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Ein schwacher Moment

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09.07.2015
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Ein schwacher Moment

Eine kühle Stille liegt über dem kleinen Örtchen das mitten im Wald versteckt liegt. Alle Bewohner schlafen. Der Mond wirft ein fahles Licht auf die Bäume, Gärten und Straßen.
Doch in einem der Gebäude brennt noch Licht. Es ist das Haus von Rebecca und Stanley Allister.
Sie führen eine dieser Diskussionen, von denen man sich wünscht, dass man sie niemals führen muss. Eine, die den weiteren Verlauf des Lebens verändern wird. Unweigerlich.
„Du hast mich wirklich mit dieser Schlampe betrogen?“, brüllt Rebecca ihren Ehemann an und wirft eine Vase in seine Richtung, die an der Wand in tausende von kleinen Splittern zerspringt. „Wie konntest du mir das antun? Gestern sagtest du Bastard mir noch, dass du glücklich bist und mich liebst!“
„Ich kann dir das erklären Rebecca! Es war ein kleiner, schwacher Moment auf der letzten Firmenfeier. Wir waren beide betrunken und ich wollte nicht nach Hause, weil deine Mum hier geschlafen hat. Also sind wir zusammen feiern gegangen und dann ist es passiert. Aber ich will doch auch gar nicht mehr. Es war ein Fehltritt. Ein Ausrutscher. Nur Sex. Mehr nicht. Ich will mit dir alt werden und den Rest meines Lebens mit dir verbringen!“, versucht der junge Mann mit dem nachtschwarzen Haar seiner Frau zu erklären. Seine leuchtend grünen Augen suchen nach Vergebung doch finden nichts als Hass und Verachtung. Und da fliegt der nächste Gegenstand. Auch das Glas verfehlt ihn nur knapp.
„Ach, ist das so, ja? Und wie war das mit der Aussage, dass ich dir vertrauen kann? Dass du mich weder verlassen, noch betrügen würdest? Dass ich mir keine Gedanken machen muss, wenn du das Haus verlässt? Ich dachte unsere Ehe baut auf blindem Vertrauen auf. Und nun gerade habe ich für dich nicht mehr übrig, als das Bedürfnis dir ins Gesicht zu spucken! Du bist dir hoffentlich darüber im klaren, dass dieses Haus hier ein Erbstück meiner Mutter ist und somit mir gehört. Eine letzte Nacht auf dem Sofa bekommst du von mir noch und dann packe bitte deine Sachen und verschwinde. Oder tu der Welt einen gefallen und spring von einer Brücke“, schnaubt die junge Blondine voller Wut, dreht sich um und verschwindet unter Tränen und lautem Schluchzen die Treppe herauf in den ersten Stock. Ihre Hoffnungen, Träume und das, was sie für den Sinn ihres Lebens hielt, zerbracht binnen einer einzigen Nacht in Trümmer. Es ist nichts mehr übrig. Nur das Verlangen nach Zerstörung und Vergeltung. Noch nie hat ihr jemand so etwas angetan. Sie weiß nicht einmal genau, ob sie eher wütend oder traurig sein soll. Es ist eine tödliche Mischung aus beidem. Und Stanley bleibt vorerst keine andere Möglichkeit, außer sich seinem Schicksal zu beugen und sich aufs Sofa zu legen um eine letzte Nacht im gemeinsamen Haus zu verbringen. Er kann sich selbst nicht erklären, wie es dazu kam, dass er seine Frau betrog. Doch es war passiert. Weil er einen Augenblick lang schwach war. Und dazu kommt die traurige Gewissheit, dass es sich nicht gelohnt hat. Denn alles was er davon hat ist die Erinnerung an schlechten Sex und der Tatsache, dass er seine Frau nun für immer verloren hat.
Es kam immer wieder zu kleineren Reibereien zwischen den beiden. Doch nie war es so ernst, dass eine Trennung drohte.
Er schnappt sich die rote Wolldecke, die auf der Sofalehne liegt, macht es sich so gut wie möglich gemütlich und deckt sich zu.
Eine letzte Nacht...


Und von oben hört er verzweifelte Schreie seiner Frau. Ein schmerzerfülltes Kreischen. Und viele Gegenstände, die durch die Räume geworfen werden. Und nach dem lautstarken Zerbersten eines Spiegels tritt ein Moment der Ruhe ein. Danach wird die Nacht nur noch von einem leichten Säuseln des Windes und einem gelegentlichen Weinen oder Wimmern von Rebecca durchdrungen. Auf der einen Seite will Stanley gern nach seiner Frau schauen. Auf der anderen Seite ist ihm klar, dass sie ihn nicht sehen will. Egal wie schlecht es ihr geht. Er weiß genau, was er ihr angetan hat. Sie träumte schon immer von einer kleinen Familie, dem Haus in dem Dorf und einem glücklichen und langen Leben voller Frieden. Und er hat es kaputt gemacht. Auch Stanley weint. Doch langsam holt auch ihn der Schlaf ein und seine Augen fallen zu.

Er wird wieder wach, als er spürt, dass sich jemand auf ihn setzt. Er erschrickt, reißt die Augen auf und sieht Rebecca auf seinem Schoß. Die langen blonden Haare sind zerzaust und stehen wild von ihrem Kopf ab. Ihre Wimperntusche ist verlaufen und bildet einen gespenstischen Schatten unter ihren Augen. Umrandet ihren sonst so hellen Blick mit einem schwarzen Schleier. Quer über ihren Mund, so glaubt er, hat sie verschmierten Lippenstift. Ein Bild das ein wenig an einen gruseligen Clown aus alten Geschichten erinnert, die man sich am Lagerfeuer erzählte.
Ihre Augen sind weit aufgerissen, der Mund ist leicht geöffnet und der Kopf zur Seite gelegt. Sie starrt ihn Ausdruckslos an. Von einem wahnsinnigen Kichern durchzogen, sagt sie mit leiser Stimme zu ihm: „Du brauchst diese Schlampe nicht mehr, Stanley. Ich habe mich für dich hübsch gemacht. Gefälle ich dir?“
Nach dieser Frage wischt sie sich mit der linken Hand über das Gesicht. Der vermeidliche Lippenstift wird auf einmal deutlicher und stärker. Als sie die Hand wieder hebt, sieht er einen langen Schnitt in ihrer Handfläche. Das ist kein Lippenstift. Es ist ihr Blut.
Ein eiskalter Schauer läuft ihm durch Mark und Bein. Angst macht sich in ihm breit.
„Gefälle ich dir, Stanley? Sag mir, dass ich hübsch bin.“
„Rebecca, was hast du gemacht? Lass mich das mal sehen! Wir sollten zum Arzt fahren! Hast du nicht gesehen, dass du blutest?“
„Ich blute schon die ganze Nacht. Du hast mir schließlich mein Herz herausgerissen. Und nun sag mir, Liebster, gefalle ich dir?“
Ihr Tonfall wurde aggressiver. Es war nicht zu überhören, dass sie innerlich brennt. Und dennoch ziert dieses wahnsinnige Grinsen ihr Gesicht. Dieser leere Blick.
„Natürlich bist du hübsch! Du gefielst mir bereits am ersten Tag, an dem ich dich sah! Du bist die einzige Frau, die ich in meinem Leben haben möchte. Lass mir dir doch helfen, Schatz! Der Schnitt sieht wirklich übel aus!“
„Sie werden den Rest ihres Lebens mit mir verbringen Mr. Allister. Machen Sie sich keine Sorgen. Weißt du, was ich an unserer Ehe immer am meisten geliebt habe?“
„Dass wir uns in schweren Zeiten immer gegenseitig zum Lachen gebracht haben. Kein Sturm war stark genug um unser Lachen zu brechen. Wie könnte ich das vergessen?“
„Genau. Und nun werde ich dir helfen, dass dir das Lächeln nicht vergeht. Damit du genau so fröhlich aussiehst wie ich!“
Sie macht eine plötzliche Bewegung mit ihrem rechten Arm und Stanley spürt einen brennenden, heißen Schmerz in seinem Gesicht. Er versucht zu sprechen und die Schmerzen werden schlimmer. Er kann Blut schmecken. Und er weiß sicher, dass es sein eigenes ist. In Rebeccas Hand kann er nun eine große, spitze Scherbe vom Spiegel sehen, den er vorhin noch zerbrechen hörte. Seine Hand wandert langsam zu seiner Wange. Sie ist aufgeschnitten. Seine linke Wange ist nun von einem etwa sechs Zentimeter langem Schnitt gespalten. Stanley schreit vor Schmerzen und Angst.
Und trotzdem weicht Rebecca dieses Grinsen nicht aus dem Gesicht. Wie eine Puppe starrt sie ihm noch immer tief in die Augen.

„Wie fühlt es sich an glücklich zu sein? Ist es nicht ein tolles Gefühl? Und nun schau mich an du Bastard! Ich will das letzte sein, was du in deinem gottverdammten Leben zu sehen bekommst“, schreit sie ihn an und holt erneut aus. Schützend hebt Stanley seine Hand vors Gesicht um den Stoß mit der Scherbe abzuwehren. Doch es lief anders als geplant. Mit einem knacken durchdringt das lange Stück Glas seinen Handrücken und dringt in sein Auge ein. Das leise Knacken beim herausziehen lässt deutlich verlauten, dass die Spitze ihrer Waffe genau in seinem Augapfel abgebrochen ist.
Er brüllt vor Schmerzen und Rebecca lacht laut und düster.
„Sieh mich an! SIEH MICH AN!“
Wieder und wieder sticht sie zu. Mit einer gewissen Freude nimmt sie sich nach jedem Angriff die Zeit jede Wunde am Körper ihres Mannes zu bewundern, bevor sie erneut zusticht. Unter verzweifeltem Röcheln und Gurgeln weicht das Leben aus seinem Körper. Wieder kichert sie leise.
Rebecca beugt sich vor und küsst sanft die Stirn von Stanleys Leiche.

„Es tut mir leid, Liebster. Es war ein kleiner, schwacher Moment.“

 
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Hallo Westphal und willkommen hier im Forum! :)

Oha, da hast du dir einen blutigen Einstand überlegt.
Was ich sehr, sehr gut an deiner Geschichte fand - auch wenn du das jetzt als Lapalie abtust, aber glaub mir, es ist nicht selbstverständlich: Du hast eine ordentliche äußere Form (das heißt, der Text ist nicht schon so gesetzt, dass man ihn nicht lesen mag) und eine ausgezeichnete Rechtschreibung. Mit den Kommata hapert es manchmal noch, aber das ist kein Beibruch, da sag ich dir gleich noch was dazu.
Aber das mit der Rechtschreibung ist deshalb so wichtig: Wenn das gut ist und nichts total stört, kann man sich voll auf den Inhalt konzentrieren. ;) Und das mach ich jetzt auch gleich.

Die Thematik an und für sich fand ich so semi-spannend. Na gut, er hat sie betrogen, sie bringt ihn um, weil ... ? Du deutest an, dass ihr Leben - dessen Mittelpunkt der Mann war - jetzt vorbei ist. Wenn sie noch ne gewisse psychische Angeknackstheit aufweist, zu Hytserie neigt etc., dann ist das wohl so. Nicht gerade das, was ich inhaltlich gut finde (Emanzipation, weibliche Eigenständigkeit ... Wo bleibt das nur?), aber du hast dich für deine Version des Texas Chainsaw Massacres entschieden, das ist dann eben so. ;)
Allgemein inhaltlich - das sag ich dir jetzt einfach direkt: Nicht der Bringer. (Er betrügt sie, sie bringt ihn um, da wird nicht viel hinterfragt oder reflektiert, Horror ist es auch nicht wirklich, denn gegruselt habe ich mich an keiner Stelle ...)
Aber: Wenn du dich hier im Forum angemeldet hast, um mit uns zusammen zu lernen und weiterzukommen (denn das kann man hier super!), dann ist es ein toller Text, um einiges an Handwerkszeug mitzunehmen.
Also fangen wir an, bist du bereit?

Eine kühle Stille liegt über dem kleinen Örtchen das mitten im Wald versteckt liegt. Alle Bewohner schlafen. Der Mond wirft ein fahles Licht auf die Bäume, Gärten und Straßen.
Doch in einem der Gebäude brennt noch Licht. Es ist das Haus von Rebecca und Stanley Allister.

Die Einleitung ist meiner Meinung nach nicht nötig. Abgesehen davon, dass auch Dörfer heutzutage nicht einfach mitten im Wald versteckt liegen wie Schlumpfhausen, spielt es an dieser Stelle doch auch gar keine Rolle, wo das ist und was für eine Nacht. Zu einem späteren Zeitpunkt kann der Leser sein Bild der Situation mit dieser Info bereichern, aber für Kurzgeschichten ist es im Allgemeinen besser, gleich richtig ins Geschehen einzusteigen.
Der Leser muss sich beim ersten Satz fragen: Hä, was geht da ab? Das will ich jetzt genauer wissen!
Bei dir hab ich mir eher gesagt: Oookay ... Und wenn's eine "komerzielle" Geschichte gewesen wäre und kein Schreibforum, hätte ich auch nicht unbedingt weitergelesen. Der erste Satz lässt mich an Feld-Wald-Wiesen-Geschichte denken und das ist einfach nicht so mein Geschmack. Und diese Geschichte ist ja auch keine Feld-Wald-Wiesen-Geschichte.

Was ich sagen will: Steig mittendrin ein. Lass den ersten Satz ruhig den wütenden Ausruf der Frau sein, die brüllt: "DU SCHWEIN! DU SCHUFT!"
Lass die Telle fliegen, die Gläser zerspringen, Tränen fließen ... Mach das mit zwei, drei prägnanten Sätzen und der Leser ist in der Geschichte und möchte wissen, wie's weitergeht.

„Du hast mich wirklich mit dieser Schlampe betrogen?“, brüllt Rebecca ihren Ehemann an und wirft eine Vase in seine Richtung, die an der Wand in tausende von kleinen Splittern zerspringt. „Wie konntest du mir das antun? Gestern sagtest du Bastard mir noch, dass du glücklich bist und mich liebst!“

Wenn du damit angefangen hättest, hat die Geschichte gleich eine ganz andere Wirkung.

Außerdem:

die an der Wand in tausende von kleinen Splittern zerspringt

"Tausende"


So far, so good. Gehen wir zum Dialog über ...
Lies' ihn dir mal laut vor und überleg dir: Ist das wirklich ein Dialog, wie ihn zwei Streitende führen?
In dem der Mann nochmal resümiert, was genau wann passiert ist und die Frau ihn an die Erbschaftsverhältnisse erinnert?
Also, für mich nicht.

„Ich kann dir das erklären, Rebecca! Es war ein kleiner, schwacher Moment auf der letzten Firmenfeier. Wir waren beide betrunken und ich wollte nicht nach Hause, weil deine Mum hier geschlafen hat. Also sind wir zusammen feiern gegangen und dann ist es passiert. Aber ich will doch auch gar nicht mehr. Es war ein Fehltritt. Ein Ausrutscher. Nur Sex. Mehr nicht. Ich will mit dir alt werden und den Rest meines Lebens mit dir verbringen!“

Der erste Abschnitt bis "weil deine Mum hier geschlafen hat" ist mit ein bisschen zu "erklärend". Wenn er panisch versucht, seine wütende Frau zu besänftigen, redet er auch eher nicht in so langen Sätzen. Oder so flüssig.
Die kürzeren Sätze, (Ein Ausrutscher. Nur Sex.) find ich dagegen echt super und passend, das wirkt wieder authentisch auf mich.

Kurz zwei Sachen zum Thema Rechtschreibung: "Mom" und nicht "Mum" (außer, Rebeccas Mutter ist eine mummy, also eine Mumie ...)
Und das fette Komma, das ich dir eingefügt habe: Bei Sätzen, bei denen man am Ende eine Anrede stellt (also einen Namen wie "Rebecca" oder "meine Kleine" usw., kommt immer ein Komma. Manchmal machst du's richtig, manchmal nicht; vll hast du's auch einfach nur vergessen, wollt's zu Sicherheit nur mal gesagt haben ;) Also verzeih', wenn ich dir hier Dinge erkläre, die du sowieso schon weißt, wir kennen uns ja nocht nicht).

Ich dachte unsere Ehe baut auf blindem Vertrauen auf.

Das mit dem "blind" find ich ein bisschen unglücklich gewählt. Auf "Vetrauen" alleine klingt für mich irgendwie besser.

Aber wie gesagt, bevor ich dir deinen Dialog jetzt Stück für Stück auseinander nehme, lies es selber einfach nochmal durch und überleg dir bei allem: Reden Leute wirklich so?
Ich trau dir zu, dass du das hinbekommst.

Ihre Hoffnungen, Träume und das, was sie für den Sinn ihres Lebens hielt, zerbracht binnen einer einzigen Nacht in Trümmer. Es ist nichts mehr übrig. Nur das Verlangen nach Zerstörung und Vergeltung. Noch nie hat ihr jemand so etwas angetan. Sie weiß nicht einmal genau, ob sie eher wütend oder traurig sein soll. Es ist eine tödliche Mischung aus beidem.

Hier hast du Rebeccas Innenansicht.

nd Stanley bleibt vorerst keine andere Möglichkeit, außer sich seinem Schicksal zu beugen und sich aufs Sofa zu legen um eine letzte Nacht im gemeinsamen Haus zu verbringen. Er kann sich selbst nicht erklären, wie es dazu kam, dass er seine Frau betrog. Doch es war passiert. Weil er einen Augenblick lang schwach war. Und dazu kommt die traurige Gewissheit, dass es sich nicht gelohnt hat. Denn alles was er davon hat ist die Erinnerung an schlechten Sex und der Tatsache, dass er seine Frau nun für immer verloren hat.

Hier Stanleys.

Kurz zur "Erzählweise": Es empfiehlt sich, vor allem bei Kurzgeschichten, immer bei der Sicht einer Person zu bleiben, auch wenn du den auktorialen (allwissenden) Erzähler wählst; der Leser kann sich so besser auf die Situation einlassen, wenn er weiß, was einer weiß und nicht, wie sie alle fühlen, was alle wissen ... Damit bekommt die Geschichte einen Faden und wird zugänglicher.
Stanley kann ja durchaus Vermutungen anstellen, wie Rebecca sich fühlt: "Er wusste, er hatte ihr Leben zerstört, für sie war das Häuschen im Grünen der große Traum gewesen" etc. Dadurch bekommt man auch als Leser ein viel plastischeres Bild von Stanley und erkennt, dass er nicht nur der miese Ehebrecher ist, sondern euch tief bereut und empathisch ist.
Verstehst du, was ich meine?
Und hier kannst du dann auch super einflechten, wo das Haus steht (das Dorf etc.) und dass die Idylle praktisch das Paradies für das Paar war; hier passt es inhaltlich gut.

Er schnappt sich die rote Wolldecke, die auf der Sofalehne liegt, macht es sich so gut wie möglich gemütlich und deckt sich zu.

Das "schnappen" klingt in diesem Zusammenhang zu dynamisch, finde ich. Er ist ja nun eher traurig, niedergelschagen ... Nimmt sich eben die Decke, legt sich hin und ist am Ende.

Außerdem schreibst du nun auf einmal im Präsens (in der Gegenwart), wie auch an ein paar anderen Stellen, und ansonsten im Präteriutum (Vergangenheit). Bleib bei einer Zeitform!

Und viele Gegenstände, die durch die Räume geworfen werden. Und nach dem lautstarken Zerbersten eines Spiegels tritt ein Moment der Ruhe ein.

Zweimal "und" am Satzanfang muss irgendwie nicht sein ... Vor allem, wenn das "und" in beiden Fällen einfach weggelassen werden kann. Lies es dir mal mit und ohne "und" durch und schau, ob's dir so nicht besser gefällt.

„Natürlich bist du hübsch! Du gefielst mir bereits am ersten Tag, an dem ich dich sah!

"du gefielst" klingt irgendwie zu verstaubt, zumal Stanley ja bisher auch sehr mordern gesprochen hat. Überhaupt fand ich das mit dem "vom ersten Tag an" etwas dick aufgetragen. Tut ja in dem Moment auch nichts zur Sache.

„Sie werden den Rest ihres Lebens mit mir verbringen Mr. Allister. Machen Sie sich keine Sorgen. Weißt du, was ich an unserer Ehe immer am meisten geliebt habe?“

"den Rest Ihres Lebens mit mir verbringen, Mr Allister."

„Dass wir uns in schweren Zeiten immer gegenseitig zum Lachen gebracht haben. Kein Sturm war stark genug um unser Lachen zu brechen. Wie könnte ich das vergessen?“

Das, was ich fett markiert habe, fand ich etwas zu viel - der gute Stan hat auch mich zuvor auch nicht unbedingt den Eindruck gemacht, dass er Poet ist und nun kommt er mit sowas an, während seine Frau blutverschmiert auf ihm draufsitzt? Äh ... Kann ich mir irgendwie nicht vorstellen.

Die Idee, dass sie ihn umbringt, ist praktisch der "Kern" deiner Geschichte für mich. Sie entscheidet sich - aus welchen Gründen auch immer, die wir hier als Leser nicht erfahren - dafür, nicht einfach die jammernde und betrogene Ehefrau zu spielen, sondern sich zu rächen. Ist auch nachvollziehbar in gewissen Sinn, sowas tut verdammt weh.
Aber wie das dann abgeht, das hat mich absolut nicht überzeugt.

Sie ersticht ihn mit ner Spiegelscherbe?
Das kann ich mir vom Ablauf nicht vorstellen aus zwei Gründen:
1. Die Scherbe. Ich bin sicher, du hast auch schonmal was zerbrochen und Scherben gesehen. Da sind alle Kanten sehr scharf. Wenn man die in die Hand nimmt, muss man sich vorsehen, um sich nicht die ganze Handfläche zu zerschneiden. Das tut verdammt weh! Wenn man nun jemanden mit so einer Scherbe erstechen wollte, muss man die Scherbe sehr festhalten - damit masakriert man sich die eigene Hand, bevor man überhaupt zugestochen hat. Außerdem sind die Scherbenränder so glatt, dass man abrutschen würde und niemand effektiv damit erstechen könnte. So oder so. Ginge nicht. Was man manchmal im Knast macht, ist, sich um die Scherbe einen Griff aus Klebeband zu wickeln.
Aber ohne sehe ich da keine Chance.

Mit einem knacken durchdringt das lange Stück Glas seinen Handrücken und dringt in sein Auge ein.

Das geht absolut nicht. Da würde die Scherbe dabei zerspringen, wenn du sie durch eine menschliche Hand würdest bohren wollen. Und vorher wären sämtliche Sehnen in deiner eigenen Hand durch und du könntest sie nicht mehr bewegen.

2. Stanley wehrt sich nicht. Als seine Frau ihn schneidet, erträgt er den Schmerz einfach? Überleg dich mal, was du machen würdest, wenn jemand sich auf sich draufsetzt und auf dich einhackt, der auch noch körperlicher schwächer ist als du. Du würdest dich wehren, da gehen sämliche Überlebensinstinkte an, du schläft um sich ...

„Dass wir uns in schweren Zeiten immer gegenseitig zum Lachen gebracht haben. Kein Sturm war stark genug um unser Lachen zu brechen. Wie könnte ich das vergessen?“

Während sie die Wunden betrachtet, würde er sich selber verteidigen, wette ich.
Stilistisch hast du hier auch wieder einen Perspektivenwechsel zu Rebecca ... Finde ich auch nicht so gelungen. Wenn du bei Stanley bist, bleib bei ihm, beschreib seine Schmerzen, seinen Todeskampf, das ist in dem Moment doch auch die interessantere Perspektive, die du für dich arbeiten lassen kannst praktisch.

Aber wichtiges Fazit, dass wie bezüglich des Endes nochmal stellen sollten: Realität! Das Ende ist unrealistisch. Solche Mordszenen zu schreiben sind absolut schwierig, da müssen wir uns nichts vormachen. Wie so ein Todeskampf aussieht (wenn du starke Nerven hast, google mal "Abwehrverletzungen von Messer" oder "Fischgrätenmuster Hand", dann weißt du, was ich meine). Solche Tatorte sehen immer sehr unschön aus (da ist das Fernsehen meist total harmlos).
Sowas erfordert viel Recherche. Wenn du dazu mehr wissen magst und in die Richtung viel schreiben möchtest, empfehle ich dir den guten Herrn Tsokos zu lesen (der Chef der Berliner Rechtsmedizin, der erklärt das auch für Laien immer sehr schön anschaulich und verständlich).

So, das war's jetzt ertsmal, versprochen. Ist ganz schön viel, ich weiß, aber das kriegst du hin. Mit viel Geduld und Spucken.
Es hilft auch sehr, hier im Forum viel zu lesen - die Geschichten aber auch, was andere dazu kommentiert haben - selber zu kommentieren und sich auszutauschen. Davon bekommt man oft (vor allem am Anfang) mehr mit als wenn man selber immer drauflos schreibt.

Viele Grüße
Tell

P.S. Bei den berüchtigten drei Punkten "..." macht man auch ein Leerzeichen vor dem Wort.
Du hast: "Nacht..."
Richtig wäre: "Nacht ..."

P.P.S. Nach meinem ganzen Genörgel hätt ich das Wichtigste fast vergessen: Die Ironie, die in "ein schwacher Moment" liegt am Ende, als die Frau das sagt (jetzt fragt sich, welcher Moment war länger: Der Fremdgeh-Sex oder das Töten? :P) fand ich super gut! Tolle Idee! :)

 

Hallo, Tell.
Danke für deine überaus ausführliche Antwort! Ich weiß, dass es viel zu lernen gibt. Es war meine erste Kurzgeschichte, da ich sonst eher Gedichte schreibe.
Ich kann jeden deiner Punkte nachvollziehen und muss rückwirkend betrachtet zugeben, dass du Recht hast.

Aber ich werde mir deine Tipps zu Herzen nehmen und werde mich bald, sobald die Muse mich küsst, an die nächste Geschichte wagen. Dann vielleicht ein wenig durchdachter. ;)

 

Hallo Westphal,

ich finde es gut, dass Du Kritik annehmen kannst und dich weiterentwickeln willst.

Aber ich werde mir deine Tipps zu Herzen nehmen und werde mich bald, sobald die Muse mich küsst, an die nächste Geschichte wagen. Dann vielleicht ein wenig durchdachter.
Klar ist es gut, sich schon vor dem eigentlichen Schreiben einen Plan zu machen und dabei auch Kritiken zu vorherigen Geschichten zu berücksichtigen. Musen sind allerdings störrische Biester und lassen of sehr lange auf sich warten. Bevor man direkt einen neuen Text anfängt, bietet es sich zu Übungszwecken wirklich an, den alten Text anhand der Kritiken zu verbessern, die sich ja speziell darauf beziehen. Du solltest der Lesbarkeit zuliebe zumindest die Fehler korrigieren - dazu gibt es den Bearbeiten-Button - sonst stolpern neue Leser immer wieder über dieselben alten Fehler. Dabei kann man wirklich viel lernen. Die meisten Autoren hier, auch sehr erfahrene, überarbeiten ihre Texte x-mal vor dem Posten und dann noch mal nach den Kritiken. Und unrettbar ist Dein Text ja keineswegs.

Gefälle
Gefalle - hast Du übrigens 2x

Einen Wechsel ins Präteritum hab ich auch noch entdeckt, aber nicht notiert.

Also ran an den Speck. Das geduldige Feilen ist wirklich ein ganz wichtiger Arbeitsschritt.

lg,
fiz

 

Hallo nochmal, Westphal. :)
Wenn es deine erste Kurzgeschichte war, dann war sie dafür sehr ordentlich und ich hoffe, es hat dir vor allen Dingen Spaß gemacht, sie zu schreiben.
Es freut mich auch, wie du meine Kritik aufgenommen hast und dass du das Gefühl hast, du kannst was damit anfangen. Das ist die unentbehrliche Grundlage für den Austausch hier, wirst du an vielen anderen Geschichten/Posts hier noch merken.
Um eine Sachenochmsl zu verdeutlichen: So eine ausführliche Kritik wie bei deiner Geschichte zu schreiben, nimmt gerne mal ne Stunde in Anspruch - und wir geben uns hier alle Mühe, wie du sehen wirst. Deshalb nochmal meine eindringliche Bitte an dich, auch um zu gewährleisten, dass du den maximalen Nutzen aus dieser Zeit ziehst, die man dir widmet: Verbessere DIESE Geschichte, denn darauf beziehen sich ja meine Anmerkungen konkret. Textarbeit ist immer wieder feilen, schmirgeln, sägen ... Aber so dauert es nicht erst 20 Geschichthen später, dass man mal eine Verbesserung merkt, sondern passiert bei Geschichte 1 bereits.
Ich geb dir einen Tip: Verbessere diese Geschichte, und dann lies die erste Version und die neue Version im Vergleich nachdem du beides ein paar Tage hast ruhen lassen. Da wird einem einiges bewusst.

Grüße von
Tell

P.S. Es wäre auch hilfreich, wenn du in deinem Profil ein paar Angaben zu dir machst, damit man sieht, wie viel Erfahrung du hast etc., das ist auch oft hilfreich, wenn man wissen soll, was für Tips dich am ehesten bei deinem jetzigen Kenntnisstand weiterbringen.

 

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