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Die Vogelscheuche

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09.07.2019
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Die Vogelscheuche

An einem nebelverhangenen Tag beschloss ich morgens spazieren zu gehen. Ich verließ meine Wohnung und machte mich auf den Weg. Es führte mich wie immer aus dem Dorf hinaus in die Hügel und während ich so meines Weges zog, stand ich irgendwann über dem Nebelmeer und ließ meinen Blick wandern. Hier und da zerriss ein Baum die Nebeldecke und offenbarte sein karges Geäst. In weiter Ferne waren ein paar Kirchtürme verschiedener Orte auszumachen und manchmal sah man eine Krähe über den Himmel fliegen, es war eigentlich alles wie immer, jedoch zog eine Unstimmigkeit meinen Blick auf sich. Auf einem Feld im Tal schien sich der Nebel erst nur zu kräuseln, bis er sich langsam auflöste und nur eine Gestalt übrig ließ, um die sich ein letzter Rest Nebel noch hielt. Ich konnte zunächst nicht genau erkennen was dort war, zu sehr hing noch der Nebel an ihr, allerdings schien es menschliche Züge zu haben. Meine Sinne waren komplett auf diese Erscheinung gebannt, und je länger ich auf sie blickte desto mehr schien sie zu sein, jedoch wandelte sich die Erscheinung immer wieder. Erst erschien es mir wie ein unbekannter Mensch, dann wie ein lange vergessener Freund, nur um kurz darauf das Abbild meiner verstorbenen Großmutter zu sein. Ich traute meinen Augen kaum, so viele verschiedene Gestalten sah ich dort. Ich blinzelte und stellte mir die Frage ob ich langsam verrückt wurde, als auf einmal nur noch eine Vogelscheuche dort stand. Ungläubig starrte ich weiter in den Nebel. Habe ich nicht gerade noch eine Frau dort stehen sehen? Habe ich nicht einen stummen Hilferuf in ihrem Gesicht gesehen? Nein - da ist definitiv nur eine Vogelscheuche. Meine Sinne müssen mir einen Streich gespielt haben. Es lag bestimmt nur an dem Nebel und der Entfernung.
Mit einem seltsamen Gefühl ging ich weiter meines Weges und versuchte den Gedanken an das soeben passierte abzuschütteln, was mir aber nicht recht gelingen sollte. Als ich wieder in meiner Wohnung war hatte ich das ungute Gefühl etwas falsch gemacht zu haben, aber ich wusste nicht was. Vielleicht war an dieser Vogelscheuche doch mehr dran? Aber wie könnte das bitte sein? Die Hälfte der Gestalten waren seit langer Zeit aus meinem Leben geschieden und die anderen waren mir teilweise komplett unbekannt. Aber das Gesicht dieser Frau, dieser Hilfe suchende Blick, der ging mir nicht aus dem Sinn.
Mein Tag nahm seinen gewohnten Lauf, jedoch als ich mich des Abends zu Bett legen wollte konnte ich nicht einschlafen, zu sehr quälten mich meine Gedanken. Vielleicht war diese Frau, die Person die ich schon immer gesucht hatte. Dieser eine Mensch der mir in meinem Leben fehlte? Aber da war doch nichts als eine Vogelscheuche - oder vielleicht doch? Ich wusste es nicht, und meine quälenden Gedanken ließen nicht ab von mir.
Da es um meinen Schlaf sowieso geschehen war, traf ich die Entscheidung noch einmal hinaus in die Hügel zu gehen. Als ich im dunklen meines Weges ging überschlug sich meine Gedankenwelt. Was war das für eine Erscheinung? War es nur eine Einbildung meines einsamen Verstandes? Wurde ich langsam verrückt? Während ich mich in meinen Gedanken verlor, fiel mir nicht auf, dass ich mich verlaufen hatte. Es war inzwischen spät in der Nacht und es zog bereits wieder Nebel auf. Um mich herum konnte ich kaum etwas erkennen, um mich herum nichts als vertrocknetes Gras und Steine. Seltsam dabei war das Gras heute morgen noch grün gewesen.
Auf einmal sah ich vor mir wieder die Vogelscheuche, ich sah sie ganz klar, es war nichts als ein Skelett bestehend aus Brustkorb, Armen und einem Schädel der restliche Körper fehlte. Ich war starr vor Schreck und konnte meinen Blick nicht von ihr nehmen. Während ich so gebannt vor ihr stand drehte sie langsam ihren Schädel zu mir und ich hörte in meinem Inneren einen grässlichen Schrei. Das war der Moment indem ich los rannte. Ich rannte und rannte, wich dabei immer wieder neuen Vogelscheuchen aus, die in meinem Weg erschienen. Hunderte verschiedene Gestalten die mich anstarrten und in mir diesen klagenden Schrei erklingen ließen. Manche erkannte ich wieder, meinen Bruder den ich betrogen hatte, eine alte Freundin die ich sehr verletzt hatte und noch unzählige andere unliebsame Erinnerungen. Immer wieder waren auch Wesen dabei die ich nicht kannte, die aber denselben Schrei in mir erzeugten. Waren sie meine Zukunft? Waren sie vergessene Erinnerungen? Ich wollte es gar nicht wissen.
Ich hörte nicht auf zu rennen, ich wusste nicht einmal in welche Richtung ich rannte, aber ich musste einfach weg von dort, weg von meiner Vergangenheit. Um mich herum nichts als bloße Nacht, karges Feld und die Gestalten die mich verfolgten.
Nach einer gefühlten Ewigkeit konnte ich endlich aufhören zu rennen, denn meine Verfolger ließen mich in Ruhe. Ich sank vor Erschöpfung nieder und endlich überkam mich der Schlaf. Jedoch war mir dieser nicht allzu lange vergönnt, in meinen Träumen verfolgten mich die Vogelscheuchen weiter, nur dass sie dieses mal Stimmen hatten. "Warum hast du mir nicht geholfen?" "Du bist Schuld!" "Du hättest mich retten können", all dies schallte durch meinen Kopf bis ich schweißgebadet erwachte. Es war inzwischen wieder morgen geworden und als ich mit schmerzendem Körper aufstand erkannte ich wo ich war. Es war der Hügel an dem ich den Morgen zuvor das erste Mal die Gestalt im Nebel sah. Vor innerer Angst schon wieder zitternd sah ich hinab in das Tal und dort war sie wieder. Der Brustkorb - bloßes Gerippe. Die Arme seltsam verdreht und auf dem Totenschädel ein Zylinder. Dieser Hut ließ mich stutzen, das war anders als die Nacht zuvor und irgendwie kam er mir auch bekannt vor. Ich fasste all meinen Mut zusammen und ging hinab ins Tal. Als ich mich der Gestalt näherte schwand der Nebel und ich konnte mehr erkennen. Es waren noch Haare an dem Schädel, und am Körper hingen noch Fetzen von Klamotten herab, auch wenn mich der Anblick schaudern ließ, so fühlte er sich doch vertraut an. Meine Schritte beschleunigten sich, konnte es sein? Waren da nicht auf einmal Beine? War es möglich? Ist es doch mehr als ein Skelett? Es war doch Jahre her.
Und als ich an der vermeintlichen Vogelscheuche ankam, sah ich sie. Die Frau die ich vor Jahren begehrte. Der Zylinder den ich erkannt hatte war von ihr selbst gemacht, sie war die Hutmacherin im Dorf gewesen. Ich hatte mich nie getraut sie anzusprechen, obwohl ich seit Jahren Gefühle für sie hegte und eines Tages zog sie fort.
Nun lag sie dort am Boden, die Vogelscheuche war verschwunden. Nur sie lag da, zuerst freute ich mich sie wieder zu sehen, doch dann hörte ich im Inneren meines Herzens ihre Stimme: "Warum warst du nicht da?". Bei diesen Worten erkannte ich, dass ich sie gestern schon gesehen hatte. Und ich gesehen hatte, dass sie meine Hilfe benötigt hätte. Doch jetzt war es zu spät. So sank ich an ihrer Leiche hernieder und begann zu weinen. Stunde um Stunde, bis hinter mir eine Vogelscheuche stand und ich erkannte - nun war auch mein Leben zu seinem Ende gekommen.

 

Hallo @Christophe Scheu,

Erst einmal herzlich willkommen hier im Forum. Ich steige gleich mal mit ein paar Anmerkungen zur Geschichte ein.

Meine Sinne müssen mir einen Streich gespielt haben
Eigentlich selbsterklärend.
Ich traute meinen Augen kaum, so viele verschiedene Gestalten sah ich dort.
Finde ich unschön gelöst. Sowas sollte man eigentlich nur wenn absolut notwendig oder wenn es unwichtig ist so darstellen. Ansonsten es dem Leser lieber „zeigen“.
Was war das für eine Erscheinung? War es nur eine Einbildung meines einsamen Verstandes? Wurde ich langsam verrückt?
Zu viele Fragen und wiederholen sich teilweise im Text. Von mir aus kannst du die ganze Passage streichen.


Warm geworden bin ich mit der Geschichte nicht, was primär daran liegt, dass es stilistisch nicht sonderlich schön geschrieben ist. Idee und Handlungsort haben durchaus Potential.

Gruß,
Henrik

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo lieber @Christophe Scheu

Erstmal herzlich willkommen. Ich finde die Idee gut. Ein Mann begegnet seiner Schuld in Form einer Vogelscheuche, obwohl ich nicht vollkommen die Symbolik hinter der Vogelscheuche ganz verstehe ("wieso nicht etwa einfach ein Schattenwesen?"ist eine Frage, die ich mir stelle).
Jedoch muss solch ein Text sehr subjektiv geschrieben werden. Was ich damit meine ist das hier: die Anschauungen des Erzählers sollten in den Text so einfließen, dass es eigentlich gar nicht möglich ist, ihn da raus zu nehmen. Hier habe ich aber nicht das Gefühl. Das liegt im Großen und Ganzen am Schreibstil sowie an der Präsentation. Das fängt für mich schon bei den ersten Sätzen an:

An einem nebelverhangenen Tag beschloss ich morgens spazieren zu gehen. Ich verließ meine Wohnung und machte mich auf den Weg. Es führte mich wie immer aus dem Dorf hinaus in die Hügel und während ich so meines Weges zog, stand ich irgendwann über dem Nebelmeer und ließ meinen Blick wandern.

Ich weiß nicht genau, wie ich es beschreiben sollte, aber es ist so, als ob ich einen Bericht lesen würde. Schon hier habe ich mich selbst dabei beobachtet, wie ich Passagen überflogen habe, um schneller voranzukommen. Dein Erzähler wirkt teilweise zu distanziert, zu objektiv. Er redet über die Geschehnisse so, als ob er einfach ein dritter Beobachter wäre, nicht als ob er das hautnah erlebt hat.
Dies ist auch ein Problem, welches besonders bei dem Ding mit der Hutmacherin vorkommt:

Und als ich an der vermeintlichen Vogelscheuche ankam, sah ich sie. Die Frau die ich vor Jahren begehrte. Der Zylinder den ich erkannt hatte war von ihr selbst gemacht, sie war die Hutmacherin im Dorf gewesen. Ich hatte mich nie getraut sie anzusprechen, obwohl ich seit Jahren Gefühle für sie hegte und eines Tages zog sie fort.

Er erzählt das zwar, aber er fühlt es nicht, zumindest habe ich nicht das Gefühl, dass er es tut. Er meint, er würde Gefühle für sie haben, aber ich habe das nie gesehen. Vielleicht könnte man eine Flashback-Szene einbauen, wo eben das gezeigt wird: seine Gefühle für sie, und wie er konkret zu ihr stand.

Nun lag sie dort am Boden, die Vogelscheuche war verschwunden. Nur sie lag da, zuerst freute ich mich sie wieder zu sehen, doch dann hörte ich im Inneren meines Herzens ihre Stimme: "Warum warst du nicht da?". Bei diesen Worten erkannte ich, dass ich sie gestern schon gesehen hatte. Und ich gesehen hatte, dass sie meine Hilfe benötigt hätte. Doch jetzt war es zu spät. So sank ich an ihrer Leiche hernieder und begann zu weinen. Stunde um Stunde, bis hinter mir eine Vogelscheuche stand und ich erkannte - nun war auch mein Leben zu seinem Ende gekommen.

Das Ende kann funktionieren, aber in dieser Form hat es etwas von Goosebumps. Das kommt etwas unbeholfen und plötzlich und wirkt daher etwas, naja, nicht sonderlich überzeugend.

Ich hoffe, dass hat dir gefallen. Hoffe auch, dass das dich hier nicht zu sehr niederdrückt.

Viele Grüße, Akht

 

Hey @Christophe Scheu
ich bin noch ganz neu hier und kenn mich noch nicht so mit den Kritiken aus aber ich versuche es einfach mal ;)
Ich finde deine Geschichte wirklich gut und hab sie gerne und gespannt gelesen. Vor allem gefällt mir deine Ausdrucksweise!

Nun lag sie dort am Boden, die Vogelscheuche war verschwunden. Nur sie lag da, zuerst freute ich mich sie wieder zu sehen, doch dann hörte ich im Inneren meines Herzens ihre Stimme: "Warum warst du nicht da?". Bei diesen Worten erkannte ich, dass ich sie gestern schon gesehen hatte. Und ich gesehen hatte, dass sie meine Hilfe benötigt hätte. Doch jetzt war es zu spät. So sank ich an ihrer Leiche hernieder und begann zu weinen. Stunde um Stunde, bis hinter mir eine Vogelscheuche stand und ich erkannte - nun war auch mein Leben zu seinem Ende gekommen.
Bei dem Ende würde ich persönlich noch etwas länger und genauer schreiben da es für mich etwas unklar und ungenau war.
Gruß Julie :)

 

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