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Die Liga der außergewöhnlichen Bestseller

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04.09.2017
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Die Liga der außergewöhnlichen Bestseller

„Die Wunde schmerzte kaum noch, obwohl das Blut wild in Jim Hardy’s Adern pochte. Er drehte sich zur Seite und stieg vorsichtig aus dem Bett. Die junge Mexikanerin hatte ihm einen festen Wundverband angelegt, bevor sie ihre straffen, vollen Brüste freilegte und zu ihm ins Bett stieg. Ihr Temperament und die Kraft der schlanken Schenkel verblüfften selbst ihn. Wenn der MI6 aber davon Wind bekäme, wäre die Mission vorzeitig beendet. Seine 9mm Luger müsste schweigen und könnte ihr tödliches Gift nicht in den fetten Leib des Dschungelbaron‘s Sanchez El Katananga injizieren. Hardy müsste weiter mit seiner Verbitterung leben. Die lange vorbereite Rache an seinem Erzfeind, würde wieder nicht mit einem leisen Knall und dem kaum wahrnehmbaren Geruch enden, den eine abgefeuerte Luger verströmt. Er musste an die verschwundenen Agenten denken und an die vielen Mädchen, die Sanchez zu seinen Sklavinnen gemacht hatte.“

Was für ein Mist.
Mehr fällt mir dazu nicht ein. Ich stelle den anrüchigen Schmöker zurück ins Bücherboard der Hotellobby. Da ich weder Lust auf den „Bachelor in Paradise“ habe, noch einen debilen Bauern auf seiner Suche nach einem naiven aber vollbusigen Trampel zum gemeinsamen Ziegenmelken begleiten möchte, würde ich mich gern mit einem Buch an die Bar setzen. Das kleine Regal bietet nur wenigen literarischen Highlights eine Heimstatt und sieht aus, als hätte es ein langes und ereignisreiches Leben als Gewürzregal gehabt. Ich greife mir einen dicken Wälzer mit Lederimitateinband und goldenem Schriftzug auf dem Deckel.

„Gungaval, die Hohepriesterin der Schwestern von Loriandel, richtet ihren Blick gen Norden, zu den nebelverhangenen Bergen von Dunkelwald, wo ihr Gemahl Hammelohr auf geheimen Pfaden wandelt, um das Gleichgewicht der Kräfte in Dunkelwald zu erhalten. Er muss das Schwert Torwall vor den Schergen des dunklen Magiers verbergen, damit sich die alte Prophezeiung erfüllen kann. Das Tal des Wimmerns hatte er mit seinen Gefährten bereits durchquert und wird im Reich des schwarzen Sandes angekommen sein, um sich mit dem Heer der dreibeinigen Einhörner zu vereinigen.
Wie Schatten lasten die Erinnerungen an das dunkle Zeitalter auf Gungaval. Als die schreckliche Bestie mit dem Namen den man nicht aussprechen kann, die Krackberge verließ und das Volk der Morgentauelfen auslöschte. Ihr schmerzte das Herz ob der Qualen die ihr Volk erleiden musste.“

Auch mir schmerzt das Herz und ich stelle den wuchtigen Band vorsichtig zurück ins Regal. Nicht, dass Torwall herausfällt und ich nach Dunkelwald muss.
Ein kleines Paperback, aus dem die Lebensphilosophie wie zähes Baumharz tropft, lasse ich unberührt. „Die Bar in der Mitte der Welt“, eines der am meisten verkauften Selbstfindungsbücher aller Zeiten, Supermegabestseller. So seicht und flach geschrieben, wie sich der Nordseestrand an Ebbe präsentiert. An Banalität kaum zu übertreffen, voller Plattitüden, fehlt es ihm an jeglicher Handlung. Dank der vielen Wiederholungen im Text eignet, sich das Heftchen auch gut als Leseübung für Grundschüler.
„Tu einfach nur, was Dir Spaß macht und für Dich Sinn ergibt – dann wirst du das Glück und den Sinn des Lebens erfahren“. So einfach ist das also. Die 48jährige Teilzeitverkäuferin mit drei Kindern, Darlehen, Hypothek und pflegebedürftiger Mutter, bastelt dann nur noch Freundschaftsbänder und malt Aquarelle von Opas ausgestopftem Dackel. Dann wird sie automatisch glücklich. Ach so, sie muss ja vorher noch ihren Job kündigen, die Mutter ins Pflegeheim abschieben und die Kinder ins Internat schicken.
Die Frage nach dem Sinn des Lebens hat es allerdings tatsächlich beantwortet. "Verschwende keine kostbare Lebenszeit damit, diese papiergewordene Langeweile zu lesen.
Trotzdem: Ich wünschte wirklich, ich hätte es geschrieben.

Doch halt. Ist das möglich? Ein Lichtblick in dieser düsteren Taverne. Zwischen einem Kochbuch für vegane Singles und dem Bildband über die Inneneinrichtung des Führerbunkers samt Hitler in der Badewanne, entdecke ich ein wahres Kleinod. Da steht doch tatsächlich mein erstes Buch. Mein Gott, wie viele Jahre ist das jetzt schon her?
Mit in mir aufsteigender Rührung, ziehe ich das zerfledderte, dünne Bändchen heraus. Das Foto auf der Rückseite, zeigt mich noch mit vollem Haar und ich grinse wie ein Honigkuchenpferd. Da war ich noch Single.
Wann war das nochmal genau?
Ich schlage die erste Seite auf, um nach dem Erscheinungsdatum zu schauen, da fällt mein Blick auf eine unschön, quer über die ganze Seite hingeschmierte Notiz:

Was für ein Mist.

 

Hi reborn,

hmm, wenn ich ehrlich bin weiß ich gerade gar nicht recht, was ich zu deiner kleinen Minigeschichte sagen soll. Vielleicht hört es sich hart an, aber wirklich positives ist mir jetzt nicht im Kopf geblieben. Du arbeitest mit Humor, der für mich nicht richtig funktioniert, da er mir etwas zu aufgezwungen wirkt. Ich habe auch erst spät verstanden, worum es hier überhaupt geht, da ich die Gänsefüßchen am Anfang übersehen habe. Im Nachhinein bin ich mir zwar im Klaren, was du hier vermitteln willst, aber optimal ist es immer (besonders bei kurzen Texten), wenn der Leser sofort hineingezogen wird und mitgeht. Denn dir als Autor bleibt viel zu wenig Zeit, um den Leser mit Verzögerung abzuholen.
Vielleicht lag es auch an mir, die fehlenden Kommentare unter deinem Text weisen jedoch darauf hin, dass viele Andere vermutlich ähnlich denken.
Verlängere deine Geschichte doch um ein paar Absätze und bringe eine etwas klarere Struktur hinein, sodass der Groschen beim Leser evtl. etwas früher fällt.

Ein paar Kleinigkeiten:

Dann könnte seine 9mm Luger nicht ihr tödliches Gift auf den Dschungelbaron Sanchez El Katananga verspritzen und Hardy würde weiter mit seiner Verbitterung leben müssen

Hmm, diesen Vergleich finde ich eher unpassend. Vielleicht liegt es auch an dem Wort "verspritzen". Schau dir das noch mal an :)

Er musste an die verschwundenen Agenten denken und an die vielen Mädchen(,) die Sanchez zu seinen Sklavinnen gemacht hatte.“

Komma

Mehr fällt mir dazu nicht ein. Ich stelle den anrüchigen Schmöker zurück in Bücherboard der Hotellobby.

"ins" oder "in das"

pflege(-)bedürftiger

ohne Bindestrich


Dran bleiben!

Lieben Gruß

Dave

 

Hallo David,

der Text ist ja erst zwei Tage alt. Vielleicht kommt noch die eine oder andere Meinung dazu. Die Fehler habe ich gleich korrigiert, vielen Dank dafür. In der Vorschau war der Trennstrich an der richtigen Stelle im Text, aber ich arbeite besser ganz ohne Trennungen.
Das "Verspritzen" finde ich aber ganz passend, da ein paar Worte vorher ja von Gift die Rede ist. Vielleicht ja jemandem etwas Passenderes ein.
VG
reborn

 

Hey reborn,

Das "Verspritzen" finde ich aber ganz passend, da ein paar Worte vorher ja von Gift die Rede ist. Vielleicht ja jemandem etwas Passenderes ein.

Natürlich passt "verspritzen" zum Begriff "Gift", aber mit einer Pistole kann ich es nicht ganz ins Reine bringen. Ich hab mal ein paar Minuten überlegt und an der Formulierung gebastelt. Will dir hier nix an die Backen quatschen, aber vielleicht sagt dir ja einer der Vorschläge zu oder gibt den Anstoß für eigene Ideen:

"Denn seine 9 mm Luger wartete wie eine Giftschlange darauf, ihre tödliche Dosis im Körper des Dschungelbarons Sanchez El Katananga zu entfalten."

"Dann könnte seine 9 mm Luger nicht ihre tödliche Dosis im Körper des Dschungelbarons Sanchez El Katananga entfalten, wie das Gift einer Schlange."

"Denn die 9mm Patronen seiner Luger warteten nur darauf, ihre tödliche Wirkung im Körper des Dschungelbarons Sanchez El Katananga zu entfalten, wie der toxische Biss einer Giftschlange."

Sind nur Vorschläge :)

Gruß

Dave

 

Hallo reborn,
die Auszüge aus den Büchern fand ich ziemlich kreativ und unterhaltsam. Vor allem den ersten. Da hab ich mich ernsthaft gefragt, ob du das Wort für Wort aus einem Groschenroman abgeschrieben hast. Das ist dir ziemlich gut gelungen, fand ich.
Durch den Übergang zur Rahmenhandlung hat es für mich aber an Witz verloren. Zumal ich in der ersten Szene ja noch gar nicht wusste, dass das ironisch gemeint war. Um das wirklich hervorheben zu können, war mir die restliche Handlung zu dürftig, und für eine saftige Satire reicht es nicht, dafür fehlt mir hier das Grundthema, das, worum es eigentlich gehen soll. So sehe ich nur einen Typen, der verschiedene Romanauszüge liest, die er Mist findet. Gut, da geb ich ihm recht, und ich musste da auch schmunzeln. Und dass sein eigener Roman für Mist gehalten wird, ist auch irgendwie ganz witzig. Aber mir fehlt hier der Grund, wozu das alles gut sein soll.
Ich denke, um das Potential, das in der Satire der Romanauszüge liegt, voll zu entfalten, müsstest du das Ganze anders aufziehen. Erstmal eine stärkere Rahmenhandlung, die sich in irgendeiner Form auf die Auszüge bezieht, einen Missstand auf die Schippe nimmt. Sonst ist es keine Satire, sondern eher eine Art Kalauer. Und dieser Übergang von der ersten Szene ins Hotel hat mich auch verwirrt, da ging's mir wie Dave A. Ich hab auch die " übersehen und hab erstmal gar nichts kapiert. Vielleicht eher im Hotel anfangen und dann zu den Büchern.

Das waren jetzt mal so meine Gedanken zu deinem Text.

Viele Grüße,
Chai

 

Hi Dave,

danke für deine Vorschläge. Ich habe die Passage jetzt nochmal ein bisschen umgestellt.

Viele Grüße
reborn

 

Hi Chai,

ich persönlich freue mich, dass ihr so ein bisschen verwirrt wart. Ich habe den Einstieg zur Geschichte mit Absicht so gewollt. Der Leser soll erst einmal sich selber fragen, wie er das, was er da list so findet.
Dann kommt erst der Einstieg zum roten Faden. Deshalb möchte ich nicht im Hotel anfangen, bzw. anders einleiten. Die Passagen mit den Büchertexten sind natürlich völlig frei interpretiert und erdacht, obwohl angelehnt an real existierende Titel. Sie sollen aber dazu dienen, zu hinterfragen, was heut zu Tage auf Bestsellerlisten steht. Jeder kann sich selbst seine Meinung dazu bilden. Was der Protagonist auch tut. Allerdings steht er in einer agnz besonderen Beziehung dazu.
Der von sich überzeugte Schriftsteller, kritisiert alle vorhanden Bücher, um schlußendlich selbst kritisiert zu werden.

Viele Grüße
reborn

 

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