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Die Macaronbäckerin - Der Kommissar
Der Kaffee den Sie da trinken duftet aber köstlich, Herr Kommissar. Man riecht, dass Sie Zimt und Honig reingetan haben. Nun ja, jetzt in der Weihnachtszeit sollte man sich ja durchaus auch einmal ein so sündhaft teures Gewürz wie Zimt gönnen dürfen. Weihnachten, das ist die schönste Zeit im Jahr, ich habe das Fest immer geliebt. Schon als ich noch klein war, hat mein Vater immer dafür gesorgt, dass wir eine schöne Feier hatten und wir haben auch immer an die Armen gedacht. Ach, ich wünschte, ich könnte auch so einen delikaten Kaffee haben, könnten Sie mir vielleicht auch eine Tasse davon einschenken? Immerhin ist heute der zweite Weihnachtstag und die Nacht im Kerker war eisig kalt. Heute Morgen haben sie mir nur kalten Haferschleim gebracht, und nicht mal einen Kaffee oder Tee, und das am Feiertag. Eine Schande ist das!
Was sagen Sie, Herr Kommissar? Sie können mir keinen Kaffee bringen? Dann vielleicht eine Tasse Tee? Auch nicht? Ach, warum sind Sie nur so unfreundlich gegenüber einer gut situierten Dame wie mir? Sollten wir an den Weihnachtsfeiertagen nicht alle barmherzig sein und denen helfen denen es schlecht geht?
Und mir geht es sehr schlecht, das können Sie mir glauben!
In meiner Zelle sind Ratten, ganz dicke, fette widerliche Dinger und ich bin mitten in der Nacht aufgewacht, weil eine davon an meinem Ohr geknabbert hat. Sehen Sie her, da ist die Wunde, klein zwar, aber es tut höllisch weh.
Warum tut man mir das an? Warum behaupten Sie dass ich eine Mörderin bin, Herr Kommissar?
Ich habe noch nie in meinem ganzen Leben jemanden ermordet, das müssen Sie mir glauben.
Ach, Sie wollen wissen, woher die Leichen kommen, die im Garten hinter meinem Haus vergraben liegen? Das waren keine Mordopfer, sondern alles arme Seelen, die jetzt bei unserem lieben Herrgott im Himmel sind. Niemand hätte ihre Knochen jemals gefunden, wenn nicht der dumme Hund vom Nachbarn ausgerechnet am ersten Weihnachtstag in meinem Garten herumgebuddelt hätte.
Oh, die frische Leiche vom Heiligen Abend haben Sie auch gefunden? Nun, Herr Kommissar, Sie müssen zugeben, dass dieser arme Mann völlig abgemagert war, Schrunden am ganzen Körper hatte und nur noch ein paar Lumpen am Leibe trug. Sein Leben bestand nur noch aus Hunger, Leid, Angst und Schmerz, für ihn war sicherlich jeder einzelne Tag die Hölle auf Erden. Diese bedauernswerten Bettler, sie alle leiden so entsetzlich.
Wissen Sie, Herr Kommissar, es ist in unserer Familie Tradition, an jedem Heiligen Abend einen Bettler zu uns nach Hause einzuladen und ihm ein Festmahl zu bereiten. Danach bekommt das arme Wesen die Erlösung, süße Erlösung in Form eines Macarons, der ihm den Weg ins Himmelreich weist.....wir versprachen jeder armen Kreatur, wir auf der Straße auflasen, dass sie für immer ein warmes Bett und genügend Nahrung und Kleidung haben würde
Und dieses Versprechen haben wir auch immer eingehalten, jeder der bei uns gegessen hat, hat danach ein warmes, weiches Bett da oben im Himmelreich bei unserem guten Herrgott bekommen. Und dort gibt es mit Sicherheit auch genug zu Essen und Gott hüllt die Bettler in schöne samtene Gewänder.
Vater hat immer gesagt, dass wir diese armen Kreaturen so von ihrem Leid und Elend das sie auf der Straße erdulden müssen, erlösen und wir damit Gottes Willen erfüllen.
Mein armer Vater, ich vermisse ihn so sehr. Vor zwei Jahren ist er von uns gegangen, und ich besuche jeden Tag sein Grab und lege bunte Blumen, oder, jetzt im Winter, einen schönen Kranz aus Tannenzweigen für ihn hin. Bevor er gestorben ist, musste ich ihm versprechen, unsere Familientradition auch alleine fortzuführen, und das mache ich sehr gerne.
Warum gießen Sie sich Schnaps in Ihren Kaffee, Herr Kommissar? Überdeckt der denn nicht den herrlichen Zimtgeschmack? Und warum sind Sie so bleich? Was sagen Sie da? Sie glauben immer noch, ich sei eine Mörderin? Wie können Sie das bloß behaupten? Mein Vater und ich haben so viel Gutes für die Bettler getan, sie sind jetzt alle an einem besseren Ort, geborgen in Gottes schützenden Armen. Das ist doch viel besser als draußen auf der Straße zu hungern und zu frieren.
Was, ich soll zurück in meine Zelle? In dieses kalte, dunkle Loch, in dem es vor Ratten nur so wimmelt? Wie können Sie mir das antun, Herr Kommissar? Und, wie meinen Sie das, dass mir das Schafott droht? Ich bin doch eine ehrbare Bürgerin, habe niemandem jemals ein Leid getan. Ich und eine Mörderin?
Naja, Sie sind Franzose, und in Ihrem Land ist es ja leider gerade Mode, dass viele unschuldige Menschen unter dem Schafott ihren Kopf verlieren. Ich bin auch so ein unschuldiges Opfer von euch Franzosen. Sie und ihre Franzosenbagage sollten sich echt schämen, Herr Kommissar!
Unschuldige Bürger einfach so köpfen, wo kommen wir denn da hin! Haben Sie denn gar kein Gewissen? Können wir das denn nicht anders lösen?
Hören Sie zu.....Herr Kommissar...in meinem Haus sind noch Macarons vom Heiligen Abend übrig....aber bringen Sie mir einen von den roten....und dazu hätte ich gerne eine heiße Tasse von diesem Kaffee, der so wunderbar nach Zimt duftet und einen so herrlich angenehm aufwärmt.
Bitte, Herr Kommissar, haben Sie ein Herz mit einer armen, unschuldigen Bürgerin wie mir, und bringen Sie mir die Erlösung. Jemand wie ich, der nie etwas Böses getan hat, verdient es nicht auf dem Schafott zu enden. Ich bin ein herzensguter Mensch und verdiene es, schon heute Abend im Himmel in einem watteweichen Bett schlafen und die melodischen Gesänge der Engel hören zu dürfen.