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Ein Vogel auf dem Weg gen Süden

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08.02.2015
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Ein Vogel auf dem Weg gen Süden

Manchmal fragt sich Willi, was er überhaupt tut. Abends kommt er nach Hause und seine Frau fragt ihn schon gar nicht mehr, was er denn den ganzen Tag Tolles geschafft hat. „Ich saß an meinem Schreibtisch und musste langweiligen Papierkram erledigen“, würde er antworten. Doch das weiß seine Frau ja auch. Er stöhnt leise auf.

Seine Gedanken sind draußen bei den Vögeln, die vorbei fliegen, nicht bei den Unterlagen vor ihm. Er schaut den Wildgänsen auf ihrem Flug nach Süden nach. In seinen Gedanken ziehen fremde Länder unter ihm vorbei, bis die Vögel ihre Winterresidenz erreichen. Er sieht den Rückflug über fremde Gestade, bis die Vögel wieder in ihrer Heimat angekommen sind. Auch sie leben in einer dauernden Routine. Willi wendet den Blick wieder seinen Unterlagen zu. Kaninchen entlaufen. Willi schüttelte den Kopf und schlägt sich mit der flachen Hand vor die Stirn.

Seine Kaffeetasse ist leer. Er steht auf und nimmt die Tasse mit. Als er aus seinem Büro tritt, begegnet er im Flur seinem Kollegen und Freund Sven. „Auch Kaffee?“, fragt Sven grinsend, wobei er Willi kameradschaftlich gegen den Arm boxt. „Ja, entlaufenes Kaninchen“, erwidert Willi. „Bei mir war es ein entlaufener Ehemann“, beide lachen. An der Kaffeemaschine stehen zwei weitere Kollegen. Die Maschine ist aktiv und komplett belegt. Willi und Sven müssen also warten. Doch stört es sie nicht im geringsten. Ihre Schreibtische sind für sie nicht besonders erstrebenswerte Ziele. Dort erwartet sie nur noch ein Aktenstapel, und noch einer, mit Kleinstfällen und sterbenslangweiliger Bürokratie. Sven wäre lieber in einer Hängematte auf Hawaii, während Willi nur Zuhause sein möchte. Willi schabt mit seinem linken Fuß über den Teppich. Er versenkt seine Hände in den Hosentaschen. Dabei ertasten seine Finger einen spitzen Gegenstand. Er runzelt die Stirn und zieht den Gegenstand aus seiner Tasche. Zum Vorschein kommt eine durchgebrochene Feder. Sven blickt Willi an und lacht schallend. Die zwei Kollegen an der Kaffeemaschine drehen sich um. Willi, eigentlich heißt er Wilhelm, hält ihnen die Feder unter die Nase. „Habe ich in meiner Hosentasche gefunden“, sagt Willi. Die zwei drehen sich wieder um. „Ich stelle mir vor, als Vogel über dieses Gebäude zu fliegen und als nächstes finde ich eine zerbrochene Feder in meiner Tasche“, sagt Willi. Sven blickt ihn verdutzt an.

Die Kaffeemaschine wird frei, und Willi und Sven rücken zu ihr vor. Als ihre Kaffees fertig sind, begeben sie sich wieder in ihre Büros. Sven ist schon wieder in seinem Büro, als Willi einen Zettel auf dem Boden liegen sieht und ihn aufhebt. Ohne ihn groß anzusehen nimmt Willi ihn mit in sein Büro. Er blickt auf den Zettel, doch er ist auf beiden Seiten leer. Willi legt ihn an den Rand seines Schreibtischs und nimmt den nächsten Ordner zur Hand.

Plötzlich klopft es. Willi steht auf und öffnet. Sven steht ihm gegenüber. „Der Chef trommelt alle im Konferenzraum A zusammen“. Willi schaut Sven erstaunt an. „Keine Ahnung was los ist“, sagt Sven.
Willi legt den Ordner auf den Tisch und folgt Sven. Sie nehmen die letzten freien Plätze ein. Selbst der Leiter der Polizeistation weiß nicht genau was los ist. Er hat nur einen Anruf seines Vorgesetzten erhalten, dass er alle Mann versammeln muss. Michael, so heißt er blickt seine Untergebenen an. Sein Blick bleibt bei Willi hängen. Willi spürt seinen Blick. Sven tippt Willi an. „Starr nicht so“.

Willi knetet seine Hände. „Hallo“, tönt es plötzlich aus dem Lautsprecher. „Es hat einen Anschlag aus noch unbekannten Gründen gegeben“, auf dem Bildschirm ist der Polizeisprecher zu sehen, „diese Videobotschaft wird gerade an alle Polizeistationen im Land weitergegeben. Wir leiten eine Großfahndung ein, mit allen verfügbaren Einsatzkräften. Bitte stellen sie so viele Einsatzkräfte zur Verfügung wie möglich!“ Im Raum herrscht Stille.

Ein ohrenbetäubender Knall unterbricht diese Stille und das Licht erlischt. Eine Sirene springt an. Sie heult jaulend los. Willi stolpert durch den stockfinsteren Raum. Er stößt gegen etwas. Ein Fluch ertönt und Willi und einer seiner Kollegen kullern zu Boden. Aus dem Flur scheint ein kleiner Lichtschimmer. Jeder versucht den Ausgang zuerst zu erreichen. Dabei werden alle erdenklichen Körperteile eingesetzt.

Willi schafft es schließlich krabbelnd, die Tür als erster zu erreichen. Er zieht sich hoch und tastet sich im Flur an der Wand entlang. Langsam setzt er Schritt vor Schritt. Hinter sich hört er seine Kollegen näher kommen. Fast hat Willi das Ende des Korridors erreicht, als es erneut knallt. Es reißt ihn von den Füßen. Die Welt dreht sich um ihn herum. Es knallt weiter neben ihm, hinter ihm, um ihn herum. Er kriegt es jedoch nur wie durch einen starken, alles verschluckenden Nebelmantel mit. Die Welt dreht sich. Erinnerungen jagen Willi durch den Kopf und verschwimmen wild und wirr ineinander. „Ich wäre gern ein Vogel auf dem Weg gen Süden!“, denkt Willi matt.

 
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Hallo Phil123,

Ein herzliches Willkommen bei den Wortkriegern.

Deine Geschichte konnte mich leider nicht so recht überzeugen.
Willi ist mit seinem Job unzufrieden, gefangen in der Monotonie des Alltags. Er träumt davon, ein Vogel zu sein, dann kommt es zu einem Terroranschlag.

Der Terroranschlag als schockierender Wendepunkt will für mich einfach nicht funktionieren. Es wirkt erzwungen, zu inkohärent mit der restlichen Handlung. Erst beschreibst Du den schnöden Alltag im Büro und den Traum von Freiheit und einem ungezwungenen Leben, dann geht alles den Bach runter. Das kommt mir zu plötzlich, zu losgelöst von der vorherigen Handlung. Man hat das Gefühl, plötzlich eine gänzlich andere Geschichte zu lesen.

Im ersten Absatz beschreibst Du, dass sich Willis Frau nicht für seine Arbeit interessiert und vermittelst den Eindruck, er wäre zuhause. Als er dann plötzlich bei der Arbeit ist, hat mich das verwirrt. Kann sein, dass das nur mir so geht. Der Anfang ist also ein bisschen unglücklich formuliert.

Er sieht den Rückflug über fremde Gestade, bis die Vögel wieder in ihrer Heimat angekommen sind. Auch sie leben in einer dauernden Routine.

Wenn die Vögel in einer Routine leben, ähnlich wie Willi, warum wünscht er sich dann, ein Vogel zu sein? Entkräftet das nicht die Aussage Deiner Geschichte, nämlich den Wunsch nach weniger Routine?

Kaninchen entlaufen.

„Ja, entlaufenes Kaninchen“, erwidert Willi. „Bei mir war es ein entlaufener Ehemann“, beide lachen.

Versteh ich nicht. Ist das eine Art Codewort zum gemeinsamen Kaffeetrinken?

Sven wäre lieber in einer Hängematte auf Hawaii, während Willi nur Zuhause sein möchte.

Hier wechselst Du die Perspektive. Du gibst etwas von Svens Wünschen preis, die Willi nicht kennen kann. Es sein denn, Sven erzählt es ihm gerade, dann würde ich das aber auch als wörtliche Rede hinschreiben.

Dabei ertasten seine Finger einen spitzen Gegenstand. Er runzelt die Stirn und zieht den Gegenstand aus seiner Tasche. Zum Vorschein kommt eine durchgebrochene Feder. Sven blickt Willi an und lacht schallend.

Wie ist die Feder in seine Tasche gelangt? Soll das eine Art Omen sein oder eine symbolische Funktion haben? Und warum ist das so witzig?

Sven blickt ihn verdutzt an.

Erst lachen sie zusammen, dann ist Sven verdutzt und versteht nicht, was eigentlich los ist. Das passt nicht so recht.

Selbst der Leiter der Polizeistation weiß nicht genau was los ist. Er hat nur einen Anruf seines Vorgesetzten erhalten, dass er alle Mann versammeln muss. Michael, so heißt er [Komma] blickt seine Untergebenen an. Sein Blick bleibt bei Willi hängen. Willi spürt seinen Blick. Sven tippt Willi an. „Starr nicht so“.

Ist Willi etwa ein Polizist? Wenn ja, hättest Du das vorher doch erwähnen können, wenn nicht, stiftet die Formulierung mit den Untergebenen Verwirrung.
Warum soll Willi nicht starren?

„Es hat einen Anschlag aus noch unbekannten Gründen gegeben“, auf dem Bildschirm ist der Polizeisprecher zu sehen, „diese Videobotschaft wird gerade an alle Polizeistationen im Land weitergegeben.

Wie ist das zu verstehen? Es gibt eine ganze Reihe von Anschlägen?

Dabei werden alle erdenklichen Körperteile eingesetzt.

Bei diesem Satz musste ich grinsen, der wirkt so unfreiwillig komisch. Ich glaube das war an dieser Stelle nicht deine Absicht.

„Ich wäre gern ein Vogel auf dem Weg gen Süden!“, denkt Willi matt.

Das matt würde ich weglassen.

Am Ende der Geschichte angelangt, frag ich mich, was das zu bedeuten hatte:

Sven ist schon wieder in seinem Büro, als Willi einen Zettel auf dem Boden liegen sieht und ihn aufhebt. Ohne ihn groß anzusehen nimmt Willi ihn mit in sein Büro. Er blickt auf den Zettel, doch er ist auf beiden Seiten leer.

Was wolltest Du dem Leser damit mitteilen?

Alles in allem eine Geschichte mit einer netten Grundidee, bis zu dem Anschlag (oder Angriff auf ein Polizeipräsidium?), der, meines Erachtens nach, unpassend ist. Aber aller Anfang ist schwer, bleib nur dran, dann wird das schon. ;)

Beste Grüße
gibberish

 

Hallo Phil123,

ich bin selber ganz neu hier, ich kann dir nur meinen wenig versierten Eindruck anbieten: Ich finde es ganz solide erzählt, also ohne Katastrophen. Bis auf das 'tut' im ersten Satz.

Manche zwei Sätze hintereinander könntest du vielleicht besser ein einen verpacken:

Seine Kaffeetasse ist leer. Er steht auf und nimmt die Tasse mit.
, oder
Er versenkt seine Hände in den Hosentaschen. Dabei ertasten seine Finger einen spitzen Gegenstand.

Die Handlung ist mir insgesamt zu divers. Von der Frau zu Zugvögeln, zu Büro-Alltag, mit dem Höhepunkt eines Anschlags und zurück zu den Vögeln. Das finde ich zu viel für eine so kurze Geschichte.
Mir scheint, dass du mit der Schilderung des grauen Alltags die 'Monströsität' eines Anschlags unterstreichen, bzw. hervorheben wolltest?
Sollte das der Fall sein hat das mMn nicht so ganz funktioniert.

Liebe Grüße,

lebenslaeufer

 

Danke für euer Feedback, ich selber wäre nicht so richtig in der Lage gewesen, die Geschichte zu bewerten und Änderungstipps zu geben.

 

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