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Eine Frau mit Kindern

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19.09.2022
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Eine Frau mit Kindern

1​


»Hörst du zu? Das ist wichtig. Sehr wichtig sogar.«
Timo nickte.
»Nein. Es ist sogar das aller Wichtigste, hörst du?«
Timo nickte erneut.
»Wenn ein Fremder zu dir sagt, dass er dich mit dem Auto mitnehmen kann, dann darfst du auf gar keinen Fall bei ihm einsteigen. Hörst du? Niemals.«
Timo nickte nicht. Seine Augen wanderten die weiße Wand hinter seiner Mutter nach oben und er stellte sich den Fremden vor.
»Und wenn ein Fremder sagt, dass dein Vater oder ich ihn geschickt hätten, um dich abzuholen, dann lügt er, hörst du? Dann ist er ein Lügner.«
Timo reagierte nicht. Er konnte den Fremden deutlich sehen. Ein dunkler Sportwagen hatte links neben dem Bordstein angehalten und das Fenster auf der Beifahrerseite wurde heruntergefahren. Timo sah sich um. Er erkannte, dass er die Straße weit genug entlanggegangen war und nur noch um die nächste Ecke gehen musste, um seine Schule sehen zu können. Der Haupteingang war noch etwas weiter weg, aber in ein paar Minuten würde er diesen erreicht haben und dort war es sicher. Womöglich war es auch hier schon sicher. Seine Schule lag mitten in der Innenstadt und um diese Uhrzeit brachten viele Eltern ihre Kinder dorthin, bevor sie zur Arbeit gingen. Viele Menschen die alles sehen könnten. Aber Timo wagte nicht, sich sicher zu fühlen. Manchmal war Angst etwas Gutes, das wusste er.
Der Fremde schenkte ihm ein Lächeln. Und obwohl sich seine Lippen nicht zu bewegen schienen und Timo keine Stimme hören konnte, forderte ihn der Fremde auf einzusteigen.
Aber Timo wollte nicht einsteigen und rührte sich nicht.
Lautlos berichtete der Fremde von einem Notfall, einem sehr ernsten Notfall. Außerdem hatte Timos Mutter ihn doch erst hergeschickt, um ihren geliebten Sohn abzuholen.
Er lächelte.Timo nicht.
Jetzt verschwand auch sein Lächeln und Timo wünschte es sich sofort zurück, als er das wahre Gesicht des Fremden sehen konnte und plötzlich schrie eine verzerrte Stimme in seinem Kopf.
»KOMM SOFORT HER. SONST WERDE ICH DICH …«
»… sterben vor Sorge, hast du verstanden?«
Timo erschrak und das Gesicht des Fremden wich der besorgten Miene seiner Mutter.
»Hast du mich verstanden?«
»Ja«
»Was habe ich gerade gesagt?«
»Dass ich bei niemandem ins Auto steigen soll.«
»Timo, ich werde gleich wirklich wütend! Du sollst mir gefälligst zuhören!«, stöhnte seine Mutter, die ihn grob an den Schultern gepackt hatte. Timo erkannte an ihrer Stimme, dass sie den Tränen nah war.
»Dein Vater und ich würden dich niemals von jemandem abholen lassen, den du nicht kennst, hörst du? Niemals, würden wir das tun. Nicke, wenn du verstanden hast.«
Er tat es.
»Gut.«, sagte sie und sah ihm eindringlich in die Augen. »Sehr gut.«
Nach einer Weile ließ sie seine Schultern los und wich einen Schritt zurück.
»Wenn wir uns mal verlieren sollten, in der Stadt oder in einem Schwimmbad, dann suchst du eine Frau, die Kinder hat, hörst du?«
»Wie heißt sie denn?«
»Nein, mein Schatz. Wenn du merkst, dass du verlorengegangen bist und weder mich, noch deinen Vater oder jemand anderen sehen kannst, den du kennst …« Sie machte eine Pause und holte tief Luft.
»… dann suchst du eine Frau, die Kinder hat. Ganz egal welche. Es muss nur eine Frau sein, die mit mindestens einem Kind unterwegs ist, okay?«
»Okay«
Sie ging noch einen Schritt zurück und ihre ohnehin schon besorgte Miene wurde noch etwas finsterer.
»Hoffen wir einfach, dass du nie verloren gehst. Wir werden einfach immer gut aufpassen.«
»Okay«
»Du kannst jetzt spielen gehen.«
Timo drehte sich um und lief in sein Zimmer. Am nächsten Tag ging er das erste Mal alleine zur Schule.

2​

Warum hast du Angst? Nur Babys haben Angst, schnaubte Jack.
»Ich habe keine Angst«, protestierte Timo. »Ich will nur nicht, dass sie sich Sorgen machen.«
Das hättest du dir vorher überlegen sollen. Jetzt ist es zu spät. Sieh dich doch nur um…kannst du jemanden sehen, den du kennst?
»Nein«
Ganz genau. Und wieso bist du ganz alleine?
»Ich weiß nicht. Ich habe doch nur ganz kurz mal weggeschaut.«
Bist du sicher, dass es nur ganz kurz war?
Timo war sich nicht sicher. Vielleicht war es auch ein klein wenig länger gewesen.
»Ja«
Lügner.
»Nein!«, gab er prompt zurück und spürte wie sich seine Augen mit Tränen füllten.
Fängst du jetzt auch noch an zu heulen? Nur Babys heulen, höhnte Jack und lachte.
»Ich heule nicht«, schluchzte Timo und spürte, dass sich eine Träne dazu entschieden hatte, sein Auge zu verlassen und seine Wange herunterzuwandern. Es folgten noch ein paar mehr und Timo wischte sie mit der rechten Hand weg.
Meine Fresse, hör endlich auf zu heulen! Du weißt doch ganz genau, was du jetzt tun musst.
Timo überlegte. Er hatte keine Ahnung, was er tun musste.
Nach wem sollst du suchen, wenn du verloren gegangen bist?
Plötzlich fiel es ihm wieder ein.
»Nach der Frau mit Kindern!«, sagte Timo und seine Miene erhellte sich. »Aber wie hieß sie denn noch gleich?«
Du verblödeter kleiner …
»Sie hat keinen Namen!«, fiel Timo der Stimme in seinem Kopf ins Wort. Der Stimme, die ihn schon viele Male in seinem Leben gerettet hatte, weil sie sich an Dinge erinnern konnte, die Timo längst vergessen hatte. Die Stimme, die sich anhört wie Jack Napier aus diesem Batman-Film, bevor er in die Säure gefallen war. Timo hatte sich diesen Film letztes Jahr mit seinem Freund Daniel angesehen und monatelang Alpträume gehabt. Aber nicht von Jack, sondern von der Person, die er im Laufe des Films geworden war. Die Alpträume hörten mit der Zeit auf. Die Stimme blieb.
»Es muss nur eine Frau sein mit einem Kind!«
Er wischte sich die letzten Tränen aus seinem Gesicht und hob den Kopf.
»Das Oktoberfest ist das größte Volksfest der Welt. Pass gut auf, dass du immer mich oder deinen Vater sehen kannst, hörst du?« Das hatte seine Mutter heute Morgen zu ihm gesagt. Erst jetzt wurde Timo bewusst, wie viele Menschen die ganze Zeit um ihn herumliefen. Und alle Frauen und Männer waren ähnlich gekleidet.
Kein Wunder, dass ich Mama und Papa verloren hab, dachte Timo.
Er sah sich um.
Eine Gruppe Jugendlicher kam auf ihn zu. Zwei von den Jungs hatten ungewöhnlich große Gläser in der Hand und alle lachten sehr laut.
Die können mir nicht helfen.
Timo drängte sich durch die vielen Menschen und entdeckte eine freie Fläche neben einem Essensstand. Dort angekommen drehte er sich um und hatte jetzt einen besseren Überblick über die Masse an Menschen.
Das sind bestimmt über Hundert!
Timo kniff die Augen zusammen und betrachtete jede Frau, die er sehen konnte. Keine von ihnen hielt die Hand eines Kindes oder trug eines auf dem Arm.
Wie wäre es, wenn du gleich nach einem Kind Ausschau hältst, Dummkopf, spottete Jack.
»Ja richtig! Gute Idee.«, platzte es aus Timo heraus, woraufhin ihm ein Mann aus der Essensschlange einen verwirrten Blick zuwarf.
Eine Frau muss nicht unbedingt ein Kind haben, aber ein Kind hat ganz bestimmt immer eine Mutter.
Und tatsächlich entdeckte er nach ein paar Sekunden ein kleines Mädchen, dass plötzlich in der Masse aufgetaucht war, wie ein Waljunges, dass zum Luftholen an die Wasseroberfläche geschwommen war.
Timo hatte sie zwar nur für einen kurzen Augenblick sehen können, bevor sie wieder in die Tiefen des Meeres abgetaucht war, aber dieser Augenblick hatte genügt, um sie deutlich zu erkennen.
Sie war etwas kleiner als Timo und hatte ihre dunkelbraunen Haare zu einem langen Zopf gebunden. Außerdem trug sie das gleiche Kleid wie all die anderen Frauen in der Menschenmenge.
Sie tauchte erneut auf und dieses Mal gemeinsam mit ihrer Mutter.Das Mädchen stolperte hinter einer großen Frau her, die sie an der einen Hand hinter sich herziehen musste und mit der Anderen einen Kinderwagen vor sich herschob. Die Mutter tauchte wieder ab und etwas anderes kam zum Vorschein.
Das Mädchen hielt einen kleinen Jungen mit kurzen blonden Haaren an der Hand, der ein grün-kariertes Hemd und eine Lederhose trug. Er war noch einen halben Kopf kleiner als das Mädchen und hatte einige Probleme damit Schritt zu halten. Er sah aus, als ob er jeden Moment stolpern würde, was seine Mutter jedoch nicht zu bemerken schien.Timo staunte.
Eine Kette aus Kindern, dachte er. Diese Frau hat drei Kinder. Das ist perfekt!
Dann verschwanden sie wieder im Meer und Timo rannte los.

3​

Schnell.
»Okay«
Noch schneller.
»Ist ja gut.«
Noch schneller!
»Schneller kann ich nicht!«
Aber Jack hatte recht. Er durfte sie auf keinen Fall verlieren. Wer wusste schon, wann das nächste Mal eine Frau mit drei Kindern vorbeikommen würde…
»Entschuldigung!«, rief er, als das grün-karierte Hemd des Jungen in der Menge aufblitzte.
Die Kette bewegte sich weiter vorwärts.
»Entschuldigung!«, rief er, diesmal etwas lauter.
Der Junge drehte sich um und sah Timo einen Moment lang direkt an. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß. Er schenkte Timo ein kurzes Lächeln, während er mit unbeholfenen Schritten weiterstolperte.
Er wirkt unglücklich, dachte Timo. Wenn ich die ganze Zeit so schnell gehen müsste, wäre ich auch unglücklich.
»ENTSCHULDIGUNG!«, rief er so laut er konnte und endlich hielt die Kette an. Die Walfamilie schwamm an die Wasseroberfläche und drei Fontänen wurden ausgestoßen.
»Nanu, wer bist du denn?«, fragte die Frau. Sie stand jetzt direkt vor Timo und beugte sich zu ihm hinunter. »Wo ist denn deine Mama?«
»Ich weiß es nicht.«, gab Timo zurück. Mehr brachte er nicht hervor. Die Frau war etwas größer, als es bisher den Anschein gemacht hatte und ihr Gesicht war so freundich, dass sich Timo auf eine gewisse Weise zu ihr hingezogen fühlte. Ihre dunkelroten Haare hingen glatt herunter und waren so lang, dass sie den Boden berühren würden, wenn sie sich noch weiter heruntergebeugt hätte. Sie richtete sich auf und Timo staunte erneut über ihre Größe.
»Wie ist dein Name?«, fragte sie, ohne ihn anzusehen. Ihr Blick wanderte durch die Menschenmenge und schien nach etwas zu suchen.
»Ich heiße Timo.«
Die Frau lächelte. Anscheinend hatte sie es gefunden, denn ihre zusammengekniffenen Augen wurden langsam wieder größer. Sie schaute auf ihn herab.
»Kinder, stellt euch vor«, sagte sie freundlich und deutete in ihre Richtung.
»Ich heiße Freja«, murmelte das Mädchen und lächelte sanft.
»Und ich ... also ... meine Mama nennt mich Sammy. Und ... mein Papa auch.«, stotterte der Junge mit gebrochener Stimme.
Wieso ist er denn so aufgebracht?
Die Frau schob Timo sanft auf sie zu und summte dabei leise eine fröhliche Melodie.
Sind es nicht drei Kinder, warf Jack ein.
»Sam, du nimmst Timo an die Hand.«, sagte sie freundlich, aber streng. »Wir wollen uns ja nicht auch noch verlieren.«
Sammy gehorchte.
Seine warme, feuchte Hand hatte die von Timo gepackt und hielt sie etwas fester als es nötig war.
Wieso ist er denn unglücklich?
Ist er das? Ist er wirklich unglücklich
, fragte Jack.
In diesem Moment lockerte Sammy seinen Griff und Timo bemerkte, dass seine Hand leicht zitterte.
Hat er Angst?
Die Frau ergriff den Kinderwagen mit der Rechten, und streckte Freja ihre linke Hand entgegen. Das Mädchen ergriff sie und suchte gleichzeitig nach Sammys Hand.
»So und jetzt suchen wir weiter nach euren Eltern!«, sagte die Frau enthusiastisch.
Eure Eltern, wiederholte Jack.
Ihre langen, dürren Beine bewegten sich schnell und machten große Schritte. Gleichzeitig schob sie den Kinderwagen mit einer solchen Leichtigkeit, die Timo zum Staunen brachte.
So eine starke Frau, dachte Timo.
Ist sie stark, oder ist der Kinderwagen einfach nur leicht, flüsterte Jack. Timo, wieso ist er so leicht? Na? Timo? Denk nach!
Doch bevor Timo darüber nachdenken konnte tauchte die Walfamilie in der Menge unter.
Weil er leer ist, Timo. Deshalb ist er so leicht. Der Kinderwagen ist leer.
Doch das konnte Timo, der sich ganz darauf konzentrieren musste Sammys Hand zu halten und mit niemandem zusammenzustoßen, nicht mehr hören.

 

Hallo @HiVolkmann ,

und willkommen hier. Bitte schaue Dir noch einmal die Formatierung an. Da scheint etwas mit den Zeilenabständen nicht zu stimmen.
Das passiert manchmal beim Kopieren. Oft hilft es, den Text zu markieren und das „Radiergummi“ anzuklicken.

Du solltest auch vorsichtig sein, gleich zwei Texte zu posten. Wenn Feedback kommt, verheddert man sich zeitlich nicht selten, wenn man dann alles beantworten und überarbeiten muss.

LG
Mae

 

Hallo @HiVolkmann,

hier ein paar Anmerkungen:

Das Mädchen, dass Freja hieß, hielt einen kleinen Jungen mit kurzen blonden Haaren an der linken Hand, der ein grün-kariertes Hemd und eine Lederhose trug.
Stelle ich als Anregung zur Verfügung: Woher weiß Timo den Namen von Freja? Kann er den Namen wissen, bevor er mitgeht?

Eine Kette aus Kindern, dachte er. Diese Frau hat drei Kinder. Das ist perfekt!
Das ist clever gemacht. Am Anfang hatte ich einen Logikfehler vermutet. Die Wendung mit dem leeren Kinderwagen ist aber gelungen.

»Gut.«, sagte sie und schaute ihm eindringlich in die Augen. »Sehr gut.«
Da würde ich vorschlagen statt "schauen" ein anderes Verb zu nutzen. Das klingt irgendwie nicht rund.

Die Formatierung wurde bereits erwähnt.

Ansonsten gelungene Kurzgeschichte.

Viele Grüße

 

Danke für dein Feedback!
Ich persönlich fand, dass es notwendig war die Namen beider Kinder zu nennen, da diese Anspielung sonst eventuell zu offensichtlich gewesen wäre. Der Junge wurde von seiner Mutter immer Sammy genannt und die Frau aus der Geschichte nennt ihn Sam, wodurch das Ende bereits angedeutet wird.

wurde von seiner Mutter immer Sammy genannt
Danke für die Anmerkung, das werde ich überdenken!
Und ist die Formatierung mittlerweile in Ordnung? Ich weiß leider nicht, welche Vorgaben man genau einhalten muss.

 

Moin @HiVolkmann,

willkommen bei den Wortkriegern.

Und ist die Formatierung mittlerweile in Ordnung?
Oft hilft es, den Text zu markieren und das „Radiergummi“ anzuklicken.
Nö, sieht immer noch zerschossen aus. Den Tipp von @Maedy mit dem Radiergummi kannte ich noch gar nicht. Habe bislang immer den „Bearbeiten“-Button (ganz am Ende eines geposteten Textes) betätigt und dann munter Leerzeilen gelöscht, wo keine hingehörten.

Übrigens, wie Du bestimmt bereits gemerkt hast, kannst Du mit einem "@"-Zeichen vor dem Nickname eines Nutzers diesen im Kommentar taggen. Dann bekommt der- oder diejenige auch gleich Bescheid. ;)

Bitte nicht falsch verstehen, aber ich schaue nochmal in Deinen Text, wenn die Form passt.
Viel Spaß hier und beste Grüße
Seth

 

@Seth Gecko Danke für die Tipps! Ich hoffe, dass ich es endlich hinbekommen habe :lol:Ich habe jetzt den Radiergummi verwendet und jede Leerzeile entfernt, die ich finden konnte.

 

Hallo @HiVolkmann!

Ich habe deine Geschichte gerne gelesen, ich mag den Titel, die Weisheit der Mutter am Anfang (Frau mit Kinder - kennt man ja von der Jugend) und dann die Wendung am Schluss. Ein paar Anmerkungen:

Timo reagierte nicht. Er konnte den Fremden deutlich sehen. Der dunkle Sportwagen hatte links neben dem Bordstein angehalten und das Fenster auf der Beifahrerseite wurde heruntergefahren. Timo sah sich um. Er erkannte, dass er die Schillingstraße weit genug entlanggegangen war und nur noch um die nächste Ecke nach rechts in die Taskenstraße gehen musste, um seine Schule sehen zu können. Der Haupteingang der Grundschule war noch etwas weiter weg, aber in zwei oder drei Minuten würde er diesen erreicht haben und dort war es sicher.
Womöglich war es auch hier schon sicher. Seine Schule lag mitten in der Innenstadt und um diese Uhrzeit brachten viele Eltern ihre Kinder dorthin, bevor sie zur Arbeit gingen. Viele Zeugen, die seine Entführung (oder seinen Mord) genau beobachten könnten. Aber Timo wagte nicht, sich sicher zu fühlen. Manchmal war Angst etwas Gutes, das wusste er.
Der Fremde schenkte ihm ein Lächeln. Und obwohl sich seine Lippen nicht zu bewegen schienen und Timo keine Stimme hören konnte, forderte ihn der Fremde auf einzusteigen.
Aber Timo wollte nicht einsteigen und rührte sich nicht.
Lautlos berichtete der Fremde von einem Notfall, einem sehr ernsten Notfall. Außerdem hatte Timos Mutter ihn doch erst hergeschickt, um ihren geliebten Sohn abzuholen.
Er lächelte.
Timo nicht.
Jetzt verschwand auch sein Lächeln und Timo wünschte es sich sofort zurück, als er das wahre Gesicht des Fremden sehen konnte.
Plötzlich schrie eine raue Stimme in seinem Kopf.
»KOMM SOFORT HER. SONST WERDE ICH DICH…«
»…sterben vor Sorge, hast du verstanden?«
Timo erschrak und das Gesicht des Fremden wich der besorgten Miene seiner Mutter.
Diese ganze Szene hat (in meinen Augen) keinen richtigen Bezug zur restlichen Geschichte und könnte ersatzlos gestrichen werden. SIe findet nicht wirklich statt, spielt sich nur in Timos Kopf ab und lenkt vom eigenltichen Thema der Geschichte ab. Dass es sich in der Vorstellung der meisten Menschen bei einem Entführer um einen (gruseligen) Mann handelt, ist eine Tatsache - das würde sich jeder Leser auch so vorstellen.

»Timo jetzt machst du mich wirklich wütend! DU SOLLST MIR ZUHÖREN!«, stöhnte seine Mutter, die ihn grob an den Schultern gepackt hatte und durchschüttelte. Timo erkannte an ihrer Stimme, dass sie den Tränen nah war.
Hier kommt mir die Reaktion der Mutter ein wenig übertrieben vor.

»Sie hat keinen Namen!«, fiel Timo der Stimme in seinem Kopf ins Wort. Der Stimme, die ihn schon viele Male in seinem Leben gerettet hatte, weil sie sich an Dinge erinnern konnte, die Timo längst vergessen hatte. Die Stimme, die sich anhört wie Jack Napier aus Tim Burtons Batman von 1989, bevor er in die Säure gefallen war.
Das fand ich ganz nett, die Wendung mit Jack und die STimme in seinem Kopf, das gibt der Geschichte noch etwas eigenes - gefällt mir.

»Das Oktoberfest ist das größte Volksfest der Welt. Pass gut auf, dass du immer mich oder deinen Vater sehen kannst, hörst du
Das hatte seine Mutter heute Morgen zu ihm gesagt. Erst jetzt wurde Timo bewusst, wie viele Menschen die ganze Zeit um ihn herumliefen.
Hier würd ich den Zeilenumbruch streichen, weil es ist ja die Mutter, die das sagt. Im ersten Moment hab ich so geglaub, dass es wieder Jacks Stimme ist.

Timo drängte sich nach links durch die vielen Menschen und entdeckte eine freie Fläche neben einem Essensstand.
Hier könntest du das "nach links" streichen.

»Ja richtig! Gute Idee.«, platzte es aus Timo heraus, dem der Mann ganz vorne in der Essensschlange einen verwirrten Blick zuwarf.
Das klingt etwas holprig. Vielleicht eher: "platzte es aus Timo heraus und ein Mann in der Essensschlange warf ihm einen veriwrrten Blick zu."

Sie war etwas kleiner als Timo, vermutete er und hatte ihre dunkelbraunen Haare zu einem langen Zopf gebunden.
Hier kannst du das "vermutete er" eigentlich streichen, es spielt nicht wirklich eine Rolle ob er es vermutet oder ob es wirklich so ist.

Die Mutter tauchte wieder ab und etwas anderes kam zum Vorschein.
Das Mädchen, dass Freja hieß, hielt einen kleinen Jungen mit kurzen blonden Haaren an der linken Hand, der ein grün-kariertes Hemd und eine Lederhose trug. Er war noch einen halben Kopf kleiner als das Mädchen und wurde von seiner Mutter immer Sammy genannt.
Timo staunte.
Eine Kette aus Kindern, dachte er. Diese Frau hat drei Kinder. Das ist perfekt!
Freja und Sammy verschwanden im Meer und Timo rannte los.
Hier fällst du komplett aus Timos Perspektive raus, das wirft auch mich als Leser raus. Ich denke, dass das Foreshadowing hier auch nicht unbedingt nötig ist und der Leser auch noch nicht wissen muss, wie die Kinder heißen. Außerdem nimmst du die Pointe am Ende auch schon ein wenig zu sehr heraus. Und was ist das andere, das zum Vorschein kommt? Der andere Junge? Das ist ein wenig schwammig. Außerdem würde ich den Zeilenumbruch nach "Timo staunte." entfernen, weil er staunt ja, weil er denkt "Eine Kette aus Kindern" sonst steht das "Timo staunte" irgendwie verloren da.

Sammy gehorchte.
Seine warme, feuchte Hand hatte die von Timo gepackt und hielt sie etwas fester als es nötig war.
Wieso ist er denn unglücklich?
»Ist er das? Ist er wirklich unglücklich
In diesem Moment lockerte Sammy seinen Griff und Timo bemerkte, dass seine Hand leicht zitterte.
Wenn du das mit Sammy einbringen willst, dann kannst du es ja so machen, dass Sammy, als er gehorcht und als er Timos Hand packt noch flüstert oder nuschelt: "Mamma, nennt mich Sammy." oder so.


So viel zu meinen Eindrücken.

LG Luzifermortus

 

@Luzifermortus Vielen Dank für dein ausführliches und hilfreiches Feedback! Ich werde mir Gedanken über deine Anmerkungen machen und meine Geschichte noch einmal überarbeiten. :)

 

Moin @HiVolkmann,

wie angekündigt, habe ich mir Deine KG nach erfolgter Formkorrektur durchgelesen.
Du hast sie unter Horror und Spannung getaggt. MMn könntest Du den Horror streichen, denn der findet in meiner Wahrnehmung nicht statt. Spannend fand ich sie nur bedingt und auch nur in den letzten Zügen.
Du schreibst recht sauber, trotzdem hat es mich ein paar Mal aus dem Leseflow gekegelt, doch dazu gleich mehr. Fast von Anfang an habe ich mich gefragt: Wie alt soll Timo sein? Diese Antwort bleibst Du schuldig, oder habe ich etwas übersehen?
Das Ende könnte für meinen Geschmack auch noch ein wenig mehr Schlagkraft vertragen, denn es wirkt trotz der spannenden Ausgangslage auf mich irgendwie ... ein wenig beliebig.

Gerne gehe ich näher auf wenige Punkte ein, alles rein subjektiv, versteht sich. Nimm Dir, was Du gebrauchen kannst:

»Wenn ein Fremder zu dir sagt, dass er dich mit dem Auto mitnehmen kann, dann darfst du gar keinen Fall bei ihm einsteigen. Hörst du? Niemals.«
fehlt hier nicht ein "auf"?


Timo reagierte nicht. Er konnte den Fremden deutlich sehen. Der dunkle Sportwagen hatte links neben dem Bordstein angehalten und das Fenster auf der Beifahrerseite wurde heruntergefahren. Timo sah sich um. Er erkannte, dass er die Schillingstraße weit genug entlanggegangen war und nur noch um die nächste Ecke nach rechts in die Taskenstraße gehen musste, um seine Schule sehen zu können. Der Haupteingang der Grundschule war noch etwas weiter weg, aber in zwei oder drei Minuten würde er diesen erreicht haben und dort war es sicher.
Beim "Sprung" vom Fremden zum Sportwagen hat’s mich rausgerissen. Auch dass wir uns plötzlich draußen befinden, wo doch Timo eben noch eine Wand hinter der Mutter hochgeschaut hat. Da fehlt mir die klare Verortung, sowohl zu Beginn der Geschichte, als auch beim Wechsel, in seine Fantasie. Auch, dass er sich die Straßennamen merken kann, gleichzeitig aber von der Mutter eingetrichtert bekommt, nicht bei Fremden einzusteigen, haben bei mir zu der o.g. Frage geführt: Wie alt ist dieses Kind?


Womöglich war es auch hier schon sicher. Seine Schule lag mitten in der Innenstadt und um diese Uhrzeit brachten viele Eltern ihre Kinder dorthin, bevor sie zur Arbeit gingen. Viele Zeugen, die seine Entführung (oder seinen Mord) genau beobachten könnten. Aber Timo wagte nicht, sich sicher zu fühlen. Manchmal war Angst etwas Gutes, das wusste er.
Hier auch wieder ähnliches. Bei Wörtern wie Zeugen oder Entführung. Da passt für mich die Erzählstimme nicht zum Charakter eines Kindes in einem gewissen Alter.


Jetzt ist es zu spät. Sieh dich doch nur um…kannst du jemanden sehen, den du kennst
»Du verblödeter kleiner…«
Zwischen den drei Punkten und einzelnen Wörtern gehört ein Leerzeichen, es sein denn, die wörtliche Rede wird mitten im Wort unterbrochen, weil zum Beispiel jemand dem Prota ins Wort fällt, oder so. Da kannst Du den ganzen Text nochmal drauf abklopfen.


»Ich heule nicht.«,
Der Punkt vor den Guillemet kann weg.


Die Stimme, die sich anhört wie Jack Napier aus Tim Burtons Batman von 1989, bevor er in die Säure gefallen war. Timo hatte sich diesen Film letztes Jahr mit seinem Freund Daniel angesehen und monatelang Alpträume gehabt. Aber nicht von Jack, sondern von der Person, die er im Laufe des Films geworden war.
Hier auch wieder: Das Kind weiß, wann der Release des ersten Batman-Films war und kennt den Namen des Regisseurs? Oder bringe ich hier gerade etwas mit der Erzählstimme durcheinander?


Und tatsächlich entdeckte er nach ein paar Sekunden ein kleines Mädchen, dass plötzlich in der Masse aufgetaucht war, wie ein Waljunges, dass zum Luftholen an die Wasseroberfläche geschwommen war.
Dieses Bild von dem Walbaby hat mich rausgehauen, da mMn unpassend gewählt.


Außerdem trug sie dasselbe Kleid wie all die anderen Frauen in der Menschenmenge.
Du meinst bestimmt das gleiche Kleid. :klug:


Das Mädchen, dass Freja hieß, hielt einen kleinen Jungen mit kurzen blonden Haaren an der linken Hand, der ein grün-kariertes Hemd und eine Lederhose trug. Er war noch einen halben Kopf kleiner als das Mädchen und wurde von seiner Mutter immer Sammy genannt.
Woher weiß Timo den Namen des Mädchens und des Jungen? Und die Tatsache, dass er von seiner Mutter Sammy genannt wurde? Mein Rat: Überprüf die Geschichte noch einmal darauf, wer uns Leser:innen hier vom Geschehen erzählt. Am Anfang ist es ganz klar Timo, doch bei den o.g. Punkten kann das nicht sein, es sei denn, Du schleifst noch ein paar Ecken ab.

Die Frau ergriff den Kinderwagen mit der Rechten, und streckte Freja ihre linke Hand entgegen.
Du verwendest häufiger die Angabe, wer was mit welcher Hand macht. Da könntest Du auch noch mal drüberschauen und ggf. reduzieren oder sogar komplett streichen, bzw. ändern, da nicht wichtig für die Geschichte.

Das waren meine fünf Cent, ich bin gespannt auf mehr aus Deiner Feder, zumal Du Dich ja im Horrorgenre ganz wohl zu fühlen scheinst. :)

Beste Grüße
Seth

 

Servus @Seth Gecko Vielen Dank für dein Feedback! Die Rechtschreibfehler werden natürlich alle gleich verbessert.

Auch, dass er sich die Straßennamen merken kann, gleichzeitig aber von der Mutter eingetrichtert bekommt, nicht bei Fremden einzusteigen, haben bei mir zu der o.g. Frage geführt: Wie alt ist dieses Kind?
Es wird nur gesagt, dass er in die Grundschule geht, d.h. er ist zwischen 7 und 10. In diesem Alter ist ein Kind durchaus in der Lage sich zwei Straßennamen zu merken, vor allem wenn das sein täglicher Schulweg ist. Bezüglich der Worte "Zeugen" und "Entführung" hast du allerdings recht, das muss ich überarbeiten, Danke für den Hinweis.

Oder bringe ich hier gerade etwas mit der Erzählstimme durcheinander?
Ja, da hört es dann auf mit dem Wissen eines Kindes, das gehärt zur Erzählstimme.

Dieses Bild von dem Walbaby hat mich rausgehauen, da mMn unpassend gewählt.
Da war ich tatsächlich auch unsicher, aber das war bisher die einzige negative Rückmeldung diesbezüglich. Trotzdem werde ich da noch einmal drüber nachdenken.


das gleiche Kleid.
Oh, wie peinlich.


Woher weiß Timo den Namen des Mädchens und des Jungen? Und die Tatsache, dass er von seiner Mutter Sammy genannt wurde?
Das weiß Timo eben nicht, aber danke für den Hinweis, dann werde ich versuchen das deutlich erkennbar zu machen!

Vielen Dank für deine Anmerkungen!!

 
Zuletzt bearbeitet:

Hei @HiVolkmann ,

herzlich willkommen im Forum! :gelb:

Hier sind gute Ansätze und der Text gefällt mir ganz wesentlich besser als dein anderer aktueller. Mörder in Kellern aus Innensicht oder pseudo-naiver Haltung gibt es zu Dutzenden und vllt. Aberdutzenden; echt keinen Plan, wie oft ich das hier schon gelesen hab. Die sind immer ganz kurz (eher eine Szene als ein Plot), von Schreibanfängern und seltsamerweise auch häufig von Mitgliedern, die keine Textarbeit machen und sich schnell wieder verabschieden. Ich denke inzwischen, mit solchen Texten ist kein Land zu gewinnen, egal, ob es da - wie in deinem Fall - positive Komms drunter gibt oder nicht.

Hier gefällt mir, dass du einen Dreh vorbereitet hast, dass es zwar ein recht gängiges Motiv ist, aber dabei durchaus frisch wirkt - und das liegt daran, dass du dir Zeit nimmst, den Leser mit dem Prota vertraut zu machen, einen Eindruck vom Setting, seiner Persönlichkeit zu bekommen. Und das Paranormale ist kein never-seen, aber vermittelt den Eindruck eines eigenständigen Mythos. Es stellt sich ja immer die Frage: Was wollen die Geister von den Lebenden? Und wenn die beantwortet ist (-> Finde meine Leiche und begrabe sie anständig, Finde meinen Mörder ...), verlieren Geschichten fuer mich jegliche Spannung. Du bleibst die Antwort einfach schuldig und daher wirkt die Geschichte bei mir nach, das bleibt spannend, weil ich mir viele verschiedene back stories und Gruende (auch: paranormale Gruende, nicht nur real-psychologische) ausdenken kann.
Ich denke, du hast wirklich Potential.

Ich sehe aber auch einige handwerkliche Probleme.

- Verhältnis Foreshadowing / Hauptplot
- Ganz extrem verwirrende Formatierung: kursiv (eigentlich = Gedanken) und "" kombiniert. Zudem: Man macht Zeilenwechsel bei Sprecher- und/oder Fokuswechsel, du machst sie da meistens richtig, aber setzt noch unzählige unpassende Umbrueche dazu, die nur noch Unklarheit schaffen und ausserdem den Text total zerfleddern.
- Relativ stringent ausgearbeitetes Intro (alles mit der Mutter), aber dann echt fahrig, unkonzentriert und recht unsauber geschriebene Hauptgeschichte (Stadt, fremde Frau), da hast du ja schon Hinweise bekommen (die Namen der Kids, wer zu wem gehört, was da genau passiert, als er sich der Frau anschliesst).

Ich denke nicht, dass du dir einen Gefallen damit tust, die Persönlichkeitsspaltung (die man genau so auch echt schon uebermässig oft im Genre gelesen hat, da ist total die Luft raus) und die Figur der geisterhaft-seltsamen Frau zu kombinieren. Positiv gesehen: Mischt du zwei wohlbekannte Motive auf neue Art, kann was Innovatives entstehen. Negativ: die beiden Motive stehen inhaltlich in ueberhaupt keinem Zusammenhang zueinander, das ist total arbiträr gemixt. Daher entsteht imA nichts Neues, sondern es erweckt nur den Eindruck von Unfertigkeit, Plotlosigkeit.

Das Intro fuehrt zudem noch ein drittes Motiv ein: ggfs. psychisch kranke, hysterische Helikoptermutter. Wie man das von den Backstories vieler - realer wie fiktiver - Serienmörder kennt. Möglicherweise hast du daran gar nicht gedacht, aber durch den Umfang allein wirkt es bedeutsam. Verstärkt durch die Intensität des Dialogs, die mich auch echt extrem in den Text gezogen hat, weil es eine feine Balance ist zwischen 'nur bissl drueber = noch alltäglich' und 'total psycho = Horrorgenre'.

Letztlich kommt die Mutter aber nie wieder vor, die Mutter-Kind-Problematik ist gar nicht Thema, sondern alles diente nur dazu, den Twist einzuleiten. Jetzt wird der Twist aber damit zu offensichtlich und damit bricht imA diese Struktur zusammen. Zumal betonst du viel zu frueh und zu deutlich, dass mit der Frau was nicht stimmt: sehr gross, zu duerr (Slender Woman?), abgesetzt von der Menschenmasse i.e. Masse der Lebenden. Sehr cool - der kleine Moment ist die Hauptstärke des ganzen Textes - fand ich das mit der Zahl der Kids (diese Erkenntnis, was da los ist).

Ich weiss nicht so richtig, was ich raten soll. Das Intro dezent (nicht zu viel) zu kuerzen auf jeden Fall. Die innere Stimme wuerde ich kicken, denn damit machst du letztlich nix - er wird dann ja nicht plöztlich in einem Doppeltwist als jugendlicher Psychokiller zur Gefahr fuer die paranormale Entität. Dann ein re-write des Hauptteils, einfach, um eine stringente Stimme reinzubekommen. Und dabei wuerde ich die Seltsamkeit der Frau viel dezenter (und mit nicht so arg klassischen Beschreibungen) andeuten. Dann folgt ja nur noch der - extrem schöne, um das noch mal zu betonen - Twist / Erkenntnis, aber eigentlich passiert plotmässig im Hauptteil gar nix. Wie das zu lösen wäre: keine Ahnung. Du hast dich vllt. zu sehr auf den Dreh selbst verlassen und keine stimmige / eigenständige Geschichte mehr drumrum ausgedacht?

Grad in der Dunklen Phantastik und im Weird kannst du ja von einer gewissen Vorkenntnis beim Leser ausgehen. Da geht es auch um das Spiel mit Erwartungen, ein sense of wonder, das Staunen. Vielleicht nicht alles so direkt auf den Tisch packen? Nochmal neu aufbauen, mit einem ebenso starken Hauptplot, in dem Ängste und Hoffnungen genauso intensiv vermittelt werden wie beim Intro?

Du hast sie unter Horror und Spannung getaggt. MMn könntest Du den Horror streichen, denn der findet in meiner Wahrnehmung nicht statt.
Im Kontext von Fiktionen ist Horror ein Genre (genaugenommen ein Untergenre der Phantastik), kein ausgelöstes / intendiertes Gefuehl. Eine paranormale Entität, die auf mehr oder weniger magische Art Kinder entfuehrt und sie - impliziert - tötet oder in eine unheimliche Parallelwelt entfuehrt bzw. bereits Geisterkinder mit sich fuehrt etc. p.p., passt haargenau ins Horrorgenre. Hätten wir fuer alle Nuancen tags, wäre es wohl Dunkle Phantastik - dabei geht es oft auch um eine Stimmung, man muss sich nicht mal zwangsläufig gruseln. (:bib:Sorry, getriggert *gn*.)

Da war ich tatsächlich auch unsicher, aber das war bisher die einzige negative Rückmeldung diesbezüglich. Trotzdem werde ich da noch einmal drüber nachdenken.
Hat mich auch rausgekickt, aber wegen der Spezifizierung 'Walbaby'. Das Bild einfach mit einem Wal fand ich nämlich echt schön, sehr passend und auch frisch. (Höchstens um Verwirrung zu vermeiden: einen schlankeren Fisch nehmen. Mir war zwischendrin nicht klar, ob sie nur gross, oder auch fett sein sollte.)

Formal noch: Die Kapitelzahlen raus, so lang ist der Text ja gar nicht. All caps gibts nur in Comix, wirkt in Prosa kindisch.

Grad, weil du gleich zwei Geschichten eingestellt hast, hoffe ich sehr, dass du dich zeitnah mit Kommentaren unter fremden Texten einbringst. Geben & Nehmen ist die Devise, einfach Höflichkeit. Ganz vor allem lernst du dabei selbst sehr viel.

Herzliche Gruesse,
Katla

 

@Katla:

Eine paranormale Entität, die auf mehr oder weniger magische Art Kinder entfuehrt und sie - impliziert - tötet oder in eine unheimliche Parallelwelt entfuehrt bzw. bereits Geisterkinder mit sich fuehrt etc. p.p., passt haargenau ins Horrorgenre.
Ich hab das gar nicht so wahrgenommen/verstanden, dass die rothaarige Frau eine paranormale Entität sein soll...:sleep:!
@HiVolkmann: War das tatsächlich der Twist am Ende der Geschichte? Woran hätte ich das erkennen können/sollen? Für mich war das einfach eine "normale" Frau, die Kinder auf dem Oktoberfest klaut/entführt...

(:bib:Sorry, getriggert *gn*.)
:D Kenn’ ich.

Beste Grüße und ein entspanntes WE,
Seth

 
Zuletzt bearbeitet:

Woran hätte ich das erkennen können/sollen?
Hallo Seth,

weil die Frau recht extrem beschrieben wurde und das immer wieder auffällig betont wird? Immer wieder die Aussage, wie ungewöhnlich groß und dünn sie ist und wie sie aus der Menschenmasse da raussticht. Da ging ich - zusammen mit dem tag - von Leserführung aus.
Vielleicht stellte ich mir das aber zu extrem vor - ausgehend von meinen eigenen Frau + 1,80 m, die ich ja als normal ansehe. Mal sehen, was der Ersteller sagt, mag ja sein, dass ich mich hier total vergalloppiert hab! :lol:

Die nicht-paranormale Version wär aber echt schade, denn dann fehlte komplett das Motiv für diese Handlung und das würde ja noch ein weiteres Psychopathen-Thema aufmachen, das aber keinen weiteren Bezug hat. Fast ein thematischer Perspektivwechsel. Nee, das glaub ich nicht ... :shy:

Dir auch ein schönes Wochenende,
Katla

 

Hallo @Katla, danke für dein ausführliches Feedback!
Ob es nun eine paranormale Entität ist oder doch eine, aus der Sicht eines Kindes, besonders große Frau, kann schlussendlich jeder für sich selbst entscheiden. ;)
Das Interpretieren gehört, meiner Meinung nach, ja auch zum Spaß des Lesens dazu.

 
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Ob es nun eine paranormale Entität ist oder doch eine, aus der Sicht eines Kindes, besonders große Frau, kann schlussendlich jeder für sich selbst entscheiden.
Das Interpretieren gehört, meiner Meinung nach, ja auch zum Spaß des Lesens dazu.
Hallo @HiVolkmann,

naja, ganz so funktioniert das ja nicht. Eigentlich gehört zu diesem Offenlassen (paranormal oder nicht, Prota stirbt oder nicht etc.) eine Leser-Führung bis an diese Stelle. Die fällt bei dir dann aber komplett weg: Hier ist es sogar vollkommen unklar, in welchem Genre du schreibst, wie die ganze Story überhaupt läuft, was du implizierst und letztlich warum.
Interpretation ist ja, dass mir der Autor schlau ein paar dezidierte, aber versteckte Hinweise gibt, und ich kann am gut aufgebauten Text herausfinden, was genau davon gemeint war, was die Implikationen sind etc. Dabei wird man fürs aufmerksame Lesen und Nachdenken vom Autor / Text 'belohnt'. Hier ist es aber so beliebig, dass du auch schreiben kannst: Mutter warnt Junge vor fremden Männern, Junge folgt Frau mit Kindern - ist die Frau lebend oder ein Geist? Ende und ich kann mir - mit der Phantasie, die ich eigentlich sehr gern bemühe - die ganze Geschichte gleich selbst ausdenken. Das ist aber nicht der Spaß beim Lesen, das nervt nur. Weil ich den Eindruck größtmöglicher Beliebigkeit bekomme, und dann damit den verschwendeter Lesezeit.

Mag aber eh sein (wie ich an deiner Einminutenantwort auf einen Komm sehe, der fast ne Stunde in Anspruch nahm), dass ich mich hier total überengagiere - was du erzählst, ist selbstverständlich allein deine Entscheidung.
Ausnahme: Wie du erzählst. All die formalen Fehler, auf die du nicht eingegangen bist, sollten zeitnah korrigiert werden, zumal sie das Lesen erschweren. Sowas wird hier durchaus verlangt, da es ein Forum zur Textarbeit ist und nicht zum reinen Lesen.

Nix für ungut, ich finds schade, aber kann man nix machen :) ,
Katla

 

Hallo @Katla,

Ich werde auf jeden Fall noch im Detail auf deine Anmerkungen eingehen, ich erhole mich grade von einer Coronaerkrankung und habe deswegen noch einiges für mein Studium nachzuholen. Diesen einen Punkt wollte ich jedoch schon einmal klarstellen, also bitte habe noch etwas Geduld. :) Ich rechne dir dein ausführliches Feedback auf jeden Fall sehr hoch an und werde noch darauf eingehen!

Nur schon einmal vorweg: Die formalen Fehler werde ich höchstwahrscheinlich alle korrigieren, da es sich dabei nicht um eine Meinung, sondern einen klaren Fehler handelt. Bei ein paar anderen Anmerkungen werde ich dir jedoch widersprechen müssen. Nicht jede/r LeserIn ist gleich und nicht jede/r LeserIn mag die gleichen Textarten. Es klingt für mich ein wenig so, als würdest du für ALLE LeserInnen sprechen wollen und v.a. dem oder der AutorIn beinahe schon "vorschreiben", wie er oder sie einen Text zu verfassen hat. Es gibt durchaus Passagen, die ich ganz bewusst so formuliert habe, weil ich, als Verfasser, es so gut finde. Und selbstverständlich darfst du als LeserIn meine Texte kritisieren, wie du es für richtig hälst und das begrüße ich auch! Ich werde nur nicht alle Anmerkungen übernehmen, weil ich diese manchmal schlicht und einfach anders sehe und als, meiner Meinung nach, "falsch" erachte.
Das wollte ich nur schon einmal erwähnt haben.
Liebe Grüße

 

Sooo @Katla Auf gehts :)

Ganz extrem verwirrende Formatierung: kursiv (eigentlich = Gedanken) und "" kombiniert.
Hätte ich die Stimme von Jack nur in kursiv schreiben sollen? Ich war mir nicht sicher, da die Stimme zwar zu Timos Gedanken gehört, obwohl es eben nicht Timo ist, der "spricht".

Bezüglich der Umbrüche: Ich gebe zu, ich mache das ein wenig zu gerne, aber wenn es beim Lesen stört, werde ich ein paar rausstreichen.

Auf die Stimme von jack möchte ich hingegen nicht verzichten. Denn sowohl der Einstieg in die Geschichte, als auch die Stimme, jedoch in einem wesentlich geringeren Ausmaß, basieren tatsächlich auf meiner Kindheit. Deshalb finde ich es urkomisch, dass es laut manchen Kommentaren so unglaubwürdig zu sein scheint, dass sich ein Grundschüler zwei Straßennamen merken kann und sich den Fremden in einem Sportwagen vorstellt, da ich persönlich das exakt genau so erlebt habe. Jedoch werde ich die Vorgeschichte noch überarbeiten und ggf. kürzen. (Vor allem die Reaktion der Mutter ist deutlich übertrieben, das werde ich definitiv ändern.)

Und dabei wuerde ich die Seltsamkeit der Frau viel dezenter (und mit nicht so arg klassischen Beschreibungen) andeuten.
Das ist eine gute Idee, anstatt sie sofort als "dürre Riesin" zu bezeichnen, werde ich ihr Äußeres dezenter offenbaren.

aber eigentlich passiert plotmässig im Hauptteil gar nix.
Das war auch nie meine Absicht. Ich habe diese Geschichte tatsächlich nur geschrieben, weil mir die Idee gefiel, dass der Rat einer Mutter, in diesem Fall sogar meiner Mutter, sich am Ende als sehr verhängnisvoll herausstellen kann. Deswegen ist es auch ein sehr kurzer Text. Mehr wollte ich gar nicht bezwecken. Ich wollte nie genau erklären, wer die Frau ist, wieso sie so handelt, usw. Ich mag es auch als Leser nicht, wenn alles ganz genau erklärt wird. Das macht viele schaurige Gefühle und Vorstellungen kaputt, finde ich jedenfalls.

Die Kapitelzahlen raus
Danke, aber mir gefällt das, deshalb lasse ich sie drin. :)

Ich hoffe, dass ich jetzt alles beantwortet habe und dass du mir verzeihen kannst, dass ich manche Anmerkungen nicht berücksichtigen werde.
Liebe Grüße

 
Zuletzt bearbeitet:

Hei @HiVolkmann ,

oh, ich hoffe, es geht dir wieder besser! Dann hatte ich deine Reaktion missinterpretiert, weils einfach häufig so läuft, sorry. :)

Hätte ich die Stimme von Jack nur in kursiv schreiben sollen? Ich war mir nicht sicher, da die Stimme zwar zu Timos Gedanken gehört, obwohl es eben nicht Timo ist, der "spricht".
Das kommt auf die gewählte Perspektive an. Bei einem rein personalem oder Icherzähler hättest du Anführungszeichen benötigt, weil dessen Haltung ist: Die Stimmen sind real und kommen von außen als ob eine fremde Person spräche. Du hast aber einen neutralen, auktorialen Erzähler, der in den Kopf nur einer Figur schauen kann (Timos). Dieser Erzähler weiß ja genau, dass es eine innere Stimme / akustische Halluzination o.ä. ist und damit benötigst du kursiv, weil das Gedanken markiert.

Ich mag es auch als Leser nicht, wenn alles ganz genau erklärt wird. Das macht viele schaurige Gefühle und Vorstellungen kaputt, finde ich jedenfalls.
Ich mag das auch lieber, aber dann müsste vorher eine schaurige Stimmung ausgearbeitet werden, das geht nicht so Knall auf Fall. Deinen Aussagen nach ist dies ja doch als kleine Pointengeschichte konzipiert (dann revidiere ich meinen Tipp, das Intro so ausführlich zu lassen und rate ebenfalls zu extremer Kürzung). Eine wohlige Gruselstimmung in einer Pointengeschichte herzustellen ist vllt. sowas wie eine Königsklasse beim Horror-Schreiben. Nur Erklärungen wegzulassen - im Sinne von maximaler Offenheit = Beliebigkeit - ist nicht das Mittel, Geheimnisvolles zu schaffen.
Und mal ganz frech gefragt: Sollten Pointengeschichten ein derart offenes Ende haben? Oder widerspricht das nicht dem point? :naughty:

Wenn du mal nach Vorbildern schauen willst: Absolut meisterhaft beherrscht das Sheridan Le Fanu (sehr, sehr viel besser als der vielgepriesene M. R. James, der oft ziemlich unstrukturierte Plots hat). Von Le Fanu gibt es einen schmalen Band mit vier Geschichten, Grüner Tee, antiquarisch für ein paar Cent bei z.B. Booklooker.de zu finden. Auch, wenn das in einer anderen Zeit spielt, lohnt es sich, da mal auf den Aufbau und die Konzeption zu schauen, und auf den Umgang mit dem Paranormalen vs Realen.

Danke, aber mir gefällt das, deshalb lasse ich sie drin.
Auch zu dem, was du in deinen Antworten oben schriebst: Bis auf Formales / RS-Korrekturen brauchst du keinen Hinweis annehmen. Es ist deine Geschichte und soll es auch bleiben. Im Forum ist es Usus, auf ständige 'imA' / 'mMn' / 'ich denke' zu verzichten, weil es die Komms zerfasert und verwässert: Klar ist das 'in meinen Augen', wenn ich den Komm schreibe. Dennoch meine ich, gute Gründe für viele Tipps zu haben - ob du das annimmst, ist aber vollkommen dir überlassen.

Zu den Kapitelzahlen: Formal gesehen sind Titel, Fußnoten, Abstandhalter ( wie ***), Kapitelüberschriften oder eben -nummerierungen etc. auf Ebene des Autors, nicht des Erzählers (damit stehen sie ebenfalls außerhalb der Erzählebene).
Man liest also eine Geschichte und verliert sich günstigenfalls in dieser fiktionalen Welt - man vergisst den Autoren dahinter, es existiert nur der Erzähler und die Geschichte wirkt damit wie Realität (man glaubt beim Lesen quasi, dass alles genauso geschieht wie beschrieben wird, suspension of disbelief). Stößt man da nun auf Zahlen, verlässt man diese Ebene und wird auf die des Autors zurückverwiesen: D.h. ich erinnere mich wieder, dass da ein Autor in der realen Welt dahintersteht, es offenbart das Gemachte und verhindert Immersion. Ist das in deinem Sinne? Unterstützt es sinnvoll die Geschichte?
Ich finde ja auch beim Schreiben Sullivans Motto für das Bauhaus klasse: Form Follows Function.

Kleiner Fehler noch:

Am nächsten Tag ging er das erste Mal alleine zur Schule.
Das Wort existiert nur ohne -e. In wörtlicher Rede ginge es, weil viele (ich auch) das so sprechen und den Unterschied hört man ja deutlich.

Wie gesagt: Deine Geschichte! Ich halte es nur generell für eine gute Idee, bei Texten devil's advocate zu spielen und Vorlieben / Entscheidungen infrage zu stellen (ich mache das mit eigenen Texten nicht anders, aber man ist dabei ja auf mindestens einem Auge blind ;-)).

Liebe Grüße,
Katla

 

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