Was ist neu

Ein Irrlicht namens Adolf Hitler

Mitglied
Beitritt
11.05.2002
Beiträge
46
Zuletzt bearbeitet:

Ein Irrlicht namens Adolf Hitler

Ein Irrlicht namens Adolf Hitler!

Lange schon ist es her, doch die Erinnerung an diesen Tag zurück fällt mir nicht schwer, unauslöschlich hat es sich in meinem Gedächtnis eingemeißelt.
Deutschland Ende Januar 1933:
Für uns und viele andere ist das ein Datum, das im nachhinein wie ein böser, unwirklicher Alptraum klingt, aber damals, an diesem 30. Januar 1933 war es ein Tag der Hoffnung und des Glaubens. Hoffnung und Glaube auf ein besseres Leben.

Mein Vater war arbeitslos und meine Mutter schaffte es oft nicht, uns auch nur eine Scheibe Brot aufzutischen.
Es war, als ob wir einen langen, großen, stockfinsteren Tunnel durchschritten und ein Ende war nicht abzusehen.
Aber da, ganz hinten konnten wir plötzlich ein Licht sehen, den Ausgang.
Ein Lichtträger namens Adolf Hitler.
Ein trügerisches Licht, ein Irrlicht.
Aber in uns allen keimte Hoffnung auf. Ein Gefühl, das ich so in dieser Form noch nie erlebt hatte, es zog mich einfach hin zu diesem Mann, der mir die Lösung aller meiner Probleme versprach.
Er hatte etwas magisches an sich, etwas, das mich und viele andere auch anzog und dann nicht mehr los lies.
Mein Vater war schon 1929, dem Jahr der Weltwirtschaftskrise, des Zusammenbruchs der New Yorker Börse und der Inflation, in die NSDAP eingetreten.
Seitdem, so schien es, war immer ein kleiner Lichtblick in seinen Augen zu sehen.

Wir wohnten in einem der vielen heruntergekommenen Arbeiterviertel in Berlin und als ich an diesem Montag den 30. Januar 1933 aufwachte, spürte ich schon, dass irgendetwas in der Luft lag.
Schon zwei Tage zuvor, am Samstag den 28. Januar, nach dem Rücktritt des Reichskanzlers Kurt von Schleicher, verkündete mein Vater freudestrahlend: „Jetzt ist es bald soweit, glaubt mir, bald ist der ganze Spuk hier vorbei, lange kann sich der Hindenburg nicht mehr weigern.“ Und in seinen Augen war wieder dieser Lichtblick, den dieser Mann in ihm entfacht hatte.

Zunächst begann der Morgen aber noch ganz normal, nämlich mit der Schule.
Aber schon als ich auf die Straße trat, wehte mich etwas von der tragischen Historik dieses Tages an.
Die Menschen waren in erwartungsvoller Stimmung, eine Art sonderbare Spannung lag in der Luft.
Am Zeitungskiosk begrüßte mich die heutige Schlagzeile des „Völkischen Beobachters“: „Unsere Forderung nach Schleichers Sturz: Kanzlerschaft Hitlers.“
Das war nicht etwa weltfremd, wie das heute vielleicht in den Ohren eines unkundigen Lesers klingen mag, das war ein Gefühl, eine Stimmung, die viele von uns an diesem Morgen hatten, zu viele.
Mein Vater war heute schon früh am Morgen aufgestanden und war sehr bedacht darauf, keine Nachricht, aus unserem kleinen dröhnenden Radio über der klapprigen Kommode zu verpassen.
Hier in unserer Gegend gab es viele Gesinnungsgenossen mit Parteibuch, aber auf unserer Schule gab es auch noch genügend Kinder, deren Väter sich die Sozialdemokratie auf die Flagge geschrieben hatten. Für mich waren das fremde Kinder, irgendwie Kinder, die nicht dazugehörten, ich kann mich an kein einziges Gesicht von ihnen mehr erinnern.
Unser Lehrer, Herr Dr. Blechschmidt, war politisch neutral eingestellt und führte mit energischem Engagement den Unterricht bei uns ebenso, auch noch lange über diesen 30. Januar hinaus, bis er plötzlich eines Tages nicht mehr wiederkam, ohne sich zu verabschieden.
Seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen und unser neuer Lehrer war in einer vorbildlichen Art und Weise Nationalsozialist, die wir damals alle bewunderten.
Aber an diesem Morgen hatte Herr Dr. Blechschmidt etwas in seinem Gesichtsausdruck, dass mich unwahrscheinlich betrübt machte.
In meinem gesamten Leben werde ich den Blick, den er an diesem Tag hatte, als er das Klassenzimmer betrat und seine Blicke durch die Stuhlreihen schweifen ließ, nicht vergessen. Aber er versuchte, sich so normal wie möglich zu verhalten und ließ auch wie immer keinerlei politsche Diskussion zu.
Stattdessen wendete er sich mit einer melancholischen Art, die ich so vorher nicht an ihm kannte, der Tafel zu und entführte uns in die unendlichen Geheimnisse der Mathematik.
„Heee“, flüsterte mir der Peter, mein Sitznachbar zu: „hast du’s schon gehört, mein Vater hat gesagt, heute wird es passieren.“
Ich sah ihn an und bemerkte in seinen Augen den gleichen Lichtblick, wie der von meinem Vater.
Ich nickte ihm unauffällig zu, denn ich spürte die Blicke unseres Lehrers auf mir lasten.
Der Unterricht zog an diesem Tag an mir vorbei wie in einem Rausch.

Irgendwann zwischen Mathematik und der letzten Deutschstunde passierte es dann:
Um 11.00 Uhr ernennt Reichspräsident Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler, während ich damit beschäftigt war, eine mathematische Formel aufzulösen.
Doch genauso wenig wie ich es schaffte diese Formel aufzulösen, lösten sich unsere Probleme schlagartig auf, nur konnte ich das damals noch nicht erkennen.
Das, was sich an diesem Montag den 30. Januar 1933 um 11.00 in Deutschland auflöste, war etwas ganz anderes.
Als ich jedoch nach Hause kam, war mein Vater in Festtagsstimmung.
Doch die Botschaft vom neuen vermeintlichen Messias in Deutschland bekam ich schon auf der Straße auf dem Nachhauseweg mit.
Während Hitler nun den Eid auf die Verfassung schwor und Hindenburg diese historische Prozedur mit den Worten: „Und nun, meine Herren, vorwärts mit Gott“ abrundete, waren unsere Teller und Töpfe genauso leer wie eh und je.
Dennoch, irgendwie schienen sie heute ein bißchen weniger leer zu sein als sonst.
Überhaupt war vieles an diesem Tag mehr Schein als Sein.

Als der 24. Reichskanzler und gleichzeitig der letzte der Weimarer Republik an diesem Nachmittag die Reichskanzlei betritt und so treffend sinniert: „Keine Macht der Welt wird mich hier jemals lebend wieder herausbringen“, war die Stimmung bei uns am überkochen.
Mein Vater war gerade von einem spontanen Treffen bei örtlichen Parteikreisen zurückgekommen und aus dem Licht in seinen Augen ist ein flackerndes Feuer geworden, wir waren alle in einer gespannten Erwartungshaltung, denn ich spürte, dass dieser Tag für mich noch mehr bereit halten sollte.

Und dann kam der Abend, jener Abend, der in mir alle Zweifel an unserem neuen Glauben in einem riesigen Meer aus brennenden Fackeln und lauten „Sieg Heil“- Rufen ertränken sollte.
Mein Vater nahm mich mit, auf den riesigen Fackelzug durch das „neue“ Berlin.
Überall waren Menschen und Fackeln, noch nie in meinem Leben ist mir ein solches Schauspiel unter die Augen gekommen.
Es war etwas erhabenes, mein Vater sagte, an diesem Tag habe er sich zum ersten Mal wieder als Deutscher gefühlt.
Für andere war das, was da auf den Straßen Berlins abging, einfach nur Lärm und Krach, eine „reinste Faschingsstimmung“, wie der Diplomat Harry Graf Kessler urteilte.
Aber für uns, die wir uns in diesen überwältigenden Zug mit Fackeln eingereiht hatten und unsere Stimmen mit haben erschallen lassen, war es etwas überwältigendes.
Nicht nur etwas noch nie dagewesenes, sondern mehr: ein Gefühl, als ob alle Sorgen und Nöte auf einmal ausgelöscht wurden.
In Wirklichkeit war es nur eine riesige Betäubungspille, die unsere Sorgen nicht ausgelöscht,
sondern nur für kurze Zeit ausgeschaltet hat.
Eine Droge, deren berauschende Wirkung dieselbe Stadt, auf die wir unsere Hoffnung jetzt noch gerichtet hatten, in Schutt und Asche legen sollte.
Doch der Anfang dieser Droge, war so, wie bei jeder: eine riesengroße Euphorie machte sich zwischen uns allen breit, man fühlte sich einfach mit hineingenommen in diese einheitliche,
alles einnehmende Menschenriege, die offensichtlich alle miteinander eines mit uns zusammen verband: die Hoffnung und der Glaube an einen Führer, dessen magischer, tod- und unheilbringender Glanz sich in allen Augen wiederzuspiegeln schien.
Meine Mutter war zu diesem Spektakel nicht mitgekommen, im nachhinein fällt es mir außerordentlich schwer ihr Verhältnis zum Nationalsozialismus objektiv zu beurteilen, aber ich habe immer den Eindruck gehabt, dass in ihren Augen ständig eine andere Kraft stärker leuchtete, als die des Mannes, der in Zukunft alleine als höchste menschliche Instanz über Leben und Tod im Deutschen Reich herrschen sollte.
Es ist dieselbe Kraft, die ich heute in mir spüre, wenn ich auf meine Frau und meine Kinder schaue und wieder weiß, warum ich am Leben bin.
Die lauten „Sieg-Heil“- Rufe meines Vaters, die mein Herz damals höher schlagen ließen, sind heute die Sargnägel meiner Jahre später begrubenen Hoffnungen.
Doch an soetwas war an einem Tag wie diesen gar nicht zu denken, denn auch ich fühlte mich überglücklich und trank nur zu gerne den süßen, verführerischen, berauschenden Wein der Propaganda und leeren Versprechungen mit.
Der lange Marsch der treuen, gläubigen Jünger Hitlers bewegte sich nun langsam auf die Reichskanzlei zu und die Rufe wurden immer frenetischer.
Ich spürte, wir näherten uns einer Art Stimmungshoch und überlegte, welcher Höhepunkt uns wohl nun bevorstand.
Dabei ahnte ich ganz genau was nun kam und in meinem Innersten hoffte ich es auch so.

Als wir nämlich inmitten dieses gigantischen Menschenpulks aus Fackeln und Schreien, über
das der spätere Reichspropagandaminister Goebbels in seinem Tagebuch vermerken wird: „Es herrscht ein unbeschreiblicher Jubel (...) Hunderttausende und Hunderttausende ziehen im ewigen Gleichschritt unten an den Fenstern vorbei. Das ist der Aufbruch der Nation! Deutschland ist erwacht.“ die Reichskanzlei erreicht hatten, erschien ER auf dem Balkon.
Adolf Hitler – dessen gefährliche Lunte wir mit diesem Abend angezündet hatten und dessen, zwar erst später kommende aber gewiss eintreffende, Explosion uns allen nun bevorstand.
Für mich jedoch war es ein Augenblick, der mein gesamtes bis dahin gelebtes Leben umwerfen sollte.
Als ich ihn da oben auf dem Balkon der Reichskanzlei sah, winkend und hoch über den ganzen Menschenzug erhaben, erreichte meine Gefühlserregung ihren Höhepunkt und ich begann in einer hemmungslosen Art und Weise zu schreien, wie ich es noch nie in meinem Leben getan hatte, ich ließ mich einfach, wie die anderen auch, von meinen verblendeten Emotionen überrollen und lieferte mich ihnen schutzlos aus.
Wie es danach weitergegangen ist, wie wir wieder nach Hause gekommen sind, dass ist ein leerer, schwarzer Fleck in meinem Gedächtnis, denn nach diesem Moment, in der ich völlig in der Völlerei der Nazi-Propaganda aufging, muss ich davon so besoffen gewesen sein, dass ich nichts mehr mitbekommen konnte.

Und auch in meinen Augen leuchtete nun das Licht der falschen Hoffnung, trügerisch und verdammnisbringend.
Angezündet und entfacht von einem Irrlicht.
Einem Irrlicht namens Adolf Hitler.

 

Hallo,

leider muss ich mich meinem Vorgänger anschliessen.

Die Geschichte wirkt nicht wirklich echt, weil du mit zu vielen Klischees arbeitest.

Obwohl dein Schreibstil mir gefällt - du solltest die Story jedoch umarbeiten, so dass die Geschichte authentischer wird.

Ich weiß wie schwer das ist, da ich im Moment selbst an einer Geschichte über das dritte Reich arbeite.
Man holt sich irgendwo Informationen und versucht die dann in das Geschehen miteinzupacken und schließlich bekommt man eine Aneinanderreihung von Fakten.

Grüße Bella

 

Ich habe die Geschichte als gut befunden, obwohl es schon stimmt, dass du in diesem Text mit sehr vielen Klischees arbeitest. Was mir an deiner Geschichte gefallen hat, war dass du während der gesamten Handlung Spannung aufbaust, hat man einmal angefangen zu lesen, kann man nicht mehr aufhören. Ob Klischee oder nicht, dein Schreibstil ist spitze!

 

Ich muss leider beipflichten, das Du sehr einige Klischees verarbeitest, aber auch Spannung aufkommen lässt und sogar gefühl *hört, hört*

Dennoch, das Thema ist so durch. Mal ehrlich.

Ich weiss überhaupt ob irgendwer noch weiss, wieviel Literatur es über diese Zeit gibt.

Gruß
C.v.W.

 

Friedvolle Grüße

Den Tag der Machtergreifung Hitlers aus der Sicht eines Jugendlichen zu erzählen krankt meiner Meinung nach bereits an der Idee. Jugendliche interessieren sich kaum für Politik, daher kann man aus ihrer Perspektive aus diesem Tag, an dem sich außer Politik wenig ereignete, nicht viel machen. Die Reichsprogromnacht wäre eine bessere Grundlage für eine solche Geschichte, da hier etwas im "gemeinen Volk" sichtbares geschieht, was der Protagonist dann aus seiner Sicht kommentieren könnte.

So kann ich mich den ersten Kritikern, vor allem Red Right Hand, nur anschließen, und die Überzahl an Fakten und den Mangel an Charakteren kritisieren.

Kane

 

Hallo, Autor.
Im Gegensatz zu Brother Kane glaube ich schon, dass es Jugendliche gab, die sich für Politik interessierten, es waren andere Zeiten ;)
Insofern kaufe ich dir die Grundlage der Geschichte ab und finde die Idee auch nicht schlecht, auch nicht, dass du Zitate historischer Personen einsetzt. Warum nicht?
Viel störender als die zumeist aus der Retroperspektive eingestreuten Details empfinde ich die penetrante Bevormundung des Lesers, die sich durch die ständigen, nachherigen Bewertungen ergibt.
Vom Sprachlichen her ist deine Geschichte in Ordnung, auch an Fehler erinnere ich mich nicht mehr. Einzig fiel mir die Stelle auf, in der du schreibst, der Vater höre Radio. Die Dinger waren zu der Zeit ziemlich teuer, und für einen Arbeitslosen, der nichts zu beißen hat, geradezu ein unerhörter Luxus. Ferner hab ich mich gefragt, ob sich die Situation der Familie nicht eben doch zuerst verbessern müsste, und ich glaube, dass schon. Als relativ frühzeitiges Parteimitglied und in Anbetracht der anziehenden Konjunktur dürfte das der Fall gewesen sein, auch wenn es aus dem penetrant politisch korrektem "alles war schlecht"- Rahmen fällt: Hitlers Machtantritt bewirkte in der Zwischenkriegszeit eine Stabilisierung Deutschlands und eine Verbesserung des allgemeinen Lebensstandards.
Was ein wenig schade ist, dass der Spannungsbogen der Geschichte nur schwach ist.
Das wars von mir,
...para

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom