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Don der Drohnenreiter

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14.10.2021
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Don der Drohnenreiter

Dons Vater hieß Bob Jr, dessen Vater Bob Sr, dessen Vater Bob Jr und so weiter, was bei jeder ungeraden Generation verwirrte Blicke hervorrief. Der alte Bob Jr mit dem kleinen Bob Sr, komisch, aber man gewöhnt sich dran. Die Linie der Bobs war großgewachsen. Der Stammbaum und die Individuen. Schlaksige Männer mit großen Mündern und fahrigen Bewegungen. Man konnte nur lachen, wenn man einen Bob die Straße herunterschlackern sah. Allein bei der Arbeit wirkten sie am Platz. 1942-45 waren ihre besten Jahre. Seitdem waren sie zwar noch viel unterwegs, aber eher als Teil eines ganzen, nicht als Solo-Acts.
Don der Drohnenreiter, oder Don Dronerider, wie Bob Jr den brüllenden Fleischzwerg taufte, war zwar auch schlaksig, aber seine Bewegungen, das fiel schon kurz nach seiner Geburt auf, waren viel besonnener. Nichts tat er ohne ein Ziel und nie tat er mehr als nötig war, um dieses Ziel zu erreichen. So ein Naturell birgt Gefahren. Man kann sich die Ziele zu niedrig stecken und in einem stickigen Büro an einem kleinen Schreibtisch enden. Aber als Don das Krankenhauslicht der Welt erblickte, wusste er längst, wer er werden würde. Er schrieb gute Noten, erbrachte Top-Leistungen im Football, Baseball und Ringen. “Don Dronerider”, sagte man, “ist eine verdammte Maschine!”
Nach dem College wurde die Regierung auf Don aufmerksam. Sie schlugen ihm vor, in die großen Fußstapfen der Bob Jrs und Srs zu treten. Don musste nicht nachdenken. Er sagte “Ja”.
Als Don aus Pakistan zurückkehrte, wusste er nicht so recht etwas mit sich anzufangen. Keiner der Bobs war jemals von einem Job zurückgekommen. Das hier waren andere Zeiten. “Gut gemacht, Don”, sagten Männer in blauen Anzügen. Sie hatten Broschen in Form von Flaggen und Waffen und Tieren. Don bekam eine eigene. Sie war ein kleiner Adler mit ausgebreiteten Schwingen und offenem Schnabel. Er schien zu schreien. Don formte mit den Lippen so gut es ging einen Schnabel und schrie. Ganz wie ein Adler fühlte er sich trotzdem nicht.
Der nächste Flug ging wieder nach Pakistan. Man stellte Don einen Tritt mit drei Stufen hin und er kletterte auf die Drohne. Sie hatte einen langen dünnen Hals, einen dicken Kopf und schmale Flügel. Irgendwie sah sie aus, wie ein Spielzeug, fand Don. Natürlich wusste er, dass sie keins war. Aber wenn man sie zum ersten Mal sähe …
Er drückte die Schenkel in die weißen Flanken der Drohne und gab ihr einen Klaps auf den Kopf. Schon ging es los. Bei den Bobs war es Tradition gewesen, während der Arbeit immer einen Cowboyhut zu tragen. Das konnte man sich auf einer Drohne aber nicht leisten. Er wäre abgeflogen. Trotzdem schwenkte Don den Arm, wie ein Rodeoreiter, wenn er sein Ziel erreichte. Immerhin.
Ein paar struppige Pflanzen drücken sich durch Risse im Geröll nur um dann in der Sonne zu vertrocknen. Obwohl der Flugwind die Hitze etwas abmilderte, schwitzte Don wie ein verdammtes Rindvieh. “Goddamn!”, rief er und gab der Drohne wieder einen Klaps. Unter ihnen verschmolzen Flüsse, Seen, Straßen und Dörfer mit der Wüste. Die Geschwindigkeit machte alles dem Boden gleich.
Das Ziel war ein Benzintransport. Schon aus einigen Kilometern Entfernung sah Don den dicken Körper des Tankwagens. Er zog einen langen Schwanz aus SUV und Geländewagen hinter sich her. Die Männer in den Autos und auf den Dächern sah Don nur als grellweiße Flecken. Sie leuchteten wie kleine heiße Flammen. “Brrr!”, sagte er der Drohne und zog sie am Hals. Dann zeigte er auf die Männer. Die Drohne sagte nichts, aber Don spürte, dass sie ihn verstanden hatte. Ihre Innereien bewegten sich. Don schwenkte den Arm. “Fuck you!”, rief er.

Diesmal bekam Don eine Stecknadel in Form einer geballten Faust. Er befestigte ihn neben dem Vogel an der Brust und ging auf sein Hotelzimmer. Die Flaschen aus der Minibar griff er sich, ohne die Label zu lesen, und schüttete in den leeren Weinkühler, den er zu Anfang für eine Vase gehalten hatte. Das Gemisch schmeckte genauso scheußlich, wie erhofft.

“Guten Morgen, Don”, sagte Sergeant Major Pinkerton. Seine goldenen Manschettenknöpfe und die Abzeichen auf seiner Brust glänzten schwach im ersten Morgenlicht.
Don richtete sich stöhnend auf. Sein Kopf dröhnte. Überall entstanden und platzten kleine weiße Silhouetten. “Brrr!”, sagte er und klopfte auf die Bettdecke. “Scheiße, mein Kopf.”
Der Sergeant griff Don bei der Schulter. “Sie reiten heute wieder, Don. Es gibt viel zu tun.”
“Ein Bob, ein Ritt”, knurrte Don. “Ich habe keine Lust mehr. Wissen Sie, wovon ich träume?”
“Du bist kein Bob, Junge. Vergiss das nicht. Wovon träumst du? Den Toten?”
“Wenn es das wäre. Nein, Serge. Ich träume von weißglühenden Flecken. Sie haben glühende Arme, Beine und Köpfe, Serge, bis ich Brrr sage und sie ausknipse. Was ist ein Mann, der nichts macht, außer Lichter auszuknipsen, Serge?”
Der Sergeant strich sich mit einer Hand durchs lichte Haar. Sein Anzug verlor die Farbe, seine Augen, sein Mund, seine Nase schmolzen ihm in den grellweißen Kopf. “Haben Sie sich nicht so, Don.”

Daisy die Mechanikerin wartete schon im Hangar, als Don seinen müden Körper durch die Tür hievte.
“Gezecht, hm Don?”, rief sie und kam ihn grinsend entgegen. Mit den Händen in ihrer Latzhose, dem Grinsen und den Ölflecken im Gesicht sah sie aus wie eine Werbung für etwas Bodenständiges.
Don nickte und kniff sich das Nasenbein. “Yes, Ma’am.”
“Dann trink ordentlich Wasser vor dem Ritt. Wird ‘ne ganze Tour heute.”
Und als Don das Wasser trank, nahm er eine Idee ins Visier.

Die Drohne rollte schnurrend aus dem Hangar. Don streichelte ihr den Hals. Er drehte sich um und winkte Daisy zum Abschied. “Later, Daisy!”, rief er und schwenkte den Arm. Daisy nickte und ging zurück in den Hangar. Sie flogen diesmal ganz gemütlich. Don zeigte der Drohne einen Hasen, der auf einem Berg wie blöde hin und her sprang. Als er die Innereien der Drohne hörte, sagte er “Nein, nein. Jetzt nicht.” und sie hörte auf ihn.
Die beiden flogen tief über einem Fluss und beobachteten ihr Spiegelbild, sie machten waghalsige Manöver vor Felswänden, tauchten durch Wolken aber erreichten schlussendlich doch ihr Ziel. Ein altes Haus aus Stein und Holz. In einem Fensterrahmen hing noch etwas Glas, die restlichen waren leer. Aber verlassen war das Haus nicht. Anthropomorphe Flecken tummelten sich in der Erde unter dem Haus. Einige saßen, andere gingen von Wand zu Wand und manche knieten auf dem Boden und bewegten den Oberkörper auf und ab.
“Brrr”, sagte Don und die Innereien der Drohne sprangen an. “Nein, nein. Jetzt nicht”, sagte er wieder und wieder hielt die Drohne inne. Sie sahen den weißen Figuren eine Weile zu und versuchten sich vorzustellen, was in deren Köpfen vorging. Dann klopfte Don der Drohne den Hals. Sie stiegen höher und höher, bis das Haus kaum noch ein brauner Fleck in der felsigen Landschaft war. “Yeehaw!”, rief Don und presste die Schenkel zusammen. Don der Drohnenreiter raste hinab, zum ersten und letzten Mal.

 
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Hallo @lerchenbutter,

du erzählst die Geschichte von Don dem Drohnenreiter, der seine Drohne wie ein Cowboy sein Pferd reitet. Auf mich hat der Text noch etwas chaotisch gewirkt, nichtsdestotrotz mochte ich, dass du experimentiert hast und an einigen Stellen fand ich es kreativ; eine Drohne mit einem Pferd kombinieren hat was. Die Idee ist allerdings so skurril, dass du in meinen Augen noch etwas präziser sein müsstest, um das zum Laufen zu bringen. So hatte ich schnell Fragezeichen und kam nicht richtig in den Text. Das liegt vor allem an zwei Gründen. Erstens ist mir nicht klar, weshalb du mit den Bob Jrs und Srs startest, wenn es doch eigentlich um Don den Donenreiter geht. Bei so einem kurzen Text hat mich das irritiert. Zweitens liest sich der Text sich noch wie eine Skizze mit vielen guten Ansätzen, die aber noch ausgearbeitet werden müssten. So bleibt es häufig bei Behauptungen, die ich als Leser kaufen muss. Ich gehe ins Detail auf meinen Eindruck:

Der alte Bob Jr mit dem kleinen Bob Sr, komisch, aber man gewöhnt sich dran.
Musste schmunzeln und habe eine skurrile Familiengeschichte erwartet.

Man konnte nur lachen, wenn man einen Bob die Straße herunterschlackern sah. Allein bei der Arbeit wirkten sie am Platz.
Du fokussierst dich am Anfang auf die Bobs und das verstärkt meine Erwartungen, dass es sich in der Geschichte auch um sie drehen wird.

1942-45 waren ihre besten Jahre.
Zwangsläufig musste ich an Krieg denken und an den Nationalsozialismus.

Nichts tat er ohne ein Ziel und nie tat er mehr als nötig war, um dieses Ziel zu erreichen. So ein Naturell birgt Gefahren.
Das bleibt bei einer Behauptung, wäre in einer Szene stärker, damit ich es als Leser selbst erleben kann. So bleibt es an der Oberfläche und löst bei mir keine Emotionen aus.

Sie hatten Broschen in Form von Flaggen und Waffen und Tieren. Don bekam eine eigene. Sie war ein kleiner Adler mit ausgebreiteten Schwingen und offenem Schnabel. Er schien zu schreien. Don formte mit den Lippen so gut es ging einen Schnabel und schrie. Ganz wie ein Adler fühlte er sich trotzdem nicht.
Finde ich sprachlich unschön.

Er drückte die Schenkel in die weißen Flanken der Drohne und gab ihr einen Klaps auf den Kopf. Schon ging es los. Bei den Bobs war es Tradition gewesen, während der Arbeit immer einen Cowboyhut zu tragen. Das konnte man sich auf einer Drone aber nicht leisten. Er wäre abgeflogen.
Das fand ich kreativ in dem Sinne, dass du zwei weit entfernte Themen zusammengebracht hast und daraus etwas eigenes machst. Steckt in meinen Augen Potential drin, das allerdings noch nicht im Text vollständig entfaltet wird. Da geht noch mehr, denke, dass hier eine stärkere Fokussierung auf das Thema und eine Ausformulierung von Schlüsselszenen hilfreich sind.

Die Drohne sagte nichts, aber Don spürte, dass sie ihn verstanden hatte. Ihre Innereien bewegten sich.
Das war mir zu viel. Die Drohne lebt und ich bin noch nicht so weit, dass ich das kaufen kann. Da bräuchte es für mich eine besser Vorarbeit, damit ich das nehmen kann. So löst es Fragezeichen bei mir aus.

Daisy die Mechanikerin wartete schon im Hangar, als Don seinen müden Körper durch die Tür hievte.
Mir war nicht klar, weshalb Daisy auftaucht, mir war ihre Funktion nicht klar und sie kam mir ersetzbar vor. Wieso kommt hier nicht Bob wieder zu Wort?

So viel zu meinem Leseeindruck.

Beste Grüße
MRG


PS: Müsste es nicht Drohnenreiter heißen?

 

Hallo @MRG

vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren. Ich kann deine Kritik auf jeden Fall unterschreiben. Ich hatte ein wenig die Sorge, dass eine zu detailreiche und somit verlangsamte Erzählung dem märchenhaften Charakter etwas schaden könnte, habe nun aber wohl zu stark "heruntererzählt" und dem Ganzen zu wenig Farbe gegeben.

Zwangsläufig musste ich an Krieg denken und an den Nationalsozialismus.
Das Signal "Krieg" ist auf jeden Fall so beabsichtigt und soll eine bestimmte Lesart implizieren, vor deren Hintergrund sich dann eventuell auch die Namenskonvention erschließt (Don reitet Drohnen, Bob reitet ... )

Das war mir zu viel. Die Drohne lebt und ich bin noch nicht so weit, dass ich das kaufen kann. Da bräuchte es für mich eine besser Vorarbeit, damit ich das nehmen kann. So löst es Fragezeichen bei mir aus.
Fair. Womöglich muss ich den Text insgesamt märchenhafter machen, damit das passt?

Mir war nicht klar, weshalb Daisy auftaucht, mir war ihre Funktion nicht klar und sie kam mir ersetzbar vor. Wieso kommt hier nicht Bob wieder zu Wort?
Stimmt schon. Daisy tritt eher als Statistin auf. Was meinst du genau mit "zu Wort kommen"?

Drohnenreiter
LOL Du hast natürlich recht. Der Text ist schließlich auf Deutsch!

LG und noch mal vielen Dank
lerchenbutter

 

Moin @lerchenbutter,

ich gehe noch einmal kurz auf deinen Kommentar ein:

Fair. Womöglich muss ich den Text insgesamt märchenhafter machen, damit das passt?
Gute Frage, auf die ich keine Antwort habe. Vielleicht wäre es eine Möglichkeit, dir Stephen King anzuschauen. Er etabliert beispielsweise in "Shining" oder "Das Institut" übernatürliche Fähigkeiten und ich konnte das als Leser gut nehmen (lese bzw. höre gerade bei Audible Stephen King und bin absolut fasziniert, wie er mich als Leser in seine Geschichte zieht).

Was meinst du genau mit "zu Wort kommen"?
Dass du ihn anstelle von Daisy reden lässt bzw. ihm eine Funktion gibst.

Beste Grüße
MRG

 

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