mich schmälern, aber leicht zu beheben sein dürften.
Am Ende wird es etwas schwieriger. Der Arzt wird festgehalten, ohne dass man einen Grund erkennt. Wenn Lacroix untrüglicher Polizeiisntinkt der Grund ist, dann würde ich mir wünschen, dass das auch beschrieben wird.
Ebenso mit dem Verhör. Der Täter wird nicht überführt durch die Rafinesse des vielbewunderten Lacroix, sondern durch dessen beharrliches Verhören - aber hierüber erfahren wir gar nichts. Das ist mir zu wenig. Es wirkt nach "keine Lust gehabt, das plausibel zu beschreiben" Schade.
Dann ist das ansich pointierte Ende in einem Satz wie "drangeklatscht"

„Warum taten sie das?“, wollte der Kriminalist zum Schluss noch wissen. „Ich hatte die Macht dazu.“, war die ernüchternde Antwort.

Wenn es das ist, worauf der Text hinaus will, dann braucht das für mich mehr Vorbereitung. Die Frage nach dem Motiv muss bereits vorher in der Geschichte auftauchen, und auch im Verhör muss sie eine größere Rolle spielen, um die Auflösung vorzubereiten. Das würde ich mir wünschen. Eine solche Geschichte würde ich sehr gerne lesen.

So habe ich weder Lacroix kennen und mögen gelernt über die Geschichte, noch einen interessanten Kriminalfall miterlebt oder bin durch eine philosophische Einlassung verblüfft worden.
Ich glaube aber, dass man das gut lösen kann. Hoffentlich kannst Du etwas anfangen mit diesen Anmerkungen.
Ich denke, dass das eine sehr schöne, runde Geschichte werden kann. Setting und Grundidee mag ich, und einen eigenen Stil dafür hast Du auch gefunden.

Viele Grüße, Liva

 

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