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Ein Stück Stoff

Seniors
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22.10.2011
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Ein Stück Stoff

1.
Im Radio laufen Nachrichten, irgendwas über Assad und den Westen, mein Vater brummt und dreht am Sendersuchlauf, bis er arabische Popmusik findet. „Endlich“, sagt er und streckt den Rücken durch, wahrscheinlich hat er wieder heimlich beim Taxifahren gelesen. Wenn er auf Fahrgäste wartet, sitzt er ganz in sich zusammengefaltet da, damit seine Kollegen nicht sehen, was er liest. Neulich lag das Buch auf dem Beifahrersitz. Als er meinen Blick sah, hat er es schnell ins Handschuhfach geschoben. Wie einen Porno. Aber ist ja auch komisch, ein Libanese, der Thomas Bernhard liest, ich glaub, sowas mag noch nicht mal der Leitner, und der ist Deutschlehrer.
Mein Vater seufzt, verzieht das Gesicht und streckt sich noch einmal, dann richtet er sich auf, zupft an den Manschetten seines Hemdes, bis sie exakt über den Handgelenken sitzen, und prüft seine Fingernägel. Das liebt er. Er sagt immer: Du kannst noch so sehr im Dreck wühlen für deinen Job, aber die Hände müssen sauber sein. Als er aufsieht und mich in der Tür stehen sieht, weiten sich seine Augen.
„So kannst du nicht gehen, Tochter. Nicht heute.“
Ich zucke mit den Schultern und greife nach meiner Schultasche.
„Basima.“
„Was?“
Mein Vater ist ein liebevoller Mann. Aber er versteht nichts.
„So gehst du nicht. Wenn du zum Praktikum gehst, ziehst du kein Hidschab an.“
„Warum nicht?“
Jetzt ist mein Vater mit dem Schulterzucken dran, scheint eine Familienkrankheit zu sein. „Weil du hier geboren bist“, sagt er. „Weil man mit Hidschab keinen Job bekommt. Weil du besser Deutsch als Arabisch sprichst. Weil du mit allen auskommen musst.“
Mein Vater hat die Weildukrankheit. So oft, wie er diese zwei Wörter wiederholt. Er glaubt, das macht ihn überzeugender. Aber es macht nur alles gleich.
„Ich komme mit allen aus, Vater. Mit allen.“ Ich betone jeden einzelnen Buchstaben. „Ich benehme mich so deutsch, das glaubst du nicht. Ich weiß sogar, dass ich religionsmündig bin. Deutsches Recht, Vater. Magst du doch so.“
Mein Vater schüttelt den Kopf und fängt an, seine Fingernägel über die Hose zu reiben. Ganz mechanisch. Ich muss lachen. An der Geschwindigkeit, mit der er das tut, kann man immer sehen, wie aufgeregt er ist und wie sehr er nach Worten sucht.
„Was ist nur in dich gefahren“, sagt er schließlich. „Du diskutierst mir die Ohren in den Kopf. Vor zwei Jahren wolltest du unbedingt blonde Strähnen haben und nun bedeckst du die Haare und redest wie ein Anwalt.“
„Ich hab heute Schule, Vater, kein Praktikum. Außerdem will ich eh Mathe studieren. Aber egal, ich zieh den Hidschab ab jetzt immer an.“
„Aber das brauchst du nicht, du kannst doch auch so gläubig sein. Außerdem machst du es dir selbst nur schwer.“
„Aber ich will zeigen, dass ich es ernst meine. Nicht wie du.“
„Was heißt hier wie ich?“
„Du trägst Allah nicht im Herzen.“
„Sei still, Basima. Die Zunge ist die Hebamme allen Unglücks.“
Ich drehe mich um, es ist zwecklos. Ich möchte noch etwas sagen, aber die Hände meines Vaters zittern, so dass ich Angst um ihn bekomme. Es regt ihn auf, wenn ich Widerworte gebe. Er ist gläubig wie ich. Aber er schämt sich dafür. „Wir sind Deutsche“, sagt er immer und hebt den Zeigefinger, als könnte der die Zerbrechlichkeit seiner Stimme verbergen. „Wir sind Deutsche. Ich habe so lange gebraucht, bis ich bleiben konnte. Zerstör es nicht, Tochter.“ Ich frage mich, wie zerbrechlich etwas sein muss, wenn ein Stück Stoff es zerstören kann.
Als ich unten auf der Straße bin, schau ich noch einmal nach oben zu unserer Wohnung. Meistens winkt mein Vater mir zu, wenn ich zur Schule gehe. Das macht er schon, seit Mama tot ist. Die Fassade sieht grau aus und rissig. Auf den meisten Balkonen steht Gerümpel oder Grillzeug. Unser Nachbar hat sogar einmal Hühner auf dem Balkon gehalten. Nur unserer ist voller Blumen. Ich drehe mich einmal um die eigene Achse, wenn ich wieder gerade stehe, ist mein Vater bestimmt da. Hoffentlich. Endlich tritt er mit einer Gießkanne auf den Balkon. Er winkt mir zu. Mit beiden Armen. Ein Schwall Wasser ergießt sich über die Fassade, es sieht aus, als wäre sie fleckig.


2.
Die U-Bahn ist voll heute, ich setze mich zu einer älteren Frau, die mich aus den Augenwinkeln mustert. Vielleicht glaubt sie, ich hätte das Selbstbewusstsein eines Sofakissens? Warum denkt sie so schlecht über mich und warum denke ich, dass sie so denkt? Schnell krame ich mein Handy raus und starre aufs Display. Mein Vater hat schon Recht, man braucht viel Mut, wenn man den Glauben ernst nimmt. Aber das will ich. Früher war ich nur ein Mädchen mit schwarzen Haaren, ich hätte Spanierin sein können oder Italienerin. Irgendwas. Aber ich wollte Basima sein. Die blonden Strähnen haben das nicht geschafft. Basima bin ich erst jetzt. Nur für alle anderen bin ich etwas Komisches geworden, das man anglotzen und beschämen darf.
Im Abteil neben mir sitzt ein Mädchen. Ihr Kopftuch ist schwarz, vor ihr steht ein riesiger Rucksack. Bestimmt eine Schülerin wie ich. Der Mann ihr gegenüber stiert sie an und brabbelt unverständliches Zeug, es klingt wie Bukkerweiber. Dann tatscht er dem Mädchen ans Bein und sagt: „Hehe, Heimfahrt?“
„Wie bitte?“ Die Stimme des Mädchens ist leise. Sie schaut nach unten auf ihre Knie.
„Nach Abschiebien.“ Der Mann zieht jede Silbe in die Länge, Spucketröpfchen spritzen. Er deutet auf ihren Rucksack, blickt sich stolz um und sucht die Blicke der Mitfahrer.
Niemand sagt etwas, manche grinsen. Das Mädchen hat sich in ihre Kleider zurückgezogen. Sie sieht jetzt noch kleiner aus und so, als hätte jemand sie geschlagen.
Ich umklammere mein Handy und schaue hoch. „Das macht man nicht“, sage ich, „man fasst niemanden an, das gehört sich nicht.“ Der Mann wendet sich ganz langsam zu mir um. Von seiner Unterlippe tropft Flüssigkeit. Ich vermeide seinen Blick, vielleicht ist er ja wie ein Hund, dem man nicht in die Augen schauen darf. Die Frau neben ihm blickt aus dem Fenster. Ganz interessiert, als gäbe es draußen lila Kängurus.
„Was hast du gesagt“, lallt der Mann und beugt sich noch weiter vor.
„Man macht das nicht, anfassen und so.“ Ich stottere und weiß nicht weiter. Wäre dieser Kerl nur eine Gleichung mit vier Unbekannten, ich hätte kein Problem mit ihm, aber Betrunkene?
„Bukkerweiber, das sei ihr. Isis und Kopp ab. Des macht ihr. Fort mit euch.“
Jedes Geraschel in der Bahn hat aufgehört, es ist ganz still. Als ob selbst die Bahn darauf wartet, was ich antworten werde.
Ich stehe auf, ganz langsam, und schiebe mich an dem Mann vorbei. Ich werde nicht weinen. Auf keinen Fall. Gleich kommt die Heddernheimer Landstraße. Da steige ich aus. Die letzte Station werde ich zu Fuß laufen.
Das Mädchen ist mit mir ausgestiegen. Ihr verschüchtertes Danke verdrängt einen Moment das Ziehen in meinem Bauch.
*
„Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen. Dir allein dienen wir und Dich allein flehen wir um Hilfe an. Führe*uns den rechten Pfad.“ Ich murmele die Sätze aus der Sure Al Fatiha vor mich hin, obwohl ich mich gar nicht auf das Gebet vorbereitet habe, aber die Worte beruhigen mich. Ich kenne das Ziehen. Es begleitet mich seit dem Tod meiner Mutter. Ich dachte immer, sie würde weiter leben, und wenn sie noch so krank ist. Dann starb sie. Von einem Moment zum anderen war da nur noch eine Hülle. Die Erwachsenen sagten, Basima ist noch ein Kind, sie wird darüber hinwegkommen. Das tat ich. Ich kam so gut darüber hinweg, dass ich gar nichts spürte. Keine Traurigkeit, kein schlechtes Gewissen, keine Angst vor dem Tod, nichts. Nur ein Ziehen. Die ganze Zeit. Erst als ich lernte zu beten, wirklich zu beten, mich in die Worte der Suren aufzulösen, da trat das Ziehen in den Hintergrund. Und dafür bin ich dankbar.


3.
Als ich vor der Schule ankomme, ist alles schon ruhig. Nur drüben an der Ecke zum Park lungert Nabil rum. Ich kenn ihn aus dem Matheclub. Aber seit neustem ist er nicht mehr im Unterricht, sondern sitzt auf der Bank beim Parkeingang. Wenn ein Lehrer ihn dort sucht, weil die anderen in der Klasse gesagt haben, „Nabil ist draußen und raucht“, freut ihn das wie ein kleines Kind. Er sagt immer: „Ich schwänz erst richtig, wenn jeder Lehrer mich mindestens einmal gesucht hat. Das bin ich mir schuldig. Und den Lehrern auch. Das hält sie frisch.“
Nabil sagt Dinge, die sich nicht jeder zu sagen getraut. „Sie verstehen uns nicht“, sagt er, „sie wollen es auch gar nicht. Sie treten auf uns, sie treten in Stücke, was wir glauben, und sie treten so lange, bis wir nur noch winzige, stinkende Bröckchen unter ihren Schuhen sind.“ Ich muss immer seinen Händen zuschauen, wenn er redet, er schafft Bilder damit, man sieht die Leute, von denen er spricht. Okay, er übertreibt, aber es ist so witzig, wenn er Deckert, den Ethiklehrer, den Kragen vom Hals diskutiert, wenn der irgendwas Blödes über den Islam sagt. Schade, dass Nabil nur noch kifft und schwänzt. Ich winke ihm zu und biege in den Gang zu meinem Klassenraum. Herr Leitner ist schon drin, es wäre sonst lauter, die Tür stünde offen und die Idioten aus meiner Klasse würden vor der Tür rumgockeln und sich gegenseitig mit Schwämmen und nassen Taschentüchern beschmeißen. Ich öffne, murmele „Entschuldigung, Herr Leitner“ und schlüpfe schnell an den Bänken vorbei zu meinem Platz. Im Vorbeigehen streife ich Emely über die Schulter. Sie wendet den Kopf und schickt mir ein kaum wahrnehmbares Lächeln. Emely ist meine beste Freundin, schon seit dem Kindergarten. Immer hat sie neben mir gesessen und meine Hand gedrückt, wenn etwas Neues kam, ob in der Grundschule oder hier. So lange ist das schon her mit unserer Freundschaft, da ist es ja kein Wunder, wenn sie neuerdings ein wenig durchscheinend geworden ist, so wie die Kleider der Puppen, mit denen wir als kleine Mädchen gespielt haben.
„Warum greifen die USA im Irak ein, warum zögern sie in Syrien? Was ist mit Israel im Spiel der Kräfte um den Nahen Osten?“, höre ich Leitner fragen. Ich schnaube, was soll das gestelzte Zeug? Die anderen haben keine Ahnung, weil sie Idioten sind. Die merken noch nicht mal, dass Leitner Krieg als Spiel bezeichnet. Für mich hat der Nahe Osten ein Gesicht. Saida, meine Oma aus dem Libanon. Ich muss immer noch an ihre weichen Hände denken, auch wenn ich erst sechs war, als sie im Julikrieg von israelischen Fliegern umgebracht wurde. Nichts mehr hat man von ihr gefunden.
„Naher Osten“, höre ich Erhan sagen, den Leitner aufgerufen hat, „Israel, ja, äh“, er stottert und weiß nicht weiter. Kein Wunder, was soll er auch sagen, wenn alles dort Gewalt und Asche ist? Afghanistan, Irak, Syrien, Libanon. Alles kaputt. Die Amis mussten es noch nicht mal selbst machen, hatten ihre Kettenhunde. Immer. Haben Revolutionen unterstützt, die aus blühenden Ländern Kohlehaufen machten. Und wenn sie wollten, haben sie ein Land gleich in die Steinzeit gebombt.
„Gewalt erzeugt Gegengewalt“, höre ich eine Stimme laut sagen und ich erschrecke, denn es ist meine. Leitner verstummt. Für einen Moment steht sein Mund offen. Dann fasst er sich: „Bitte Basima, du wolltest etwas sagen.“
Ich stehe auf und schaue umher. Hier erwartet keiner Politik von dem Matheclubmädchen mit den blonden Haarsträhnen.
„Ihr alle findet das doch richtig, wenn die Amis eingreifen. Die tollen Retter. Hat schon mal einer überlegt, wie die Menschen da jetzt leben im Irak? In Afghanistan? Ob die überhaupt geschützt werden wollten? Hat schon mal einer überlegt, was mit Menschen passiert, wenn sie sich dauernd verteidigen müssen, wenn sie dauernd vertrieben werden? Die Amis haben den IS doch selbst erzeugt.“
Ich setze mich und hole tief Luft, als hätte ich einen Dauerlauf gemacht. Alles ist still, dann setzt ein Murmeln ein. Basima, höre ich, du kannst doch nicht, und Basima, das stimmt nicht, Basima, Basima, Basima. Mein Name verbindet die Münder der anderen zu einem Singsang, der mir beweisen will, dass ich falsch liege. Und am lautesten sind die, die mir eigentlich zustimmen müssten, Erhan und Emely.
Ich habe keine Lust auf den Singsang, ich stehe noch einmal auf und fasse mit beiden Händen an die Tischkante. Der Kaugummibrocken darunter klebt schon, seit ich denken kann, ich reiße ihn ab und werfe ihn in Richtung Papierkorb. „Sogar hier werden Muslime schlecht behandelt“, sage ich laut. „Eine Klofrau darf Kopftuch tragen, das ist völlig normal. Aber wehe, ich will Lehrerin werden mit meinem Hidschab. Dazu hats erst mal eine Verfassungsklage gebraucht. Wieso, verdammt noch mal, braucht eine bescheuerte Christin keine Erlaubnis, wenn sie im Unterricht ein Kreuzchen um den Hals baumeln lassen will? Das ist ungerecht!“
Der Singsang wird zu Protest. Ich höre Kopftuchurteil, sehe die erhobenen Finger, bin erschöpft, lasse den Protest auf mich herabrieseln, schlucke die zornigen Worte meiner Klassenkameraden. Ich höre nicht mehr zu, ich bin doch ohnehin allein. Draußen vor dem Fenster sitzt ein Vogel. Ich wollte, ich wäre er.


4.
Kurz bevor ich hinter den anderen aus dem Klassenraum rausschlüpfe, höre ich Leitners Stimme. „Bleibst du bitte?“
Ich drehe mich um und stelle mich vor seinen Tisch, meine Arme vor der Brust verschränkt. Was will der?
„Basima, ich mache mir Sorgen um dich.“
„Nicht nötig.“
Ich glaube schon.“
„Ich nicht.“
„Es ist doch nur, ach Basima, du hast dich verändert.“
Auch von hier aus kann ich den Vogel sehen. Er starrt immer noch in die Klasse hinein. In Leitners Stimme schwingt wirklich so etwas wie Sorge mit.
„Und wenn? Sind meine Noten etwa schlecht? Hat sich jemand beschwert? Ist doch alles cool mit mir.“
Ich schieße meine Sätze ab. Vielleicht lässt er mich dann gehen.
„Nein, das ist es alles nicht. Es ist, ach Mädchen, warum trägst du plötzlich Kopftuch? Und dein Ausbruch eben. Das bist doch nicht du.“
Ich atme aus. Das macht mich alles so hilflos.
„Zwingt dein Vater dich dazu?“
„Herr Leitner!“
„Wer dann?“
Ich schüttele den Kopf und wende mich von ihm ab.
„Du hast dich von Emely zurückgezogen. Und deine Kleidung.“
„Das ist doch alles Privatsache, rennen Sie den anderen auch so hinterher, wenn die die Frisur wechseln?“
Ich wünschte, der Vogel würde mit seinem Schnabel gegen das Fenster klopfen.
„Komm, Basima, du machst das doch nicht von dir aus.“
Ich schweige. Soll er reden. Irgendwann wird er aufhören.
„Du bist die beste Matheschülerin, die ich jemals hatte. Hast Minirock getragen, dass ich dich einmal nach Hause schicken wollte, so kurz war der. Weißt du noch?“
Ja, ich weiß noch, wie aufgeregt er war, der Herr Leitner, und wie besorgt, ich lächele unwillkürlich in der Erinnerung daran. „Ach Herr Leitner, es ist doch nur der Hidschab. Warum gibt’s da so ein Geschiss drumrum? Erst mein Vater, jetzt Sie. Sind Sie nicht gläubig?“
„Nein, ja, aber darum geht’s doch auch nicht.“
„Sehen Sie, Sie wollen sich auch nicht rechtfertigen oder über das reden, was Sie glauben oder nicht. Warum muss ich das?“
„Ich trage ja auch kein Kopftuch.“
Ich stutze. „Das würd auch ganz schön blöd aussehen zu Ihrem Bart.“
Leitners Mundwinkel zucken, jetzt lacht er.
„Du hast so eine Art, Basima, einem das Wort im Munde rumzudrehen.“
„Das hab ich von Ihnen gelernt, Herr Leitner.“
„Nein, ich meins Ernst, Basima, wie vorhin, da hast du auf einmal den anderen Schülern die Haare vom Kopf geredet. Das war früher nicht so. Da hattest du nur Mathe im Kopf und bist mit Emely rumgezogen. Was hat dich so verändert?“
„Nichts.“
„Ich glaub dir das nicht. Irgendjemand tut dir nicht gut, Basima, ich merke das doch. Hast du vielleicht jemanden kennen gelernt? Vielleicht in der Moschee?“
Ich zucke mit den Schultern und starre aus dem Fenster, damit mir keine Tränen in die Augen steigen. „Verdammt noch mal“, ich versuche, meine zitternde Stimme unter Kontrolle zu bringen, „ich bin okay, ja! Lasst mir doch einfach meinen Glauben.“
„Die frühere Basima hätte nie ein Kopftuch getragen.“
Er legt seine Hand flach auf den Tisch, als hätte er ein Urteil gefällt. „Ich habe Verantwortung für dich, Basima. Ich werde deinen Vater anrufen und die Sache der Schulleitung melden. Die sehen dann weiter. Vielleicht wäre es gut, du sprichst mit jemandem, der das besser kann als ich. Jemand von dem Gewaltnetzwerk, da gibt es Imame.“
„Tun Sie, was Sie tun müssen.“ Ich drehe mich um, verabschiede mich nicht, gehe einfach nur raus. Es ist ein Gefühl der Betäubung. Wie wenn man beim Zahnarzt ist, und man weiß genau, noch tuts nicht weh, aber gleich kommt der Schmerz. Mit ganzer Wucht. Ich habe Leitner gemocht, mit seinen Baggys und dem heraushängenden Hemd, mit dem er auf jung macht, obwohl er älter ist als mein Vater. Immer etwas verpeilt und unausgeschlafen, aber so lieb. Ja. Er war mein Lieblingslehrer, der Leiti.
Auf dem Weg zum Schulhof gehe ich an zwei Lehrerinnen vorbei. Eine streift mich mit ihrem Blick. Beim Rausgehen höre ich noch, wie sie zu der anderen sagt: „Die werden immer mehr. Bei mir sind jetzt schon vier Kopftücher in der Klasse.“


5.
Draußen auf dem Schulhof suche ich nach Emely, Erhan stolziert an mir vorbei und tritt mir in den Weg.
„Wo ist Emely“, frage ich.
„Rauchen.“
„Ich könnte jetzt auch eine gebrauchen. Aber ich habe ja aufgehört.“
„Du hast wohl mit allem aufgehört?“ Er schlägt mit der Faust in seine flache Hand und grinst mir frech ins Gesicht.
Erhan, der Gockel, mit seinen feingerippten Unterhemden, die ihn zum türkischen Macho machen sollen, dabei sieht man einfach nur, dass die Löcher mit der Hand reingeschnitten sind. Stolziert hier rum auf dem Schulhof, den Brustkasten aufgeschwollen wie ein Masthähnchen.
„Hähnchen“, sage ich zu ihm, „pass auf, dass dich keiner in den Topf steckt.“
„Halts Maul, Nonne.“ Er spuckt auf den Boden, aber er bleibt neben mir stehen. „Was hat Leitner denn von dir gewollt? Meldet der dich jetzt?“
„Ist mir scheißegal.“
„Ist richtig.“
„Das ist richtig.“ Ich trete ihn voller Wucht gegen das Schienbein.
Erhan krümmt sich, hält mit beiden Händen das Schienbein fest und hüpft einbeinig herum.
„Ach schau mal an, ein Brathähnchen das tanzen kann. Kannst direkt in den Topf reintanzen, Brathähnchen.“
„Dumme Fotze“, brüllt er los, „du bist wirklich so ein bescheuertes Djihadweib.“
Ich bleibe vor dem hüpfenden Erhan stehen, stemme beide Hände in meine Seiten und lache. „Wenn du mich noch einmal so nennst, Feinripphähnchen, dann trete ich dich dahin, wos wirklich weh tut.“
Eine Traube bildet sich um uns. Irgendwo in der Menge steht Emely. Von hinten greift mich jemand um die Taille, an den Hintern, ganz fest, eine Stimme sagt, „ganz enge Muschis sollen sie haben, die Djihadweiber.“ Dann werde ich nach vorne gestoßen, direkt auf Erhan drauf. Mein Rock rutscht nach oben, meine Beine sind bloß, man kann bis zur Unterhose gaffen. Einer schreit: „Schnell Erhan greif zu bei deinem Schatz, bevor sie weg ist.“ Ich wälze mich von Erhan runter, streife den Rock über die Knie und reibe die schmerzenden Handgelenke. Von unten schaue ich auf die Beine der anderen, ich erkenne Emelys Schuhe, aber keine Hand streckt sich zu mir, um hochzuhelfen.
Als sich die Traube um mich herum auflöst, sehe ich durch die Beine der anderen Leitner, wie er auf uns zukommt. Sein Gesicht ist besorgt. Ich stehe schnell auf und gehe, bevor er mich noch einmal ansprechen kann.


6.
Als ich zur Tür reinkomme, ist mein Vater schon da. Er sitzt am Küchentisch und starrt auf die Tischplatte. Vor ihm steht ein Aschenbecher, randvoll mit Kippen. Er raucht sonst kaum.
„Wo kommst du jetzt her?“
„Ich war noch im Park und dann in der Moschee. War ein schwerer Tag heute.“
„Du gehst da nicht mehr hin. Es ist entschieden.“
„Das darfst du nicht verbieten.“
„Du bist ein Kind.“
„Und du hast nicht das Recht.“
Mein Vater schlägt mit der Hand auf den Tisch, so fest, dass der Schlag ein Echo in meinen Bauch wirft. Ich zucke zusammen. Mein Vater ist nie laut, nie.
„Dein Lehrer hat angerufen“, sagt er und sieht mich das erste Mal direkt an. In seinen Augen liegt etwas Eigentümliches, Schimmerndes. Wie damals, als Mutter ins Krankenhaus kam und der Arzt die Diagnose sagte. Mein Vater hat Angst. Aber vor welcher Diagnose? Ich bin doch gar nicht krank. Und dann weiß ich es, was anders ist als damals. Ich bin es, ich bin die Diagnose. Vor mir hat er Angst.
Ich gehe in mein Zimmer und schließe die Tür hinter mir.

 
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Liebe Novak,
eine neue Kurzgeschichte von dir. Und ein ganz neues Thema.
Bevor ich etwas zu deinem Text sage, möchte ich für mich selbst rekapitulieren und sehen, ob ich die Geschichte in einen Zusammenhang stellen kann.
Du beschreibst mMn das Ende eines Prozesses. Deiner Handlung ist die Identitäts- und Sinnsuche deiner Protagonistin vorausgegangen.

Früher war ich nur ein Mädchen mit schwarzen Haaren, ich hätte Spanierin sein können oder Italienerin. Irgendwas. Aber ich wollte Basima sein. Die blonden Strähnen haben das nicht geschafft. Basima bin ich erst jetzt.

Basima, die ebenso wie ihr Vater, gläubig ist, sucht einen Weg, ihren Glauben zu leben. Außerdem sucht sie nach ihren Wurzeln. Sie denkt an den grausamen Tod der Großmutter:
Für mich hat der Nahe Osten ein Gesicht. Saida, meine Oma aus dem Libanon. Ich muss immer noch an ihre weichen Hände denken, auch wenn ich erst sechs war, als sie im Julikrieg von israelischen Fliegern zu Matsch gebombt wurde.

Und sie sucht nach den Schuldigen. Antworten scheint sie in der Moschee gefunden zu haben. Und hier setzt deine Geschichte ein. Ihr Vater und ihre Umwelt konfrontiert Basima nun mit den Antworten, die sie gefunden zu haben glaubt. Sie will zeigen, dass sie es mit ihrer Religion ernst meint:
Aber ich will zeigen, dass ich es ernst meine. Nicht wie du.“
Nicht so wie ihr Vater, der sich dafür schämt:
Er ist gläubig wie ich. Aber er schämt sich dafür.

Die Antworten, die Basima gefunden hat, sind plakativ:
„Ihr alle findet das doch richtig, wenn die Amis eingreifen. Die tollen Retter. Hat schon mal einer überlegt, wie die Menschen da jetzt leben im Irak? In Afghanistan? Ob die überhaupt geschützt werden wollten? Hat schon mal einer überlegt, was mit Menschen passiert, wenn sie sich dauernd verteidigen müssen, wenn sie dauernd vertrieben werden? Die Amis haben den IS doch selbst erzeugt.“

Die Moschee (vermute ich) hat ihr die Alleinschuldigen geliefert – an den Kriegen im Irak, in Afghanistan, in Syrien usw. und für die IS. Es sind die USA und Ihre „Kettenhunde“.

Du beschreibst Basima sehr stimmig in ihrer Empörung und wie sie ihren Lehrer und ihren Vater aufschreckt. Sie spüren ihre Veränderung und können sie sich nicht erklären:

Nein, ich meins Ernst, Basima, wie vorhin, da hast du auf einmal den anderen Schülern die Haare vom Kopf geredet. Das war früher nicht so. Da hattest du nur Mathe im Kopf und bist mit Emely rumgezogen. Was hat dich so verändert?“

Beim Lehrer erzeugt diese Veränderung Sorge, beim Vater Angst, eine diffuse Angst.
Überhaupt finde ich, dass du den Vater sehr gut zeichnest. Er hat versucht, alles richtig zu machen und spürt nun, dass seine Tochter ihm entgleitet und er sie nicht aufhalten kann, nicht mit Liebe, nicht mit Worten und nicht mit dem Schlagen auf den Tisch.
Deine Personen wirken echt, seien es die Schüler oder sei es der Lehrer. So kann ich sie mir vorstellen.

Eine Passage erscheint mir allerdings wie ein Fremdkörper:

Hier ist es doch auch nicht besser. Wieso ist es normal, wenn die Schulklofrauen Kopftuch tragen? Aber wenn ich Lehrerin werden will mit meiner Dschihab brauchts erst eine Verfassungsklage? Wieso, verdammt noch mal, braucht eine verdammte Christin kein Bundesverfassungsgericht, wenn sie im Unterricht ein Kreuzchen um den Hals baumeln lassen will? Das ist ungerecht!“

Ich kann mir Begriffe wie "Verfassungsklage“ und „Bundesverfassungsgericht“ in einer Äußerung einer Schülerin nicht vorstellen, allenfalls im Sozialkundeunterricht, aber nicht, wenn Basima emotionsgeladen beweisen will, dass es hier doch auch nicht besser ist.

Novak, du hast einen sehr komplexen Text zu einem sehr komplexen Thema geschrieben. Er hat mir gefallen, weil er gut konzipiert und mit vielen guten sprachlichen und inhaltlichen Details ausgestattet ist. Man spürt die gedankliche Auseinandersetzung mit dem Thema, seiner Problematik und erkennt, wie viel Arbeit in die Charakterisierung der Personen geflossen ist. Super.

Liebe Grüße am frühen Morgen.
barnhelm

 

Hallo Novak,

Ich steige mal hier ein:

Es regt ihn auf, wenn ich Widerworte gebe

Die Formulierung kommt mir bekannt vor. Habe ich sie nicht kürzlich irgendwo hier gelesen? :D

Basima, eine Schülerin mit islamischem Migrationshintergrund, die vorher gerne Miniröcke getragen hat, verhüllt sich auf einmal und erschreckt damit ihren recht liberalen Vater, Mitschüler und Lehrer.

Warum verhüllt sie sich?

Aus religiösen Gründen, ist ihre Antwort.

Hm, hm. Es ist noch gar nicht lange her, da habe ich in diesem Forum eine Erzählung gelesen, wo ein Vater seine Tochter züchtigt, und zwar auch aus religiösen Gründen - jedenfalls redet er sich selbst das ein. In Wirklichkeit steckt jedoch ein anderes Motiv dahinter, das etwas mit Sexualität zu tun hat...

Novak, ich habe viel von Freud gelernt und kann es einfach nicht lassen, nach verdrängten Motiven zu suchen, nach Motiven, die zudem mit Sexualität zu tun haben.

Und ich finde, der Erhan ist gar nicht dumm, denn er stellt intuitiv die richtige Diagnose:

„Halts Maul, Nonne.“

"Nonne" ist für die Deutung deiner Erzählung ein Schlüsselbegriff. Eine Nonne entsagt der Sexualität und zieht sich in den Schutz von Klostermauern und Religion zurück, wie Basima sich in den Schutz der islamischen Verhüllung zurückzieht.

Dass zugeknöpfte Kleidung für ein Mädchen solch einen Schutz bedeuten kann, lässt du ja auch an dieser Stelle anklingen:

Im Abteil neben mir sitzt ein Mädchen. Ihr Kopftuch ist schwarz ... Bestimmt eine Schülerin wie ich. Der Mann ihr gegenüber stiert sie an und brabbelt unverständliches Zeug, es klingt wie Bukkerweiber. Dann tatscht er dem Mädchen ans Bein und sagt: „Hehe, Heimfahrt?“
„Wie bitte?“ Die Stimme des Mädchens ist leise. Sie schaut nach unten auf ihre Knie.
„Nach Abschiebien.“ Der Mann zieht jede Silbe in die Länge, Spucketröpfchen spritzen. ... Das Mädchen hat sich in ihre Kleider zurückgezogen.

Wer wie ich von Freud lernen durfte, wird die Spucketröpfchen, also eine dem Mädchen unerwünschte Körperflüssigkeit, die von dem Mann ausgeht, als Sperma deuten. Das belästigte Mädchen, mit dem Basima sympathisiert und sich identifiziert, gibt also ein Bild ab für Angst vor Sexualität.

Warum aber hat Basima, die vorher gerne die Mitschüler mit Miniröcken reizte, plötzlich Angst vor Sexualität? Das ist bei pubertierenden Jugendlichen oft der Fall. Basima hat Angst vor den eigenen sexuellen Wünschen, weil diese einen in unangenehme und kränkende Situationen führen können. Zum Beispiel, wenn der Junge, in den sie sich verliebt, schon eine andere hat. Oder weil sie sich als unglücklich Verliebte dem Spott der Mitschüler aussetzt. Das Erwachen der Sexualität kann ganz schön stressig sein, da zieht man sich lieber in eine strenge Religion zurück.

Deine hintergründige Geschichte habe ich gerne gelesen!
Grüße
gerthans

 
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Liebe Barnhelm,

dieses Mal will ich unbedingt schneller und kürzer antworten als bei der Garten-Geschichte.
Das war zum Schluss schon echt hart.
Aber erst mal vielen lieben Dank fürs Lesen. Die allererste Lesermeinung ist irgendwie immer besonders wichtig. Ich weiß nicht, warum, aber danach ist man immer erleichtert. Aber das kennst du ja sicherlich selbst. Also von daher vielen Dank für deine Überlegungen und dein zeit und natürlich für das Lob.

Deine Rekapitulation stimmt. Ihre Vorgeschichte oder Identittssuche ist die Voraussetzung für diese Geschichte hier. Und wenn ein muslimisches Mädchen plötzlich gläubig wird, und das auch noch gegen ihre Eltern/ihren Vater, dann hat sie hier in Deutschland mit einigem zu rechnen.

Basima, die ebenso wie ihr Vater, gläubig ist, sucht einen Weg, ihren Glauben zu leben. Außerdem sucht sie nach ihren Wurzeln. Sie denkt an den grausamen Tod der Großmutter:

Und sie sucht nach den Schuldigen.

Das tut sie.

Antworten scheint sie in der Moschee gefunden zu haben.
Steht das irgendwo? Ja, sie geht in die Moschee, das steht im Text, ihr wird auch unterstellt, dass sie jemanden in der Moschee kennen gelernt hat, der sie beeinflusst. Aber ob das wirklich so ist? Mein Text sagt das nicht, er will es auch nicht. Weder bejahen noch verneinen. Sie geht nach diesem schrecklichen Tag, wo der Lehrer ihr ja eine ganz schöne Scheiße angedroht hat, in die Moschee. Klar. Meine Freundin, die religiös ist, geht auch in die Kirche, wenn ihr was zusetzt.

Die Antworten, die Basima gefunden hat, sind plakativ: ..

Die Moschee (vermute ich) hat ihr die Alleinschuldigen geliefert – an den Kriegen im Irak, in Afghanistan, in Syrien usw. und für die IS. Es sind die USA und Ihre „Kettenhunde“.

Ja sie sind plakativ. Soplakativ wie viele Pubertierende denken. Ob ich den Hintergrund in so eine plakative Ecke stellen möchte? Es gibt viele ernst zu nehmende politische Auffassungen, die einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Zustand vieler Staaten des Nahen Osten und der amerikanischen Politik sehen. Das wird hier nicht sehr gerne gesehen. aber ob es deswegen falsch ist?

Überhaupt finde ich, dass du den Vater sehr gut zeichnest. Er hat versucht, alles richtig zu machen und spürt nun, dass seine Tochter ihm entgleitet und er sie nicht aufhalten kann, nicht mit Liebe, nicht mit Worten und nicht mit dem Schlagen auf den Tisch.
Deine Personen wirken echt, seien es die Schüler oder sei es der Lehrer. So kann ich sie mir vorstellen.
Danke dafür, das war mir auch sehr sehr wichtig.

Eine Passage erscheint mir allerdings wie ein Fremdkörper:
Ich bin gerne bereit, diese Rede sprachlich zu überdenken, sie vielleicht emotionaler zu machen. Aber nicht inhaltlich oder von der Wortwahl (Bundesverfassungsklage) her. Hat zwei Gründe.
1. ist Basima intelligent, die interessiert sich dafür, was um sie herum vorgeht und weiß die Namen für politische Institutionen auch zu benennen, sofern sie sich dafür interessiert. Vielleicht hat sie was gelesen dazu, vielleicht hat jemand das gesagt, vielleicht war sie auch einfach nur sehr aufmerksam und hat beobachtet, wie Muslima mit oder ohne Kopftuch "bewertet" werden? Ich meine, sie legt hier den Finger auf echte Widersprüche. Und jungen Menschen fällt sowas eben manchmal auf. Die will überzeugend sein mit dem, was ihr aufgefallen ist, und worüber sie nachdenkt.
Und 2. Naja, ich kenne nun mal ganz praktisch Jugendliche, die so intelligent sind und sich gut ausdrücken können. Auch in einer emotionalen Situation. Die ernst genommen werden wollen und auf Dinge hinweisen, die ja auch tatsächlich eigenartig sind. Gerade zu dem Argument, das das Mädchen da bringt, könnt ich noch so einiges sagen, aber das verkneif ich mir jetzt mal.
Also diese Passage hab ich ganz bewusst so gesetzt. Wie gesagt, emotionaler kann ich sie machen (aber erst denk ich natürlich auch darüber nach) aber rausnehmen oder abschwächen? Nein.

Novak, du hast einen sehr komplexen Text zu einem sehr komplexen Thema geschrieben. Er hat mir gefallen, weil er gut konzipiert und mit vielen guten sprachlichen und inhaltlichen Details ausgestattet ist. Man spürt die gedankliche Auseinandersetzung mit dem Thema, seiner Problematik und erkennt, wie viel Arbeit in die Charakterisierung der Personen geflossen ist. Super.
Vielen Dank, Barnhelm für deinen wohlwollenden und gut überlegten Kommentar. Vielen Dank besonders für deine Rekapitulation. Das war sehr hilfreich zu sehen, ob das klappt, dass ihre Vorgeschichte (ihre Identitätssuche) unterstellt ist als Voraussetzung.
Dir auch ganz liebe Grüße zurück.
Novak

Lieber gerthans, leider musst du noch warten. Ich muss mal grad ein bisschen moderatorenmäßig unterwegs sein.

 

Hallo Novak,

ich habe die Geschichte gerne gelesen, auch sprachlich ist sie gelungen. Mir gefällt, wie Du beschreibst, das ist sehr anschaulich:

Wenn er auf Fahrgäste wartet, sitzt er ganz in sich zusammengefaltet da,...

Das Thema ist nicht einfach, aber Dir ist ziemlich gut gelungen, ohne viele Klischees auszukommen.
Die Szene in der Bahn mit dem anderen Mädchen finde ich aber doch etwas klischeehaft/unrealistisch. Ich lebe in der Großstadt, Kopftücher gehören schon lange zum Alltag und zum Straßenbild, da regt sich keiner mehr darüber auf. Also ich habe eine solche Szene noch nie erlebt. Aber ok, der Mann ist Alki:Pfeif:

Vielleicht steh ich auch auf dem Schlauch oder überinterpretiere... Als ich den Titel gelesen habe, dachte ich an eine Flüchtlingsgeschichte, aber es geht ja um etwas anderes. Ich verstehe ihn nicht so ganz...Willst Du damit andeuten, dass die Gesellschaft(unsere) bei kopftuchtragenden Frauen sofort an radikalen Islam/Terrorismus/Dschihad denkt oder, dass Basima tatsächlich auf dem Weg ist, radikal zu werden und sich irgendwelchen Gruppen(IS...) anschließen will?
Das Kopftuchthema ist ja schon etwas älter und sehr heikel, aber ich(als Ungläubige;)) bin dabei auch ziemlich ratlos. Welche Motivation auch immer dahinter stecken mag, freiwillig ein Kopftuch zu tragen, ich hätte mir in Deiner Geschichte dazu vielleicht ein paar Antworten gewünscht...

Viele Grüße,
Kerkyra

 

Liebe Novak,

dieses Bild zum Einstieg finde ich gut

Als er meinen Blick sah, hat er es schnell ins Handschuhfach geschoben. Wie einen Porno. Aber ist ja auch komisch, ein Libanese, der Thomas Bernhardt liest, ich glaub, sowas mag noch nicht mal der Leitner, und der ist Deutschlehrer.
Aber trotzdem hängt es bei mir im Kpof kurz an der Stelle, weil ich darüber nachdenken muss, warum ein Deutschlehrer das nicht mögen würde. Fiel mir nix zu ein. Aber das Bild find ich super.
„So kannst du nicht gehen, Tochter. Nicht heute.“
Ich nehme es auch so wahr, dass der Durchschnitt der arabischstämmigen Menschen, die Deutsch sprechen, häufiger Töchter,Söhne, Väter und Mütter an ihre Sätze hängen als der Urdeutsche .... Aber mir war die Frequenz insgesamt zu hoch.

Mein Vater hat die Weildukrankheit
gefällt mir

Ich frage mich, wie zerbrechlich etwas sein muss, wenn ein Stück Stoff es zerstören kann.
Cool!

Die U-Bahn ist voll heute, ich setze mich zu einer älteren Frau, die mich aus den Augenwinkeln mustert. Vielleicht glaubt sie, ich hätte das Selbstbewusstsein einer Stubenfliege? Warum denkt sie so schlecht über mich und warum denke ich, dass sie so denkt?
Ja, also das mit dem Anstarren und Selbstbewusstsein ist grundsätzlich gut, aber ich würde nicht die Stubenfliege zum Feigling erklären. Die Viecher fliegen zehn Kamikatze-Angriffe nacheinander auf meinen Kopf, obwohl ich doch um einiges größer bin. Also mangelndes Selbstbewusstsein ist deren Problem nicht, glaube ich. Zumindest nicht im Sinne, wie es verwendet wird. Dass sie sich ihrer selbst bewusst sind glaube ich natürlich auch nicht, aber ich würde entweder sagen Intelligenz einer Stubenfliege oder Selbstbewusstsein wie eine Rehkuh oder sowas Scheues eben ...

Früher war ich nur ein Mädchen mit schwarzen Haaren, ich hätte Spanierin sein können oder Italienerin. Irgendwas. Aber ich wollte Basima sein. Die blonden Strähnen haben das nicht geschafft. Basima bin ich erst jetzt.
Finde ich gut, diese potenziell identitätsstiftende Funktion eines Tuchs, wenn man sonst nix mehr hat aus der eigenen Kultur, wo doch auch die Mutter gestorben ist ...Ja, ist sehr verwunderlich, wie sehr ein Stück Tuch alles verändern kann. Der gleiche Mann hätte vielleicht kurz zuvor noch freundlich geguckt, aber nun hat sie sich dieses Zeichen auf den Kopf gesetzt. Und es ist nicht zu bestreiten, dass so etwas wirkt. Mir tun wirklich auch viele Jungs aus meinem Umfeld leid, Türken, Araber, die sich keinen Bart mehr wachsen lassen können, ohne dass sie in den Augen der Ureinwohner gefährlich aussehen. Ja, das funktioniert aber bei mir auch, ich sehe mir arabischstämmige Männer mit verkniffenen Gesichtsichtsausdrücken und langen Bärten auch etwas genauer an als den Durchschnitt, wenn sie mir im Rewe begegnen oder so. Ich ertappe mich da auch, dass ich gucke, ob die vielleicht n komischen Koffer dabei haben.


die Stelle, wo sie in der Klasse anfängt, zu reden über den Nahen Osten, das ist mir nicht ganz stimmig. Irgendwie klingt in diesen politischen Sätzen zu wenig Emotion, Persönliches und zu viel Ideologisches bzw. Auswendiggelerntes. Es klingt nicht wie ein Mädchen, das vor Wut über die Ignoranz der anderen wirklich schäumt, es ist alles dafür zu sachlich, zu perfekt.


Also ich finde die Grundidee super, das Thema mega wichtig und spannend, weil persönlich, umgesetzt. Der Anfang ist richtig gut, dann in der Schule kippt es etwas ins Gestelzte und die letzten beiden Absätze sind mir eindeutig zu knapp. Da müssten die Emotionen beim Leser mit derselben Geduld und Leidenschaft aufgebaut werden wie in den ersten drei Abschnitten. So wirkt es wie ein schönes Bild, von dem aber nur 2/3 richtig ausgemalt wurde, der Rest ist noch Zeichnung.


Liebe Grüße

 
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Hallo Novak,

schön, mal wieder was von Dir zu lesen. Ich habe einige Vorbehalte gegen den Text, aber erst einmal das aus meiner Sicht Positive. Ich finde die Geschichte sprachlich überzeugend, die Figurenzeichnung gelungen (besonders Vater und Tochter kann ich mir gut vorstellen), auch die meisten der von Dir ausgewählten Szenen eignen sich gut, um ein Bild im Kopf des Lesers entstehen zu lassen.

Mein erster Kritikpunkt betrifft die Glaubwürdigkeit der Szenen:

Mädchen wird wegen Kopftuch in der U-Bahn angemacht -> glaub ich nicht, ich sehe jede Woche im Supermarkt etliche Frauen in Hidschāb, Pardesü oder burkaähnlichen Gewändern, da guckt doch niemand mehr hin. Dass ein Einzelirrer daran Anstoß nimmt und beginnt, das Mädchen zu begrapschen und laut nach "Abschiebien" zu wünschen, wirkt konstruiert und man sieht, dass das der Autorin in die Karten spielt, die einen Umdenkungsprozess bei Basima nachzeichnen möchte. Nicht überzeugend.

Die Polit-Diskussion gefällt mir nicht so gut. Einerseits passt das natürlich ins Bild und man kann sich das alles gut vorstellen, andererseits ist das bereits so oft in Dokumentationen über Jugendliche die Deutschland für den Dschihad verlassen gezeigt worden, dass ich es als wenig originell empfinde.

Auch die kleine Schubserei auf dem Schulhof fügt dem gesamten Text nichts Neues hinzu, sondern dient nur dem Zweck, auch dem schwerfälligsten Leser die Bedingungen der Radikalisierung bzw. Neuorientierung von Basima vor Augen zu führen.

Kurz zum Thema Radikalisierung: Ich finde radikale Ansichten nicht grundsätzlich negativ, nahezu jeder große Denker war in der einen oder anderen Form ein radikaler Kritiker bestehender Verhältnisse, sei es, was die geistige Sphäre oder die Gesellschaftsordnung betrifft. Wenn man dann aber sieht, wie leicht Basima es sich macht ("Die Amis haben den IS doch selbst erzeugt." – Islamwissenschaftler gehen davon aus, dass der IS und die anderen Terrorbewegungen die Auswirkungen einer Krise des Islams sind), versteht man, dass es ihr um etwas ganz anderes als Erkenntnis oder Wahrhaftigkeit oder Gerechtigkeit geht.

Das alles ist für mich zwar nicht unbedingt Klischee, aber es mir zu formelhaft, man hat es zu oft genau so vorgezeichnet bekommen. Es überrascht nicht, es stiftet keine neuen Einsichten, es provoziert nicht.

Das ist aber nicht mein Hauptvorwurf an den Text. Der kommt jetzt. Meinem Empfinden nach besteht der eigentliche Mangel des Textes darin, dass er nichts behauptet. Und da ja schon ein Vergleich zu Dions Geschichte kam, folge ich dem Beispiel. Während Dions Prämisse in "Würde" meiner Ansicht nach Blödsinn war, ist es bei diesem Text so, dass die Prämisse fehlt. An Dions Text kann man sich reiben, an Deinem Text nicht, denn er ist zu brav und konventionell. Was behauptet Deine Geschichte? Dass sich junge Muslime aufgrund der Intoleranz in Deutschland radikalisieren? Nein, ich denke nicht. Dass es kulturelle Unterschiede, verschiedene Wahrnehmungen gibt? Das taugt nicht für eine Prämisse, denn das ist so selbstverständlich wie die Gravitation.

Meine Empfehlung ist, Dich mehr in Risikobereitschaft zu üben. Behaupte etwas, das kontrovers ist. Gehe die Gefahr ein, falsch zu liegen. Stifte Unruhe, zwinge den Leser, sich und seine Überzeugungen zu hinterfragen.

Trotzdem gern gelesen.

Gruß Achillus

 

Erziehung ist ein seltsam Ding und gleicht dem Experiment, das daneben gehen kann, wie ja auch der Zögling ein anderer werden kann, als es sich die Erziehenden erwartet hätten, wobei nicht erst seit heute soziales Umfeld und die Medien immer größeren Einfluss gewinnen. Und ein Zögling, der nicht anderes will als der Erziehende, ist wahrscheinlich nur nach den Jahren jung gewesen und tatsächlich sein Leben lang ein alter Mensch. Wie das Mündel Vormund werden will, will der Zögling sich seiner Zucht entziehen, indem er sich zunächst anders gibt als seine Altvorderen. Den Titel hastu,

liebe Novak,
folgerichtig als Frage formuliert, denn ein Kopftuch macht so wenig einen Radikalen aus wie ein zotteliger Bart und die Geschichte zeigt nur, dass die Icherzählerin selbstbewusst ist und ich bin von überzeugt, dass die Frage zu verneinen sei, denn was sollte eine selbstbwusste Frau im Dschihad?

Zwo Flusen hab ich gefunden, wobei auch eine riskante Formulierung zu finden ist wie

… und hüpft einbeinig herum.
Korrekt hieße „und hüpfte auf einem Bein herum“, denn unter Einbeinigen ist der Zweibeiner König …

Hier wären Kommas nachzutragen

„Schnell[,] Erhan[,] greif zu …

Was den (fehlenden) Apostroph betrifft, müsstestu noch mal durchsehen, ob da nicht Missverständnisse aufkommen können.

Wie immer gern gelesen vom Koffer packenden

Friedel

 
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Hallo Gerthans,
lieben Dank fürs Lesen und Interpretieren und für deine Überlegungen.

Ich steige mal hier ein:

Es regt ihn auf, wenn ich Widerworte gebe
Die Formulierung kommt mir bekannt vor. Habe ich sie nicht kürzlich irgendwo hier gelesen?

Ich weiß zwar, worauf du anspielen willst, aber die Logik erschließt sich mir nicht.

Lieber Gerthans, ich les deine psychoanalytischen Interpretationen immer sehr gerne, weil du oft etwas Verdecktes, Hintergründiges findest. Hier überinterpretierst du zum Teil aber. Mal der Reihe nach.
Diese Idee kann ich als Möglichkeit sehen oder mittragen:

Warum aber hat Basima, die vorher gerne die Mitschüler mit Miniröcken reizte, plötzlich Angst vor Sexualität? Das ist bei pubertierenden Jugendlichen oft der Fall. Basima hat Angst vor den eigenen sexuellen Wünschen, weil diese einen in unangenehme und kränkende Situationen führen können. Zum Beispiel, wenn der Junge, in den sie sich verliebt, schon eine andere hat. Oder weil sie sich als unglücklich Verliebte dem Spott der Mitschüler aussetzt. Das Erwachen der Sexualität kann ganz schön stressig sein, da zieht man sich lieber in eine strenge Religion zurück.
Das könnte so sein, dass Basima sich aus den von dir genannten Gründen der Religion zuwendet. Aber der Text behandelt das nicht und es ist auch nicht sein Thema. Er setzt diese Veränderung als gegeben voraus. Von daher: Möglichkeit ja, aber deine Lesweise nimmt die von Basima selbst genannten Gründe nicht ernst. Und das Nichternstnehmen ist es, woran sie mit ihrer Entscheidung für Kopftuch und Religiösität leidet.
Würdest du jemandem sagen, der plötzlich religiös wird, er habe Angst vor dem Erwachsenwerden oder vor der Sexualität? Ich würde mit der Person streiten, aber über das, was sie sagt und will.

Hm, hm. Es ist noch gar nicht lange her, da habe ich in diesem Forum eine Erzählung gelesen, wo ein Vater seine Tochter züchtigt, und zwar auch aus religiösen Gründen - jedenfalls redet er sich selbst das ein. In Wirklichkeit steckt jedoch ein anderes Motiv dahinter, das etwas mit Sexualität zu tun hat...
In Dions Erzählung geht es explizit um einen Zusammenhang zwischen Papstaussage (Religion) und der Ausnutzung dieser Erlaubnis durch den Vater für seine Gelüste (Macht und Sex). Das ist das Thema seiner Geschichte. Aber nur weil dieses Verhältnis in einer völlig anderen Geschichte thematisiert wird, muss es hier in dieser Geschichte noch lang nicht zutreffen.
Davon ab würde ich den Grund für Religiösität nicht mit mehr oder weniger verdrängter Sexualität gleichsetzen. Vielleicht ist das Verhältnis ja auch genau andersherum. Und die pervertierten Sexualgelüste eine Folge der religiösen Moral und des Zwangs.

„Nach Abschiebien.“ Der Mann zieht jede Silbe in die Länge, Spucketröpfchen spritzen. ... Das Mädchen hat sich in ihre Kleider zurückgezogen.
Wer wie ich von Freud lernen durfte, wird die Spucketröpfchen, also eine dem Mädchen unerwünschte Körperflüssigkeit, die von dem Mann ausgeht, als Sperma deuten. Das belästigte Mädchen, mit dem Basima sympathisiert und sich identifiziert, gibt also ein Bild ab für Angst vor Sexualität.
Hier geh ich nicht mehr mit. Klar, keiner will Spucketröpfchen abkriegen. Ganz egal, ob die nun Sperma oder Kanarienvögel symbolisieren. Aber wovor das Mädchen da Angst hat, das ist ein rassistischer Sack, der sie verspottet.

Deine hintergründige Geschichte habe ich gerne gelesen!
Dankeschön, das hat mich sehr gefreut.
Viele Grüße an dich, gerthans. Bis bald einmal.


Liebe Kerkyra,

ich habe die Geschichte gerne gelesen, auch sprachlich ist sie gelungen. Mir gefällt, wie Du beschreibst, das ist sehr anschaulich:
Dankeschön für dieses Kompliment, das hat mich total gefreut.

Die Szene in der Bahn mit dem anderen Mädchen finde ich aber doch etwas klischeehaft/unrealistisch. Ich lebe in der Großstadt, Kopftücher gehören schon lange zum Alltag und zum Straßenbild, da regt sich keiner mehr darüber auf. Also ich habe eine solche Szene noch nie erlebt. Aber ok, der Mann ist Alki
Du gibst dir schon selbst eine Antwort, der Mann ist Alki, von daher spricht er unumwunden etwas aus, was viele nur denken. Manche genießen seinen besoffenen Witz. Manche schweigen auch nur peinlich berührt.
Natürlich gehören Kopftücher zum Alltag dazu, aber genauso gehört zum Alltag, dass eine junge Frau mit Kopftuch schlechter einen Praktikumsplatz bekommt oder nicht am Schalter mit Publikumsverkehr sitzen soll. Natürlich ist man kein Rassist als Vorgesetzter, aber man muss doch auf die Kunden achten. Undundund. Kann man alles nachlesen und wenn man aufmerksam ist, auch mitkriegen. Durch meinen Beruf hab ich da eine ganze Menge Sachen miterleben und mithören "dürfen". Die Szene in der Bahn ist mir so ähnlich erzählt worden, ich habe sie aber natürlich abgewandelt. Die Bemerkung, die die Lehrerinnen machen, hab ich original gehört und das, was sich hinter der väterlichen Angst vor dem Tragen der Hidschab verbirgt, das habe ich ähnlich als Betreuerin miterleben müssen, ob das nun div. Praktikumsplätze waren oder Bewerbungstraining etc.

Vielleicht steh ich auch auf dem Schlauch oder überinterpretiere... Als ich den Titel gelesen habe, dachte ich an eine Flüchtlingsgeschichte, aber es geht ja um etwas anderes.
Auf eine Flüchtlingsgeschichte wäre ich jetzt nicht gekommen bei dem Titel. Dann müsst der ja ganz anders heißen.

Ich verstehe ihn nicht so ganz...Willst Du damit andeuten, dass die Gesellschaft(unsere) bei kopftuchtragenden Frauen sofort an radikalen Islam/Terrorismus/Dschihad denkt oder, dass Basima tatsächlich auf dem Weg ist, radikal zu werden und sich irgendwelchen Gruppen(IS...) anschließen will?
Ob Basima sich dem IS anschließt? DerText lässt das offen. Aber eher wohl nicht. Was der Text aber aber sagt, das ist, dass sie allein gelassen wird, dass all ihr Suchen und ihre Auseinandersetzungen nicht ernst genommen werden, sondern in einer Atmosphäre der "Beobachtung" geschehen. Das hofft der Text zu sagen. Und nein, das ist keine gute Sache für einen Menschen, für sein Vertrauen in sich selbst und andere nicht, nicht in die Tragfähigkeit von Beziehungen und nicht für seine persönliche Reife.
Nein, man denkt nicht sofort an Islamismus, wenn eine Frau in sich und andereein Kopftuch trägt. Aber es gibt auch eine Atmosphäre des Misstrauens Muslimen gegenüber. Sie müssen sich schon sehr deutlich abgrenzen und "beweisen" dass ihre Religion und ihre persönliche Einstellung friedlich ist. Es gibt sogar Stimmen, die dem gesamten Glauben "eine Dimension der Gefahr" unterstellen.
Und auf der anderen Seite gibt es die systematische Anwerbung von jungen Frauen zum IS. Und es gibt Prävention dagegen. Und auch da herrscht eine Atmosphäre des Misstrauens. Jemand, der urplötzlich religiös wird, Kopftuch tragen will, obwohl er doch gar nicht müsste. Der auch sonst Lebenumstände ändert, der Kritk hat, die vielleicht plakativ ist, aber so ist das eben manchmal, wenn man jung ist, der gerät da plötzlich ins Visier. Aus den wohlmeinendsten Gründen. Aber es ist eben ein Visier.

Das Kopftuchthema ist ja schon etwas älter und sehr heikel, aber ich(als Ungläubige) bin dabei auch ziemlich ratlos. Welche Motivation auch immer dahinter stecken mag, freiwillig ein Kopftuch zu tragen, ich hätte mir in Deiner Geschichte dazu vielleicht ein paar Antworten gewünscht...
Das Thema der Geschichte ist ja nicht, warum sie ein Kopftuch tragen will, das ist bereits unterstellt, deswegen kann und will die Geschichte keine Antworten dazu geben. Thema ist, was nun passiert. Wie sie beäugt wird, wie sie auch selbst anderen unterstellt, dass die sie beäugen, es erzählt von dem Misstrauen, sehr gläubigen Muslimen gegenüber. Von der Atmosphäre des Verdachts, in der sie lebt. Und verdächtigt zu werden, das ist kein Umgang, der Vertrauen in einem Menschen schafft. Das ist das Thema meiner Geschichte.
Liebe Kerkyra, vielen Dank für dein Lesen und für die Fragen, die du hattest.
Viele Grüße von der Novak

 
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Hallo Novak,

es ist schön, ein nicht ganz gewöhnliches Thema so gut erzählt zu bekommen. Die Szenenabfolge - ein Schultag - passt ja gut: Ein Alltagsgewand und eine Erleuchtung. Zum Inhalt wurde ja schon genügend gesagt. Ein Mädchen meint, sein Ich, seine Identität gefunden zu haben, dafür braucht sie ein Kopftuch. Wer durch Symbole eine Idenitität findet, findet das Gegenteil: Unterordnung und in Folge davon: Märtyrertum.
Nun machst du das in dieser Geschichte auf kleiner Flamme. Aber ein Kopftuch ist heute kein Aufreger mehr. Ich sehe es ja auch eher austauschbar mit anderen Zeichen einer Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft und damit ein Zeichen der Unterordnung.
Die Ängstlichkeit des Vaters konnte ich mir nicht ganz erklären: Wer Bernhard liest, steht da drüber. Schade, dass in dem Text kein Bernhard mehr ist, war enttäuschend.
Sicherlich spielen die Hormone mehr eine Rolle als die Moschee.
Die Sorgen von Leitner und Vater sind übertrieben. Sie ist in ihrer Antwort in der Stunde so gewandt, dass sie bald alles durchschaut und als "schwierige Person" durchs Leben geht.
Eine Gläubige nehme ihr nicht ab.
Trotzdem: neues Thema, Interkulturelles, ein nettes Mädchen, aber ein großer Konflikt ist es nicht, aber angenehm zu lesen.
Fröhlichst Wilhelm

 
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Hallo Novak,

es ist die zweite Generation, die im "neuen" Land die Wurzeln und die Identifikation sucht. Die erste war mit Ankommen und Existenzgründen beschäftigt und trägt wahrscheinlich unbewusst ein Stück Dankbarkeit mit sich herum, was sie hindert, egoistischer ihre Lebensgewohnheiten aus der Heimat auszuleben und sich mehr anzupassen.

Dir ist schon gesagt worden, du würdest das Thema auf kleiner Flamme kochen. Ja, warum auch nicht? Es muss ja nicht in jeder Geschichte bis unter die Decke rumpeln.
Wir haben bei uns im Ort einen jungen Mann, der regelmäßig öffentlich in facebook den guten Gott lobpreist. Ich schüttle dann auch etwas den Kopf, denke aber dabei, dass es ja egal ist, solange er keinem was zu Leide tut.
Basimas Umfeld hat Angst - mir kommt das vor, als wenn im Kindergarten von den Erzieherinnen buntes Gekritzel mit viel Phantasie uminterpretiert und dann als Hilferuf von missbrauchten Kindern deklariert wird.
So interpretiert man schon eine geheime Zelle in ihren Wunsch, die Religion offensichtlich auszuleben.
Das muss schon auch nerven, wenn man sich in Basima hineinversetzt und sehr diskriminierend sein, wenn man pauschal in eine politische Ecke gedrängt wird. Im Umkehrschluss überspitzt gesagt: Nicht jedes Mädel, was ein Dirndl mit Kreuz am Hals trägt, wählt die CDU/CSU.

Noch zum Text:

Aber ist ja auch komisch, ein Libanese, der Thomas Bernhardt liest, ich glaub, sowas mag noch nicht mal der Leitner, und der ist Deutschlehrer.
Ich verstehe das nicht. Also dass der Deutschlehrer nicht mögen sollte, wenn ein Libanese T.Bernhardt liest. Erklär mir es bitte.

Mein Vater hat die Weildukrankheit.
:D

Basima bin ich erst jetzt. Nur für alle anderen bin ich etwas Komisches geworden, das man anglotzen und beschämen darf. Ihre Blicke lassen sich auf mir nieder wie gefräßige Vögel und picken sich in mein Inneres.
Das ist mir zu dick aufgetragen.


I

„Bukkerweiber, das sei ihr.
Kenne ich nicht, den Ausdruck. Fehlt das d absichtlich, weil er so lallt ;) ?

Wenn ein Lehrer ihn dort sucht, weil die anderen in der Klasse gesagt haben, „Nabil ist draußen und raucht“, freut ihn das wie ein kleines Kind. Er sagt immer: „Ich schwänz erst richtig, wenn jeder Lehrer mich mindestens einmal gesucht hat. Das bin ich mir schuldig. Und den Lehrern auch. Das hält sie frisch.“
Du bist ja vom Fach, Novak, aber ich habe das in meiner Schulvita kein einziges Mal erlebt, dass ein Lehrer einen Schüler sucht.


Draußen vor dem Fenster sitzt ein Vogel. Ich wollte, ich wäre er.
Das hört sich nicht gut an, das Fette. Vielleicht sowas wie: Mit dem würde ich gerne tauschen


Ich drehe mich um und stelle mich vor seinen Tisch, meine Arme vor der Brust verschränkt.
Ich drehe mich um und stelle mich mit verschränkten Armen vor seinen Tisch. (ich finde, das reicht als Bild, dein Kommasatz wirkt etwas sperrig)


Erhan, der Gockel, mit seinen feingerippten Unterhemden, die ihn zum türkischen Macho machen sollen, dabei sieht man einfach nur, dass die Löcher mit der Hand reingeschnitten sind.

Dieser Satzanfang macht für mich den fetten Teil nicht verständlich, das dabei hat für mich keinen Bezug.


Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo Novak,

Da will ich dich doch noch ein bisschen nerven! :Pfeif:

Als Motiv für Basimas Zuwendung zur strengen Religion sehe ich Angst vor ihrer erwachenden Sexualität. Diese Deutung lehnst du nicht direkt ab, meinst aber:

Das könnte so sein, dass Basima sich aus den von dir genannten Gründen der Religion zuwendet. Aber der Text behandelt das nicht und es ist auch nicht sein Thema.

Oh, ich finde schon, dass dein Text das behandelt. Basimas Abwehrhaltung gegenüber Sexualität durchzieht deine Kurzgeschichte wie ein Leitmotiv, zum Beispiel hier:

...wahrscheinlich hat er wieder heimlich beim Taxifahren gelesen. Wenn er auf Fahrgäste wartet, sitzt er ganz in sich zusammengefaltet da, damit seine Kollegen nicht sehen, was er liest. Neulich lag das Buch auf dem Beifahrersitz. Als er meinen Blick sah, hat er es schnell ins Handschuhfach geschoben. Wie einen Porno.

Also das mit dem Porno ist Basimas Assoziation. Ihr geht eben dauernd Sexuelles durch den Sinn. Und die Assoziation zum Pornoheftchen, das der Vater nur heimlich liest, weil er sich dafür schämt, verrät, dass Sexualität für sie etwas Schmuddeliges, Unreines, Tabuisiertes ist.

Oder diese Stelle:

Ihre Blicke lassen sich auf mir nieder wie gefräßige Vögel und picken sich in mein Inneres.

Vögel sind Phallussymbole. Ich zitiere dazu nochmal eine Freud-Stelle (GW VIII, 197f.), die ich schon zu einer Erzählung von AmelieS gebracht habe:

Warum träumen aber so viele Menschen vom Fliegenkönnen? Die Psychoanalyse gibt hierauf die Antwort, weil das Fliegen oder Vogel sein nur die Verhüllung eines anderen Wunsches ist, zu dessen Erkennung mehr als eine sprachliche und sachliche Brücke führt. Wenn man der wißbegierigen Jugend erzählt, ein großer Vogel, wie der Storch, bringe die kleinen Kinder, wenn die Alten den Phallus geflügelt gebildet haben, wenn die gebräuchlichste Bezeichnung der Geschlechtstätigkeit des Mannes im Deutschen »vögeln« lautet, das Glied des Mannes bei den Italienern direkt l'uccello (Vogel) heißt, so sind das nur kleine Bruchstücke aus einem großen Zusammenhange, der uns lehrt, daß der Wunsch, fliegen zu können, im Traume nichts anderes bedeutet als die Sehnsucht, geschlechtlicher Leistungen fähig zu sein

Basima fühlt sich in ihrer Fanatasie von phallischen Vögeln bedroht, die sie mit ihren Schnäbeln penetrieren wollen. Und von ihrer zugeknöpften islamischen Kleidung erhofft sie sich Schutz dagegen.

Noch etwas zu meinem psychoanalytischen Menschenbild, in dessen Licht ich Basima analysiere:

Ich verdanke es den 68ern, die mich auf Wilhelm Reich gebracht haben und auf Freud, denn für den fortschrittlichen linken Psychoanaytiker Reich war der Rückgriff auf Freud wichtig. Auch Adorno und Marcuse gehören dazu. Ihnen und Reich verdanken wir das Menschenbild vom autoritären Charakter, der durch Sexualunterdrückung, Sexualabwehr entsteht. Durch Sexualunterdrückung strömten damals die Deutschen in die Hitlerjugend und in die Wehrmacht und ließen sich dazu abrichten, begeistert in den Krieg zu ziehen. Und dass es heute so viele islamische Jugendliche in den Dschihad zieht, hat sicher auch mit Sexualabwehr, deren Ausdruck unter anderem Verhüllung ist, zu tun.

Hoffentlich bin ich in diesem Forum nicht der einzige, der der 68er Sichtweise auf Basimas Verhüllung treu geblieben ist!

 
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Lieber Herr Lollek

Ach, was hab ich mich gefreut, als ich deinen Namen sah. War echt schön.
Ich hab mich nicht nur sehr über die Nennung der schönen Stellen gefreut, sondern auch gleich mal eine Tochter „gekillt“ im Originaltext. Hatte gar nicht gemerkt, dass ich das so oft gemacht habe.

Aber trotzdem hängt es bei mir im Kpof kurz an der Stelle, weil ich darüber nachdenken muss, warum ein Deutschlehrer das nicht mögen würde. Fiel mir nix zu ein. Aber das Bild find ich super.
Mist, dass dein Kopf da hing, aber da du das Bild trotzdem gelungen findest, bleibt es mal. Ich liebe es nämlich. Ich befürchte, es hängt mit meiner persönlichen Abneigung gegen Thomas Bernhard zusammen.

Ja, also das mit dem Anstarren und Selbstbewusstsein ist grundsätzlich gut, aber ich würde nicht die Stubenfliege zum Feigling erklären. Die Viecher fliegen zehn Kamikatze-Angriffe nacheinander auf meinen Kopf, obwohl ich doch um einiges größer bin. Also mangelndes Selbstbewusstsein ist deren Problem nicht, glaube ich.
Das hat mich überzeugt. :D
Die Rehkuh ist gekauft.

Finde ich gut, diese potenziell identitätsstiftende Funktion eines Tuchs, wenn man sonst nix mehr hat aus der eigenen Kultur, wo doch auch die Mutter gestorben ist ...Ja, ist sehr verwunderlich, wie sehr ein Stück Tuch alles verändern kann. Der gleiche Mann hätte vielleicht kurz zuvor noch freundlich geguckt, aber nun hat sie sich dieses Zeichen auf den Kopf gesetzt. Und es ist nicht zu bestreiten, dass so etwas wirkt. Mir tun wirklich auch viele Jungs aus meinem Umfeld leid, Türken, Araber, die sich keinen Bart mehr wachsen lassen können, ohne dass sie in den Augen der Ureinwohner gefährlich aussehen. Ja, das funktioniert aber bei mir auch, ich sehe mir arabischstämmige Männer mit verkniffenen Gesichtsichtsausdrücken und langen Bärten auch etwas genauer an als den Durchschnitt, wenn sie mir im Rewe begegnen oder so. Ich ertappe mich da auch, dass ich gucke, ob die vielleicht n komischen Koffer dabei haben.
Mann, ich könnt dich küssen für diese Aussage. Ich erlebe das nämlich nicht nur ähnlich, sondern kriege das auch oft von arabischstämmigen Mädchen oder Jungen erzählt, dass die das haargenauso wahrnehmen. Werden dauernd mit dem Mofa angehalten, während der blonde Junge weiterfährt, so Zeugs halt. Die Sache mit dem Bart ist auch so was. Sprüche in die Richtung, dass das Wachsenlassen eines Bartes ein Indiz für Fundamentalismus ist, gibt es nicht nur zuhauf, sondern Erzieher sollten auf innerliche und äußerliche Anzeichen für IS-Gefährdung achten. Dazu gehört der Bart. Klar, dass man das unbewusst übernimmt.
Ich kann mir schon ein bisschen deppert vor, dass mir viele sagen, die Szene in der Bahn sei übertrieben. Ich mein, ich weiß, wovon ich spreche, und ich erlebe es ja auch so, auch wenn ich in einer Multikultistadt lebe und nicht auf dem Dorf. Da gehts ja noch mal ganz anders zu.
Neulich im Urlaub erzählte ich der Gastwirtin, Frankfurt sei laut und sehr stressig geworden. Ihre Antwort war: Ja, wegen der vielen Ausländer. Diese Frau war beileibe keine CSU-Wählerin oder noch weiter rechts gelagert, sondern eine liberale, freundliche unpolitische Dame, die lt. Ihren Aussagen eher der SPD zugetan ist.

die Stelle, wo sie in der Klasse anfängt, zu reden über den Nahen Osten, das ist mir nicht ganz stimmig. Irgendwie klingt in diesen politischen Sätzen zu wenig Emotion, Persönliches und zu viel Ideologisches bzw. Auswendiggelerntes. Es klingt nicht wie ein Mädchen, das vor Wut über die Ignoranz der anderen wirklich schäumt, es ist alles dafür zu sachlich, zu perfekt.
Das hat auch barnhelm schon beklagt. Besonders die Stelle mit der Kopftuchklage. Damit seid ihr jetzt zwei. Da werde ich nicht mehr nachdenken, sondern versuchen, das emotionaler oder ein bisschen persönlicher zu machen, so dass es nicht wie Fremdkörper, das war dein Eindruck Barnhelm, oder halt eben gestelzt wirkt.
Ich hoffe, ich kriege das hin. Denn an den Argumenten an sich will ich keinesfalls was ändern.

die letzten beiden Absätze sind mir eindeutig zu knapp. Da müssten die Emotionen beim Leser mit derselben Geduld und Leidenschaft aufgebaut werden wie in den ersten drei Abschnitten. So wirkt es wie ein schönes Bild, von dem aber nur 2/3 richtig ausgemalt wurde, der Rest ist noch Zeichnung.
Meinst du damit die beiden letzten Nummern, also die 5 und die 6? Ich seh das nämlich bisher einfach nicht. Und für andere ist das Ende schon viel zu viel, es diene nämlich nur dem Zweck, einem schwerfälligen Leser die Bedingungen der Radikalisierung vor Augen zu führen. Stammt aus dem nächsten Kommentar bezogen auf die Schulhofszene (von Achillus). Das sehe ich zwar überhaupt nicht so, aber vielleicht kannst du dir vorstellen, dass ich so ziemlich verwundert war über das Auseinandergehen der Meinungen an dieser Stelle. Schwierig.
Also wenn du irgendwann mal Lust hast, noch einen Tipp zu geben, was dir fehlt, oder was zu knapp geraten ist, das würde mich sehr freuen.

Lollek, hast du ja schon mitgekriegt, ich bin hocherfreut, dass du die Geschichte gelesen hast und dass die dir im Großen und Ganzen gefallen hat. Das mit den guten Stellen, das finde ich immer so sauwichtig, weil es einem zeigt, wo was funktioniert. Im Unterschied zu allen anderen Texten, die ich jemals geschrieben habe, hat dieser hier sich im Vergleich dazu wie von selbst geschrieben. Gut zu wissen, dass man auch in der Schnelligkeit ein Auge für ein gutes Sprachbild hat. Auch dein Eindruck zu dem Ende, das ist für mich ein sehr wichtiger Hinweis, ich glaube nämlich , es ist in diesem speziellen Fall (also bei dieser Thematik) gar nicht so einfach, es für jeden richtig oder gut zu machen.
Dein Buch übrigens, es ist wunderwunderschön. Ich lese es gerade mit Hochgenuss. Leider fährt mein Freund jetzt mit meinem Kindle in Urlaub. Und dein Buch ist drauf. So eine Sauerei.
Viele Grüße von Novak


Hallo Achillus,

schön, mal wieder was von Dir zu lesen. Ich habe einige Vorbehalte gegen den Text, aber erst einmal das aus meiner Sicht Positive. Ich finde die Geschichte sprachlich überzeugend, die Figurenzeichnung gelungen (besonders Vater und Tochter kann ich mir gut vorstellen), auch die meisten der von Dir ausgewählten Szenen eignen sich gut, um ein Bild im Kopf des Lesers entstehen zu lassen.
Und schön, wieder von dir zu lesen, Achillus. Hast dich rar gemacht die letzte Zeit. Ich hoffe, es geht dir gut.
Gut zu wissen, dass die Grundvoraussetzungen Sprache, Figurenzeichnungen, sowas, dass die klappen in deinen Augen. Das hat mich total gefreut. Denn sicher sein kann man da ja nie.
Bei dieser Geschichte diskutieren die Leser aber auch eher andere Dinge.

Mädchen wird wegen Kopftuch in der U-Bahn angemacht -> glaub ich nicht, ich sehe jede Woche im Supermarkt etliche Frauen in Hidschāb, Pardesü oder burkaähnlichen Gewändern, da guckt doch niemand mehr hin. Dass ein Einzelirrer daran Anstoß nimmt und beginnt, das Mädchen zu begrapschen und laut nach "Abschiebien" zu wünschen, wirkt konstruiert und man sieht, dass das der Autorin in die Karten spielt, die einen Umdenkungsprozess bei Basima nachzeichnen möchte. Nicht überzeugend.
Also erstens mal, ja, das ist ein Alkoholiker, der sich diese Frechheit herausnimmt. Die meisten Bürger benehmen sich nicht so. Bedeutet das aber auch, dass sie keine Ressentiments gegen Verschleierung haben? In der Bahn, das lässt du weg, als hätte ich es nicht geschreiben, schweigen die Leute. Da wendet sich keiner den Mädchen zu und hilft ihnen. Manche grinsen. Und solche Szenen, ehrlich gesagt sind die nicht so selten, wie du dir das vorstellst. Du lässt auch in der Szene weg, dass Basima sich von den Leuten gemustert fühlt, sie sieht ihre Blicke. Es ist ein Problem für sie. Was die Leute sich denken, klar, das weiß man ja gar nicht. Das weiß sie auch nicht, formuliert sie ja auch selbst. Sie vermutet, dass es etwas Negatives ist. Aber sie erkennt auf jeden Fall, dass sie anders wahrgenommen wird. Und das setzt ihr zu. Ich finde es ehrlich gesagt, ulkig, das zu leugnen. :)
Die Verschleierung ist das Symbol patriarchalischer Unterdrückung. So wird es nämlich hierzulande relativ einheitlich diskutiert. Und entsprechend werden Frauen anders wahrgenommen, wenn sie Kopftuch tragen, als wenn sie keines tragen. Wenn sie es auch noch freiwillig tragen, dann können sie sogar verdächtig werden. Ich sage in meiner Geschichte nicht, was ich selbst von Verschleierung oder dem Islam oder Religion überhaupt halte. Das gehört auch gar nicht hierher.
Aber die Tatsache, dass es einen mehr oder weniger versteckten Rassismus gibt, der sich eben auch in solchen Szenen wie der in der Bahn äußern, das sollte einem vielleicht nicht ganz entgangen sein.
Du lebst in Berlin? Mal davon abgesehen, dass ich dir jetzt hundert Beispiele aufzählen könnte, wo verschleierte Frauen zwar als Alltag auf der Straße empfunden werden, aber man eben trotzdem nicht mit einer verschleierten Psychologin sprechen oder von einer verschleierten Krankenschwester behandelt werden möchte, weil man beiden ganz automatisch Kompetenz abspricht, sondern dein Berliner und mein Frankfurter Alltag werden von vielen als bedrohlich angesehen. Es gibt so viele Leute auf dem Land in der Nähe von Frankfurt, die sagen: Ich fahr nach Frankfurt nur, wenn ich muss. Und bestimmt nicht ins Bahnhofsgebiet. Man denkt, die haben vielleicht Angst, ihnen wird der Geldbeutel von einem Drogi geklaut. Nein, es sind die vielen, vielen Ausländer. Und das erzählen Leute, die wesentlich jünger sind als ich
Ansonsten verweise ich dich einfach mal auf meine Antwort an Kerkyra. (Ich muss mal kürzer werden in meinen Antworten). Da stehen noch eine Reihe von Hinweisen.
Ich finde von daher nicht, dass ich in dieser Szene etwas „konstruiert“ hätte, sondern du hast in deiner Sdie Szene vereinfacht und die Hälfte weggelassen, du Schlingel.

Die Polit-Diskussion gefällt mir nicht so gut. Einerseits passt das natürlich ins Bild und man kann sich das alles gut vorstellen, andererseits ist das bereits so oft in Dokumentationen über Jugendliche die Deutschland für den Dschihad verlassen gezeigt worden, dass ich es als wenig originell empfinde.
Naja, vielleicht kennst du dich besser aus, hast mehr gelesen oder gesehen, und kennst daher die Argumente. Andere kennen sie nicht. Und zu meiner Geschichte, zu dieser Protagonistin gehören sie dazu, das ist ein wichtiger Bestandteil mit ihrer Auseinandersetzung. Sie stellt sich Fragen, kommt ins Zweifeln, ob das alles so stimmt, wie man es ihr vorsetzt, wie es in der Schule erzählt wird. Aber reden darüber, wirklich reden, das tut auch keiner mit ihr. Ihre Äußerungen, die sind sofort Anlass für die Sorge, dass mit ihr etwas nicht stimmt. Eine Auseinandersetzung mit ihrer Ansicht, die findet ja gar nicht statt. Und die findet übrigens generell kaum statt. Dieser Teil ist für meine Geschichte unabdingbar. Dass du es als wenig originell empfindest, ist schade, aber ich hab die Geschichte auch nicht geschrieben, um originell zu sein.

Auch die kleine Schubserei auf dem Schulhof fügt dem gesamten Text nichts Neues hinzu, sondern dient nur dem Zweck, auch dem schwerfälligsten Leser die Bedingungen der Radikalisierung bzw. Neuorientierung von Basima vor Augen zu führen.
Naja, anderen Kommentatoren waren die beiden letzten Abschnitte zu knapp oder ich hab den Inhalt erklären müssen, was ja eher dafür spricht, dass was zu knapp geraten ist.

Wenn man dann aber sieht, wie leicht Basima es sich macht ("Die Amis haben den IS doch selbst erzeugt." – Islamwissenschaftler gehen davon aus, dass der IS und die anderen Terrorbewegungen die Auswirkungen einer Krise des Islams sind), versteht man, dass es ihr um etwas ganz anderes als Erkenntnis oder Wahrhaftigkeit oder Gerechtigkeit geht.
Achillus, ich will mich jetzt bestimmt nicht in eine politische Debatte mit dir verirren. Das tut mir nicht gut und dir vielleicht auch nicht. Aber ich finde, du machst es dir hier gerade selbst verdammt einfach. Natürlich sind Basimas Überlegungen einfach und plakativ, sie ist eine Jugendliche. Aber du hast doch selbst nur eine sehr einfach gestrickte Erklärungsweise? Nur ist die etwas gängier und politisch angesagt. Gell?

An Dions Text kann man sich reiben, an Deinem Text nicht, denn er ist zu brav und konventionell. Was behauptet Deine Geschichte? Dass sich junge Muslime aufgrund der Intoleranz in Deutschland radikalisieren? Nein, ich denke nicht. Dass es kulturelle Unterschiede, verschiedene Wahrnehmungen gibt? Das taugt nicht für eine Prämisse, denn das ist so selbstverständlich wie die Gravitation.
Du reibst dich doch aber gerade dran? An dem braven Text?
Davon, dass Basima sich nur radikalisiert, weil es kulturelle Unterschiede oder Wahrnehmungen gäbe, steht in dem Text übrigens nichts. Natürlich braucht ein Text dieses Themas die Schilderung unterschiedlicher Wahrnehmungen (siehe Ubahnszene), aber es ist nicht der Grund ihres Rückzugs. Das hast du schon so hininterpretieren müssen. Mein Text hat eine andere Prämisse. Die nämlich, dass man als religiös bekennender junger Muslim, der unbequeme Ansichten hat, ziemlich schnell in das Netz einer Art „Überwachung“ geraten kann. Misstrauen erntet, wo man ernst genommen werden wollte. Und ja, Misstrauen fördert Rückzug und vielleicht auch Radikalisierung.
Ob Basima radikalisiert ist? In meiner Geschichte ist sie das nicht. Viele lesen das auch übrigens gar nicht so. Aber Misstrauen ist mit Sicherheit einer Persönlichkeitsentwicklung nicht besonders förderlich.
Diese weiter o.a. Prämisse ist dir wohl entgangen. Oder ich hab sie schlecht ausgeführt. Das weiß ich selbst grad nicht. Im Normalfall bin ich immer schnell bereit, zu denken, das liegt an mir. Hier denke ich aber eher, da prallen zwei Welten aufeinander.

Meine Empfehlung ist, Dich mehr in Risikobereitschaft zu üben. Behaupte etwas, das kontrovers ist. Gehe die Gefahr ein, falsch zu liegen. Stifte Unruhe, zwinge den Leser, sich und seine Überzeugungen zu hinterfragen.
Ach Gott ja, dankeschön, das ist lieb von dir gemeint, das weiß ich ja, aber so wirklich ernst nehmen kann ich diesen Hinweis nicht, solange er so allgemein bleibt.
Ich finde übrigens, dass ich all das getan habe.

Vielen Dank Achillus, auch wenn ich dieses Mal ziemlich zurückgekoffert habe, das bedeutet nicht, dass ich deinen Kommentar nicht mit großem Interesse und Sorgfalt gelesen und überdacht hätte. Aber ich finde halt vieles von dem, was du schreibst, nicht zutreffend.
Viele Grüße von der Novak

 

Hallo Novak,

ich hab die Geschichte gelesen, gleich nachdem du sie eingestellt hattest, und mir reichlich Gedanken dazu gemacht. Nun habe ich angefangen, die Kommentare zu lesen, und mir fällt auf, dass Basima eine Radikalisierung unterstellt wird. Das geht aus der Geschichte aber überhaupt nicht hervor. Basima ist selbstbewusst und intelligent, den Hidschāb trägt sie vielleicht mehr aus Trotz als aus religiöser Überzeugung. Aber sie sucht, wie das Jugendliche so tun, nach Sinn, nach Antworten, nach Zugehörigkeit, vielleicht nach Heimat. Nun hat sie sich in ihrer Suche der Religion zugewendet. So ungewöhnlich ist das ja nun nicht, aber weil es in ihrem Fall der Islam ist, steht sie sofort unter Generalverdacht. Teils auch bei den Lesern, wie man sieht. Keiner hört zu, was Basima sagen will. Keinen interessiert, was sie denkt und fühlt, was ihre Beweggründe für die Hinwendung zum Islam sind. Und so wird sie trotziger und trotziger und zieht sich immer mehr zurück. Basima, die Lächelnde, hat ihr Lächeln schon verloren. Am Ende wird all die Sorge wohl genau das Gegenteil von dem bewirken, was Lehrer und Vater erreichen möchten.
Das ist für mich das Thema der Geschichte, mehr interpretiere ich da nicht hinein.

Der Hidschāb ist maskulin. An einigen Stellen hast du die Buchstaben vertauscht und Dschihab daraus gemacht.

Thomas Bernhard schreibt sich ohne t hinten.

wenn er Deckert, den Ethiklehrer, den Kragen vom Hals diskutiert
dem Ethiklehrer

„Israel, ja, äh“, er stottert
„Israel, ja, äh.“ Er stottert

„Was glaubt ihr denn“, sage ich laut. „Hier ist es doch auch nicht besser.
Das finde ich aber gewagt. Sie wird doch nicht das Niedermetzeln unschuldiger Menschen mit Vorurteilen auf eine Stufe setzen.
Gerade ging es noch um die Kriegstreiberei der Amis, ohne Umwege springt Basima dann zur Islamfeindlichkeit in Deutschland. Der Sprung ist mir zu groß, da fehlt mir eine Überleitung. Das Mädel ist klug, ich kann mir nicht vorstellen, dass sie so naiv ist, Islamfeindlichkeit als Kriegsmotiv zu vermuten. Es ist doch egal, ob das Feindbild Moslems oder Kommunisten oder sonstwie heißt, es ist sowieso nur Mittel zum Zweck, wie das immer so war.
Die über Jahre hinweg sorgfältig in die Köpfe der Menschen gepflanzte Islamfeindlichkeit kommt mMn nicht von ungefähr. Auch sie ist Mittel zum Zweck. Der Zusammenhang der Themen sehe ich durchaus gegeben, aber mir fehlt da irgendwie ein verbindendes Element.

Ob Basimas Äußerungen plakativ sind – nun, sie ist ein Teenager, wahrscheinlich beschäftigt sie sich noch nicht allzu lange mit Politik. Ich jedenfalls gebe ihr Recht, auch wenn man da natürlich noch viel tiefer schürfen kann.

Schulklofrauen
Der Begriff hat mich stutzig gemacht. Meinst du Putzfrauen? Eine Klofrau steht doch mit einem Tellerchen fürs Kleingeld vor den Toiletten. Das kenne ich aus Schulen nicht.

„Basima, ich mache mir Sorgen um dich.“
„Es ist doch nur, ach Basima,
„Komm, Basima,
„Du hast so eine Art, Basima,
„Nein, ich meins Ernst, Basima,
Irgendjemand tut dir nicht gut, Basima,
Ich habe Verantwortung für dich, Basima.
Der sagt aber verdammt oft „Basima“ während dieses Gesprächs ...

„Verdammt noch mal“, ich versuche, meine zitternde Stimme unter Kontrolle zu bringen, „ich bin okay, ja!
„Verdammt noch mal.(!)“ Ich versuche, meine zitternde Stimme unter Kontrolle zu bringen. „Ich bin okay, ja!

eine Stimme sagt, „ganz enge Muschis sollen sie haben
eine Stimme sagt: „Ganz enge Muschis sollen sie haben

Mir hat deine Geschichte sehr gut gefallen. Ich finde sie sehr realistisch. Meine Eltern sind neuerdings Pegida-Sympatisanten, und deren krude Argumentationen sind ein Hintergrund, auf dem deine Geschichte für mich gut gedeiht.

Liebe Grüße
raven

 
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Hallo Novak, ja, danke der Nachfrage, es geht mir gut. Ich hatte in den letzten Wochen ein volles Programm mit anderen größeren und kleineren Verpflichtungen.

Noch mal ein paar Gedanken zu Deiner Geschichte und Deiner Antwort auf meine Kritik.

Prämisse

Lajos Egri (Theaterautor, Regisseur, Direktor der School of Writing in N.Y.) hat sich sehr eingehend mit der Konstruktion von Geschichten in Film, Theater und Roman beschäftigt. Er hat auch einiges zur Prämisse geschrieben, die er als eine Art universelle Grundaussage über das Leben verstand. Wenn man Egri glauben möchte, dann darf die Prämisse aber nicht einfach eine oberflächliche Aussage sein (wie beispielsweise "Unehrlichkeit führt zur Bloßstellung" oder "Prahlerei führt zur Schande"), sondern es ist unabdingbar, dass die Überzeugung des Autors dem Ganzen Leben verleiht.

Du beschreibst Deine Prämisse so:

dass man als religiös bekennender junger Muslim, der unbequeme Ansichten hat, ziemlich schnell in das Netz einer Art „Überwachung“ geraten kann. Misstrauen erntet, wo man ernst genommen werden wollte. Und ja, Misstrauen fördert Rückzug und vielleicht auch Radikalisierung.

Diese Prämisse stimmt nicht mit Deiner Geschichte überein. Die Aufregung bei Lehrer und Vater wird ja nicht durch das religiöse Bekenntnis ausgelöst, sondern dadurch, dass Basima mit diesem Bekenntnis eine plötzliche 180Grad-Kehre macht, vom Blonde-Strähnen-Minirock-Girlie zur Hidschāb-Trägerin. Doch es geht nicht nur um die Kleidung, sondern um eine ganze Reihe von Veränderungen:

- sie diskutiert in radikalem Ton (Leitner bezeichnet es als Ausbruch)
- sie hat sich von ihrer besten Freundin Emily zurückgezogen (behauptet Leitner)
- sie provoziert und schlägt/ tritt ihre Mitschüler

Dementsprechend lautet Deine Prämisse: dass einem jungen Menschen aus libanesischem Elternhaus, der eine plötzliche Verhaltensänderung mit ostentativem Bekenntnis zum Islam zeigt, sich von seinen Freunden zurückzieht und auf dem Schulhof Mitschüler angreift, mit Sorge (Lehrer, Vater) und Misstrauen (Schulklasse) begegnet wird.

Die Prämisse, die Du genannt hast, könntest Du nur zeigen, wenn der Wandel von Basima nicht so plötzlich und so gravierend erfolgt wäre. Denn gerade die abrupte Verhaltensänderung in Verbindung mit aggressiven Handlungen (verbal oder körperlich) – das ist auch aus der Sektenforschung bekannt – spricht für eine ernstzunehmende Gefährdung eines jungen Menschen. Ganz im Gegenteil zu Deiner Prämisse wäre es ein ernsthaftes Versagen des Lehrers, würde er diesen Veränderungen nicht mit Sorge (um das Mädchen) und Misstrauen (gegenüber dem Prozess) begegnen.

Dass junge Menschen, die sich plötzlich radikalisieren, Misstrauen auslösen und man versucht, sie zur Rede zu stellen, zu überwachen und zu kontrollieren, mag weder sonderlich geschickt noch erfolgversprechend sein, aber ich sehe darin keine keine brisante Behauptung/ Prämisse, sondern die Beschreibung einer Tatsache, einer gesellschaftlichen Situation. Für mich ist das nicht im geringsten strittig, deshalb habe ich das auch nicht als Prämisse erkannt.

In den Dokumentationen, die ich zum Thema "junge Muslime aus Deutschland ziehen nach Syrien in den heiligen Krieg" gesehen habe, ist es genau umgekehrt: Lehrer, Verwandte und Freunde machen sich im Nachhinein Vorwürfe, nicht konsequent genug auf die plötzlichen Verhaltensänderungen ihrer Söhne und Töchter reagiert zu haben. Einige sagten, dass sie einfach nicht darüber geredet haben, weil sie dachten, das würde schon vorbei gehen.

Sowohl der Vater als auch der Lehrer in Deiner Geschichte bemühen sich darum, mit Basima ins Gespräch zu kommen. Ich finde auch nicht, dass sie dabei grundsätzlich versagen. Deine Prämisse funktioniert hier also ebenfalls nicht, denn dann hättest Du den Vater weniger liebevoll und den Lehrer weniger verständnisvoll zeigen müssen.

Und schließlich: Wo ist Dein Standpunkt? Ich erkenne nicht, was Du als Autorin sagen möchtest. Findest Du, dass der Vater und der Lehrer versagt haben? Ich kann das nicht erkennen.

Zusammengefasst: Erstens, die Prämisse, die Du beweisen möchtest, beweist Deine Geschichte nicht, denn es sind keine seit Jahrzehnte religiös praktizierenden Moslems, die Sorge und Misstrauen auslösen, sondern die plötzliche Verhaltensänderung und Radikalisierung eines jungen Mädchens. Zweitens, dass ein junges Mädchen, das sich so abrupt anders verhält, sich von ihren Freundinnen (Emily) zurückzieht, in politischen Diskussionen agitiert, Mitschüler angreift, Sorge und Misstrauen auslöst, ist vollkommen klar und stellte keine These dar, die man in einer Geschichte beweisen müsste. Drittens, der persönliche Blick der Autorin fehlt.

Gruß Achillus

 
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Hallo Raven

Nun habe ich angefangen, die Kommentare zu lesen, und mir fällt auf, dass Basima eine Radikalisierung unterstellt wird. Das geht aus der Geschichte aber überhaupt nicht hervor.

Die plötzliche Hinwendung zu einem strengen Regelwerk (beispielsweise die Kleiderordnung betreffend), das offensive Argumentieren in politischen Diskussionen, der Rückzug von Freunden und der physische Angriff auf Mitschüler – all diese Dinge sind in ihrer Summe auf jeden Fall ein Anzeichen von Radikalisierung.

Die Szene auf dem Schulhof:

Draußen auf dem Schulhof suche ich nach Emely, Erhan stolziert an mir vorbei und tritt mir in den Weg.
„Wo ist Emely“, frage ich.
„Rauchen.“
„Ich könnte jetzt auch eine gebrauchen. Aber ich habe ja aufgehört.“
„Du hast wohl mit allem aufgehört?“ Er schlägt mit der Faust in seine flache Hand und grinst mir frech ins Gesicht.
Erhan, der Gockel, mit seinen feingerippten Unterhemden, die ihn zum türkischen Macho machen sollen, dabei sieht man einfach nur, dass die Löcher mit der Hand reingeschnitten sind. Stolziert hier rum auf dem Schulhof, den Brustkasten aufgeschwollen wie ein Masthähnchen.
„Hähnchen“, sage ich zu ihm, „pass auf, dass dich keiner in den Topf steckt.“
„Halts Maul, Nonne.“ Er spuckt auf den Boden, aber er bleibt neben mir stehen. „Was hat Leitner denn von dir gewollt? Meldet der dich jetzt?“
„Ist mir scheißegal.“
„Ist richtig.“
„Das ist richtig.“ Ich trete ihn voller Wucht gegen das Schienbein.

Erhan wird von Basima erst verbal angegriffen/ provoziert und als er verbal kontert, tritt sie ihn. Wenn das kein aggressives Verhalten ist, dann haben wir wohl unterschiedliche Vorstellungen davon, was das bedeutet.

Es ist völlig egal, ob der Islam den Hintergrund zu diesem Verhalten bildet oder irgendeine andere Weltanschauung, sei sie christlich, buddhistisch oder auch nicht-religiös. Immer wenn sich Jugendliche abrupt umorientieren, sich zurückziehen und/ oder aggressiv werden, ist Vorsicht geboten.

Nun hat sie sich in ihrer Suche der Religion zugewendet. So ungewöhnlich ist das ja nun nicht, aber weil es in ihrem Fall der Islam ist, steht sie sofort unter Generalverdacht. Teils auch bei den Lesern, wie man sieht. Keiner hört zu, was Basima sagen will.

Weil plötzliche Verhaltensänderungen immer im Verdacht stehen müssen, nicht auf Suche und Erkenntnis zu gründen, sondern das Bedürfnis nach Orientierung mithilfe von Dogmen und Rigorosität befriedigen. Gerade Jugendliche sind dafür sehr empfänglich.

Keinen interessiert, was sie denkt und fühlt, was ihre Beweggründe für die Hinwendung zum Islam sind.

Sehe ich nicht so. Der Lehrer fragt sie: "Was hat dich so verändert?" und auch der Vater versucht, auf seine Weise, herauszubekommen, was mit ihr los ist. Natürlich könnten sie dabei geschickter vorgehen. Aber es ist ja nun nicht so, dass Basima keine Möglichkeit hätte, zu sagen, worum es ihr geht.

Das Problem ist, dass die beiden mit einer solchen Situation überfordert sind. Ihnen jetzt aber zu unterstellen, sie würden sich nicht für Basimas Gründe interessieren, ist Unsinn. Wirklich ignorante Eltern und Lehrer hätte man ganz anders zeichnen müssen.

Gruß Achillus

 
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Nur kurz, und hallo Achillus:

Denn gerade die abrupte Verhaltensänderung in Verbindung mit aggressiven Handlungen (verbal oder körperlich) – das ist auch aus der Sektenforschung bekannt – spricht für eine ernstzunehmende Gefährdung eines jungen Menschen. Ganz im Gegenteil zu Deiner Prämisse wäre es ein ernsthaftes Versagen des Lehrers, würde er diesen Veränderungen nicht mit Sorge (um das Mädchen) und Misstrauen (gegenüber dem Prozess) begegnen.
Da müsste man ungefähr 80 % einer siebten oder achten Gesamtschulklasse wegen ernsthafter Gefährdung der jungen Menschen "einsperren". Lehrer und Eltern nennen diese ernsthafte Gefärdung übrigens Pubertät.

In der Tat hab ich vorhin bei meiner Prämisse, wie du es nennst, die Veränderung der Kleidung vergessen. Die hab ich "unterschlagen", weil es mir selbstveständlich und mit der Entscheidung zur Hidschab und zum religiösen Leben abgedeckt schien.
Davon, dass sie sich vorher nicht auch schon geprügelt hätte, sagt der Text gar nichts.
Der Text sagt auch nicht, dass Basima sich von der Freundin abgewandt hat, sondern umgekehrt ist es.
Da hast du selbst ein paar Sachen dazugeheimnist.

Ganz im Gegenteil zu Deiner Prämisse wäre es ein ernsthaftes Versagen des Lehrers, würde er diesen Veränderungen nicht mit Sorge (um das Mädchen) und Misstrauen (gegenüber dem Prozess) begegnen.
Sicher, ein Versagen des Lehrers wäre es, würde er nicht mit ihr sprechen wollen. Aber ich finde es nicht besonders sorgsam, wie er da mit ihr umgeht. Leitner ist ein Netter, aber kein besonders Geschickter. Sein Hauptargument sind Unterstellungen und die Schulleitung.

Die Prämisse, die Du genannt hast, könntest Du nur zeigen, wenn der Wandel von Basima nicht so plötzlich und so gravierend erfolgt wäre.
Seh ich nicht so. Denn mein Vorwurf ist ja gerade, dass durch ein islamkritisches Klima gemischt mit Präventionsabsichten, die in die Juristerei gehen, gemischt auch mit ernsthafter Sorge eine Art von übertriebener Aufmerksamkeit und Misstrauen entsteht. Da muss ja beiden schon was auffallen, damit drauf reagiert werden kann.
Wenn die Basima sich übrigens auf einmal schwarze Klamotten angezogen, sich ein Kreuz an die Brust gehängt und einen auf Emu gemacht hätte, kein Hahn hätte danach gekräht, der Lehrer wird das bemerken, sie vielleicht auch irgendwann darauf ansprechen, aber weder der Schulleitung melden noch den Vater gleich anrufen. Der L. registriert das unter Identitätssuche, vielleicht würds dem etwas mulmiger werde, wenn sie ihren Kanarienvogel an den Baum hängt. Aber erst dann.
Aber diese schnelle und sehr unterstellende Reaktion, das macht man nur in einer von Anwerbungs- und Radikalisierungsprävention geschwängerten Atmosphäre. Und das ist weder eine besonders fürsorgliche, noch eine demokratische, noch eine, die sich ernsthaft mit irgendeiner Ansicht oder irgendeinem Argument, das sie sagt, auseinandersetzt.

In den Dokumentationen, die ich zum Thema "junge Muslime aus Deutschland ziehen nach Syrien in den heiligen Krieg" gesehen habe, ist es genau umgekehrt: Lehrer, Verwandte und Freunde machen sich im Nachhinein Vorwürfe, nicht konsequent genug auf die plötzlichen Verhaltensänderungen ihrer Söhne und Töchter reagiert zu haben. Einige sagten, dass sie einfach nicht darüber geredet haben, weil sie dachten, das würde schon vorbei gehen.
Ach ja und mindestens genau so viele sagen, sie hätten gar nichts gemerkt, bis die Tochter weg war. Schlauer geht oft erst hinterher.

Sowohl der Vater als auch der Lehrer in Deiner Geschichte bemühen sich darum, mit Basima ins Gespräch zu kommen. Ich finde auch nicht, dass sie dabei grundsätzlich versagen. Deine Prämisse funktioniert hier also ebenfalls nicht, denn dann hättest Du den Vater weniger liebevoll und den Lehrer weniger verständnisvoll zeigen müssen.
Ich finde schon, dass sie versagen. Und zwar gründlich. Sie reagieren mit inquisitorischen Fragen, Vorhaltungen und Geboten, Verbot und Androhung von Gewalt, wo ein Gespräch besser gewesen wäre. Schulleitungsmeldung z. B. ist Gewalt für ein pubertierendes Mädchen. Die kriegt da Angst. Der Schulleitung wird man gemeldet, wenn man was ausgefressen hat. Einer Institution wie dem Netzwerk gegen Gewalt oder ähnlichen Institutionen gemeldet zu werden, zieht einiges an Konsequenzen nach sich. Das Harmloseste sind Termine. Ich habe nichts gegen die Präventionsarbeit oder die väterliche Angst, wogegen ich aber was habe, das ist, ich übertreibs jetzt mal, mit einer Art Katalog auf Menschen zuzugehen: Plötzlich sich dem Islam zugewandt? Bartträger? Wie lang? Kopftuchträgerin? Hat eine plötzliche Veränderung stattgefunden? Hat ihr Kind eigenartige Ansichten? Ist ihr Kind zuviel in Facebook? Sind Freundschaften auseinandergegenagen? All diese Indizien, die ein Mensch plötzlich über sich ergehen lassen muss, weil es ein Klima des Verdachts gibt. Und dass ich die beiden, den Amtsträger und den Vater dabei nicht wie miese Klöße aussehen lasse, sondern ihre Übertriebenheit mit Freundlichkeit oder Sorge kombiniere, das könnte man auch Vielschichtigkeit nennen.
Viele Grüße von Novak

Sorry, das hat sich überschnitten und ich muss danach auch mal was anderes wieder machen:

Die plötzliche Hinwendung zu einem strengen Regelwerk (beispielsweise die Kleiderordnung betreffend), das offensive Argumentieren in politischen Diskussionen, der Rückzug von Freunden und der physische Angriff auf Mitschüler – all diese Dinge sind in ihrer Summe auf jeden Fall ein Anzeichen von Radikalisierung.
Die Wiederholung macht es doch nicht besser, Achillus. Du hast ein paar dieser "Anzeichen" selbst hineingebracht.
Sie bedauert es ja sogar, dass die Freundschaft zu Emely brüchig geworden ist. Dass sie sich erst jetzt prügelt, steht nirgendwo im Text.

Es ist völlig egal, ob der Islam den Hintergrund zu diesem Verhalten bildet oder irgendeine andere Weltanschauung, sei sie christlich, buddhistisch oder auch nicht-religiös. Immer wenn sich Jugendliche abrupt umorientieren, sich zurückziehen und/ oder aggressiv werden, ist Vorsicht geboten.
Ja kann sein, aber erstens ist diese Vorsicht beim Islam überübergroß. Es gibt z. B. kein Gewaltnetzwerk, das sich mit Jugendlichen beschäftigt, die derartige Verhaltensweisen zeigen, aber irgendeinen anderen Sinn suchen, sei er noch so schräg. Klar, man weiß, warum es diese Präventionsarbeit gibt, Jetzt einfach mal an diesem Beispiel gezeigt. Das ist prinzipiell richtig und gut. Aber da wird man halt auch mal schnell überbeobachtend oder hysterisch und entdeckt was, was gar nicht da ist oder noch nicht da ist. Was es vielleicht grad erst produziert, weil man überbeobachtend oder misstrauisch wird.


Wenn ich gemein wäre und manchmal bin ich das, würde ich jetzt sagen: Du "beweist" gerade die Stimmigkeit meiner Prämisse mit deiner Lesweise.


Erhan wird von Basima erst verbal angegriffen/ provoziert und als er verbal kontert, tritt sie ihn. Wenn das kein aggressives Verhalten ist, dann haben wir wohl unterschiedliche Vorstellungen davon, was das bedeutet.
Natürlich ist das agressives Verhalten. Aber warst du eigentlich schon einmal auf einem Schulhof? Aggressives Verhalten bei JUgendlichen ist alltäglich.

Es ist übrigens genauso alltäglich wie das abrupte Verändern in der Pubertät. Du hast einen Tag noch ein reizendes Kind, das höflich und freundlich ist und kurze Zeit drauf ist es ein Monster. Darauf immer gleich mit einer Befragung und heftigen Konsequenzen zu reagieren, hieße Spatzen mit Kanonen zu attackieren.
Und wer wen hier übrigens zuerst verbal attackiert hat, darüber ließe sich auch prima streiten. Besonders gut aufnehmen würd ich persönlich das erhansche Faustgedresche auch nicht

Zu den letzten Punkten hab ich schon was geschrieben oben. Die beiden Männer meines gut. Ja, aber es sind trotzdem verbietende Dollbohrer. Und dass ich sie nicht wie ignorante Fieserwachsene zeige, finde ich grad richtig. Was wär denn das sonst für ein Text mit eindimensionalen Typen?

Viele Grüße noch mal, Achillus, hab schnell antworten wollen

 

Liebe Novak

deine Geschichte versucht zu erklären, warum sich eine junge Frau das Kopftuch überstreift. Das zuallererst. Eine Hinwendung zum Islam und den islamischen Wurzeln erkenne ich erst aus meiner eigenen Interpretation des Verhaltens deiner Protagonistin. Diese Interpretation des Verhaltens teilt der Leser, teilt der Vater, teilt der Lehrer, teilen die Mitschüler, aber woraus schließen sie das ?

Kann nicht auch das Tragen des Kopftuches eine (womöglich pubertäre) Reaktion auf den Sexismus unseres Frauenbildes sein ? Eine Frau soll sexy sein, eine Frau soll Objekt mindestens der Bewunderung sein... Insofern wäre das Tragen des Kopftuches ein emanzipatorischer Akt, der deine Protagonistin davon befreit Minirock und High-Heels zu tragen und zum Männertraum zu werden.

Klar ist aber eins: in der Geschichte fehlt ein wenig die Erklärung, warum sie das Kopftuch angelegt hat und ich zumindest wünschte mit keine eindimensionale Erklärung...

Dennoch natürlich (wie immer) sehr gern gelesen

viele Grüße
Isegrims

p.s. vielleicht sollte ja eine Gans noch auf die Jungs losgehen :) oder Leo....:)

 
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Hallo Archillus!

Die plötzliche Hinwendung zu einem strengen Regelwerk (beispielsweise die Kleiderordnung betreffend), das offensive Argumentieren in politischen Diskussionen, der Rückzug von Freunden und der physische Angriff auf Mitschüler – all diese Dinge sind in ihrer Summe auf jeden Fall ein Anzeichen von Radikalisierung.
Für mich sind das Anzeichen für Pubertät. Außerdem stimmt es doch gar nicht, dass Basima sich zurückzieht, sondern im Gegenteil: Emily zieht sich von ihr zurück, und Basima ist traurig deswegen und sucht nach Entschuldigungen für Emilys Verhalten.

Erhan wird von Basima erst verbal angegriffen/ provoziert und als er verbal kontert, tritt sie ihn. Wenn das kein aggressives Verhalten ist, dann haben wir wohl unterschiedliche Vorstellungen davon, was das bedeutet.
Natürlich ist das aggressives Verhalten, was anderes hab ich nie behauptet. Aber weshalb ist das jetzt ein ungewöhnliches oder besonderes Verhalten unter Jugendlichen? Weißt du, was bei uns auf dem Schulhof manchmal los war? Und auf dem meiner Tochter? Und auf vielen, vielen anderen? (Auf der Freien Schule, in die mein Sohn geht, gibt es sowas übrigens überhaupt nicht, auch interessant.) Prügeleien auf Schulhöfen halte ich nicht für einen Indikator für eine Gefahr der Radikalisierung.
Und woher willst du wissen, dass Basima nicht vorher schon so war?

Immer wenn sich Jugendliche abrupt umorientieren, sich zurückziehen und/ oder aggressiv werden, ist Vorsicht geboten.
Nein, das ist völlig normal. So gut wie jeder Teenager macht solche Veränderungen durch, und die geschehen auch sehr oft ganz abrupt.

Weil plötzliche Verhaltensänderungen immer im Verdacht stehen müssen, nicht auf Suche und Erkenntnis zu gründen, sondern das Bedürfnis nach Orientierung mithilfe von Dogmen und Rigorosität befriedigen. Gerade Jugendliche sind dafür sehr empfänglich.
Sehe ich völlig anders, s.o. Plötzliche Verhaltensänderungen gehören für mich zur ganz normalen Entwicklung von Teenagern dazu.

Das Problem ist, dass die beiden mit einer solchen Situation überfordert sind. Ihnen jetzt aber zu unterstellen, sie würden sich nicht für Basimas Gründe interessieren, ist Unsinn. Wirklich ignorante Eltern und Lehrer hätte man ganz anders zeichnen müssen.
Ich glaube ihnen, dass sie aufrichtig besorgt sind, und ganz sicher meinen sie es gut, aber gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht. Basima versucht sehr wohl, sich zu erklären. Der Vater verbietet ihr den Mund und sie gibt auf, weil sie weiß/denkt, dass es sowieso nichts bringt.
Der Lehrer macht eine Menge Unterstellungen, droht mit der Schulleitung und ruft beim Vater an. Das ist ein extremer Vertrauensbruch in den Augen eines Teenagers. Sie wird nie mehr mit ihm über etwas Persönliches reden. Das hat er, denke ich, für immer verbockt.
Er ist besorgt, ja, aber Basimas wahre Gründe will er gar nicht hören und er glaubt ihr auch schlichtweg nicht.

Liebe Grüße
raven

Das kommt davon, wenn man sich stundenlang zeitlässt, bevor man endlich auf Abschicken klickt, jetzt hat Novak schon geantwortet und ich wie eine Nachplapperin aus.
Aber egal, so sehe ich es eben. :)

 

Lieber Friedel,

Erziehung ist ein seltsam Ding und gleicht dem Experiment, das daneben gehen kann, wie ja auch der Zögling ein anderer werden kann, als es sich die Erziehenden erwartet hätten, wobei nicht erst seit heute soziales Umfeld und die Medien immer größeren Einfluss gewinnen. Und ein Zögling, der nicht anderes will als der Erziehende, ist wahrscheinlich nur nach den Jahren jung gewesen und tatsächlich sein Leben lang ein alter Mensch. Wie das Mündel Vormund werden will, will der Zögling sich seiner Zucht entziehen, indem er sich zunächst anders gibt als seine Altvorderen
.
Über das Zitat musste ich herzlich lachen, das passt ja hier zu der Geschichte wie die Henne zum Ei. Ne, umgekerht ist es.

Ja, der Titel ist wirklich als Frage formuliert. Und soll er auch, wie du richig konstatierst.

Die Flusen füge ich ein, ich wusste doch, dass die einbeinige Formulierung ihre Tücken hat. :D

Die Sache mit den fehlenden Apostrophen schau ich mir auch noch mal an, ich setz die oft nicht mehr in der Umgangssprache oder im Dialog.
Vielen Dank für die Flusen, lieber Friedel und für das hübsche Zitat.
Gute gute Reise und kehr gesund wieder.

 

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