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Diktiergerät

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07.07.2015
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Diktiergerät

Sie redet viel. Sie redet sogar so viel, dass ich mich frage, ob sie im Sommer gelegentlich Sonnenbrand auf der Zunge bekommt. Die meiste Zeit erzählt sie und ich warte schon lange auf den – für mich – triumphalen Tag, an dem sie in die Verlegenheit gerät, erzählen zu müssen, wie sie etwas erzählt hat. Ich frage mich ernsthaft, warum dieser Tag einfach nicht kommen will, denn in der Zeit, in der sie erzählt, kann sie ja nichts anderes erleben, als sich selbst reden zu hören. Vor allem deshalb, weil sie nicht zu und schon gar nicht mit Menschen redet, sondern eher auf sie drauf. Wer immer sich gerade in ihrem Umfeld befindet, wird zu ihrem lebendigen Diktiergerät. Bereitwillig nimmt man alles auf, was sie sagt und auf Wunsch (Sätze wie: „Hab ich dir schon erzählt...“) spielt man das Gesagte wieder ab.

Wir sitzen uns also gegenüber, sie redet und das Ganze (natürlich!) in ihrem Lieblings-Cafe, das um diese Zeit am späten Nachmittag vollgestopft ist wie ein Thanksgiving-Truthahn. Trotzdem ist es ihr gelungen einen Zweier-Tisch zu ergattern. Es gelingt ihr immer, selbst dann, wenn ich ein Cafe oder eine Kneipe für zu voll halte, um auch nur einen einigermaßen bequemen Stehplatz zu bekommen. Sie bekommt einen Tisch. Sie muss mit dem dubiosen Mächten höhrer Gewalt Bunde stehen. Gerade erzählt sie, wie sie mit Lisa (keine Ahnung, wer das sein soll) zusammen ein Museum besucht hat und schildert so wortreich und niederschmetternd die künstlerische Mangelhaftigkeit einer Skulptur, dass Reich-Ranicki in seinem Grab jetzt bestimmt die „Ode an die Freude“ trällert. Es handle sich dabei um eine Skulptur, die laufend ihre Form verändere. Zwar sehr langsam, aber wenn man am nächsten Tag wieder ins Museum käme, sähe man eine völlig andere Skulptur. „Wie kann man eine Skulptur schön finden, wenn sie sich ständig verändert?“, fragt sie und natürlich ist es eine rhetorische Frage. Ich denke mir, dass man gerade die Vielfalt und die Veränderung an der Skulptur schön finden kann. Ich fühle mich dieser Skulptur auf unbestimmte Weise ähnlich, sage aber nichts davon und begnüge mich damit, mir vorzunehmen, gleich morgen ebenfalls die Ausstellung zu besuchen.

Ich sehe sie durchdringend und nachdenklich an. Die meisten Menschen mögen es nicht, wenn man das tut, sie halten inne und fragen, was das soll. Sie bemerkt es nicht einmal und quatscht munter weiter. Dieses nicht zu bändigende Reden ist ihre hervorstechendste Eigenschaft und eigentlich eine, die ich abgrundtief verabscheue. Sie nimmt mich, glaube ich, gar nicht als einen Menschen wahr, der eigene Gefühle und Gedanken hat, Dinge die ihn bewegen, sondern halt bloß als ihr Diktiergerät. Aber nichtsdestoweniger bewundere ich die Fähigkeit, die dieser Laberei zu Grunde liegt. Die Fähigkeit einfach drauf los zu reden, sich keine Gedanken darüber zu machen, ob es den anderen auch nur ansatzweise interessiert, was man da gerade erzählt. Ich habe diese Fähigkeit nicht und hätte sie doch so gerne und ich glaube, das ist der Grund, warum ich mich immer noch mit ihr treffe.

Ich merke, wie meine Gedanken abschweifen und ich kein Wort mehr mitbekomme. Ich ärgere mich etwas darüber, da ich mich eigentlich für einen guten Zuhörer halte. „Hörst du mir auch zu?“ fragt sie gerade; ehrlicherweise (und auch zu Versuchszwecken) schüttel ich den Kopf. „Gut“, sagt sie und redet weiter. Ich schaue aus dem Fenster. Es regnet und Leute hasten mit hoch gezogenen Schultern vorüber, bestrebt diesem kalten Nass zu entkommen. Mit Ausnahme eines kleinen Jungen und eines sehr alten Mannes, die in aller Seelenruhe und mit augenscheinlichem Genuss durch die Ergüsse des Himmels spazieren. Sie reden miteinander und da ich gut im Lippenlesen bin, klammer ich das sinnlose Geschwafel von gegenüber aus und widme mich dem Gespräch der beiden. „Warum regnet es eigentlich so viel?“ fragt der Junge gerade, der etwa neun Jahre alt sein muss. „Weil das Leben ein offener Zylinder ist.“ antwortet der Alte. „Ständig regnet es hinein und an der Unterseite des Lebens wachsen dann Muscheln und Algen.“ Der Junge nickt, als wäre das die plausibelste Erklärung, die er sich vorstellen kann. Ich dagegen kann in den Worten keinen Sinn finden. „Und was ist mit den Seitwänden?“ fragt der Junge weiter. „Mit was für Seitenwänden?“ „Wenn das Leben ein Zylinder ist, dann muss es doch neben der Unterseite auch Seitenwände geben, oder?“ „Achso, das meinst du. Ja, du hast recht. Aber wie die Seitenwände aussehen, das weiß ich nicht. Ich vermute aber, es hängt davon ab, in welche Richtung die Berge wachsen.“ Was der Junge darauf antwortet, kann ich nicht sehen, da sie inzwischen aus meinem Blickfeld gelaufen sind.

Das Gespräch ergibt keinen Sinn. Beinahe als hätten die beiden in einer anderen Sprache geredet. Plötzlich habe ich das starke Bedürfnis, ihr das zu erzählen. Ich unterbreche sie grob, was sonst gar nicht meine Art ist. Sie guckt mich so verdutzt an, als wäre ich ein schwarz-gelb gestreifter Flamingo mit Sprachfehler oder so etwas. Ich nutze ihre Verwirrung, um ihr das Gespräch wiederzugeben, das ich soeben „belauscht“ habe. Zu meiner Verwunderung zuckt sie nicht etwa mit den Achseln und tut es als seniles Geschwätz eines Demenzkranken ab, sondern runzelt die Stirn und schielt nach rechts oben, was sie immer tut, wenn sie angestrengt versucht, sich an etwas zu erinnern. „Das kommt mir so bekannt vor...“, sagt sie. „Ich bin mir sicher, dass ich die Worte schonmal gehört oder gelesen habe.“ Nun bin ich es, der verdutzt aus der Wäsche schaut. Sicher, die Worte des Alten haben mich auf unverständliche Weise bewegt und - oder gerade deshalb - habe ich fest mit einer kränkenden Reaktion ihrerseits gerechnet, aber diese Wendung der Ereignisse habe ich nicht vorhergesehen.
„Aber natürlich es ist ein Gedicht. Japanisch oder chinesisch, glaube ich:
Das Leben ist ein Zylinder
Ständig regnet's hinein.
Die Unterseit' ein Schiffsrumpf
Voll Muscheln und Algen.
Die Seitenränder wachsen
In die selbe Richtung
Wie die Berge.“
Sie blickt mich triumphierend an, ich verstehe die Welt nicht mehr. Ich wäre nicht im Traum darauf gekommen, dass sie liest und wer so etwas kennt, liest vermutlich viel. Ich überspiele meine Unsicherheit, in dem ich sie frage, was zur Hölle das bedeuten soll. „Ich habe nicht die geringste Ahnung.“, gibt sie offen und ohne Scheu zu. „Ich vermute es gehört zu dieser Art von Gedichten, die einen intuitiv anspricht. Man versteht worum es geht und kann es doch nicht greifen.“. Meine Verwirrung steigt ins Unermessliche. Wie habe ich mich so in ihr täuschen können? Es ist kaum zu glauben, aber aus diesem scheinbar sinnlosen Gespräch zwischen dem Alten und dem Jungen entwickelt sich ein so sinnvolles und gutes Gespräch mit ihr. Wir reden tatsächlich miteinander, ich bin ein Teil ihres Erlebens und erlöst von der Rolle des Diktiergeräts.

Heimlich trete ich mir heftig selbst auf den Fuß, um sicher zu gehen, dass ich nicht in einen wunderbaren Traum gefallen bin. Leider wirkt das. Ich erwache und finde mich in diesem stickigen Raum wieder. Und als sei die Luft nicht schwer genug, lastet auch ihre unerbittliche Rede auf meinen Schultern. Draußen scheint die Sonne und weit und breit ist nirgendwo ein Junge oder ein alter Mann zu sehen.

Ich seufze. Das war nicht gut durchdacht. Denn sie bemerkt es und hält inne. „Was hast du?“ fragt sie. Ich ringe mit mir selbst. Einmal meine Gewohnheit aus dem Fenster werfen (und Mark Twain damit lügen strafen), über meinen Schatten springen. Halb formen meine Lippen schon das für solche Situationen übliche Wort „nichts“; halb habe ich mich schon darauf eingestellt, dass sie „gut“ sagt und weiter erzählt; beinahe finde ich mich wieder mit der Rolle als Diktiergerät ab. Aber schließlich springt der Pfeil von der Sehne des überspannten Bogens. Ich kann ihn nicht mehr halten. All die ungsagten Worte drängen mit unbändiger Gewalt Richtung Ausgang. Wie beim Mauerfall; die Wärter sind machtlos und die Mauer fällt. Ich erzähle, am Anfang hastig, wirr, immer wieder über meine eigenen Sätze stolpernd, sprudelnd und tosend prasselt es auf sie ein. Später ruhiger und sortiert. Und sie? Sie sitzt da und hört zu. Aufmerksam und interessiert. Hin und wieder stellt sie Fragen, gute Fragen, solche, die einem zeigen, dass der andere mit aller Achtsamkeit den eigenen Worten folgt. Irgendwann ist der Strom versiegt. Ich habe keine Ahnung, wie lange ich geredet habe. Jetzt sitzt sie mir gegenüber und schweigt eine betroffene Stille. „Ich hatte ja keine Ahnung“, sagt sie schließlich „Es tut mir so leid.“ Und ich verzeihe ihr.

Diese Kartharsis hat mich angestrengt. Ich fühle mich so schlaff wie... Aber ich habe die Mauern eingerissen; die Mauern, die ich selbst einst errichtet habe. Und schon morgen werden die Trümmer unter Denkmalschutz stehen und ein Mahnmal für die Zukunft sein. Der Anfang ist gemacht. Ich habe endlich das Krabbeln gelernt und schon bald werde ich gehen und rennen können. Und wer weiß; vielleicht ja auch mit ihr an meiner Seite.

 
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Hallo Arete,

eigentlich eine schöne Geschichte, die aber durch die unnötigen Zeilenumbrüche und zahlreiche Fehler schwer zu lesen ist.

Hat der Prot die Mauern errichtet, weil er sein Gegenüber immer hat reden lassen und sie nicht mal unterbrochen hat?

Ich habe diese Fähigkeit (einfach drauflos zu reden) nicht und hätte sie doch so gerne
Am Ende schafft der Prot ja den Absprung. Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen: Gegenanreden kann helfen.

Einige Fehler, die mir aufgefallen sind:

Thanksgiving-Truthahn
aber
Reich-Ranicki
Du solltest auf jeden Fall ungewöhnliche Begriffe recherchieren, denn das sind Flüchtigkeitsfehler, die negativ ankommen.
rhetorische Frage
- vielleicht mal einen Duden kaufen, oder wenigstens online nachschlagen.
und auch zu Versuchszwecken
Dann kommt einer der vielen irritierenden Absätze.
Beinahe[Komma] als hätten
das starke Bedürfnis[Komma] ihr das zu erzählen.
ein schwarz-gelb gestreifter Flamingo mit Sprachfehler
:thumbsup:
nicht vorhergesehen.[Absatz}„Aber natürlich es ist ein Gedicht. [Kein Absatz]
Japanisch oder chinesisch, glaube ich:
Die Seitenränder wachsen
Gedichten, die einen intuitiv ansprechen.
und kann es doch nicht greifen.“.{Punkt weg - Absatz} Meine Verwirrung steigt ins Unermessliche.
Hoffentlich kommt jetzt nicht noch etwas Überraschendes - denn dann müsste unermesslich gesteigert werden. Anders gesagt. Solche "absoluten" Begriffe würde ich vermeiden.
Karthesis
Wahrscheinlich meinst Du Katharsis ?

Liebe Grüße

Jobär

 

Hallo jobär!

Danke für deinen Kommentar. Diese vielen und völlig unnötigen Fehler sind mir wirklich peinlich. Ich habe sie inzwischen korrigiert.
Für gewöhnlich bin ich relativ firm, was Rechtschreibung und Kommasetzung angeht. Was hier passiert ist, weiß ich beim besten Willen nicht.

Liebe Grüße
Arete

 

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