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Dieser verdammte Krieg

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01.01.2005
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Dieser verdammte Krieg

Dieser verdammte Krieg


Fritz blickte von seinen staubigen Stiefeln auf und ließ seinen Blick über die Wüste schweifen. Er nahm einen großen Schluck aus seinem Cognacschwenker und beobachtete dabei eine Herde Kamele, die am Horizont vor der untergehenden Sonne vorbeizog. Der junge Mann behielt die weiche Flüssigkeit noch eine Weile im Mund und genoss anschließend das warme Gefühl in der Kehle, dass der Weinbrand nach dem Schlucken hinterließ. Er stellte das Glas neben der Karaffe auf dem kleinen Mahagoni-Klapptisch ab und schaltete den Volksempfänger ein, der auf dem Boden stand. Fritz zog genüsslich an seiner Zigarre, schloss die Augen und sang leise mit. „Vor der Kaserne, vor dem großen Tor….“

Es war Ostern 1942 und als einen der besten Fotografen des Reiches hatte das Propagandaministerium ihn für einen Monat nach Tunesien geschickt. Hier, nur wenige Kilometer vor Tunis, sollte er eine Fotoreportage über Generalfeldmarschall Rommels Erfolge während des Afrikafeldzuges machen. Fritz war gegen den Krieg. Aber das Fotografieren war nun mal sein Beruf. Und auch in solchen Zeiten musste er seinem Handwerk nachgehen. Zudem war es ihm lieber als Berufsfotograf statt als Soldat in den Krieg zu ziehen. Er verabscheute jegliche Form von Gewalt und hätte ohnehin niemals einen Menschen töten können. Zudem hatte er in seiner Funktion hier einige Privilegien, wie zum Beispiel sein eigenes Zelt abseits der Truppe. Trotzdem hoffte Fritz, dass Hitler den Krieg endlich gewann und in Deutschland wieder Ruhe einkehrte.
Vor zwei Tagen hatte er seine Arbeit hier beendet. Am Vortag kam ein Telegramm aus Berlin. Goebbels hatte den jungen Fotografen zu seiner hervorragenden Arbeit beglückwünscht und ihm noch zwei Tage Freizeit mit nur allen erdenklichen Annehmlichkeiten versprochen. Fritz hatte sich zunächst ein wenig in Tunis umgesehen, wegen der großen Hitze in der Stadt aber auf weitere Unternehmungen verzichtet. Noch war die Versorgungslage des Afrika-Corps gut. So hatte er sich anschließend eine Flasche Weinbrand, Zigarren und den Volksempfänger besorgen lassen um es sich schließlich in seinem Quartier bis zu seiner Abreise gut gehen zu lassen.

„...wie einst Lili Marleen….“ Während Fritz mitsang, dachte er sehnsüchtig an Lieselotte, seine Verlobte. Sie war im fernen Lübeck zurückgeblieben. Fritz zog ein Foto seiner Geliebten aus der Hemdtasche und gab dem hübschen Mädchen auf dem Bild einen Kuss. Lieselotte war schwanger und sie wollten gleich nach seiner Rückkehr heiraten. Auf dem Foto war schon ein leichter Bauchansatz zu erkennen und Fritz fragte sich, wie groß ihr Bauch bei seiner Heimkehr sein würde.

Plötzlich riss das Motorengeräusch eines heranfahrenden Geländewagens ihn aus seinen Gedanken. Das Fahrzeug stoppte in einer großen Staubwolke. Ein junger Soldat aus Rommels Afrikakorps sprang vom Fahrersitz und kam eilig zu Fritz herüber.
„Heil Hitler!“, grüßte der Soldat eifrig. Fritz erwiderte den Gruß nicht, sondern nickte nur und sah den Mann fragend an. Dieser fuhr ein wenig irritiert fort: „Der Generalfeldmarschall lässt Ihnen mitteilen, dass sie noch morgen Vormittag mit der Ju52 nach Sizilien ausgeflogen werden. Von dort aus geht es mit dem Zug zurück in die Heimat.“ Fritz bedankte sich für die Information und der Soldat verschwand genau so plötzlich, wie er gekommen war.
„Dieser verdammte Krieg.“ murmelte Fritz. Es schauderte ihm bei dem Gedanken ans Fliegen. Es war laut und unbequem in der großen Maschine und auf dem Hinflug war ihm speiübel geworden, als er nur kurz aus dem Fenster sah.
Schnell schenkte er sich noch einen Cognac nach und spülte die unangenehmen Gedanken mit einem großen Schluck runter. Erst als die Sonne am Horizont versunken war, ging er in sein Zelt und legte sich schlafen.

In der Nacht hatte Fritz einen Albtraum. Lieselotte stand vor seinem Bett. Liebevoll lächelte sie ihren Verlobten an. Sie deutete auf ihren Bauch und strich mit kreisenden Bewegungen mit ihrer Hand darüber. Schließlich beugte sie sich zärtlich zu Fritz herab und gab ihm einen Kuss. Plötzlich erstarrte das Lächeln der hübschen Frau. Nackte Angst spiegelte sich in ihren Augen wider. Ein gewaltiges Dröhnen erfüllte den Raum gefolgt von einem lauten Knall, der dem jungen Mann fast das Trommelfell platzen ließ. Fritz hörte Menschen schreien. Es roch plötzlich nach verbranntem Fleisch. Panisch sah Lieselotte immer wieder nach oben. Staub und Schutt fielen auf ihren Kopf herab. Mit schmerzverzerrtem Gesicht rief sie ihrem Geliebten etwas zu, aber sie kam gegen den Lärm nicht an. Tränen flossen über ihr hübsches Gesicht. Fritz versuchte krampfhaft ihr die Worte von den Lippen abzulesen. „..Angriff…Feuer…für immer beisammen…ich liebe dich…“ dann verschwand das Gesicht seiner Verlobten hinter einem Schleier aus Rauch und Staub.
Schweißgebadet schreckte Fritz aus dem Schlaf auf und blieb verstört eine Weile aufrecht im Bett sitzen. Der Geruch von verbranntem Fleisch schien immer noch in der Luft zu hängen. Fritz spürte wie sich sein Magen zusammenzog und er musste gegen einen aufkommenden Brechreiz ankämpfen. Er stand auf, wusch sich kalt durch sein Gesicht und trat vor das Zelt. Tief atmete er die frische, kühle Nachtluft ein.
Der klare Sternenhimmel über Afrika war das letzte, was der junge Mann sah. Die Kugeln der britischen Stukas, die über Rommels Lager hinwegfegten, trafen ihn tödlich in der Brust.

Lübeck 1952
Der Bauleiter zog andächtig seinen Helm als die Männer vom Bestattungsinstitut mit der Trage vorüberzogen. „Sie haben die Leiche also bei den Abrissarbeiten in dem Keller entdeckt?“, fragte ein Kripobeamter im grauen Trenchcoat den vor Schreck immer noch blassen Mann. „Ja, wir wollten die hintere Wand des Kohlenkellers herausbrechen, da saß sie in der Ecke. Ich habe mich zu Tode erschreckt. Ich wusste gar nicht, dass das hier ein Luftschutzkeller war.“ „Ich auch nicht.“, gab der Kripobeamte zu und fuhr fort: „Sie muss bei dem Luftangriff auf die Altstadt am Palmsonntag 1942 umgekommen sein. Der hintere Teil des Kellers war eingestürzt. Ihr Körper war von der Luft abgeschnitten und ist dadurch mumifiziert. Sie war schwanger.“ „Wissen Sie, wer es ist?“, fragte der Bauleiter und setze seinen Helm wieder auf. „Keine Ahnung, aber sie hatte das hier fest umklammert.“ Der Kripobeamte zeigte dem Bauleiter die vergilbte Fotografie eines jungen Mannes. Auf der Rückseite stand in verblasster Schrift:“ Wir sehen uns bald wieder. In ewiger Liebe, Dein Fritz.“
„Dieser verdammte Krieg.“, murmelte der Bauleiter, während er dem Beamten kopfschüttelnd das Bild zurückgab und wieder an seine Arbeit ging.

 

Tachi Hermelin,

erst mal :thumbsup: wirklich eine gute Geschichte an der wirklich alles gestimmt hat. Habe zum Inhalt keine Verbesserungsvorschläge.

Ein kleiner Fehler ist mir aufgefallen.

In der Nacht hatte Fritz einen Albtraum.
Alptraum

Schönen Gruß
Thor

 
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Hallo Hermelin!

Also ich bin mir nicht sicher, ob an Deiner Geschichte wirklich so alles stimmt, wie Thor meint. Rommel wurde schon viel früher abgelöst, wodurch eine Berichterstattung über seine Erfolge wohl nicht mehr möglich war.
Auch, so erfahre ich auf dieser Seite, war der Afrikafeldzug zum Zeitpunkt Deiner Geschichte bereits zu Ende:

Mit der Kapitulation der zur Heeresgruppe Afrika formierten deutsch-italienischen Verbände unter Rommels Nachfolger Generaloberst Hans-Jürgen von Arnim (1889-1962) bei Tunis endete am 13. Mai 1943 der Afrikafeldzug.

Und daß Dein Protagonist tatsächlich Weinbrand und Zigarren zur Verfügung hatte, bezweifle ich gefühlsmäßig auch mal, war doch die Versorgung dort nicht besonders gut...

Wähle also vielleicht einen anderen Zeitpunkt, sodaß das paßt. ;)

Die Geschichte das Protagonisten in Zusammenhang mit seiner Verlobten, dem Traum, und wie sie wiedergefunden wird, gefällt mir jedoch ganz gut, auch, obwohl das schon ein bisschen kitschig wirkt. ;)

Liebe Grüße,
Susi :)

PS.:

In der Nacht hatte Fritz einen Albtraum.
Alptraum
Es ist beides richtig. ;)

 

:hmm: Du sprichst wohl nicht mit jedem? Zum Beispiel nur mit denen, die Dich ausschließlich loben? - Das ist nicht der Sinn von kg.de.

 

Hallo Häferl,

ich bedanke mich grundsätzlich nur bei positiven Kritiken.
Natürlich nicht! Hatte bloß noch keine Zeit mich mit dem Link zu befassen.
Gegebenenfalls werde ich die Zeiträume korrigieren.

 

Hallo !

Habe die Geschichte jetzt überarbeitet.
Die Daten dürften nun passen.
Gruß
Christian

 

Hallo, Hermelin,

eine Sache ist mir aufgestoßen:

Der Generalfeldmarschall lässt Ihnen mitteilen, dass sie noch morgen Vormittag mit der Ju52 nach Sizilien ausgeflogen werden. Von dort aus geht es mit dem Zug zurück in die Heimat.
Von einer Insel aus mit dem Zug in die Heimat? Böser Patzer.
Auch, daß ein einfacher Soldat den Protagonisten mit "Heil Hitler" grüßt, hätte ich in der Reichshauptstadt vioelleicht noch für authentisch gehalten, jedoch weniger an der Front.
Gut gefiel mir die Idee mit der Leiche, die lange nach Kriegsende gefunden wird und damit verdeutlicht, dass auch lange nach Einstellung der Kampfhandlungen der zweite Weltkrieg in vielerlei Hinsicht immer noch im Alltag der Menschen eine Rolle spielt.

Viele Grüße

Thro Fergat

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Leute

Also, ich bin sehr begeistert von Rommel (vor allem von seinen Taktiken), habe alle seine Schlachten gelesen und kenne mich auch in der Geschichte des 2. Weltkrieges aus.
Ich bin noch nicht so lange dabei, daher weiß ich nicht, wie es mit der Geschichte vorher war, aber es sind immer mal wieder Flugzeuge durchgekommen und haben Nahrung oder Eiserne Kreuze gebracht.
Auch war die versorgung der Truppen schon ab anfang 42 schlecht. Daher würde das keinen Unterschied machen, wenn man den zeitpunkt auf später verlegt. natürlich darf der Afrikafeldzug nicht beendet sein, aber anfang 43 würde auch gehen, zumal britische Bomber sofrüh Anfang/mitte 42 noch nicht oft zu den Deutschen gekommen sind, da die immer noch gute Flak und Jagflugzeuge hatten.

Außerdem war es ab 42 üblich, mit dem "Heil Hitler" zu grüßen.- Selbst der Seemannsgruß(an die Mütze tippen mit der flachen Hand) wurde abgelöst.

Das vorweg. Ich hoffe ihr haltet mich jetzt nicht für irgendeinen Spinner

Die Geschichte selbst ist sehr spannend und interessant geschrieben, gefällt mir gut.
Aber hatten die Deutschen während WWII Cognac?

Rey

 

Hallo Thro Fergat!

Oh man, das ist wirklich ein Patzer!!! Danke für den Hinweis.
Habe auch mittlerweile erfahren, dass die britischen Tiefflieger nicht "Stukas" sondern "Jabos" genannt wurden. Der Hitlergruß war absolut geläufig. Selbst Privatleute haben sich zu dieser Zeit so begrüßt.

Gruß
Hermelin

 

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