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Ein verdammt guter Trick

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17.05.2015
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Ein verdammt guter Trick

Ich flanierte einmal durch die Straßen von Basel, da kam mir in einer ansonsten menschenleeren Seitengasse ein ungewöhnlicher Mensch entgegen. Er passte mit seinem Turban, seinem Vollbart und seinem dunklen Gesicht so ganz und gar nicht in das gewohnte Bild der Stadt. Ich sah ihn also interessiert an, er blickte ebenso zurück und kam direkt auf mich zu. Er begrüßte mich auf Englisch und sagte mir sogleich, indem er über meinen Scheitel hinwegblickte, dass ich eine interessante Aura habe. Alles klar, dachte ich bei mir, ein weiterer Irrer. Aber weil ich mit Verrückten ganz gut kann, ließ ich mich auf ein Gespräch ein, bei dem mir der Fremde verriet, er sei ein Guru aus Indien und in der Lage, Dinge zu sehen, so auch fremde Gedanken und die Zukunft. Als Beweis kritzelte er eifrig etwas in ein Notizheftlein, riss den Zettel ab und gab ihn mir in zerknüllt in meine Hand mit dem Geheiß, ich solle sie zu einer Faust fest verschließen. Dann sollte ich ihm eine Zahl zwischen 1 und 20 sagen (nach einigem Überlegen nannte ich ihm die 17), meine Lieblingsfarbe (ich sagte rot), und eine Blume, die mir gut gefällt (spontan sagte ich Sonnenblume). Fröhlich grinsend bedeutete er mir, ich solle nun den Zettel in meiner Faust entknittern und lesen. Darauf stand in krakeligen Druckbuchstaben "Seventeen, red, sunflower". Ich erschrak. Der Inder grinste unverwandt sein Guru-Grinsen, und während ich ihn mit offenem Mund anstarrte, sagte er mir weis, dass ich ein glückliches Leben haben und mit 80 Jahren kurz und schmerzlos tot umfallen werde. Unfähig einer adäquaten Antwort meinerseits, faltete der Mann schließlich seine Hände zum Abschiedsgruß und wandelte weiter seines Weges, während ich noch eine gefühlte halbe Stunde in der Gasse stand und immer wieder vor mich hin brabbelte:" Verdammt guter Trick, echt, verdammt guter Trick, wirklich, das muss ich schon sagen, ein ausgezeichnter Trick....!"

 

Hallo Nikolaides,

ein bisschen märchenhaft klingt dein Stil, zumindest zu Beginn. Langsam erzählt und angenehm weit entfernt vom konventionellen Aufbau der Standard-Geschichte. Soweit gefällt mir der Text gut.
Bloß: was willst du eigentlich erzählen? Da kommt ein Guru daher und beweist, dass er die Zukunft vorhersagen kann - oder eben einen verdammt guten Trick kennt. Das allein klingt für mich eher belanglos. Interessant finde ich die Implikation: Dein Protagonist steht also brabbelnd da und glaubt offenbar an die hellseherischen Fähigkeiten des Gurus. Man muss es gar nicht ausführlich aufschreiben, die Vorhersage wird Auswirkungen haben. Vielleicht fühlt er sich nun unsterblich, weil er noch keine 80 ist, vielleicht fühlt er sich bei jedem schlechten Tag verraten und um sein glückliches Leben betrogen.

Aber zum einen ist diese Vorhersage doch ziemlich glatt - 80 Jahre glückliches Leben, schneller Tod - die Phantasie regt sie nicht besonders an. Zum anderen verschwendet der Protagonist nicht den Schatten eines Gedankens an diese Zukunft.

Ich finde, damit hast du ein Thema verschenkt, dass sich eigentlich aufdrängt.

Viele Grüße

Kersidra

 

Hallo Nikolaides,

Das ist aber keine Kurzgeschichte, beim besten Willen nicht. Du erzählst ein ziemlich belangloses Ereignis, sowie es sich sicher tausendmal irgendwo auf der Welt abspielt und das sogar ziemlich unspannend.

Natürlich kann an eine Geschichte um das Thema bauen, so wie um Tausende andere Themen auch. Also echt nichts Besonderes.

Aber vielleicht hast du ja noch echte Kurzgeschichten auf Lager ;)

Alles klar, dachte ich bei mir, ein weiterer Irrer.

Dachte ich mir

LG
BRM

 

Was eine Kurzgeschichte sei, streiten sich gelehrtere Leute als wir armen Seelen hierorts,

lieber Nikolaides,

und mit jedem Schub Neuankömmlingen lebt die Diskussion wieder auf. Die Kurzgeschichte selbst entstand in der Nachkriegszeit aus den kurzen Geschichten der Bender, Böll, Borchert, Kaschnitz und Schnurre – um nur einige in alphabetischer Reihenfolge zu nennen - und ist – wie der Name schon verrät – die buchstäbliche Übersetzung der amerikanischen short story. Unbestritten ist, dass es eine epische Kleinform ist, ob sie nun mit einem offenen oder pointierten Schluss ende ist es schon nicht mehr. Gleichwohl mag sie eher Grenzsituationen darzustellen als das alltägliche Einerlei (aber Eintöpfe sind in ihrer Schlichtheit auch recht schmackhaft …). Auch wird eher ein Charakter erhellt statt verdunkelt. Auch müht man sich zumeist um logische Handlungsketten, ohne dass das wirkliche Leben etwas mit Logik zu tun hat usw. usf.

Ein weites Feld also. Und was spräche nach alledem bei diesem Anfang

Ich flanierte einmal durch die Straßen von Basel, da kam mir in einer ansonsten menschenleeren Seitengasse ein ungewöhnlicher Mensch entgegen. Er passte mit seinem Turban, seinem Vollbart und seinem dunklen Gesicht so ganz und gar nicht in das gewohnte Bild der Stadt.
dagegen, dass das hier eine Kurzgeschichte sei? Aber selbst bei einer so kurzen Geschichte fallen zumindest mir zwei Flüchtigkeiten auf. Zunächst offensichtlich hier
… und gab ihn mir […] zerknüllt in meine Hand mit dem Geheiß, …
und dort
… ein ausgezeichn[e]ter Trick[…]...!"

Gleichwohl frag ich mich, wo der verdammt gute Trick zu finden sei ...

Gruß und schöne Pfingsten vom

Friedel

 

Lieber Nikolaides,

"Was eine Kurzgeschichte sei, streiten sich gelehrtere Leute als wir armen Seelen hierorts."
Damit hat Friedel vollkommen recht.

Für mich ist Dein Text eine Geschichte, oder sagen wir eine Erzählung, die ich gern gelesen habe.
Du schreibst anschaulich und kannst gut formulieren.

Einen Fehler habe ich noch entdeckt: "während ich ihn mit offenem Mund anstarrte, sagte er mir weis."
Ich denke, das muss weise heissen.

Und zum Trick. Der junge Mann erschrak, als er auf dem Zettel die richtige Antwort sah. Und als ihm der Guru seinen Tod voraussagte, war er unfähig etwas zu antworten. Ich kann mir vorstellen, dass Angst aufkam. Niemand lässt sich gerne an den eigenen Tod erinnern, oder sogar das Todesjahr voraus sagen.
Die Spannung löste sich erst, als er sich immer wieder einzureden versuchte, dass alles nur ein guter Trick war. Oder sehe ich das falsch?

Alles gute wünscht Dir
Marai

 

Hallo Nikolaides!

Deine Anekdote bearbeitet das Thema nur unzulänglich. Es geht ja hier um die Frage, leben wir in einer deterministischen Welt oder in einer indeterministischen.
Der Text lässt, mitsamt dem ahnungslosen Protagonisten, den Leser in der Luft hängen, statt, wenn nicht gar eine Antwort zu bieten, wenigstens noch die Konsequenzen der beiden Denkrichtungen abzuarbeiten.

Lieben Gruß

Asterix

 

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