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Die vier Boten

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03.07.2004
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Die vier Boten

Michael erklärte seinen drei Freunden den himmlischen Auftrag und flog mit ihnen auf die Reise.
Das Ziel Uriels war Bethphage. Hier besuchte er die 14 jährige Anna, die gehörig erschrak und anfing zu schreien, als er unerwartet in ihrem Zimmer erschien. „Fürchte dich nicht, ich bin ein Bote des Herrn.“ versuchte er die kleine Anna zu beruhigen. Sie wurde dann auch schnell wieder still und schaute ihn neugierig an. „Ich habe dir eine freudige Botschaft zu überbringen: Du wirst schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen.“
Im nächsten Augenblick fand er sich auf dem Fußboden sitzend vor, während Anna die Teigrolle, die sie ihm an den Kopf geworfen hatte, wieder auflas. „So eine Unverschämtheit. Ich rufe meinen Vater, der wird dir gleich zeigen, wo der Ausgang ist.“
„Nein, nein,“ stotterte Uriel, „versteh mich bitte nicht falsch.“ Weiter kam er nicht, denn die empörte Anna fiel ihm ins Wort. „Was soll ich da falsch verstehen. Ich bin Jungfrau und habe nicht einmal einen Verlobten. Wenn das ein neuer Trick sein soll, ein Mädchen ins Bett zu bekommen, muss ich feststellen, das ist gründlich danebengegangen. Und nun zieh Leine. Gleich kommen meine Brüder von der Arbeit in der Schmiede und die fackeln bestimmt nicht lange.“

Uriel flog beschämt von dannen und traf auf dem Heimweg mit Raphael zusammen, der ihm gleich sein Leid klagte:
„Ich war bei Elisabeth in Kapernaum und da ging alles gründlich daneben.“
„Hast Du auch was an den Kopf bekommen?“
„Eigentlich nur Worte, aber Du hast ja eine richtige Beule an der Stirn - was ist Dir denn geschehen?“
„Naja, mir ist auch immer noch ein wenig schwindlig“, begann Uriel und erzählte seine Erlebnisse in Bethphage. Raphael, der ja auch die Aufgabe hat, menschliche Gebrechen zu heilen, holte eine kühle Kompresse aus einer seiner vielen Taschen und legte sie Uriel auf die Beule. Dann streichelte er seinem Mitengel noch über den Kopf und gleich ging es Uriel viel besser und er konnte sich Raphael zuwenden und seine Erlebnisse anhören.

Und Raphael begann: „Ich habe angeklopft, um sie nicht zu erschrecken, aber sie sah mich ganz erstaunt an:
‚Wer seid Ihr und wo kommt Ihr her. Ich habe Euch noch nie gesehen. Kommt Ihr von weit her? Und Euer Kaftan ist ja nicht gerade sehr modisch.‘
Mir schwirrte geradezu der Kopf angesichts dieser Redeflut und ich stotterte nur:
‚Darf ich mich setzen, mir ist etwas schwindelig.‘
‚Wahrscheinlich seid Ihr zu schnell gelaufen oder Ihr habt zu lange in der Sonne gestanden. Habt Ihr heute schon etwas gegessen?‘
‚Ja, danke, ich war vielleicht etwas zu schnell, aber ich habe eine wichtige Nachricht für Euch.‘
‚Und, wie lautet diese wichtige Nachricht?‘
‚Also, Ihr habt Gnade gefunden bei unserem Gott und Ihr werdet schwanger werden und einen Sohn gebären.‘
‚Das soll eine Gnade sein? Ich meine, dass ich noch Jungfrau bin, muss ja kein Hinderungsgrund sein, aber ich halte eine Schwangerschaft für sehr lästig. Das passt mir gar nicht in meine Lebensplanung.‘
Ich schaute Elisabeth verdattert an. Irgendetwas ging hier gerade schrecklich schief. Aber eine kurze Überprüfung - von der sie nichts merkte -ergab, dass sie wirklich die 14jährige Elisabeth aus Kapernaum war.
‚Nun, aber Ihr werdet Gottes Kind zur Welt bringen und das ist doch eine große Ehre.‘
‚Also ich weiß nicht. Ich bin schließlich nicht verheiratet und Ihr habt bisher auch kein Wort von einem Ehemann gesagt. Und wenn es doch einen gibt, möchte ich den gerne erst einmal genauer kennenlernen. Ich bin lieber vorsichtig nach den schlimmen Erfahrungen meiner großen Schwestern. Und wenn es keinen Ehemann gibt, wie stellt Ihr euch das vor. Wenn ich erst einmal einen dicken Bauch habe, glaubt mir doch niemand, dass ich noch Jungfrau bin. Sowas kommt vielleicht in der Bibel vor, aber nicht im wirklichen Leben. Nein, also diese Schande - vielen Dank.‘
‚Lassen wir die Schwestern erst einmal beiseite ...‘
‚Nein, nein, Ihr könnt meine Schwestern nicht einfach beiseite schieben ...‘
Ich verzichtete auf jede Höflichkeit und fiel ihr ebenfalls ins Wort: ‚Selbstverständlich bekommt Ihr einen Ehemann, einen angesehenen Witwer, der gut für euch sorgen wird.‘
‚Bekomme ich das mit Brief und Siegel oder wollt Ihr mich mit haltlosen Versprechungen ködern? Und überhaupt - plötzlich taucht da ein Witwer auf -wahrscheinlich mit einem Rudel kleiner Kinder, die eine Mutter brauchen - Das nimmt mir doch niemand ab, dass ich mich auf einen Blick in einen alten Mann verliebt habe. So etwas tue ich nicht, ganz bestimmt nicht. Und dann wird ganz schnell geheiratet, ohne Verlobungszeit ...‘
‚Das wäre wohl sinnvoll‘, warf ich ein.
‚Genau, und wenn ich nach acht Monaten ein Kind bekomme, wissen doch alle, dass ich mich hab reinlegen lassen. Mein Ruf ist dahin und diese Ehe wird sicherlich eine einzige Katastrophe - wie bei meinen Schwestern.‘
‚Lasst mich doch bitte erklären . . .‘
‚Nein, Schluss des Gespräches. Ihr seid schon viel zu lange im Haus. Die Witwe Sarah steht schon eine geraume Zeit in ihrem Garten und spielt Vogelscheuche, damit ich sie nicht bemerke. Und Ruth aus dem Nachbarhaus liegt bestimmt auf ihrem Dach und versucht mitzuhören - die schlimmste Klatschtante im Ort - also seht zu, dass Ihr verschwindet, bevor ich euch aus dem Haus jagen lasse.‘
Und als Elisabeth dann drohend aufstand und eine Besen in ihre zarte Hand nahm, da hielt ich es für besser, diesen Auftrag erst einmal zu beenden. Soll Michael doch jemand anders schicken. Ich bin offensichtlich einfach nicht geeignet.“
Uriel nickte teilnehmend und meinte „Nun, wir werden ja hören, was Michael dazu zu sagen hat.“

Aber Michael hatte ganz andere Sorgen, erfuhren die beiden bei ihrer Rückkehr. Er hatte sich selber auch auf den Weg begeben zu Ruth in Jericho.
„Sei gegrüßt! Der Herr ist mit dir!“
Auch Ruth erschrak und Michael sprach schnell weiter: „Fürchte dich nicht, Ruth, Gott will dir eine große Gnade gewähren. Denn du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären.“
Ruth dachte über diese Worte nach. „Ein Kind würde ich gerne haben. Aber wie soll das zugehen ohne Mann.“
„Nun bei Gott ist nichts unmöglich. Außerdem wirst du einen gut situierten Witwer als Ehegatten erhalten.“
„Nein, nein, mit Männern möchte ich nichts zu tun haben:“
„Ihr werdet auch keine wirkliche Ehe führen. Du wirst Zeit deines Lebens Jungfrau bleiben Aber er wird für dich und dein Kind sorgen und eure Ehe schützt dich vor der Verachtung der Gesellschaft.“
„Das mit dem Klatsch, ja, das verstehe ich, aber es macht mir nichts aus. Ich möchte mit gar keinem Mann verbunden sein, auch nicht in so einer Scheinehe. Aber wir können uns gewiss einigen. Ich würde gerne mit Esther zusammen leben und wir können sicher gemeinsam ein Kind aufziehen.“
Michael starrte sie mit offenem Mund an. Dann sammelte er sich wieder, klappte seinen Mund zu und fragte: „Du willst mit einer anderen Frau zusammenleben und mit ihr ein Kind groß ziehen, als ob ihr verheiratet wäret?“
„Ja, genau.“
„Nein, nein, das geht nicht. So eine Verbindung ist nicht vorgesehen und bestimmt auch nicht erlaubt.“

Dann kehrte auch Michael zurück und hörte sich immer noch leicht erschüttert die Berichte von Uriel und Raphael an. „Und Gabriel ist noch nicht zurück?“
„Nein, wohin ist er denn unterwegs?“
Michael griff nach seinem Klemmbrett und las ab: „Mirjam in Nazareth. Hoffentlich hat er da Erfolg.“

 

Diese Geschichte ist zwar schon älter, ich habe sie jetzt ins Forum gestellt, weil der Tag, auf dem diese Geschichte beruht, demnächst ansteht.

Jo

 

Salü jobär
ich bin nicht so sicher, was ich zu dieser Geschichte schreiben soll. Du hast sie unter Historik und Sonstige gepostet, aber ich hab lachen müssen! Die Idee allein, dass da noch drei andere Frauen auf der Liste standen, fand ich schon lustig. Dann die Art, wie die drei sich verbal wehren – also da hab ich wirklich freche Teenager vor Augen, die sich von einem Engel so wenig beeindrucken lassen, als wäre so eine Erscheinung wie eine alltägliche Meldung auf dem Smartphone. Dann ihre Argumente gegen das Wunder des Gottesgeschenkes – die fand ich auch witzig. Und dann der Schluss. Raffiniert, wie schnörkellos der daherkommt. Hat mir gefallen und ich hab sie gut und zügig lesen können. Am 25. März werde ich sicher an deine Geschichte denken!

Trotz seines Alters hat dein Text noch ein paar Stellen, die du glattfeilen könntest:
ein Bote des Herrn.“ versuchte er die kleine Anna
> ein Bote des Herrn“, versuchte (Komma)

„Nein, nein,“ stotterte Uriel, „versteh mich bitte nicht falsch.“
> nein“, stotterte (Komma)

Aber eine kurze Überprüfung - von der sie nichts merkte -ergab,
> merkte – ergab (Leerschlag)

als Elisabeth dann drohend aufstand und eine Besen
> einen Besen

wirst du einen gut situierten Witwer
gutsituierten

Du wirst zeit deines Lebens
Zeit deines Lebens

Aber er wird für dich und dein Kind sorgen und eure Ehe wird dafür sorgen, dass ihr von der Gesellschaft nicht verachtet werdet.“
> das zweimal sorgen ist nicht hübsch, finde ich. Vielleicht so: Aber er wird für dich und dein Kind sorgen und die Ehe soll euch schützen, dass ihr von der Gesellschaft nicht verachtet werdet.“

Lieben Gruss
Gisanne

 

Hallo Gisanne,

freut mich, dass Dir diese kleine Geschichte gefallen hat. Deine Korrekturen habe ich eingearbeitet. Warnicht ganz einfach, weil mein Rechner plötzlich behauptet, es gäbe die Adresse wortkrieger.de nicht. Jetzt muss ich alles zwischen Rechner und Laptop hin- und herschaufeln- Aber es klappt ja.

Liebe Grüße

Jobär

 

„Da sprach Maria zu dem Engel: Wie soll das zugehen, da ich doch von keinem Mann weiß? Der Engel antwortete und sprach zu ihr: Der heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Gottes Sohn genannt werden. Und siehe, Elisabeth, deine Verwandte, ist auch schwanger mit einem Sohn, in ihrem Alter, und ist jetzt im sechsten Monat, von der man sagt, dass sie unfruchtbar sei. Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.“ Lukas 1,34 ff.

Was wäre, wenn dergleichen heute geschähe,

lieber Jobär,
die Karriere durcheinandergeriete, wahrscheinlicher aber buchstäblich in die Hose ginge. Und doch, Titel und ersten Satz

Michael erklärte seinen drei Freunden ihren Auftrag und sandte sie auf die Reise
solltestu noch mal überprüfen - wenn die himmlischen Sendboten – nach geltendem Steuerrecht Geringverdiener und haushaltsnahe Beschäftigte des Boss’: Michael (= wer ist wie Gott), Uriel (= Licht ist Gott) und Raphael (= Gott heilt) auf die Jungfern losgelassen werden … Aber hier verlieren die Gesprächspartner mal die Höflichkeitsform (kommt später immer wieder einmal vor)
‚Wer seid ihr und wo kommt ihr her. Ich habe euch noch nie gesehen. Kommt ihr von weit her? Und euer Kaftan ist ja nicht gerade sehr modisch.‘
, aber ich habe eine wichtige Nachricht für euch.‘

So[…]was kommt vielleicht in der Bibel vor,
überhaupt - plötzlich taucht da ein Witwer auf -[…]wahrscheinlich mit
‚Das wäre wohl sinnvoll[…]‘[,] warf ich ein.
‚Genau[,] und wenn ich nach acht Monaten ein Kind bekomme,
eine ein[z]ige Katastrophe
… vor der Verachtung der Gesellschaft[.]“

Ich bin mir sicher, dass Gott Humor hat und zumindest schmunzelt. Muss er ganz einfach!

Gern gelesen vom

Friedel

 

Hallo Friedrichard,

danke für Deine Kritik. Ich hoffe, ich habe alle Fehler richtig verbessert. Den Beginn habe ich ein wenig umformuliert, so dass jetzt klar sein sollte, dass es vier Boten sind (alle "geringfügig" beschäftigt).

Freut mich, dass die Geschichte zum Schmunzeln anregt.

Grüße

Jobär

 

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