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Die Marionette

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02.11.2001
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Die Marionette

Ein Schwarm Möwen kreist über dem weissen Strandkorb mit der Nummer 76. Dahinter bildet die neblige Nordsee mit dem Himmel eine graue Wand ohne erkennbaren Horizont. Es ist noch früh, die Strandkörbe stehen in Reih und Glied ausgerichtet im Sand und warten auf den Ansturm der Tagesbesucher. Alle bis auf die Nummer 76. Schief verdreht steht der Korb im rotgesprenkelten Sand, darin liegt ein Mann mit blutgetränkter Kleidung. Neben ihm auf dem Polster liegt ein handelsübliches Küchenmesser.

Hinter dem Strandkorb stehen Kriminalkommissar Björn Böhrensen und Kriminalmeister Bastian Petersen, beide mit einem dampfenden Kaffee in der Hand, und betrachten die Leiche.

„Hast du das Band eingesteckt, Bastian?”, fragt Böhrensen seinen jüngeren Kollegen.
„Na klar, Chef. Soll ich gleich loslegen?”, fragt Bastian eifrig und holt eine Rolle rot-weißes Absperrband aus seiner Jackentasche.
„Ja mach das. Am besten von dem Strandkorb dort bis zu der Dusche, über Strandkorb 61 bis zur 76”, sagt Böhrensen und zeichnet ein Viereck in die Luft. „Ich rufe derweil die Spurensicherung an. Das ist ja ein absolutes Chaos hier.”

Ein solch brutalen Mord hat es in dem verschlafenen Küstendorf noch nie gegeben. Nach über hundert Jahren, in dem sich nur wenig verändert hat, wird der Ort seit letztem Jahr von zunehmendem Tourismus wachgeküsst. Die Leute fahren wieder vermehrt an Ost- und Nordsee, seitdem viele Urlaubsorte rund um das Mittelmeer aufgrund erhitzter Europapolitik an Attraktivität verloren haben.

Böhrensen benachrichtigt die Spurensicherung, blickt auf die ruhige See, wo sich der Morgendunst über dem Wasser allmählich auflöst und schüttelt den Kopf. Solche Morde mag es in Großstädten geben, aber doch nicht hier, an der Nordsee? In diesem kleinen Ort? Er dreht sich um und sieht zu Klaas Martinsen hinüber. Martinsen hat den Toten gefunden und sitzt zitternd in einem Strandkorb zwanzig Meter entfernt, neben ihm sitzt eine Kollegin, die zwei Becher Kaffee in ihren Händen hält und beruhigend auf Martinsen einredet. An dem Strandkorb angeleint sitzt der kleine Kläffer, mit dem Martinsen so früh am Morgen unterwegs war. Hin und wieder springt er auf und bellt Möwen an, die sich zu nah an den Strandkorb heranwagen. Es ist Zeit, mit Martinsen zu sprechen. Böhrensen nickt seiner Kollegin zu, die sofort aufsteht, um den Platz neben Martinsen frei zu machen.

„Moin, Klaas”, begrüßt Böhrensen ihn. „Wie geht’s Dir?”
Martinsen nickt nur leicht und starrt weiter auf den Horizont.
„Mein Beileid, Klaas. Ihr seid gute Freunde gewesen, Alex und Du, oder?”
Martinsen schweigt einen Augenblick, dann schaut er Böhrensen mit geröteten, wässrigen Augen an. „Gerade erst vorgestern noch waren wir alle bei Alex zum Grillen. Peer, Arndt und ich. Wie jedes Jahr zu seinem Geburtstag. Und heute…” Martinsen schluckt, und vergräbt sein Gesicht in seinen Händen.
„Peer Dinklage und Arne Seebach?”, fragt Böhrensen nach.
Martinsen nickt.
„Ihr vier seid Nachbarn, oder?”
Martinsen nickt wieder.
„Weisst Du, ob Alex Feinde hatte? Tut mir leid, ich muss das fragen, aber je früher wir mit der Ermittlung anfangen desto eher können wir den Täter stellen.”
„Versteh schon, Björn. Ich will ja auch, dass ihr diese Arschlöcher so schnell wie möglich schnappt!”
„Diese Arschlöcher? Meinst du es waren mehrere?” fragt ihn Böhrensen erstaunt.
„Keine Ahnung, Björn. War nur so daher gesagt!”, antwortet Martinsen, presst die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen und schaut wieder auf den Horizont.

„Weisst Du denn nun, ob Alex irgendwelche Feinde hatte?”
Martinsen schüttelt den Kopf. „Nein Björn, tut mir leid keine Ahnung. Alex war im ganzen Ort beliebt, das weisst Du doch.”
Böhrensen nickt. Alex Thormann kam mit allen gut zurecht.
„Und weisst Du, wo Alex gestern Abend war?”
Martinsen schaut eine Weile auf den Sand, bevor er antwortet.
„Er war bei mir. Aber nur bis ungefährt neun Uhr, danach ist er nach Hause gegangen. Ich bin vermutlich der letzte, der ihn lebend gesehen hat.”
„Außer dem Mörder natürlich”, sagt Böhrensen. „Aber Du bist nicht unter Verdacht, keine Sorge!”, schiebt er schnell hinterher, als er sieht, wie Martinsen zusammenzuckt.
„Hat Alex was besonderes gesagt, gestern Abend? Hatte er Angst vor irgendetwas?”
„Nein”, sagt Martinsen und starrt wieder auf den Horizont.
„Worüber habt ihr denn gesprochen?”
„Nachbarschaftsthemen und so. Nichts Besonderes.”
Böhrensen schaut Martinsen lange an. Er sollte Martinsen später noch mal befragen, wenn der sich ein wenig beruhigt hat. „Wenn Dir noch irgendwas einfällt, dann melde dich bitte sofort bei mir. Du kannst mir vertrauen, das weisst Du.”
Martinsen nickt und steht auf. Er bindet seinen Hund los und verschwindet in Richtung Promenade.
Böhrensen schaut ihm nach. Die Zweifel an Martinsens Ahnungslosigkeit sind ihm wie Furchen in die Stirn gezeichnet.


***​

Es ist bereits neun Uhr morgens und Martinsen beschliesst, im Café in der Fußgängerzone zu frühstücken. Es ist noch ruhig im Ort, nur wenige Touristen spazieren durch die kurze Straße, die von der Seebrücke bis zum kleinen Bahnhof führt. Die ersten Läden rollen ihre Verkaufsständer mit Postkarten, Strohhüten und Strandspielzeug auf das Pflaster vor ihren Schaufenstern.

Im Café bestellt sich Martinsen ein kleines Frühstück und nimmt sich das „Nordfriesland Tageblatt” aus dem Zeitungsständer. Er blättert bis zur Doppelseite mit den wenigen Neuigkeiten aus seinem Ort. Der Bürgermeister hat das neue Schwimmbad eingeweiht, eine der vielen Maßnahmen, um den Tourismus zu fördern. Das urige kleine Eiscafé in der Dünenstraße wird zum Ende der Saison schliessen. Der Inhaber, Martinsen kennt ihn noch aus Schulzeiten, sagt im Interview, dass er sich die steigenden Mieten nicht mehr leisten könne. Daneben sieht er eine Anzeige der Krone GmbH, die damit wirbt, den Tourismus im Ort zu fördern und mehrere Bauprojekte anpreist, die die Infrastruktur verbessern sollen. Es ist also soweit. Die ersten Großinvestoren haben den kleinen Küstenort an der Nordsee erreicht. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis der kleine Ort seinen ursprünglichen Charme verloren haben wird.

Die Zeitung bietet Martinsen jedoch nur kurze Ablenkung. Dann muss er wieder an die Szene im Strandkorb denken. Es fällt ihm schwer, den Mord an seinem Freund Alex zu verdauen. Denn es hätte auch ihn selbst treffen können. Beinahe hätte er sich bei Böhrensen verplappert. Die Warnung in dem Brief war diesbezüglich sehr eindeutig gewesen. Und dass die Verfasser des Briefes ernst machen werden, haben sie nun bewiesen. Vermutlich hat sich Alex nicht an die Anweisungen gehalten. Beide haben den Brief vor ein paar Tagen im Briefkasten gefunden. Martinsen hat seitdem mit niemanden außer Thormann darüber gesprochen. Aber Thormann musste in den letzten Tagen mit irgendjemanden in Kontakt gewesen sein. Als das Frühstück gebracht wird, nimmt er sich ein Brötchen, legt es dann aber wieder in den Brotkorb zurück. Irgendwie ist ihm nicht nach essen.

In dem Moment kommt Peer Dingklage in das Café, nimmt seine Schirmmütze ab und zieht schwungvoll seinen gelben Friesennerz aus. Er hängt beides an die Garderobe am Eingang, bestellt bei der Bedienung im Vorbeigehen einen schwarzen Tee und setzt sich zu Martinsen an den Tisch.

„Moin Klaas, alles gut?”
Martinsen blickt langsam von seiner Zeitung auf. „Nicht wirklich.”
Dinklages Grinsen friert ein, als er Martinsen Blick sieht. „Mein Gott Klaas, was ist mit los?”
Martinsen schüttelt langsam den Kopf, den Blick wieder auf seinen leeren Frühstücksteller gerichtet.
Dinklage schaut Martinsen besorgt an. „Erzähl, was ist passiert?”
Martinsen starrt einen weiteren langen Moment auf seinen Frühstücksteller, dann hebt er den Blick. „Alex ist gestern Nacht ermordet worden.”
„Alex ist was?” Dinklage lehnt sich vor und zieht die Augenbrauen hoch.
„Ermordet. Ich hab ihn heute Morgen am Strand gefunden. Lag in einem Strandkorb. Erstochen, alles voller Blut. Entsetzlich!” Martinsen schüttelt den Kopf, die Augen geschlossen, seine Hände zittern. „Wer macht so etwas?”, murmelt er.

Dinklage schüttelt langsam den Kopf. „Ermordet. Unser Alex. Das gibt es nicht.”
Die Bedienung bringt den Tee, Dinklage wirft zwei Stück Kandis hinein und rührt langsam um, wartet bis die Bedienung sich wieder entfernt hat. „Hat die Polizei denn schon eine Spur?”
„Ich weiß es nicht, Peer. Ich bin so schnell wie möglich weg vom Strand, hab es dort nicht mehr ausgehalten. Außerdem hätte ich mich beinahe verplappert.”
„Verplappert?”
„Naja, wegen dem Brief. Der Brief, in dem… Hast Du den nicht bekommen? Ich dachte den haben alle in unserer Straße bekommen?”
Dinklage zögert kurz. „Doch, natürlich habe ich den auch bekommen. Aber wir sollen doch nicht darüber sprechen. Ich hoffe Du hast nichts davon erzählt?”
„Nein, natürlich nicht, wo denkst du hin? Bin ja nicht lebensmüde!” Martinsen schüttelt sich in Gedanken an die Warnung in dem Brief, die Polizei zu kontaktieren. Ob Thormann versucht hat, mit der Polizei zu reden?
„Gottseidank, das wäre wirklich blöd von Dir gewesen”, stimmt Dinklage zu. „Und, was willst du jetzt machen?”
„Ich weiss nicht, Peer. Es ist alles so unwirklich. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass in diesem kleinen Ort ein Mörder herumrennt, der zu so etwas fähig ist!” Martinsen schiebt seinen Frühstücksteller endgültig weg. „Ich glaub’ ich brauch’ jetzt erstmal einen Korn!”
„Gute Idee, Klaas”, sagte Dinklage und seine Gesichtszüge lichten sich ein wenig. „Und den trinken wir bei mir. Komm, ich lad dich ein, ich hab noch einen Linie Aquavit im Gefrierfach!”


***​

Sie spazieren durch den Ort bis zur Engelsgasse, wo Martinsen, Thormann und Dinklage wohnen. Es ist eine ruhige Sackgasse am Rande des Ortes. Dahinter ist ein Baugrundstück abgezäunt, auf den Schildern sind Bilder eines Hotels zu sehen, das die Krone GmbH dort zu bauen beabsichtigt. Ein riesiges Gebäude direkt an der Dühne, mit Zugang zum Strand. Es wird den ganzen Ort immens aufwerten. Der Tourismus wird zunehmen, alle werden daran mitverdienen. Eine Goldgrube für den Ort, denkt Dinklage. Insbesondere für alle an diesem Ende der Engelsgasse, denn das Hotel plant hier einen weiteren Anbau. Aber das weiss außer ihm noch keiner.

Auf dem Weg setzt Martinsen seinen kleinen Kläffer zuhause ab. Der Hund soll wohl nicht sehen, wie sein Herrchen sich besäuft, denkt sich Dinklage und lächelt ein wenig. Martinsen ist schon ein wenig schrullig.
„Nu’ komm, Klaas. Der Korn wartet!” Dinklage legt einen Schritt zu, Martinsen eilt schnaufend hinterher.

Sie betreten das kleine Backsteinhaus am Ende der Sackgasse und Dinklage holt eine Kornflasche und zwei kleine Gläser aus dem Tiefkühlfach.
„Setz dich, Klaas” sagt er und zeigt auf den runden Tisch neben einem alten Kachelofen. „Jetzt erst mal einen Schluck auf den Schreck, oder?” Dinklage schenkt ein und reicht Klaas das Glas. Sie stoßen kurz an und kippen den Korn hinunter. Dinklage schenkt nach. Beide starren eine Zeit lang auf ihre gefüllten Korngläser, dann hebt Martinsen den Kopf, sieht Dinklage traurig an und sagt: „Sag mal, Peer, was sollen wir denn nun machen?”
„Zu allererst vernichten wir diesen Korn!” Dinklage hebt das Glas und kippt den Korn runter. Martinsen macht es ihm nach, dann schaut er Dinklage wieder an. „Nein wirklich, Peer. Was sollen wir machen? Die Drohung scheint ja ernst gemeint zu sein. Hätte ich nicht gedacht, die war doch so harmlos formuliert!”

Dinklage schaut Martinsen erstaunt an. „Harmlos? Bei mir nicht. Das ging mir ganz schön unter die Haut. Bin tatsächlich am Überlegen, ob ich jetzt doch verkaufen sollte. Und du?”
„Naja, wie gesagt, ich fand die Drohung nicht überzeugend, eigentlich hatte ich das nicht vor. Alex übrigens auch nicht. Und nun…” Martinsen stockt, hält sich die Hände vor die Augen und schüttelt mit dem Kopf. Dann nimmt er die Kornflasche und schüttet eine neue Runde ein.
„Ich fand die Drohung ziemlich überzeugend, ich werde…”
„Dann zeig doch mal deinen Brief, Peer”, unterbricht Martinsen ihn. „Steht da etwa was anderes drin als bei mir und Alex? Bei uns war es nämlich der gleiche Text.”
Dinklage zögert, dann nickt er und geht rüber zum Klavier, nimmt einen Brief von einem Stapel Papier. „Hier, den habe ich bekommen.”

Martinsen schaut sich den Brief lange an. „Stimmt, das ist derselbe Text wie bei Alex und mir. Und das hältst du für eine schlimme Drohung? Da steht doch bloss, dass uns was ganz Schlimmes passieren wird, wenn wir nicht verkaufen. So klingt doch keine Morddrohung?” Martinsen schüttelt den Kopf, legt den Brief auf den Tisch und nimmt sich stattdessen das Glas Korn, prostet Dinklage zu und stürzt das Glas hinunter.

Dinklage folgt seinem Beispiel, dann schaut er Martinsen an. „Also mir hat das an Drohung gereicht. Und überhaupt, ich habe noch nie eine Morddrohung bekommen, Du etwa? Woher willst Du Schlauberger wissen, wie eine Morddrohung klingen muss?”
„Keine Ahnung. Aber so sicherlich nicht.”
„Na gut, Klaas. Aber jetzt sollte wohl auch Dir klar sein, dass das eine ernste Drohung ist, oder? Und, was wirst Du nun machen? Auch verkaufen?”
„Wieso auch? Alex wollte doch gar nicht verkaufen?”
„Aber ich werde verkaufen!” sagt Dinklage und schlägt mit der flachen Hand auf den Tisch. Für einen kurzen Moment freut er sich bereits auf die weite Reise, die er sich von dem Verkaufspreis spendieren wird. „Und, wirst Du verkaufen, Klaas? Kannst Dir doch einen schönen Lebensabend davon machen.”
„Und wo soll ich dann hin? Nee, lass mal. Ich bin hier groß geworden, ich will hier nicht weg.”
„Aber du könntest in eine Wohnung hier im Ort ziehen. Brauchst doch eh nicht mehr so viel Platz?”
Nee, nochmal, Peer: ich will hier nicht weg. Versteh gar nicht, wieso es Dir so leicht fällt, all das hier aufzugeben? Du wohnst doch fast genauso lange hier wie ich? Lass uns lieber gemeinsam überlegen, wie wir aus dieser Geschichte heil rauskommen, statt gleich klein beizugeben.”
„Jaja, und dann enden wir wie Alex. Muss doch nicht sein.”
„Ja, eben! Vielleicht muss das ja nicht sein, lass uns …”

Martinsen stutzt, und nimmt den Brief wieder in die Hand. „Du, das ist ja merkwürdig.”, sagt er, während er das Papier im Licht der Deckenlampe über dem Tisch dreht und wendet. „Sehr merkwürdig.”
„Was denn?” Dinklage ist gerade dabei, nachzuschenken und hält nun inne und schaut Martinsen an.
„Der Brief ist gar nicht gefaltet. Alex und ich haben den Brief in einem Umschlag bekommen. Das Papier war zweimal gefaltet.”
Dinklage zuckt mit den Schultern. „Keine Ahnung. Bei mir wurde der Brief so unter der Tür durchgeschoben.” Die Situation fängt an, ihm zu missfallen.

„Sehr merkwürdig.”, murmelt Martinsen wieder, steht auf und geht durch den Raum. Dinklage verdreht die Augen. Das nervt, denkt er. Seit wann ist Martinsen unter die Privatdetektive gegangen?

„Also ehrlich, Klaas. Was ist denn daran so merkwürdig? Setz Dich hin, trink noch einen Korn und spiel hier nicht den Sherlock Holmes.” Dinklage hält sein Glas in die Luft, prostet Martinsen zu, der darauf nicht reagiert, und kippt den Korn runter.

„Alles. Die unkonkrete Drohung, die direkt zu einem Mord führt, die Tatsache, dass der Mörder die Briefe einmal in Umschläge in den Briefkasten steckt und ein anderes Mal unter der Tür durchschiebt. Dabei fällt mir ein: hat Arne eigentlich auch einen Drohbrief bekommen?” Martinsen unterbricht seinen Rundgang durch Dinklages Wohnzimmer und schaut zu Dinklage rüber.
„Arne Seebach? Ich denke schon. Wieso?” Dinklage zuckt mit den Schultern.
„Im Umschlag oder ungefaltet, unter der Tür durchgeschoben?”
„Keine Ahnung. Wirklich Klaas, Du verrennst dich da in was.”
„Nee, Peer. Ich glaube, hier ist was schräg. Ich glaube wir sollten doch Böhrensen informieren.”
„Spinnst Du? Da steht doch ganz klar in dem Schreiben: keine Polizei!”
„Ja, ich weiss. Aber vielleicht kann uns Böhrensen Polizeischutz geben. Was haben wir denn für Alternativen? Hier auf den Mörder warten? Ganz bestimmt nicht.”
„Verkaufen. Ist doch klar!” Dinklage schreit fast, hebt die Hände und lässt sie auf den Tisch klatschen.
„Du hörst mir nicht zu, Peer. Ich will nicht verkaufen. Ich ruf jetzt Böhrensen an. Du kannst ja so tun, als hättest Du damit nichts zu tun. Ich geh auch gleich zu mir rüber, dann bist Du raus aus der Nummer und musst Dir keine Sorgen mehr machen.”

Martinsen geht zurück zum Tisch, wo seine Jacke über dem Stuhl hängt und holt sein Handy aus der Jackentasche. Dinklage schaut Martinsen erschrocken an.
„Jetzt mal ruhig bleiben, Klaas. Überleg’s dir noch mal.” Dinklage steht auf und geht einen Schritt auf Martinsen zu.
„Ich hab’s mir überlegt, Peer. Böhrensen wird uns helfen, den Mörder kalt zu stellen, glaub’s mir.” Dinklage sieht, wie Martinsen auf dem Handy eine Nummer eintippt. Martinsen ist genauso stur wie Thormann, denkt er sich. Warum konnten die beiden Dickköpfe nicht einfach mitspielen?

Dinklage geht in die Küche zum Messerblock. Da, wo das große Chefmesser sein sollte, klafft bereits eine Lücke. Er zieht das nächst größere Messer aus dem Block und geht zurück zu Martinsen. Der würde ihm nicht das Geschäft versauen, und schon gar nicht würde er zulassen, dass Martinsen die Polizei ins Spiel bringt.


***​

Hinter der Tür mit dem Schild ‚Geschäftsführung‘ klingelt ein Handy. Es ist bereits nach 21 Uhr und die Sekretärin hat längst Feierabend. Jürgen Krone klappt seinen Laptop zu und nimmt das Gespräch an.

„Krone”, meldet er sich, kurzangebunden. Nur wenige kennen diese Nummer, es ist ein Prepaid-Handy, das Krone erst letzte Woche gekauft hat.
Er hört eine Weile zu, nickt, dann steht er auf und geht zur großen Panoramascheibe, mit Blick über den Hamburger Hafen.
„Jetzt mal langsam. Was soll das heißen, zwei Tote? Wieso Tote? War das wirklich nötig?”
Er hört wieder einige Minuten lang zu. „Soso. Beide im Strandkorb deponiert. Gibt also wirklich keine Spuren?”
Wieder Stille, während Krone zuhört.
„Aber, aber. Das regeln wir schon, versprochen. Das war ja vereinbart. Nur eines noch: Wissen Sie, ob es Erben gibt? Nein? Sehr gut!”

Krone lächelt. Es war eine hervorragende Idee gewesen, diesen Einfaltspinsel mit ein wenig Geld dazu zu überreden, seine Nachbarn zum Verkaufen zu bewegen. Zwar hat er nicht gewollt, dass der Idiot Morddrohungen ausspricht, geschweige denn diese auch wahrmacht, aber für Krone zählt einzig und allein das Ergebnis. Jetzt muss er nur noch dafür sorgen, dass Dinklage und seine Taten keine Hypothek werden. Aber für solche Fälle hat Krone einen Standardplan in der Schublade.

„Eins noch, Herr Dinklage. Wir brauchen auch die Nr. 12. Das Haus von Herrn Seebach. Danach bekommen Sie ihr Geld und können sich nach Neuseeland absetzen, wie Sie es wollten. Wann? Na, am besten noch heute Abend. Am besten jetzt gleich. Jetzt ist es dunkel, Sie können heute Abend ihren Teil der Abmachung vollenden. Dann kann es morgen schon nach Neuseeland gehen. Alles klar? Ja, Sie gehen jetzt los, also höre ich morgen wieder von Ihnen?”

Zufrieden lehnt sich Krone in seinem Ledersessel zurück. Ein letztes, anonymes Telefonat muss er noch mit dem Prepaid Handy führen, dann sollte der Anbau des Hotels kein Problem mehr sein. Für dieses Telefonat musste er allerdings das Bürogebäude verlassen, damit eine Ortung nicht auf ihn hinweisen würde.


***​

Gegen 22 Uhr klingelt in der Polizeiwache in dem kleinen Ort an der Nordsee das Telefon. Böhrensen und Petersen, die heute aufgrund der Morde an Thormann und Martinsen eine Spätschicht einlegen, schauen sich an, dann nimmt Böhrensen ab.

„Hier spricht Kriminalkommissar Böhrensen, wie kann ich Ihnen helfen?”
Böhrensen hört einen kurzen Moment zu, dann fragt er: „Engelsgasse 12? Und wie war Ihr Name? Hallo? Sind Sie noch da?”
Dann ist das Gespräch zu Ende. Böhrensen schnappt sich seine Jacke und seine Waffe und sprintet zur Tür. „Los, Bastian, wir müssen zur Engelsgasse 12. Der Strandkorb Mörder scheint wieder aktiv zu sein.”

 

Hallo philipp,

gleich vorab, ich habe die Geschichte leider nicht zu Ende gelesen, sollte es mir also vielleicht gar nicht anmaßen, irgendetwas dazu zu sagen ... Trotzdem möchte ich dir einen kurzen Eindruck dalassen, der vielleicht erklärt, warum ich nicht bis zum Ende durchgehalten habe.

„Na, Klaas?”, begrüßt Böhrensen ihn, „Fühlst du dich mittlerweile etwas besser? Schlimme Sache. Ich kann nachvollziehen, dass dich das total geschockt hat!”

Hier habe ich kurz nachgesehen, ob die Geschichte einen Humor-Tag hat. Ich weiß nicht so recht, woran das lag, eigentlich sagt er ja nichts wirklich blödes, aber irgendwie wirkt das ... "Mensch, Klaas altes Haus, was machen die Weiber? Schlimme Sache, das mit der Leiche, wa? Aber egal, lass mal wieder auf'n Bier treffen!"
Ich fände es glaube ich schon etwas weniger eigenartig, wenn der letzte Satz nicht mit einem Ausrufezeichen enden würde, aber davon abgesehen müsstest du da ganz grundsätzlich noch mal feinjustieren, um die Sache authentischer wirken zu lassen.

Ich denke, die Authentizität ist für mich das Hauptproblem bei deiner Geschichte.

"Diese Schweine, warum haben sie ihm das angetan?”
„Sie? Meinst du das waren mehrere?” fragt ihn Böhrensen erstaunt.
„Keine Ahnung. Wirklich keine Ahnung. War nur so daher gesagt!”, antwortet Martinsen. Ein wenig zu hastig, findet Böhrensen.

Auch hier habe ich nämlich wieder den Eindruck, eine humoristische Krimiparodie zu lesen. Auf der einen Seite der "Diese Schweine!"-Sager, wahrscheinlich noch mit zum Himmel gereckter Faust, auf der anderen Seite der ausgefuchste Detektiv mit den zusammengekniffenen Augen ... Dast ist mir zu wenig subtil, um mich zu packen, wirkt ein bisschen so, als würde jemand ein paar Tatort-Impressionen in einen Topf werfen und denken, na, wird schon gut gehen.

Dinklage zögert kurz. Einen Moment zu lang, denkt Martinsen.

Hier noch so ein Beispiel, das ist mir zu einfach.

Du siedelst die Story an einem realen Ort an und was das betrifft, gelingt es dir auch in gewisser Weise, die Sache echt wirken zu lassen, unter anderem auch wegen dieser Einschübe:

Die Leute fahren wieder vermehrt an Ost- und Nordsee, seitdem viele Urlaubsorte rund um das Mittelmeer aufgrund erhitzter Europapolitik an Attraktivität verloren haben.

Er blättert bis zur Doppelseite mit den Neuigkeiten aus seinem Ort. Dort sieht er eine Anzeige der Krone GmbH, die damit wirbt, den Tourismus im Ort zu fördern und mehrere Bauprojekte anpreist, die die Infrastruktur verbessern sollen. Es ist also soweit. Die ersten Großinvestoren haben den kleinen Küstenort an der Nordsee erreicht. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis der kleine Ort durch zu viel Beton verunstaltet werden wird.

Dahinter ist ein Baugrundstück abgezäunt, auf den Schildern sind Bilder eines Hotels zu sehen, das die Krone GmbH dort zu bauen beabsichtigt. Ein riesiges Gebäude direkt an der Dühne, mit Zugang zum Strand. Es wird den ganzen Ort immens aufwerten. Der Tourismus wird zunehmen, alle werden daran mitverdienen. Eine Goldgrube für den Ort, denkt Dinklage. Insbesondere für alle an diesem Ende der Engelsgasse, denn das Hotel plant hier einen weiteren Anbau. Aber das weiss außer ihm noch keiner.

Jo, das trifft nicht meinen Geschmack, ich finde es fürchterlich alltäglich und öde, aber es wirft mich in das Szenario, in den Mikrokosmos dieses Städtchens, wo solcherlei Dinge eben die Gedankenwelt der Einheimischen bestimmen.

Darüber könnte ich also noch hinwegsehen, darüber, dass die Protagonisten nicht wie echte Menschen wirken aber nicht. Die reden nicht wie echte Menschen, finde ich, die spielen sich die Bälle zu, um die Handlung der Geschichte voranzubringen, mehr aber auch nicht. Ich finde die nicht lustig, nicht ekelhaft, nicht sympathisch oder unsympathisch, sie holen mich leider nicht ab. Damit meine ich vor allem die Unterhaltung von Martinsen und Dinklage, da erkenne ich Ansätze von gut gezeichneten Charakteren, aber eben nur die Ansätze, noch sind es Skizzen, die mit Leben gefüllt werden müssen.

Ja, das waren so meine Eindrücke, bis Martinsen den Kläffer daheim abgesetzt hat, da habe ich dann aufgehört zu lesen. Mir war es nämlich relativ egal, wer denn jetzt eigentlich der Mörder ist, ist ja eh keiner, den ich "kenne". Das Szenario selbst, die Sache mit den Briefen und all das, hat bei mir einfach keine Spannung erzeugt.

Also noch mal kurz: Ansätze in alle Richtungen sind erkennbar, die Geschichte ist weit weg von von miserabel, aber für meine Begriffe mindestens genauso weit weg von toll und fesselnd.

Kleinigkeiten:

An dem Strandkorb angeleint sitzt der kleine Kläffer,

Geht wohl beides, hätte hier aber "an den Strandkorb angeleint" geschrieben. Der folgende Satz lautet dann:

Hin und wieder springt er auf und kläfft Möwen an, die sich zu nah an den Strandkorb heranwagen.

Der Kläffer kläfft, logisch, aber ich würde das vielleicht austauschen, um die Dopplung zu vermeiden. Auch beim doppelten Strandkorb kannst du dir vielleicht was anderes überlegen.

Und noch eine Sache - wörtliche Rede endet in aller Regel folgendermaßen "...", sagte blablabla. Nicht, wie bei dir häufig gelesen: "... ." sagte blablabla.

Liebe Grüße,

Lani

 

Hallo philipp,

ich warn dich mal vor: ich mag keine Krimis. Ich versuche das jetzt zu verdrängen und auf den Text zu achten.

Den Einstieg würde ich knackiger gestalten. Jeder weiß wie es an nem Nordseestrand aussieht, also wie wärs mit
Schief verdreht steht der weiße Strandkorb mit der Nummer 76 im rotgesprenkelten Sand, darin ein Mann mit blutgetränkter Kleidung.
Weiß schreibt man mit ß
Die Wiederholung von rot habe ich rausgenommen. Auch „liegt“ habe ich weggelassen, denn das verwendest du im darauffolgenden Satz auch schon.
Das würde ich als Einstieg nehmen. Danach kannst du noch etwas Umgebung hinzufügen, aber ich finde der erste Satz sollte direkt packen, etwas besonderes beinhalten.

Hinter dem Strandkorb stehen Kriminalkommissar Björn Böhrensen und Kriminalmeister Bastian Petersen, beide mit einem dampfenden Coffee To Go Becher in der Hand.
Das ist so beschreibend. Lass die beiden doch direkt etwas machen. Und Coffee To Go Becher mag mir gar nicht gefallen.
Mit je einem dampfenden Kaffeebecher in den Händen betrachten Kriminalkommissar Björn Böhrensen und Kriminalmeister Bastian Petersen die Leiche.

Zu den Fehlern bei der wörtlichen Rede hat Lani ja schon was gesagt, wäre super, wenn du das ändern könntest.

Rolle rot-weisses Absperrband
Rot-weißes obwohl ich ja rotweißes noch schöner finde.

Das ist ja ein absolutes Chaos hier.
Wieso Chaos? Da liegt eine Leiche, ein Messer und Blut. Geht ja kaum weniger bei nem Mord, oder?
Ich denke das gehört in die Kategorie „unechte Dialoge“, die ja Lani auch schon angesprochen hat.

In diesem kleinen Ort?
Ich fände es schön, wenn du einen Ort nennen würdest. Macht den Gedankengang glaubwürdiger.

sitzt zitternd in einem Strandkorb 20 Meter entfernt, neben ihm sitzt
Wortwiederholung von sitzt

sitzt der kleine Kläffer, mit dem Martinsen so früh am Morgen unterwegs war. Hin und wieder springt er auf und kläfft Möwen an,
Schon wieder sitzt und „Kläffer“ und „kläfft“ ist auch nicht so schön.

um ein paar Fragen zu beantworten.
Ich würde sagen: um ein paar Fragen beantworten zu können.

Die Zweifel an Martinsen’s Ahnungslosigkeit
Im Deutschen ohne Apostroph: Martinsens

im Café in der Fußgängerzone zu frühstücken. Es ist noch ruhig im Ort, nur wenige Touristen spazieren durch die kurze Fußgängerzone, die von der Seebrücke bis zum kleinen Bahnhof des Ortes führt.
Zweimal Fußgängerzone, zweimal Ort.
Diese Wortwiederholungen blähen den text auf, und man erfährt nichts neues. Ich finde es schön, dass du dort immer auch die Umgebung beschreibst und dadurch Atmosphäre erzeugst, aber versuche doch das ganze etwas knackiger und genauer zu gestalten.

Dort sieht er eine Anzeige der Krone GmbH, die damit wirbt, den Tourismus im Ort zu fördern und mehrere Bauprojekte anpreist, die die Infrastruktur verbessern sollen.
Hmm, diese Stelle wirkt schon sehr verkrampft. Da er sonst nichts aus der Zeitung erwähnt, obwohl er bestimmt mehr als nur die Anzeige liest, ist dem Leser sofort klar, dass das eine Rolle bei dem Mord spielen muss.

Martinsen muss sich sammeln. Zu bewegend waren die Ereignisse des frühen Morgens. Zu präsent immer noch die Drohung aus dem Brief. Doch er beschliesst, Dinklage ins Vertrauen zu ziehen. Mit irgendwem muss er über den Vorfall reden, und sein Nachbar Dinklage ist einer der wenigen, zu denen er hier im Ort Vertrauen hat. Außerdem kann es ja sein, dass Dinklage ebenfalls solch einen Brief bekommen hat - wer weiß? Dinklage wohnt in derselben Straße, es könnte ihn auch betreffen.
Dieser Abschnitt ist so tellig ... Könntest du nicht all das in Gesten und in dem Gespräch der beiden vermitteln?

Auf seiner Runde durch’s Wohnzimmer kommt Martinsen am Klavier vorbei, sieht den Stapel Papier, von dem Dinklage den Brief genommen hat und bleibt stehen.
Ich finde es sehr unglaubwürdig, dass er diesen Stapel da offen liegen lässt. Er muss ja damit rechnen, dass die Polizei auch bei ihm vorbeischaut.

Es ist nicht so wie du denkst!
Komma nach so

„Ich rufe jetzt Böhrensen an. Der soll das klären. Ehrlich, Peer, irgendwas ist hier faul.”
Ähm, ganz helle ist der Martinsen nicht, mhh? Oder liegts am Korn? Also ich wäre schon längst abgehauen.

Danach bekommen Sie ihr Geld und können sich nach Neuseeland absetzen, wie sie es wollten.
Sie und Ihr groß. Hast du später nochmal.

Also abschließend gefällt mir die Nordseestrandatmosphäre in dem kleinen Ort am Besten an deiner Geschichte. Die Dialoge müsste realistischer werden, und die Story spannender. Trau dem Leser mehr zu, las ihn grübeln und geh das Risiko ein, dass vielleicht nicht jeder alles versteht.

Liebe Grüße,
Nichtgeburtstagskind

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Lani,

vielen Dank für die offene, ausführliche, konstruktive Kritik! Und auch wenn Du nicht alles gelesen hast, ich schätze Du hast die wichtigsten Schwachstellen aufgezeigt.

Ich denke, die Authentizität ist für mich das Hauptproblem bei deiner Geschichte.
... dass die Protagonisten nicht wie echte Menschen wirken aber nicht.*...
Damit meine ich vor allem die Unterhaltung von Martinsen und Dinklage, da erkenne ich Ansätze von gut gezeichneten Charakteren, aber eben nur die Ansätze, noch sind es Skizzen, die mit Leben gefüllt werden müssen.

Manchmal braucht man anscheinend einen Stupser von anderen, um einige Dinge zu bemerken. Dass die Dialoge streckenweise nicht authentisch sind, machen die von dir gewählten Beispiele (und deiner Kurzparodie - klasse ;) ) klar. Aber wenn man betriebsblind ist und tief drin steckt, sieht man das erstmal nicht. Und ich habe die Geschichte mehrfach korrekturgelesen - nur offensichtlich nicht mit ausreichendem Abstand.

Den längeren Dialog zwischen Martinsen und Dinklage werde ich mir gesondert ansehen, der ist ja wichtig für die Geschichte. Werde außerdem versuchen, den Protagonisten etwas mehr Tiefe zu geben, damit man sich als Leser dafür interessiert, was denn nun wirklich passiert ist.

Vielen Dank also für all die Hinweise, in welcher Hinsicht ich die Geschichte überarbeiten sollte! Knackpunkt scheinen ja die Dialoge und Tiefe der Charaktere zu sein - nicht gerade Kleinkram. Dazu werde ich ein paar Tage brauchen. Die kleineren Anmerkungen werde ich zeitnah einfliessen lassen.

Also noch mal kurz: Ansätze in alle Richtungen sind erkennbar, die Geschichte ist weit weg von miserabel, aber für meine Begriffe mindestens genauso weit weg von toll und fesselnd.

Eine wunderschöne Formulierung für "sehr mittelmäßig". Aber immerhin nicht miserabel :)

gruss,
p.

Hallo @Nichtgeburtstagskind

Danke, dass Du dir die Geschichte durchgelesen hast, obwohl dir das Genre nicht liegt! Und auch hier vielen Dank für die ausführliche, konstruktive Kritik!

Den Einstieg würde ich knackiger gestalten.
-- danke für die Idee, anders anzufangen und den Textvorschlag dazu. Ebenso bei der Szene mit dem "Coffee to go becher", werde mal schauen, wie ich das umsetzen werde.


Wieso Chaos? Da liegt eine Leiche, ein Messer und Blut. Geht ja kaum weniger bei nem Mord, oder?
-- stimmt, schlechte Wortwahl! Werde das etwas anders umschreiben.


Hmm, diese Stelle wirkt schon sehr verkrampft. Da er sonst nichts aus der Zeitung erwähnt, obwohl er bestimmt mehr als nur die Anzeige liest, ist dem Leser sofort klar, dass das eine Rolle bei dem Mord spielen muss.

Stimmt, ist vielleicht zu offensichtlich. Mal schauen, was ich einbauen kann, das die Szene interessanter macht, ohne die Geschichte aufzublähen.

Dieser Abschnitt ist so tellig ... Könntest du nicht all das in Gesten und in dem Gespräch der beiden vermitteln?

tellig ist ein geiles Wort, das ich tatsächlich anderswo als hier bei den Wortkriegern noch nicht gehört habe! :thumbsup:
Werde mal schauen, ob ich das anders umgesetzt bekomme. Das ist allerdings Teil des gesamten Dialogs zwischen Martinsen und Dinklage, der ja eh ein wenig überarbeitet werden sollte.

Ich finde es sehr unglaubwürdig, dass er diesen Stapel da offen liegen lässt.

hhm, OK. Andererseites ist Dinklage nicht die hellste Kerze, er rechnet nicht damit, verdächtigt zu werden. Aber vielleicht hast du recht. Ich will nur irgendeinen Hinweis für Martinsen haben, damit er erkennt, dass Dinklage ein falsches Spiel treibt. Aber vielleicht fällt mir noch was anderes ein.

Ähm, ganz helle ist der Martinsen nicht, mhh?

Martinsen wiederum kennt Dinklage seit vielen Jahren als Nachbar, warum sollte er Dinklage sofort verdächtigen? Aber ich seh schon, das muss ich noch deutlicher rausarbeiten.

Wie gesagt, auch an Dich vielen Dank für die ausführliche Kritik!

gruss,
p.

 

Hallo philipp,

ich mag deinen Einstieg eigentlich ganz gerne. Vielleicht liegt es daran, dass ich als ursprüngliche Ostseeperle das Bild mit den Strandkörben nur zu gut kenne und mir sofort vorstellen kann, vielleicht aber auch, weil ich Krimis sehr gerne lese und so einen Einstieg mit einem Stimmungsbild, in dem die Leiche und die zwei Ermittler auftauchen, nicht untypisch finde. Lediglich sprachlich hätte ich ein paar Vorschläge:

Schief verdreht steht der Korb im rotgesprenkelten Sand, darin liegt ein Mann mit blutrot getränkter Kleidung.
- diese "rot"-Dopplung finde ich unschön. Wie wäre es mit: Schief verdreht steht der Korb im rot gesprenkelten Sand, darin liegt ein Mann mit blutgetränkter Kleidung.

Hinter dem Strandkorb stehen Kriminalkommissar Björn Böhrensen und Kriminalmeister Bastian Petersen, beide mit einem dampfenden Coffee To Go Becher in der Hand.
- das Fettmarkierte finde ich umständlich. Mach doch einfach "... beide mit einem dampfenden Kaffee in der Hand." Ich meine, dass sie am Strand an einem Tatort nicht mit Porzellantassen stehen, versteht sich, glaube ich, von selbst ;)

Bei der wörtlichen Rede müsstest du ebenfalls noch einmal drüber gehen. Wenn du schreibst "...?", fragt XY, also das Gesprochene + Beisatz, dann muss hinter die wörtliche Rede immer ein Komma. Bei normalen Aussagen, wie zum Beispiel hier:

Am besten von dem Strandkorb dort bis zu der Dusche, über Strandkorb 61 bis zur 76.” sagt Böhrensen
, dann entfällt der Punkt der Aussage in der wörtlichen Rede, also: Am besten von dem Strandkorb dort bis zu der Dusche, über Strandkorb 61 bis zur 76", sagt Böhrensen.

Ein solch brutalen Mord hatte es in dem verschlafenen Küstendorf noch nie gegeben. Nach über hundert Jahren, in dem sich nur wenig verändert hatte, wird der Ort seit letztem Jahr von zunehmendem Tourismus wachgeküsst.
Hier würde ich als Vergangenheitsform das Perfekt wählen, da es näher an deiner Erzählsprache, dem Präsens, ist, und nicht das Präteritum.

Die Leute fahren wieder vermehrt an Ost- und Nordsee, seitdem viele Urlaubsorte rund um das Mittelmeer aufgrund erhitzter Europapolitik an Attraktivität verloren haben.
Würde ich komplett streichen, das wirkt sehr erklärend, fast wie in einem Reiseführer ;)

Martinsen hat den Toten gefunden und sitzt zitternd in einem Strandkorb 20 Meter entfernt
Ich würde die Zahl ausschreiben, sieht schöner aus.

Was mir gut gefällt, sind deine Umgebungs-/Naturbeschreibungen. Ich finde, die Stimmung da am Meer fängst du gut ein, da entstehen Bilder in meinem Kopf.

An dem Strandkorb angeleint sitzt der kleine Kläffer, mit dem Martinsen so früh am Morgen unterwegs war. Hin und wieder springt er auf und kläfft Möwen an, die sich zu nah an den Strandkorb heranwagen.
- die fettmarkierte Dopplung ließe sich vermeiden, indem du einfach das Verb "bellen" benutzt.

Es ist Zeit, mit Martinsen zu sprechen und die Details darüber zu erfahren, wie er den Toten gefunden hat. In der sorgsamen Betreuung seiner Kollegin müsste Martinsen sich mittlerweile ausreichend beruhigt haben, um ein paar Fragen zu beantworten.
Böhrensen nickt seiner Kollegin zu, die sofort aufsteht, um den Platz neben Martinsen frei zu machen.
Das Markierte braucht es für mein Empfinden nicht, es wäre straffer erzählt, wenn du gleich mit "Böhrensen nickt seiner Kollegin zu, ..." weitermachst.

„Keine Ahnung. Wirklich keine Ahnung. War nur so daher gesagt!”, antwortet Martinsen. Ein wenig zu hastig, findet Böhrensen.

Martinsen beisst sich auf die Unterlippe und schaut wieder auf den Horizont. Böhrensen stellt noch ein paar Fragen, die Martinsen nur unzureichend beantwortet, wie Böhrensen findet. Irgendwas stimmt hier nicht, denkt er. Dann schickt er Martinsen nach Hause. Die Zweifel an Martinsen’s Ahnungslosigkeit sind ihm wie Furchen in die Stirn gezeichnet.

Hier verrätst du zu viel. Lass Martinsen doch einfach abbrechen, Böhrensen noch mal nachfragen, Martinsen ausweichen. Zeige anhand des Gesprächs, anhand ihrer Gesten, ihres Benehmens, dass hier etwas nicht stimmt. Sonst nimmst du dem Ganzen die Spannung indem du ausdrücklich schreibst: "Hier stimmt was nicht!"

Die ersten Läden rollen ihre Verkaufsständer mit Postkarten, Strohhüten, und Strandspielzeug auf das Pflaster vor ihren Schaufenstern.
Kein Komma nach "Strohhüten".

Die Zeitung bietet Martinsen jedoch nur kurze Ablenkung. Dann muss er wieder an die Szene im Strandkorb denken. Es fällt ihm schwer, den Mord an Thormann zu verdauen. Denn es hätte auch ihn treffen können. Beinahe hätte er sich bei Böhrensen verplappert. Die Warnung in dem Brief war diesbezüglich sehr eindeutig gewesen. Und dass die Verfasser des Briefes ernst machen werden, haben sie nun bewiesen. Vermutlich hat sich Alex nicht an die Anweisungen gehalten. Beide haben den Brief vor ein paar Tagen im Briefkasten gefunden. Martinsen hat seitdem mit niemanden außer Thormann darüber gesprochen. Aber Thormann musste in den letzten Tagen mit irgendjemanden in Kontakt gewesen sein. Als das Frühstück gebracht wird, nimmt er sich ein Brötchen, legt es dann aber wieder in den Brotkorb zurück. Irgendwie ist ihm nicht nach essen.
Das gefällt mir wieder besser. Hier deutest du etwas an, verrätst aber nicht alles.

Nur eines noch: Wissen sie, ob es Erben gibt?
- "Sie" groß geschrieben wegen Höflichkeitsform.

So, also insgesamt habe ich deine Geschichte ganz gerne gelesen, sehe sie aber eher als eine Erzählung aus einem verschlafenen Küstenörtchen, als einen Krimi. Das liegt zum einen daran, dass du sehr brav erzählst, da gibt es keine rauen Ecken und Kanten, keine schnelle Erzählsprache, für mich kommt nicht wirklich Spannung auf. Dennoch finde ich, dass da etwas in deiner Erzählstimme ist, das echt Potential hat, vielleicht aber eben eher für andere Arten von Geschichten.

Bei den Dialogen könntest du auch noch einmal Stück für Stück drüber gehen. Die klingen teilweise unecht. Überlege dir immer, wie so ein Gespräch im wahren Leben ablaufen würde. Personen sprechen oft abgehackter, sie deuten an, sprechen nicht alles aus, vor allem aber erzählen sie nicht einfach irgendwelche zusätzlichen Infos oder gar Dinge, die das Gegenüber schon weiß.

Schau mal, wo du in dieser Geschichte kürzen, wo du mehr Tempo reinbringen kannst, wo du die Dialoge verknappen und authentischer gestalten könntest. Ich glaube, du kannst aus diesem Text noch viel mehr machen.

Liebe Grüße
RinaWu

 

Hallo zusammen und sorry wegen der langen Funkstille, die letzte Woche war etwas hektisch.

Danke, dass ihr euch alle die Zeit genommen habt, die Geschichte so ausführlich zu kommentieren. Es ist mir sehr klar geworden, dass ich die Geschichte wirklich grundlegend überarbeiten muss.

@maria.meerhaba danke für die detaillierte Auseinandersetzung mit dem Text und die ehrlichen Worte.

Wieso sollte er so einen Stapel im Offenen herumliegen lassen? Wieso tut er ihn nicht weg?

... weil Dingklage sich zu sicher fühlte, dass er eh nicht verdächtig ist. Aber das wurde ja von mehreren als unwahrscheinlich angemerkt und eigentlich braucht es den Stapel auch nicht, ich werde das anders lösen.

Hätte ich aus Gier jemanden ermordet und geflüchtet, könnte ich danach nicht so ruhig bleiben wie dein Dinklage, der eiserne Nerven zeigt und doch nervös wird

Ein Serienmörder ist er nicht, das stimmt. Er wird nervös, weil er merkt, dass Martinsen ihm das Geschäft kaputt macht - und auch, weil er Angst hat, erwischt zu werden. Es ist also eher eine Verzweiflungstat. Aber Ich gebe zu, letzteres wird im Text nicht klar. Ändere ich.


Zu deinen Kommentaren bzgl. der Telefonleitung: dass er von seiner Firmenleitung aus die Polizei anruft, ist vielleicht ungeschickt, da gebe ich dir recht. Dass er mit Dinklage über diese Leitung einen Mord bespricht, ist meiner Meinung nach nicht so problematisch, denn wer sollte das Gespräch abhören? Aber dennoch werde ich mir für beide Telefonate etwas anderes überlegen, damit solche Zweifel gar nicht erst beim Leser entstehen.


Den Kommissar besser in diese Geschichte einzubringen ist anscheinend ein Punkt, den ich ebenfalls ausbauen sollte. Ich hatte gedacht, der Anruf bei Böhrensen schliesst den Kreis bereits sehr schön, aber ich habe bereits eine Idee, wie ich das optimieren kann.

Tut mir leid, dass Dir die Geschichte so wenig gefallen hat. Ich bin im Plotten von Geschichten noch nicht sehr geübt. Daran will ich verstärkt arbeiten.

+++

@RinaWu vielen Dank für's Lesen und für deine Kommentare!

ich mag deinen Einstieg eigentlich ganz gerne

freut mich :)


"... beide mit einem dampfenden Kaffee in der Hand."

Das übernehme ich gerne.


Hier verrätst du zu viel. Lass Martinsen doch einfach abbrechen, Böhrensen noch mal nachfragen, Martinsen ausweichen. Zeige anhand des Gesprächs, anhand ihrer Gesten, ihres Benehmens, dass hier etwas nicht stimmt.

- das werde ich probieren. Das ja ist ebenfalls sehr tellig, ähnlich wie ein anderer Abschnitt, der schon bemängelt wurde.


Das liegt zum einen daran, dass du sehr brav erzählst, da gibt es keine rauen Ecken und Kanten, keine schnelle Erzählsprache

Interessanter Punkt. Werde versuchen, an der Sprache zu feilen. Für was für ein Genre meine Sprache wohl taugt? "Brav" ist ja eigentlich fast gleichzusetzen mit "langweilig", und das passt ja nirgendwo ;)


Bei den Dialogen könntest du auch noch einmal Stück für Stück drüber gehen. Die klingen teilweise unecht.

Ja, das scheint die meisten zu stören. Die Dialoge und die Charaktere sind noch nicht real genug. Werde beides überarbeiten.

LG und vielen Dank für all eure Kommentare,
p.

 

Hallo zusammen,

hat etwas gedauert, aber jetzt habe ich eure Anregungen und Korrekturvorschläge weitestgehend umgesetzt und eingearbeitet. Hoffe, die Geschichte ist so etwas besser geworden.

LG philipp.

 

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