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Endstation

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26.08.2002
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Anmerkungen zum Text

Entschlackt am 11.11.21

Endstation

Ich musste nach Stuttgart. Es war verdammt knapp!
Um zum 55. Geburtstag meiner Schwiegermutter Basehilde Möhrensack entspannt anzukommen, hatte ich mich für die Bahn entschieden, weil ich neulich in einem Werbe-Spot gesehen hatte, wie die Bahn kommt - und den Fahrgast entspannt transportiert, während er über Kopfhörer Vivaldi hört.
Nachdem der Bus zu spät gekommen war, hatte die U-Bahn eine Störung und anschließend fielen drei S-Bahnen aus. Da ich nur mit Bus-Verspätung, U-Bahn-Störung und zwei ausfallenden S-Bahnen kalkuliert hatte, blieben mir lediglich (sieben) Minuten, um meine Fahrkarte zu lösen. Ich stolperte in die Bahnhofshalle, ich war nervös.
Zu spät zum Geburtstagsessen, und die liebreizende Basehilde würde mir die Hand ihrer Tochter wieder entziehen. Auf ihrer Wertschätzungsliste kam ich sowieso erst an 267. Stelle zwischen Hamsterpisse und Kamelkacke.

Ich stürzte zum Schalter.
(Sechseinhalb). Der Schalterbeamte war beschäftigt und kritzelte mit einem Kugelschreiber in einem Buch herum. Er blickte kurz auf, um zu sehen, ob etwas Wichtiges vorlag, erkannte mich als Kunden und kritzelte dann weiter.
Ich rang ein paar Sekunden mit mir, ob ich es wagen sollte, ihn anzusprechen. Durfte ich ihn bei seiner Arbeit stören? Vielleicht war es wichtig, was er in sein Buch kritzelte. Ich blickte auf die Uhr: noch sechs.

„Ähm?“, sagte ich und schaute ihn so optimistisch an, wie es meine Panik zuließ. Meine glückliche Ehe würde enden, wenn Schwiegermutters Geburtstagsessen ohne mich startete! Frau Basehilde Möhrensack hatte ihren einzigen Sohn zur Adoption freigegeben, weil er es als Sechsjähriger versäumt hatte, 'danke' zu sagen, als sie ihm zum Geburtstag ein Buch über das Leben Julian Pickelgrubers geschenkt hatte (welcher 1867 in Afrika die Dungpicker-Käfer erforscht und dabei vor lauter Forscherdrang inmitten der Mistkäfer verdurstet war).
„Was wollen Sie denn?“, fragte der Beamte gereizt.
„Entschuldigung“, sagte ich. „Es tut mir leid, aber ich ... ich brauche eine Fahrkarte ...“
„So-so, eine Fahrkarte“, sagte er.
„Weil ich nach Stuttgart muss ...“
„Warum?“, fragte er.
„Meine ... meine Schwiegermutter feiert Geburtstag, und wenn ich den Sechzehnuhrzweiundvierzig nicht kriege, dann ...“, stotterte ich, wollte ihn auf meine Seite bringen und überzeugen davon, dass es einen triftigen Grund gab, ihn zu belästigen; da unterbrach er mich schon: „Ja, das geht sowieso nicht.“
„Warum nicht?“, fragte ich, blickte auf die Uhr.
„Darum“, sagte er.

Darum, dachte ich. Die bayrische Begründung, an welcher nichts zu hinterfragen war.
Da saß er nun. Mein Wächter des Tors. Er grinste. Der Mann war hier verschenkt ... mit seinen Talenten sollte man ihn besser als Geheimwaffe des Katastrophenschutzes im Einsatz bei Vulkanausbrüchen verwenden! Ich sah in einer Vision vor mir, wie die schreckliche, zerstörerisch-fließende Lava beim Anblick seines Zementgesichts in Sekundenschnelle gefror. Oder bei Überschwemmungen ... das Wasser tritt schon über die Ufer, und dann kommt er und sagt: „Ja, das geht sowieso nicht!“, und die Fluten ziehen sich frustriert zurück.
Er hatte sich abgewandt und kritzelte wieder. (Fünf).
„Und ein anderer ... Zug? Ich muss nach Stuttgart, ich ... da gibt’s doch bestimmt ...“, sagte ich. Mühsam drehte er sich wieder zu mir.
Was gibt’s bestimmt?“, fragte er.

Wieder hatte ich eine Vision ... sah, wie es bei ihm abgelaufen sein musste. Als Säugling von der Mutter ausgesetzt, Vater unbekannt. Schlimme Kindheit, von einem Heim zum anderen, ständig wechselnde Bezugspersonen. All das hatte ihm gezeigt, dass die Welt feindlich war. Lange Zeit hatte sein dumpfer Wille es nicht geschafft, einen Lebensplan zu entwickeln. Und dann war er zum Arbeitsamt gegangen. Berufsberatung. Psychologische Eignungstests. Schließlich das Gespräch mit der Beraterin.
„Also, Herr Grimm“, hatte sie freudestrahlend zu ihm gesagt.
„Was?“, hatte er feindselig erwidert.
„Schauen wir mal, was wir da haben. Also: Ihre kommunikativen Kompetenzen sind in etwa so ausgeprägt wie die eines Sacks Kartoffeln, die zärtlichste Geste Ihres Lebens war ein Rempler in die Nieren, Sie haben keinerlei Freunde und nicht das geringste Einfühlungsvermögen, Sie können Tiere und Menschen nicht ausstehen und hassen soziale Kontakte ... hmm - warum werden Sie nicht einfach Schalterbeamter bei der Bahn?“
(Vier).

„Irgendwie ... nach Stuttgart!“ rief ich. „Ein Umweg von mir aus ... irgendwie mit der Bahn nach Stuttgart! Im Computer nachschauen!“
Sein Blick sagte Folgendes aus: Wegen dir jämmerlicher Nervensäge, die überhaupt keine Berechtigung zu irgendwas hat, soll ich also jetzt in dem vermaledeiten Computer eine Verbindung raussuchen? Nur damit du nach Stuttgart kommst?
Er stöhnte. Verachtung kam darin zum Ausdruck. Ein ‘Wenn man zu blöd zum Autofahren ist’ - für ihn waren Bahnfahrer allesamt Weicheier, die im Leben nicht hatten kämpfen müssen wie er. Lustlos klickte er die Maus. „Hm“, sagte er.

(Drei). Ich hörte Basehildes Stimme: „Und wer fehlt natürlich? Als ob ich es nicht vorher gesagt hätte! Der Herr Schwiegersohn!“ Ich hörte das Weinen meiner Noch-Ehefrau. Ich sank auf die Knie. „Bitte!“, sagte ich. Meine Hände kratzten an der Scheibe. „Bitte helfen Sie mir! Ich ... gebe Ihnen auch was ... hier ... meine Rolex... ist das nichts!?“ (Zwei).
Er nahm die Uhr! Ich zitterte. Er klickerdiklackerte jetzt auf der Tastatur – er bewegte sich! Noch war nichts verloren! Er tat etwas! Gleich würde er mir möglicherweise sogar eine Fahrkarte verkaufen!
Wohin wollten Sie gleich noch mal?“, fragte er.
Ich hatte mich wieder hochgezogen und hielt mich nun mit beiden Händen fest (eins). „Nach Stuttgart!“, sagte ich, und dann: „Geburtstag! Schwiegermutter!“
„Ach, Stuttgart?“, sagte er überrascht. „Vorhin haben Sie Nürnberg gesagt. Stuttgart ist ja wo ganz woanders ... Moment ... Stuttgart... (klickediklackedi) ... der nach Stuttgart ... der ist gerade abgefahren. Das ist jetzt zu spät. Das hätten Sie gleich sagen müssen.“

Ich starrte ihn an. Ganz flüchtig hatte ich eine letzte Vision: Ich hielt ihn gepackt und wischte mit seinem Gesicht die Scheibe sauber - und dann kam die Dunkelheit. Ein Hochzeitsfoto zerriss.
Es ist schön da, wo ich jetzt bin in diesem Haus mit Veranda. Ich höre Vivaldi, während Bäume und Felder vorüberziehen, nur unterbrochen durch das Essen, das täglich um sechs Uhr abends serviert wird. Und die Bahn macht: Klickedi, klackedi ...

 

@Henry K. Hallo Henry und danke für das Lesen und Kommentieren! Es freut mich sehr, wenn jemand lachet!


Die Situation hat mich an eine erinnert, die neulich in einer anderen Geschichte geschildert wurde, da ging es um eine Odyssee zwecks Zurückschicken einer Jacke mit der DHL. Bin am Handy und kann sie grade nicht verlinken.
Musst du nicht, ich hab sie schon angefangen zu lesen.

Wie gesagt, großes Kompliment, man merkt, dass das kein erster Entwurf eines komischen Textes von dir ist, du weißt, wie du formulieren und komponieren musst, um die komischen Momente dieser banalen Alltagssituation freizulegen.
Die tiefer Banale liegt in dem, was der Protagonist nicht tut; er stellt den Frame halt nicht in Frage.

Gruß!

 

Darf man mehr erwarten, wenn der oberste Hüter des Verkehr(t)smysteriums „Scheuer“ heißt? Nun, für seinen Namen kann er nix und selbst wenn er sich umfirmierte, es änderte nichts an seinen Fähigkeiten. Statt des armen Beamten find ich da erstaunlicher, was die Sendung mit der Maus mir vor einiger Zeit offenbarte: Dass Personenwaggons für die DB in Österreich (!) hergestellt werden und per LKW (!) über die Autobahnen an den Niederrhein zur weiteren Bearbeitung gebracht werden, insofern hält sich meine Begeisterung für diesen kleinen Text, der ja wesentlich von den albernen Namen her geschteuert wird, eher in Grenzen. Kannstu besser, wie Du ja schon bewiesen hast. Zum Glück hastu ja nicht mit "Satire" firmiert. Und dass Humor wäre, wenn man dennoch lacht, halt ich für ein Gerücht.

Bissken Flusenlese,

lieber FlicFlac!


Zu spät zum Geburtstagsessen, und die liebreizende Basehilde würde mir die Hand ihrer Tochter wieder entziehen.
Warum das Komma? M. E. erfüllt die Konjunktion ihre Funktion ganz ausgezeichnet ...

Womit wir bei den Auslassungspunkten sind,

woanders... Moment... Stuttgart... (klickediklackedi) ... der nach Stuttgart...
die direkt am Wort behaupten, da fehlte (Konj. II!) ein Buchstabe. Da wäre dann auch der Apostroph viel rationeller einzusetzen …

Und zeigt nicht das dreifache m

„Hmmm“, sagte er.
dass der Beamte (wenn’s denn einer ist) sich Zeit für den Kunden nimmt?

Und dass der Kunde, als der Held unserer Geschichte, Zeit hat, sehen wir am doppelt-gemoppelten

Gleich würde er mir möglicherweise sogar eine Fahrkarte verkaufen!
Konjunktiv II (als „Möglichkeitsform“)

Und dass der potenzielle Bahnkunde nicht mit angemessener Höflichkeit wie hier

Das hätten sie gleich sagen müssen.“
behandelt wird, bezweifel ich. Das kann der Kunde und erst recht Du oder ich hierorts gar nicht beurteilen. Da will der Schriftführer wohl dem ahnungslosen Beamten eines auswischen ...

Das kannstu besser!, meint der

Friedel

 

@Friedrichard Hallo und danke für die Kommentare - das fehlende Komma und das unfreundliche "sie" statt des "Sie" - beides meinen Augen entgangen.

Eine Frage hab ich noch:

die direkt am Wort behaupten, da fehlte (Konj. II!) ein Buchstabe. Da wäre dann auch der Apostroph viel rationeller einzusetzen …
Gemeint ist:
Stuttgart ist ja wo ganz woanders... Moment... Stuttgart... (klickediklackedi) ... der nach Stuttgart... der ist gerade abgefahren.
Die Punkte sollen hier keine Auslassung anzeigen, sondern eine Pause zwischen den Worten (während der Schaltermensch zB auf den Bildschirm kuckt); wie löst du das? Gedankenstriche kommen mir bei solcher Gelegenheit als zu "kurz" vor.


Kannstu besser, wie Du ja schon bewiesen hast. Zum Glück hastu ja nicht mit "Satire" firmiert.
Das nicht. "Philosophie" hatte ich mir noch überlegt und dann knapp gelassen.

 

Hallo @FlicFlac ,

Deine Geschichte habe ich gerne gelesen. Und gelacht habe ich auch :lol:. Obwohl ich der armen Basehilde wirklich mit ihrem Namen bedauere ;).

Nun habe ich schon einiges über die Deutsche Bahn gehört, aber ich darf doch hoffen das es nie so schlimm wird als du hier oben sehr flüssig geschrieben hast :D.

Ich finde deinen Text mit den Übertreibungen gut gelungen und du zeigst prima wie man so eine Alltagssituation mit Humor angehen kann. Außer natürlich, man ist selbst mittendrin ...
Die Spannung, schaffe ich es noch oder nicht, kenne ich nur zu gut und sie kann manchmal den Blutdruck erhöhen.

Nur stimme ich mit der Friedel (@Friedrichard) überein, dass solche Unhöflichkeit einer Bahnkunde gegenüber wohl schwer vorstellbar ist, wenigstens hier in der Schweiz, es sei denn, der Kunde selbst ist grob oder Unhöflich. War er aber nicht, er war nur in Eile.

Trotzdem hat mir die Geschichte gefallen und lese gerne mehr!

Herzliche Grüße,
Schwerhörig

 

Hallo @FlicFlac ,

sieht so aus als hättest du eine aktive Phase. Kaum eine Story fertig, kommt schon die nächste.
Hat mir gefallen, dein Humorstückchen, auch wenn Themen, die die Bahn behandeln irgendwie schon so oft verbraten wurden, dass es sehr schwer fällt, was Neues und zugleich Lustiges zu ersinnen. Aber ich finde, das ist dir gelungen.

, weil ich neulich in so einem Werbe-Spot gesehen hatte, wie die Bahn kommt - und den Fahrgast entspannt transportiert, während er über Kopfhörer Vivaldi hört.
Diesen Part würde ich einfach streichen. Es funktioniert auch ohne und der Satz wird damit nicht so überbordend.
Ich sagte ja schon, dass es knapp war. Ich stolperte in die Bahnhofshalle, ich war nervös.
Genau und wenn es schon sagtest, dann komme ich mir als Leser so vor als würdest du doch meinem Gedächtnis nichts zutrauen und wiederholst es extra deswegen nochmals.
Bitte, bitte nicht! Ich würde nur schreiben: Nervös stolperte ich in die Bahnhofshalle.
Zu spät zum Geburtstagsessen, und die liebreizende Basehilde würde mir die Hand ihrer Tochter wieder entziehen.
Hm...dieses "wieder entziehen" klingt so gestelzt. Wie wäre es mit: ...und die liebreizende Basehilde (feiner Name) würd ihrer Tochter zur Scheidung raten.
weil er es als Sechsjähriger versäumt hatte, danke zu sagen, als sie ihm zum Geburtstag ein Buch über das Leben Julian Pickelgrubers geschenkt hatte (welcher 1867 in Afrika die Dungpicker-Käfer erforscht und dabei vor lauter Forscherdrang inmitten der Mistkäfer verdurstet war).
Nette Idee, um die Sache noch absurder zu gestalten.
„Was wollen Sie denn?“, fragte der Beamte gereizt.
Herrlich!
stotterte ich, wollte ihn auf meine Seite bringen und überzeugen davon, dass es einen triftigen Grund gab, ihn zu belästigen; da unterbrach er mich schon:
Da sabbelt mir der Protagonist zu viel. Das geht auch knapper und kerniger.
Wohin wollten Sie gleich noch mal?“, fragte er dann.
Herrlich!


Lieben Gruß

lakita

 

weil ich neulich in so einem Werbe-Spot gesehen hatte, wie die Bahn kommt - und den Fahrgast entspannt transportiert, während er über Kopfhörer Vivaldi hört.
Diesen Part würde ich einfach streichen. Es funktioniert auch ohne und der Satz wird damit nicht so überbordend.

***Das war vorher noch länger; und tatsächlich lass ich es stehen, weil ich nicht weiß, wie ich Vivaldi sonst reinbringen kann, den Bogen zum Schluss.


Zu spät zum Geburtstagsessen, und die liebreizende Basehilde würde mir die Hand ihrer Tochter wieder entziehen.
Hm...dieses "wieder entziehen" klingt so gestelzt. Wie wäre es mit: ...und die liebreizende Basehilde (feiner Name) würd ihrer Tochter zur Scheidung raten.

***Klar ist das gestelzt. Hier verschmilzt der Prota aber mit der Schwiegermutter, und jene hat die Allmachtsfantasie. Basehilde ist Tyrannin, sie rät nicht, sie bestimmt, was geschieht. Auch gegen den Willen der Tochter. Zumindest sieht er sie so.

sieht so aus als hättest du eine aktive Phase. Kaum eine Story fertig, kommt schon die nächste.

***Ja, konzipiere grad 2 weitere. Mal schauen.

 

Moin @FlicFlac

und danke für Deine Geschichte.
Leider hat sie mich nur bedingt abgeholt. MMn hast Du ein wenig Potenzial verschenkt, bzw. liegen gelassen. Vielleicht war das aber auch Absicht, aufgrund der bereits oft genutzten Thematik? Doch dazu gleich mehr.

Da ich nur mit Bus-Verspätung, U-Bahn-Störung und zwei ausfallenden S-Bahnen kalkuliert hatte, blieben mir nur (sieben) Minuten, um meine Fahrkarte zu lösen.
Den Einstieg fand ich stark, allerdings würde ich aufgrund der Wiederholung eines der „nur“ evtl. durch „bloß“ ersetzen, oder es evtl. ganz streichen …?


(Vier).
„Irgendwie... Stuttgart! Stuttgart!“ rief ich. „Ein Umweg von mir aus... irgendwie mit der Bahn nach Stuttgart! Irgendein Zug -! Im Computer nachschauen!“
Sein Blick sagte Folgendes aus: Wegen dir jämmerlicher Nervensäge, die überhaupt keine Berechtigung zu irgendwas hat, soll ich also jetzt in dem vermaledeiten Computer eine Verbindung raussuchen? Nur damit du nach Stuttgart kommst?
Er stöhnte. Verachtung kam darin zum Ausdruck. Ein ‘Wenn man zu blöd zum Autofahren ist’, - für ihn waren Bahnfahrer allesamt Weicheier, die im Leben nicht hatten kämpfen müssen wie er. Lustlos klickte er die Maus. „Hmmm“, sagte er.
Die vierte Minute hat mich nicht abgeholt. Keine Ahnung weshalb.

Nachdem für mich klar war, dass sich die ganze Geschichte am Schalter abspielt, war irgendwie die Luft raus. Vielleicht lag es am bereits oft bearbeiteten Thema, vielleicht auch an dem Mix aus beinahe realistischem Verhalten und hart überzogenen Ideen (Stichwort: Rolex), aber mehr als ein schwaches Schmunzeln hat sie mir nicht entlockt.

Lustiger hätte ich es gefunden, wenn der Prota bei Minute Eins noch eine Fahrkarte kriegt und zum Gleis hastet. Dort steht ein falscher Zug, natürlich ist die Anzeige defekt und eine unverständliche Lautsprecherstimme schrebbelt, dass der Zug nach Stuttgart jetzt auf Gleis ›chrrr‹ abfährt …! Mit letzter Energie schafft er es zum richtigen Gleis und auf seinen Platz. Anstatt dass der Zug dann abfährt, ertönt eine Durchsage, dass sich die Abfahrt aufgrund von ›hier vorgeschobenen Grund einfügen‹ um unbestimmte Zeit verzögert...

Klar, das ist auch alles zigmal durchgenudeltes Klischee, aber es hätte der Geschichte etwas mehr ... Schwung verpasst. Selbstverständlich nur mein Geschmack.

Es ist schön, da wo ich jetzt bin in diesem Haus mit Veranda. Ich höre Vivaldi, während Bäume und Felder vorüberziehen, nur unterbrochen durch das Abendessen, das täglich um sechs Uhr abends serviert wird. Und die Bahn macht: Klickedi, klackedi---...
Das Ende habe ich nicht verstanden. Bin ich zu doof? Sitzt er in der Psychiatrie?

Beste Grüße
Seth

 

Hallo @FlicFlac

Deine Geschichte hat mich zum Schmunzeln gebracht. Danke dafür! Als ich anfing zu lesen dachte ich, nee, wieder ne Geschichte zum Thema Bahn und Verspätungen, aber Du hast das so geil überspitzt rübergebracht, dass ich in den Sog reinkam. Herrlich!

Hier ein paar Leseeindrücke:

Basehilde Möhrensack

Geiler Name! Da hab ich gelacht :D Und mir gedacht, jetzt musst Du auf jeden Fall weiterlesen.

„Entschuldigung“, sagte ich. „Es tut mir leid, aber ich... ich brauche eine Fahrkarte...“

Hier hab ich kurz überlegt, ob heute tatsächlich noch Leute am Schalter die Tickets kaufen. Kann man doch alles online machen oder sonst an den Ticketautomaten.

„Ach, Stuttgart?“, sagte er überrascht. „Vorhin haben Sie Nürnberg gesagt. Stuttgart ist ja wo ganz woanders... Moment... Stuttgart... (klickediklackedi) ... der nach Stuttgart... der ist gerade abgefahren. Das ist jetzt zu spät. Das hätten sie gleich sagen müssen.“

Der ganze Dialog zwischen den beiden ist herrlich. Sarkastisch, übertrieben, dermaßen albern, dass man einfach mitgerissen wird.

Ich starrte ihn an. Ganz flüchtig hatte ich eine letzte Vision: Ich hielt ihn gepackt und wischte mit seinem Gesicht die Scheibe sauber, - und dann kam die Dunkelheit... ein Hochzeitsfoto zerriss.

Lol :D Einfach spitze die Stelle.

Es ist schön, da wo ich jetzt bin in diesem Haus mit Veranda. Ich höre Vivaldi, während Bäume und Felder vorüberziehen, nur unterbrochen durch das Abendessen, das täglich um sechs Uhr abends serviert wird. Und die Bahn macht: Klickedi, klackedi---...

Schönes Ende!

Ganz liebe Grüße und einen angenehmen Tag,
Silvita

 

Stuttgart ist ja wo ganz woanders... Moment... Stuttgart... (klickediklackedi) ... der nach Stuttgart... der ist gerade abgefahren.

Die Punkte sollen hier keine Auslassung anzeigen, sondern eine Pause zwischen den Worten (während der Schaltermensch zB auf den Bildschirm kuckt); wie löst du das? Gedankenstriche kommen mir bei solcher Gelegenheit als zu "kurz" vor.
schreibstu, lieber @FlicFlac ,

ja dann schreib doch "ganz ... woanders ... Moment ..., immer mit Leerzeichen vorneweg wie hintendran ... Wo ist das Problem?

Friedel

 

Hallo @FlicFlac,

habe mich köstlich amüsiert, die Situation ist echt komisch und dir gelingt es gut den Ton der Geschichte zu treffen; das liest sich leicht und erfüllt so seine Funktion. Das einzige, was mich etwas rausgebracht hat: Heutzutage kann ich mein Ticket mit zwei Klicks kaufen. Dafür gehe ich einfach in meine App und zack, fertig. Vielleicht wäre es daher gut, wenn du die Geschichte etwas später spielen lässt, so musste ich zwar grinsen, fand es allerdings nicht so richtig plausibel für die heutige Zeit.

Um zum 55. Geburtstag meiner Schwiegermutter Basehilde Möhrensack entspannt anzukommen, hatte ich mich für die Bahn entschieden, weil ich neulich in so einem Werbe-Spot gesehen hatte, wie die Bahn kommt - und den Fahrgast entspannt transportiert, während er über Kopfhörer Vivaldi hört.
Ist ja schon geschrieben worden, allerdings fand ich den Namen auch ziemlich komisch und musste grinsen. Dazu dann der gute Werbespot mit Vivaldi, herrlich!

a ich nur mit Bus-Verspätung, U-Bahn-Störung und zwei ausfallenden S-Bahnen kalkuliert hatte, blieben mir nur (sieben) Minuten, um meine Fahrkarte zu lösen.
Ja, das trifft es schon ganz gut! Ist ja meistens so, dass die Bahnen vor allem dann Verspätung haben, wenn es einem so gar nicht in den Kram passt. Konnte ich mich mit identifizieren.

Der Schalterbeamte war beschäftigt und kritzelte mit einem billigen Kugelschreiber in einem Buch herum. Er blickte kurz auf, um zu sehen, ob etwas Wichtiges vorlag, erkannte mich als Kunden und kritzelte dann weiter.
Gibt es heute überhaupt noch Schalterbeamte, die sich so um die Ticketbuchung kümmern? Kenne es eigentlich nur so, dass man zum Schalter geht, um Tickets umzutauschen und ansonsten die App oder die entsprechenden Automaten benutzt. Daher wäre eine entsprechende zeitliche Verortung für mich hilfreich gewesen.

Er grinste. Ich erkannte, der Mann war hier verschenkt... mit seinen Talenten sollte man ihn als Geheimwaffe des Katastrophenschutzes im Einsatz bei Vulkanausbrüchen verwenden!
Haha, hat für mich gut funktioniert! :D

Und dann war er zum Arbeitsamt gegangen. Berufsberatung. Psychologische Eignungstests. Schließlich das Gespräch mit der Beraterin. -
„Also, Herr Grimm“, hatte sie freudestrahlend zu ihm gesagt.
„Was?“, hatte er feindselig erwidert. -
„Schauen wir mal, was wir da haben. Also: Ihre kommunikativen Kompetenzen sind in etwa so ausgeprägt wie die eines Sacks Kartoffeln, die zärtlichste Geste Ihres Lebens war ein Rempler in die Nieren, Sie haben keinerlei Freunde und nicht das geringste Einfühlungsvermögen, Sie können Tiere und Menschen nicht ausstehen und hassen soziale Kontakte... hmm - warum werden Sie nicht einfach Schalterbeamter bei der Bahn?“
Ich finde den Übergang ziemlich geschmeidig, das erzeugte bei mir einen guten Lesefluss und hat zu diesem leichten Ton geführt, den ich oben erwähnt habe. Und die Punchline am Ende ist dann schon echt gut gemacht!

„Ach, Stuttgart?“, sagte er überrascht. „Vorhin haben Sie Nürnberg gesagt. Stuttgart ist ja wo ganz woanders... Moment... Stuttgart... (klickediklackedi) ... der nach Stuttgart... der ist gerade abgefahren. Das ist jetzt zu spät. Das hätten sie gleich sagen müssen.“
Müsste hier wieder grinsen, das ist dir gut gelungen. Ich habe den Text gerne gelesen und bis auf die Plausibilitätsfrage habe ich keine Anmerkungen.

Beste Grüße
MRG

 

Hallihallo,

heute ging es mir nicht gut. Doch nachdem ich deine Geschichte gelesen habe und herzlich gelacht, da geht mir deutlich besser. :D:D Danke dafür.
Ja, es gibt sie noch, die Schalterbeamten. Meistens habe ich diese in Stuttgart als sehr hilfsbereit und freundlich erlebt und trotzdem, gibt es auch so etwas.

Ich musste nach Stuttgart. Es war verdammt knapp!
Um zum 55. Geburtstag meiner Schwiegermutter Basehilde Möhrensack entspannt anzukommen, hatte ich mich für die Bahn entschieden, weil ich neulich in so einem Werbe-Spot gesehen hatte, wie die Bahn kommt - und den Fahrgast entspannt transportiert, während er über Kopfhörer Vivaldi hört.
Nachdem der Bus zu spät gekommen war, hatte die U-Bahn eine Störung und anschließend fielen drei S-Bahnen aus. Da ich nur mit Bus-Verspätung, U-Bahn-Störung und zwei ausfallenden S-Bahnen kalkuliert hatte, blieben mir nur (sieben) Minuten, um meine Fahrkarte zu lösen. Ich sagte ja schon, dass es knapp war. Ich stolperte in die Bahnhofshalle, ich war nervös.
Der erste Satz zieht mich gleich in deine Geschichte. Super.:thumbsup: Basehilde Möhrensack,ich habe Tränen gelacht. Bei weil ich neulich, würde ich das "so" streichen. Liest sich, wie ich finde schöner.
Zu spät zum Geburtstagsessen, und die liebreizende Basehilde würde mir die Hand ihrer Tochter wieder entziehen. Auf ihrer Wertschätzungsliste kam ich sowieso erst an 267. Stelle zwischen Schleimbeutelentzündung und Kamelkacke.
Auch hier habe ich herzlich gelacht. Sehr schön.
Vielleicht war es äußerst wichtig, was er in sein Buch kritzelte da drüben.
Hier bin ich beim Lesen gestolpert. Eventuell den Satz umstellen: was er auf der anderen Seite in sein Buch kritzelte
„Was wollen Sie denn?“, fragte der Beamte gereizt.
„Entschuldigung“, sagte ich. „Es tut mir leid, aber ich... ich brauche eine Fahrkarte...“
„So-so, eine Fahrkarte“, sagte er. -
„Weil ich nach Stuttgart muss...“ -
„Warum?“, fragte er. -
„Meine... meine Schwiegermutter feiert Geburtstag, und wenn ich den Sechzehnuhrzweiundvierzig nicht kriege, dann...“, stotterte ich, wollte ihn auf meine Seite bringen und überzeugen davon, dass es einen triftigen Grund gab, ihn zu belästigen; da unterbrach er mich schon: „Ja, das geht sowieso nicht.“
„Warum nicht?“, fragte ich, blickte auf die Uhr. -
„Darum“, sagte er.
Ein sehr guter Dialog, da ich selbst immer wieder Probleme mit Dialogen habe, werde ich versuchen einmal solch einen Ansatz zu fahren.
(Drei). Ich hörte Basehildes Stimme: „Und wer fehlt natürlich? Als ob ich es nicht vorher gesagt hätte! Der Herr Schwiegersohn!“ I
Auch sehr gut gemacht.:D
Ich starrte ihn an. Ganz flüchtig hatte ich eine letzte Vision: Ich hielt ihn gepackt und wischte mit seinem Gesicht die Scheibe sauber, - und dann kam die Dunkelheit... ein Hochzeitsfoto zerriss.

Es ist schön, da wo ich jetzt bin in diesem Haus mit Veranda. Ich höre Vivaldi, während Bäume und Felder vorüberziehen, nur unterbrochen durch das Abendessen, das täglich um sechs Uhr abends serviert wird. Und die Bahn macht: Klickedi, klackedi---...
Und hier kann man sich ja vorstellen, wo er nun lebt. Klickedi, klackedi.
Ein herrlich lustiger Text, der sich nicht ganz so ernst nehmen möchte. Keep up the good work!:thumbsup:

 

Stuttgart ist ja wo ganz woanders... Moment... Stuttgart... (klickediklackedi) ... der nach Stuttgart... der ist gerade abgefahren.

Die Punkte sollen hier keine Auslassung anzeigen, sondern eine Pause zwischen den Worten (während der Schaltermensch zB auf den Bildschirm kuckt); wie löst du das? Gedankenstriche kommen mir bei solcher Gelegenheit als zu "kurz" vor.
schreibstu, lieber @FlicFlac ,

ja dann schreib doch "ganz ... woanders ... Moment ..., immer mit Leerzeichen vorneweg wie hintendran ... Wo ist das Problem?

Friedel

Okay, danke dir, so einfach kann's sein :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Das einzige, was mich etwas rausgebracht hat: Heutzutage kann ich mein Ticket mit zwei Klicks kaufen. Dafür gehe ich einfach in meine App und zack, fertig
Ja, das kannst du. Allerdings gibt es ja für den Protagonisten noch ganz andere Möglichkeiten. Wenn es wirklich so existenziell wichtig ist, rechtzeitig nach Stuttgart zu kommen, könnt er ja auch einfach in ein Taxi steigen (statt die Rolex zu veräußern).
Er befindet sich jedoch in den Grenzen seiner Wirklichkeit (seines "Frame"), er akzeptiert die Prämisse, dass er am Schalter eine Karte kaufen muss. Darin ist er 'verbohrt', dies ist sein selbstgemachtes Gefängnis.

Gibt es heute überhaupt noch Schalterbeamte, die sich so um die Ticketbuchung kümmern?
Ja; stand im Sommer erst am Schalter im Frankfurter Hauptbahnhof - da wurde rumgeforscht was der beste Tarif ist, mit dem Ergebnis, dass der Computer abstürzte (really!) und mir irgendwas verkauft wurde, was sich später als überteuert rausstellte.

Und die Punchline am Ende ist dann schon echt gut gemacht!
Danke dir!

 

heute ging es mir nicht gut. Doch nachdem ich deine Geschichte gelesen habe und herzlich gelacht, da geht mir deutlich besser. :D:D Danke dafür.
Das freut mich ;)

Bei weil ich neulich, würde ich das "so" streichen. Liest sich, wie ich finde schöner.
Ja, stimmt, nehm ich raus.

Ein sehr guter Dialog, da ich selbst immer wieder Probleme mit Dialogen habe, werde ich versuchen einmal solch einen Ansatz zu fahren.
Was meinst du konkret damit?
(Mir gab mal jemand den Tipp, Leuten zu lauschen, nicht was sie sagen, sondern wie sie reden).

Und hier kann man sich ja vorstellen, wo er nun lebt. Klickedi, klackedi.
Er war halt vorbelastet. Und hat Besehilde alle Macht eingeräumt :)

 

Was meinst du konkret damit?
(Mir gab mal jemand den Tipp, Leuten zu lauschen, nicht was sie sagen, sondern wie sie reden)
Damit wollte ich ausdrücken, daß deine Dialoge sehr lebendig sind und auch wirken. Also ich finde sie sehr gut.

 

Hey @FlicFlac ,

ein kleiner Gegenbesuch zwischendurch und schon einmal ein Danke für deinen Kommentar. Nur ein Leseeindruck.
Dass du Humor hast und erzählen kannst, steht für mich fest. Trotzdem gibt es da etwas, was mich aus dem Text haut und das ist vielleicht ganz subjektiv. Ich versuche es mal zu erklären.

Basehilde Möhrensack

Damit beginnt es. Das fanden andere ja durchaus komisch, glaube ich. Für mich funktioniert das nicht. Das ist ja keine Fantasy und kein Märchen, bei dem die Figuren bedeutungsvolle, 'verräterische' Namen tragen, sondern eine 'ernstzunehmende' witzige Alltagsgeschichte. Deswegen beißt sich das für mich. Meiner Meinung nach müsstest du denselben Witz erzeugen, ohne dass der Name und die Ideen rein fiktiv wirken.

Auf ihrer Wertschätzungsliste kam ich sowieso erst an 267. Stelle zwischen Schleimbeutelentzündung und Kamelkacke

auch das. Da spricht mir zu sehr der Autor, der im Nachhinein nach irgendwas 'ganz Originellem' gesucht hat, aber sich dadurch unfreiwillig als Schreibender hinter dem Text zu erkennen gibt . Das ist einfach ähnlich wie im Beispiel zuvor zu offensichtlich ausgedacht. Da würde ich es noch eher als Vermutung markieren. Auch Kamelkacke ist so out of context. Sowas geht schon, aber hier trifft es zumindest nicht meinen Geschmack. Das erste Detail "Schleimbeutelentzündung" hingegen finde ich gut; schon weil es durch die semantische Nähe zum Alter etwas Bissiges, Gemeines hat. Vielleicht ja so:

Wenn sie so etwas wie eine Liste liebster Dinge führte, dann stand ich dort in etwa zwischen Schleimbeutelentzündung und Blasenkatheter.

Das Wort "Wertschätzungsliste" ist sprachlich irgendwie grenzwertig. Ist klar, was du meinst. Aber es wirkt als müsstest du hier einen Neologismus bemühen, weil du es nicht anders bzw. kürzer ausdrücken kannst. Das heißt der Neologismus kompensiert vor allem. Er sollte aber zumindest auch selbst sprachlich was leisten, also Witz haben. Das hat 'Wertschätzungsliste' nicht, finde ich.

mit einem billigen Kugelschreiber in einem Buch herum

wie kann er aus der Ferne sehen, dass der "billig" ist, und warum geht er auf dieses Detail. Das klingt abwertend und zugleich nicht wirklich treffend oder glaubhaft. Warum sollten Bahnangestellte billige Kugelschreiber haben. Wenn sie heutzutage überhaupt etwas aufschreiben und nicht digital arbeiten. Da bist du irgendwie ins Klischee abgebogen. Auch damit, dass der Angestellte dann natürlich unfreundlich ist und das nicht zumindest als Klischee reflektiert wird. Bei Axel Hacke und Horst Evers zum Beispiel sind die meistens besonders nett oder das Klischee wird einfach gar nicht bedient.

Ich war glücklich verheiratet, hatte eine wundervolle Frau; all das würde enden, wenn Schwiegermutters Geburtstagsessen ohne mich startete!

Und das finde ich wieder übertrieben.

„Ähm?“, sagte ich und schaute ihn so optimistisch an, wie es meine Panik zuließ. Ich war glücklich verheiratet, hatte eine wundervolle Frau; all das würde enden, wenn Schwiegermutters Geburtstagsessen ohne mich startete! Frau Basehilde Möhrensack hatte ihren einzigen Sohn zur Adoption freigegeben, weil er es als Sechsjähriger versäumt hatte, danke zu sagen, als sie ihm zum Geburtstag ein Buch über das Leben Julian Pickelgrubers geschenkt hatte (welcher 1867 in Afrika die Dungpicker-Käfer erforscht und dabei vor lauter Forscherdrang inmitten der Mistkäfer verdurstet war).
„Was wollen Sie denn?“, fragte der Beamte gereizt.

genau wie die ganze nachgelieferte Erklärung. Es reicht, wenn du das am Anfang motivierst. Ich glaube ihm schon, dass er es eilig hat. Das ist eigentlich alles, was ich wissen muss. Und wenn du es sozusagen so unglaubwürdig gestaltest, dann liefert es auch keine Verstärkung dieser Motivation für mich. Ich würde empfehlen, diesen Teil wie im Beispiel zu streichen.

Also wie gesagt, ich sehe die Story; mein Problem ist wirklich dieses unglaubwürdige Element, das mich rausreißt. Mag natürlich was Persönliches sein. Aber ich glaube, deine Geschichte wäre viiel stärker, wenn du das mit realistischen Mitteln rüberbringen würdest, die nicht wie Abkürzungen oder hanebüchene Erfindungen klingen – das, finde ich, hat der Humor des Textes auch gar nicht nötig, der Motor läuft auch so – insofern wirkt dieses Reinmontierte, Erfundene auch bemüht auf mich, wo es das, wie gesagt, gar nicht müsste, bräuchte.

Das so als Feedback. Hoffe du kannst was damit anfangen.
Viele Grüße
Carlo

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Carlo,

vielen Dank für deine Arbeit!

Drei Sachen vorab, was ich nicht bemerkt hatte, betriebsblind.

1. Mir ist grad nicht klar, waruim ich den Kugelschreiber 'billig' machte; ich vermute, um anzudeuten, dass das, was der Schaltermann schreibt, nicht wertvoll/wichtig ist: ein Kreuzworträtsel oder so was; ich überleg es rauszunehmen. Weil richtig, wenn das Wort nix beiträgt oder sogar was Falsches transportiert (Abwertung des Benutzers) - muss es weg.

2. Ich war glücklich verheiratet, hatte eine wundervolle Frau; all das würde enden, wenn Schwiegermutters Geburtstagsessen ohne mich startete!
Das ist eines Strichs wert, ja; es wiederholt was, ich muss noch den Kontext ankucken.
Die Käferforschergeschichte, ich mag so Nebengeschichten gern, auch bei anderen Autoren. Pratchett macht das gern (mit Fußnoten). Es charakterisiert gut. Beim Vorlesen kommt das gut, auch hier. Und es ist absurd.

3. Auch Kamelkacke ist so out of context. Sowas geht schon, aber hier trifft es zumindest nicht meinen Geschmack. Das erste Detail "Schleimbeutelentzündung" hingegen finde ich gut; schon weil es durch die semantische Nähe zum Alter etwas Bissiges, Gemeines hat. Vielleicht ja so:
Wenn sie so etwas wie eine Liste liebster Dinge führte, dann stand ich dort in etwa zwischen Schleimbeutelentzündung und Blasenkatheter.

Auch hier - ist halt was, wo Leute lachen. Klar, is bissl kindergartenmäßig - sag "kacka" und sie biegen sich. Allerdings finde ich deinen Vorschlag überlegenswert. Er ist nur eben nicht so entspannt lustig wie die Kamelkacke (vielleicht hat ja ein Leser/Hörer unangenehme Erinnerungen an so ein Teil) - daher überlege ich jetzt eher, auch die Entzündung zu ersetzen. Vielleicht durch Hamsterpisse?

Nun zum Grundsätzlichen, sehr interessant.
Ich meine, ich hab da etwas anderes gemacht, als du denkst :) Kommt hier:

deine Geschichte wäre viiel stärker, wenn du das mit realistischen Mitteln rüberbringen würdest
Und wenn du es sozusagen so unglaubwürdig gestaltest
Da bist du irgendwie ins Klischee abgebogen. Auch damit, dass der Angestellte dann natürlich unfreundlich ist und das nicht zumindest als Klischee reflektiert wird.
Das fanden andere ja durchaus komisch, glaube ich. Für mich funktioniert das nicht. Das ist ja keine Fantasy und kein Märchen, bei dem die Figuren bedeutungsvolle, 'verräterische' Namen tragen, sondern eine 'ernstzunehmende' witzige Alltagsgeschichte.
Nein. Es ist keine ernstzunehmende witzige Alltagsgeschichte (und sollte auch keine werden); es ist eine absurde, abstruse und unmögliche Geschichte; ja, sie kann nicht stattfinden und die Schwiegermutter heißt auch nicht so und vermutlich heißt niemand so schlimm, genau wie Hr. Müller-Lüdenscheidt von Loriot so nicht heißt - die Figur ist eine Karikatur; und der Schaltermensch ist gleichfalls eine Karikatur und der Protagonist obendrauf eine. Und ja, hier werden völlig gewollt die schlimmsten Klischees, die es über Schalterbeamte gibt (und auch über Schwiegermütter), herausgezogen - allein in der Arbeitsamtsituation - fast nichts ist realistisch - es soll auch nicht 'realistisch' sein, sondern muss als überzogenes Klischee dastehen damit die Leute drüber lachen können, jedoch erkennen, dass es maßlos übertrieben ist. Sie lachen, weil sie in realistischen Siuationen so was in Ansätzen selbst kennen. Es darf/soll sich auch kein derzeit lebender Beamter der Deutschen Bahn in der Karikatur wiedererkennen und angegriffen fühlen.

Also doch, es ist eine Abart einer "Fantasy" oder eines "Märchens". und die Basehilde Möhrensack heißt so gestelzt, weil der Name sie - wie du schon sagst - charakterisiert (was im echten Leben tatsächlich Blödsinn ist); daher heißt der Schalterbeamte auch "Herr Grimm".

Ich finde es interessant, wie es so unterschiedliche Sichten auf einen Text geben kann. Neu is mir das nicht, vor allem bei Satiresachen, da gab's auch schon Reaktionen, die interessant waren.

Danke für das Feedback, ich werd das Ding jedenfalls prüfen, ob da was transportiert sein könnte, was ich nicht wollte.

Freu mich auf mehr Austausch und btw den Horst Evers kenn ich, netter Kerl liest immer im roten Hemd :)

 
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Den Einstieg fand ich stark, allerdings würde ich aufgrund der Wiederholung eines der „nur“ evtl. durch „bloß“ ersetzen, oder es evtl. ganz streichen …?
Das schau ich noch an; hab außerdem auch etwas entschlackt das Ding.

Das Ende habe ich nicht verstanden. Bin ich zu doof? Sitzt er in der Psychiatrie?
Genau.

Deine Geschichte hat mich zum Schmunzeln gebracht. Danke dafür! Als ich anfing zu lesen dachte ich, nee, wieder ne Geschichte zum Thema Bahn und Verspätungen, aber Du hast das so geil überspitzt rübergebracht, dass ich in den Sog reinkam. Herrlich!
Vielen Dank dir!

Der erste Satz zieht mich gleich in deine Geschichte. Super.:thumbsup: Basehilde Möhrensack,ich habe Tränen gelacht. Bei weil ich neulich, würde ich das "so" streichen. Liest sich, wie ich finde schöner.
Danke dir. Das "so" ist weg, danke für den Hinweis. Freut mich dass du amüsiert warst.
Hier bin ich beim Lesen gestolpert. Eventuell den Satz umstellen: was er auf der anderen Seite in sein Buch kritzelte
Ja, das muss ich machen, ich mach's ganz weg.

;

 

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