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Die Krone
Warum töte ich?, fragte sich Anzu, während er mit glasigem Blick beobachtete, wie sich die Blutlache immer weiter in seine Richtung ausbreitete. Er stand in einem abgedunkelten Raum, dem Inneren einer heruntergekommenen Hütte. Das einzige Fenster war mit Brettern vernagelt, zweifellos um die Kälte von draußen fernzuhalten, und das Kaminfeuer spendete nur spärliches Licht. Aber es reichte, um die Züge des kahlköpfigen Mannes zu erhellen, der mit dem Gesicht nach oben auf dem Boden lag und in dessen Kehle eine Messerklinge steckte. Dort entsprang die rote Pfütze und quoll auf Anzu zu. So nah war sie ihm inzwischen gekommen, dass sie kurz davor stand, seine schmutzigen Stiefel zu beflecken. Umsichtig trat er daher zur Seite und richtete seine Augen dabei erstmals auf das Gesicht seines Opfers.
Wenige Minuten zuvor hatte ihn dieses Gesicht noch angefleht, hatte geweint und geschluchzt, die Stimme nurmehr ein schwaches Wimmern, die Miene zu einer angsterfüllten Grimasse verzogen. Im Tod war diese nun zu einer Maske erstarrt, die Augen leer und kalt, der Mund leicht geöffnet und voller Blut. Der Mann hatte Anzu überrascht, denn nicht um sein eigenes Leben hatte er gebettelt, sondern um das seines Neffen. In all den Jahren, denen Anzu nun schon seinem Beruf nachging, war ihm solche Selbstlosigkeit noch nicht begegnet. Seiner Erfahrung nach dachten die Menschen für gewöhnlich zuerst an sich selbst, vor allem im Angesicht des Todes.
Aber nicht dieser Mann, der schnell eingesehen hatte, dass er dem Eindringling in sein Haus nicht gewachsen war. Entschieden hatte er das Leben für seinen Neffen gefordert, hatte argumentiert, dass dieser ein Geschöpf Gottes sei, das noch eine Rolle zu spielen habe, und das, noch viel wichtiger, doch nur ein unschuldiges Kind sei, das noch zu jung war, um den Weg allen Fleisches zu gehen.
Anzu jedoch hatte damit nichts anfangen können. Weder glaubte er an Unschuld, noch interessierte er sich für irgendwelche möglichen Götter. Er war der Meinung, dass die Welt einfach jenen Weg ging, den die Menschen ihr vorgaben, und das bedeutete eine Welt voller Pein. Und warum auch nicht, dachte er, wo es doch solch ein großes Verlangen nach Dienstleistungen wie der meinen gibt?
Also hatte er den Mann ermordet, so wie es sein Vertrag von ihm verlangte. Denn Anzu war ein professioneller Attentäter. Er tötete für Geld, und er kannte keine Gnade. Aber ist das wirklich das „Warum“? Geht es mir nur um die bare Münze?
Er seufzte. Sein Vertrag war noch nicht erfüllt, erst eines seiner Ziele hatte er liquidiert. Langsam bückte er sich zu dem leblosen Körper herab, griff nach dem Messer in dessen Kehle und zog es mit einem Schmatzen heraus. Nachdem er einen Augenblick lang die blutverschmierte Klinge begutachtet hatte, wischte er sie an den Kleidern des toten Mannes sauber. „Dein Neffe ist nicht hier“, sprach er an das versteinerte Gesicht gewandt, „aber keine Sorge, ich werde ihn finden.“
Erst als er die Klinge für vollkommen rein befand, erhob er sich wieder und steckte sie in seinen Gürtel. Nachdem er noch einmal seine Augen durch den Raum hatte schweifen lassen, ging er zur Tür und trat hinaus. Nach der Zeit im abgedunkelten Inneren stach ihm nun das Tageslicht schmerzhaft in die Augen, und das umso heftiger, da der Boden mit Schnee bedeckt war, welcher die Sonnenstrahlen reflektierte. Außerdem drang eine Kälte auf ihn ein, die ihm unmenschlich vorkam nach der Wärme des Feuers, die er kurz zuvor noch gespürt hatte. Dennoch war er froh, die Hütte hinter sich zu lassen. Schon bald wäre sie mit einem grotesken Gestank gefüllt, und der Attentäter war nicht erpicht darauf, dann noch hier zu sein.
Den Jungen zu finden, würde ihn nicht vor große Probleme stellen. Schon bei seiner Ankunft hatte er die Fußspuren bemerkt, die von der Hütte fortführten, und die bedeutend kleiner waren als alle anderen, die hier kreuzten. Da die Hütte am Rand eines kleinen Dorfes stand und es in der Nacht neu geschneit hatte, waren dies nicht einmal viele. Die Spuren, die für ihn von Interesse waren, verliefen außerdem in eine Richtung, in die niemand sonst zu gehen schien. In die Wildnis führten sie, hin zu einem Wald, der in einiger Entfernung aus dem Boden spross und der, wie alles andere auch, in einen weißen Schleier getaucht war. Nun denn..., dachte Anzu, ...er kann rennen, aber er kann nicht entkommen.
Während seine langen, schwarzen Haare im Wind wehten, zog der Attentäter seinen Schal über Mund und Nase, um sich vor der beißenden Kälte zu schützen. Dann setzte er sich ruhigen Schrittes in Bewegung, ging fort von der Hütte und in Richtung des Waldes. Keiner der Dorfbewohner schien ihm Beachtung zu schenken, vielleicht weil sie alle zu sehr mit sich selbst beschäftigt waren. Irgendwann jedoch würde der Gestank, der von der Hütte aufstieg, so stark werden, dass jemand etwes bemerkte. Wenn es endlich so weit war, würden sie den Attentäter nicht mehr einholen können.
Als er dem Waldrand langsam näher kam, schweiften Anzus Gedanken ab. Diese Mengen an Schnee waren fremd für ihn. Sein ganzes Leben hatte er in Regionen verbracht, in denen es nur selten oder gar nicht schneite, und mit einem Hauch Wehmut dachte er an die Wärme jener Orte zurück. Abgesehen davon vermisste er nichts. Sein Leben hatte unschön begonnen, und so hatte es sich auch fortgesetzt. Als abgemagerter Junge war er in seiner Kindheit stets auf sich allein gestellt gewesen, Tag für Tag nur darum bemüht, zu überleben. Seine Eltern hatte er nie kennen gelernt, denn unmittelbar nach seiner Geburt hatten sie ihn an einen Fremden verkauft. Dieser Fremde hatte sich fortan um ihn gekümmert, aber nur bis zu Anzus fünftem Lebensjahr. Dann hatte er ihn verstoßen, hatte ihn im wahrsten Sinne des Wortes auf die Straße geworfen. Anzu konnte sich nicht mehr an vieles aus jener Zeit erinnern, aber die Worte, die der Fremde sprach, nachdem er seinen Schützling unsanft aus dem Haus befördert hatte, rangen selbst heute noch schmerzhaft in seinen Ohren: „Du bist nicht das, wofür ich dich gehalten habe.“ Danach hatte sich Anzu jahrelang allein durchgeschlagen, hatte an Essen und Wasser genommen, was er kriegen konnte, hatte gestohlen... und gelegentlich auch getötet. Damals nur, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Heute... Als er elf geworden war, waren schließlich die Kinder Sannleikurs auf ihn aufmerksam geworden, eine der undurchschaubarsten und tödlichsten Attentätergilden des südlichen Kontinents. Sie retteten sein Leben, und im Gegenzug tötetete er für sie. Also geht es nur darum, eine Schuld zu begleichen?
Inzwischen hatte er den Wald betreten, und damit eine dunklere Welt. Die Bäume standen so dicht, dass das Sonnenlicht kaum in der Lage war, den Boden zu berühren, und der Schnee bedeckte sämtliches Leben wie ein Leichentuch. Bis auf meine Wenigkeit natürlich..., dachte Anzu, ...und den Jungen...
Noch immer konnte er gut dessen Fußspuren erkennen. Nun jedoch lagen sie näher beeinander, was bedeutete, dass er aufgehört hatte zu rennen. Die Spuren schlängelten sich zwischen den Bäumen hindurch und führten tiefer in den Wald hinein. Anzu mutmaßte, dass der Onkel seinen Neffen zur Flucht gedrängt hatte. Irgendwie musste er vom Herannahen des Attentäters erfahren haben, vielleicht wusste er sogar, weshalb jemand ihn und seinen Neffen umbringen wollte. War dies der Fall, so hatte er über mehr Informationen verfügt als Anzu. Dieser war nur hier, um einen Vertrag zu erfüllen. Im Endeffekt war er lediglich eine Waffe. Und Waffen stellen keine Fragen...
Ob der Junge wohl begriffen hatte, in welcher Gefahr er sich befand? Ob er Angst hatte? Anzu selbst fürchtete sich, aber nicht vor dem Jungen oder diesem Wald oder gar dem Schnee. Es war eine Angst, die ihn stets begleitete. Er glaubte, dass irgendwo auf der Welt jemand auf ihn wartete, jemand, der sich nicht von ihm umbringen lassen würde, sondern der sich erheben und über ihn richten würde. Alles, was Anzu dann noch blieb, war, sich niederzuknien und das Urteil demütig in Empfang zu nehmen. Jeden Tag befürchtete er, dass er auf diesen Menschen treffen würde, seit er das erste mal ein Leben genommen hatte.
Er befand sich nun tief im Inneren des Waldes, und folgte nach wie vor den Fußspuren des Jungen. Gewiss war er schon eine halbe Stunde oder länger unterwegs. Mit Ausnahme seiner ruhigen Schritte, die den Schnee knirschen ließen, war alles still. Selbst der Wind schien nicht in der Lage zu sein, bis zu diesem Ort vorzudringen. Anzu mochte die Stille nicht, obwohl sie eigentlich sein Verbündeter sein sollte. Er verband sie mit dem einen Moment in seinem Leben, da er sich hatte gehen lassen, da er sich glücklich hatte zurückfallen lassen und in einen geruhsamen Schlaf gesunken war. Neben ihm hatte die einzige Frau gelegen, die ihm jemals Zuneigung entgegen gebracht hatte. Gewiss, er hatte sie dafür bezahlt, ihre Gefühle waren nur gespielt gewesen, aber es hatte ihm dennoch die Welt bedeutet. Am nächsten Morgen war er in einem blutgetränkten Bett erwacht. Jemand hatte der Frau an seiner Seite die Kehle durchgeschnitten und beide Hände abgetrennt, Anzu wusste bis heute nicht, was zuerst geschehen war. Auch über das Motiv konnte er nur mutmaßen. Womöglich hatte sie etwas gestohlen und ihr Opfer wollte sich rächen. Was auch immer der Fall war, ganz deutlich konnte er sich an die markerschütternde Stille erinnern, die in seinen Ohren gedröhnt hatte, während seine Augen all das erkannt hatten, was sein Verstand nicht wahrhaben wollte. Seither konnte er nicht mehr ruhig schlafen, und niemals mehr als ein paar Stunden am Stück. Und niemals mehr werde ich mir einen Moment des Glücks gönnen..., dachte er, ...denn im Glück bin ich unachtsam...
Plötzlich blieb er stehen. Die Stille war durchbrochen. Ein kaum vernehmbares Wimmern machte ihm deutlich, dass er seine Beute eingeholt hatte. Vorsichtig ging er noch ein Stück weiter, bis der Junge schließlich in sein Sichtfeld gelangte. Am Fuße einer besonders hoch aufragenden Eiche hatte er sich zusammen gekauert und hielt sich die rechte Schulter, das Gesicht schmerzverzerrt.
Behutsam näherte sich der Attentäter seinem Opfer. Erst als er nur noch wenige Fuß entfernt war, hielt er an. Fast schwerfällig wirkte es, als der Junge in jenem Moment seinen Kopf hob und ihrer beider Augen sich trafen. „Hallo“, sagte Anzu, ohne eine Miene zu verziehen.
Der Junge zögerte merklich, grüßte aber schließlich zurück. „Hallo.“
„Bist du der Neffe von Valur?“, wollte Anzu wissen.
Der Junge nickte.
„Dann ist dein Name Namtaru, nicht wahr?“, fuhr der Attentäter fort. Als sein Gegenüber abermals nickte, ging er in die Hocke, um auf Augenhöhe mit ihm zu sein. „Wer würde dir solch ein Namen geben, Junge? Er stinkt nacht Pest und Tod.“
„Meine Mutter“, antwortete Namtaru schlagfertig. „Sie war keine nette Frau.“
Offensichtlich nicht, dachte Anzu. Er deutete auf die Schulter des Jungen, die dieser immer noch umklammerte, und fragte: „Was ist passiert?“
Namtaru zögerte erneut, antwortete jedoch: „Ich habe versucht, auf den Baum zu klettern. Aber ich bin gefallen, und jetzt tut meine Schulter weh, und meinen Arm kann ich nicht mehr bewegen.“
Worauf warte ich?, fragte sich Anzu. Aufmerksam sah er in das unschuldig anmutende Gesicht des Jungen. Es war offensichtlich, dass dieser kein Urteil über ihn sprechen würde. Ich muss es zu Ende bringen. Wenigstens dieses unnütze Geplänkel sollte ich ihm ersparen... Aber diese grünen Augen schienen eine geradezu hypnotische Wirkung auf den Attentäter zu haben, und er zog sein Messer nicht. Lieber hakte er nach: „Wolltest du dich auf dem Baum verstecken?“
„Nein“, antwortete Namtaru schlicht.
Anzu bohrte weiter: „Wieso wolltest du dann hinaufklettern?“
Der Junge antwortete nicht sofort, sondern legte seinen Kopf in den Nacken und sah hinauf zu den verschneiten Ästen der Eiche. Erst als er seinen Blick wieder gesenkt hatte, sprach er: „Ich bin hier her gekommen, um mich meiner Angst zu stellen.“
„Hast du Höhenangst?“
„Nein.“
Namtaru war offensichtlich nicht sehr gesprächig. Fasziniert bemerkte Anzu jedoch, dass er sich nicht vor ihm zu fürchten schien. „Welcher Angst wolltest du dich stellen?“, fragte der Attentäter schließlich.
In der Zwischenzeit war der Junge ein Stück am Baumstamm hinab gerutscht und richtete sich nun wieder auf. Seine Schulter schien dagegen zu protestieren, denn bei der Bewegung ächzte er qualvoll auf. Dann antwortete er: „Früher habe ich immer mit meiner Schwester in diesem Wald gespielt, und irgendwann haben wir diesen Baum gefunden. Ich glaube, es ist der Höchste im ganzen Wald, das hat zumindest meine Schwester behauptet, nachdem sie rauf geklettert war. Sie hat es bis ganz nach oben geschafft, bis zur Krone, und auch wieder herab. Sie hat gesagt, ich solle es auch versuchen, von dort oben könne ich die ganze Welt sehen. Aber ich habe mich nicht getraut. Ich dachte, ich wäre nicht bereit für die Welt. Sie ist so groß, und ich bin so klein. Ich hatte Angst vor ihr.“ Namtaru schluckte hörbar und fuhr dann fort: „Ich habe noch immer Angst vor ihr. Aber ich dachte, wenn ich schon sterben muss, dann will ich meiner Schwester wenigstens sagen können, dass ich es doch noch gewagt habe. Ich dachte, bevor ich gehe, sollte ich wenigstens einen Blick auf die Welt geworfen haben.“ Für einen Moment hielt er inne, und seine Augen huschten zu dem Messer, das am Gürtel seines Gegenübers prangte. Dann fügte er hinzu: „Ich glaube nicht, dass es noch dazu kommen wird...“
Nachdem Anzu diese Geschichte hatte sacken lassen, stellte er fest, dass er immer noch in diese mysteriösen, grünen Augen starrte. Schließlich aber besann er sich und fragte: „Weißt du, wer ich bin?“
„Du bist der böse Mann“, antwortete Namtaru prompt. „Du bist der Mörder meines Onkels. Und meiner...“
„Wenn du das weißt, wieso hast du dann nicht versucht, zu fliehen?“, wollte der Attentäter wissen. „Hat dein Onkel dir nicht gesagt, dass du weglaufen sollst?“
„Hat er“, erwiderte der Junge, „aber er hat mir nicht gesagt wohin. Und ich wollte die Welt sehen...“
Anzu seufzte. Er hatte verstanden, weshalb er zögerte, weshalb er noch nicht sein Messer gezogen und es in den Körpers des Jungen gerammt hatte. Er erkannte sich selbst in ihm wieder. Auch er war einst ein Kind ohne Eltern und ohne Richtung gewesen.
Aber seine Finger zuckten. Sie schienen begriffen zu haben, womit sein Verstand noch zu kämpfen hatte. Der Junge musste sterben, und zwar durch seine Hand. Muss er das denn wirklich?, meldete sich eine Stimme in seinem Inneren. Muss er wirklich sterben? Was, wenn du es dem Jungen gleichtust? Was, wenn du dich deiner eigenen Angst stellst? Du könntest ihn laufen lassen und nach dem Menschen suchen, der über dich richten wird. Du könntest aufhören, zu töten... womöglich sogar Glück finden...
Könnte ich?, wunderte sich Anzu. Habe ich wirklich eine Wahl? Unentschlossen blickte er in das Gesicht Namtarus, welches stoisch zurückstarrte. In der Absicht, sich einen Moment der Ruhe zu gönnen, um sich dabei zu besinnen, schloss er die Augen und atmete tief durch. Dadurch musste er nicht mehr in diese grünen Augen sehen, die wie ein Spiegel waren, und schon hatte er das Gefühl, klarer denken zu können. Er horchte tief in sich hinein, auf der Suche nach einer Lösung, und was er vorfand, gefiel ihm nicht. Er stellte fest, dass seine Finger Recht hatten. Er wollte den Vertrag erfüllen, wissend, dass der Vertrag selbst längst keine Rolle mehr spielte. Da ist sie also..., dachte er, ...die Antwort...
Als er die Augen wieder öffnete, sagte er: „Du und ich, wir sind uns einander ähnlich, Junge. Als ich in deinem Alter war, war ich genauso allein wie du. Ich wusste nicht, wohin ich gehen sollte. Und obwohl ich jeden Tag verzweifelt ums Überleben gekämpft habe, habe ich mir des Nachts vorgestellt, wie es wäre, wenn jemand kommen würde, um mich zu töten. Ich habe mich gefragt, ob ich mich tatsächlich wehren oder mich meinem Schicksal ergeben würde. Siehst du, von solchem Zwiespalt ist mein ganzes Leben geprägt. Aber jetzt nicht mehr. Ich habe begriffen, warum ich das hier tue. Und das verdanke ich dir.“
Der Junge nickte, schien Verständnis zu suggerieren.
Anzu zückte sein Messer. Mit einer raschen Bewegung schnitt er Namtaru die Kehle durch und befleckte dabei seine eigene Hand mit Blut. Der Junge röchelte qualvoll, aber schon bald verstummte er, und alles war wieder still. Jetzt war er nur noch ein lebloser Körper, einer von vielen in Anzus Vergangenheit. Aber wenigstens stehe ich jetzt dazu...
So rasch wie er seine Waffe gezogen hatte, ließ er sie auch wieder verschwinden. Sein Blick schwenkte gen Himmel, zu den kahlen Ästen der Eiche, die nun wie ein Mahnmal für den Jungen wirkte. Er zögerte kurz, aber dann begann er mit dem Aufstieg. Der Fremde hat erkannt, dass ich ein Niemand war..., dachte er, ...und deswegen wollte er mich nicht mehr. Immer näher kam er der Spitze des Baumes, während seine blutverschmierte Hand den Schnee rot färbte. Ich habe keine Angst mehr, der ich mich stellen müsste, denn ich habe verstanden, habe akzeptiert... Und schließlich erreichte er die Krone, und als sich vor seinen Augen die Welt offenbarte, da sah er die Dinge so klar wie nie zuvor. Ich töte, weil ich kein Niemand sein will. Ich töte, weil ich nichts anderes kann.