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Er kommt nicht

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05.06.2015
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Er kommt nicht

Die Züge rauschen in unbeständigen Abständen an ihr vorbei und jedes Mal schlägt der Wind aufs Neue auf sie ein. Sie steht nun hier seit Stunden. Fest und starr auf diesem einem Platz, direkt unter der Uhr und neben der Bank; die unbemerkt von ihr, schon vor Zeiten frei geworden ist.
Aber sie steht da nur weiter; zieht ab und zu ihren Schal enger, der ihr mittlerweile schon bis zu den Augen reicht und die Nase gänzlich verdeckt.
Sie hat weder einen Koffer noch einen Rucksack bei sich, trägt nur den Schal und einen Mantel ohne Taschen. Ihre Hände sind schon ganz blau gefroren.

Der Kellner aus dem Café gegenüber hatte sie gefragt ob sie denn nicht rein kommen wolle, doch sie meinte nur, sie werde gar nicht mehr lange bleiben, höchstens noch fünf Minuten, sie sei schließlich nur auf Sprung und müsse bald weiter, hätte in der Stadt noch einen wichtigen Termin.

Da stand der große Zeiger der Uhr auf 5, der kleine auf 6 und der Sekundenzeiger schien es besonders eilig zu haben und scheint auch jetzt noch ein Wettrennen gegen sich selbst zu führen. Unzählbare Male hat er sich schon im Kreis gedreht, so dass nun alle auf der 10 einen kurzen Moment innehalten um zu Atem zu kommen.

Die Augen der Frau sind das einzig Lebhafte an ihr; flink huschen sie über die Masse aus fremden Gesichtern, die sich aus dem Zug kämpft, dann trennt und an anderer Stelle neu zusammensetzt.

Doch nach und nach hören auch diese auf sich zu bewegen und werden eins mit dem Rest des Körpers. Blicklos, glanzlos und erschöpft, stiert sie weiter in die Ferne während es lauter und unruhiger wird, immer dann wenn die Heimkehrer auf die Wartenden treffen. Rufe erschallen, Freudentränen werden gelacht und erlebtes wird ausgetauscht.
Die Verreisenden dagegen sind leichter zu überblicken, sie verabschieden sich stiller und gehen dann geordnet ihrem Ziel entgegen.

Und irgendwann, manche werden später behaupten sie hätte dort noch Tage gestanden, schließt sie sich ihnen an. Steigt in einen Zug ohne irgendwelche Sachen und gibt das warten auf niemanden auf.

 

Hallo Uhrmacherin,

wie ich sehe, bist Du neu hier und deshalb ein herzliches Willkommen.

Du beschreibst eine Situation auf einem Bahnsteig, wo eine Frau in der Kälte steht und auf wen auch immer wartet. Der Leser erfährt nicht, auf wen sie wartet, und so ist der Titel Deines Textes irreführend, denn da heißt es „Er kommt nicht“. Am Ende gibt sie aber das Warten auf niemanden auf. Das ist schon seltsam, was es ja auch sein soll, laut Deines gewählten Tags. Was ich leider nicht entdecken kann, ist die Romantik. Was in der Beschreibung der Wartezeit ist romantisch? Die Uhr? Das Wettrennen der Zeiger?
Ich nehme an, Du empfandest die Situation romantisch, als Du den Text geschrieben hast, aber hast dann das, was der Romantik entsprochen hätte, nicht mit aufgeschrieben.

Wer ist denn die Frau, die da wartet? Der Leser kennt sie nicht und lernt sie auch nicht kennen. Sie hat jemanden erwartet. Da müssen Gefühle der Freude da sein, die Freude auf das Wiedersehen. Ist da auch Liebe im Spiel? Das muss der Leser spüren. Das kann er aber nur, wenn er die Protagonisten kennt. Also zeichne ihre Charaktere. Erzähle von ihren Erinnerungen an die Zeit, als sie und ihr Partner, auf den sie wartet, noch zusammen waren.

Was mir aufgefallen ist:

Da stand der große Zeiger der Uhr auf 5, der kleine auf 6 und der Sekundenzeiger schien es besonders eilig zu haben und scheint auch jetzt noch ein Wettrennen gegen sich selbst zu führen. Unzählbare Male hat er sich schon im Kreis gedreht, so dass nun alle auf der 10 einen kurzen Moment innehalten um zu Atem zu kommen.

Zahlen bis hundert werden ausgeschrieben. Diese Stelle ist vielleicht nicht schlecht geschrieben, sie darf aber nicht zur Hauptsache der Geschichte werden.

Die Augen der Frau sind das einzig Lebhafte an ihr; flink huschen sie über die Masse aus fremden Gesichtern, die sich aus dem Zug kämpft, dann trennt und an anderer Stelle neu zusammensetzt.

Doch nach und nach hören auch diese auf sich zu bewegen[KOMMA] und werden eins mit dem Rest des Körpers.


Der letzte Satz gehört zu dem vorher Gesagten. Ich würde an dieser Stelle keinen Absatz machen. Das stört den Lesefluss.

Blicklos[, glanzlos] und erschöpft[,] stiert sie weiter in die Ferne[KOMMA] während es lauter und unruhiger wird, immer dann[KOMMA] wenn die Heimkehrer auf die Wartenden treffen.

Das glanzlos würde ich streichen. Wenn sie blicklos und erschöpft in die Ferne stiert, ist kein Glanz in ihren Augen. Insgesamt kränkelt dieser Satz. Es wäre besser, zwei Sätze daraus zu machen. Vielleicht so: Blicklos und erschöpft stiert sie weiter in die Ferne. Den Lärm und die Unruhe um sich herum nimmt sie kaum wahr. Ist aber nur ein Vorschlag :)

Rufe erschallen, Freudentränen werden gelacht und erlebtes wird ausgetauscht.

... und Erlebtes wird ausgetauscht.

Die Verreisenden dagegen sind leichter zu überblicken, sie verabschieden sich stiller und gehen dann geordnet ihrem Ziel entgegen.

Der Satz ist nicht gut. Sie gehen ihrem Ziel entgegen? Sie steigen doch nur ein. Und sie sind leichter zu überblicken? Stehen die als Gruppe zusammen? Nee, das musst Du Dir noch mal ansehen.

Also, bring bisschen Leben in die Geschichte, dann kanns was werden. Bin gespannt, was Du draus machst :).

Schönen Gruß
khnebel

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Uhrmacherin,

was für eine traurige kleine Geschichte: Eine Frau steht stunden- und vielleicht sogar tagelang wartend am Bahnhof, nur leicht bekleidet (hoffentlich nicht wirklich nur mit Schal und Mantel:D). Auf wen sie wartet, wird nicht klar. Am Ende sagst du, sie wartet auf niemanden.

Mir hat sich die Aussage deiner Geschichte nicht erschlossen. Versteckt sich hinter der oberflächlichen Situation eine andere, die der Leser entdecken soll? Von der sprachlichen Gestaltung her, erinnert deine Geschichte an eine Parabel. Das würde aber bedeuten, dass du mit ihr auf etwas anderes, etwas, was du eigentlich meinst, verweisen möchtest. Was soll das sein? Ich fühle mich zwar die ganze Zeit an das Theaterstück ‚Warten auf Godot’ erinnert, aber das wird sicher nicht deine Absicht gewesen sein. Da warten ja auch Zwei mehrere Akte lang auf einen, der niemals kommt.

Das meiste hat knebel schon gesagt. Hier noch ein paar Anmerkungen:

Dein Text enthält einige Zeichensetzungsprobleme:
Mit dem Semikolon solltest du vorsichtiger umgehen. So, wie du es setzt, ist es meistens falsch. Schau mal in den Duden, wann ein Semikolon angebracht ist.

direkt unter der Uhr und neben der Bank; Komma die Komma unbemerkt von ihr,
er Kellner aus dem Café gegenüber hatte sie gefragt Komma ob sie denn nicht rein kommen wolle
so dass nun alle auf der 10 einen kurzen Moment innehalten Komma um zu Atem zu kommen.

glanzlos und erschöpft(,) stiert sie weiter in die Ferne Komma während es lauter und unruhiger wird, immer dann Komma wenn die Heimkehrer auf die Wartenden treffen.

manche werden später behaupten Komma sie hätte dort noch Tage gestanden

Dann noch:
Die Züge rauschen in unbeständigen Abständen an ihr vorbei
Meinst du unregelmäßigen ?

reinkommen
und Erlebtes wird ausgetauscht.

und gibt das Warten auf niemanden auf

Im dritten und vierten Abschnitt wechselst du die Zeit.

Zum Schluss möchte ich dir sagen, dass dein Text ein paar sehr schöne Formulierungen enthält:

und der Sekundenzeiger schien/scheint es besonders eilig zu haben und scheint auch jetzt noch ein Wettrennen gegen sich selbst zu führen.

während es lauter und unruhiger wird, immer dann Komma wenn die Heimkehrer auf die Wartenden treffen.

Die Augen der Frau sind das einzig Lebhafte an ihr; flink huschen sie über die Masse aus fremden Gesichtern, die sich aus dem Zug kämpft

Das sind doch sehr schöne Sätze, die dir hier gelingen.

Wichtig erscheint mir, dass du dich bei deinen Texten auch in die Situation des Lesers versetzt, und überlegst, ob er deine Absicht erkennen kann. Und arbeite ein bisschen sorgfältiger.

Ein schönes Wochenende
wünscht dir
barnhelm

 

Liebe Uhrmacherin,

Auch mich lässt die Geschichte etwas ratlos zurück. Die Überschrift lässt erahnen, dass sie auf eine männliche Person wartet: Partner, Freund, Sohn?
Sie hat kein Gepäck bei sich, hat also nicht die Absicht zu verreisen.
Sie hat ja einen wichtigen Termin in der Stadt. Mich würde interessieren, was das für ein Termin ist, oder ist es nur eine Ausrede?

Am Schluss steigt sie in den Zug und gibt das Warten auf niemanden auf. Ich frage mich, hat sie bereits am Anfang gewusst, dass niemand aussteigen wird? Wurde sie von jemandem verlassen? Ist jemand gestorben, der ihr viel bedeutet hat? Wohin fährt sie nun? Leidet sie womöglich an einer Depression und braucht Hilfe?

Ich wäre froh, wenn Du etwas mehr Licht in die Geschichte hineingeben könntest, die durchaus etwas hat, das einem anspricht.

Ein gutes Wochenende wünscht Dir
Marai

 

Hallo Uhrmacherin,

deine Geschichte lässt mich zwiegespalten zurück. Einerseits würde ich mir wünschen, dass du deiner Figur mehr Charakter mitgibst und eine echte Handlung, mehr Informationen und was eben sonst noch zu einer Geschichte gehört einbaust. Andererseits denke ich, dass die Antwort auf die Fragen, auf wen die Protagonistin wartet und warum die Person nicht kommt, die Stimmung, die du aufbaust, zerstören würde. Das Ungewisse, Parabelartige gefällt mir gut.

Also, was soll man mit so einem unnützen Kommenar anfangen? :D
-> Ich würde die Geschichte nicht großartig ändern und kein Licht ins Dunkel bringen. Der Zwiespalt, zwischen dem Wunsch mehr zu wissen und dem Wunsch selbst über die Bedeutung nachzudenken, macht für mich den Charme des Texts aus. :) Du solltest die Bilder du verwendest allerdings weiter verstärken und der Geschichte etwas mehr Länge verleihen.

trägt nur den Schal und einen Mantel ohne Taschen.
-> Die Stelle ist missverständlich. Trägt sie wirklich NUR das?

Da stand der große Zeiger der Uhr auf 5, der kleine auf 6 und der Sekundenzeiger schien es besonders eilig zu haben und scheint auch jetzt noch ein Wettrennen gegen sich selbst zu führen. Unzählbare Male hat er sich schon im Kreis gedreht, so dass nun alle auf der 10 einen kurzen Moment innehalten um zu Atem zu kommen.
-> Diese Stelle ist sehr schön beschrieben. Aber in Relation zum Rest der Geschichte ist sie etwas zu lang. Während du andere wichtige Dinge kurz zusammenfast, gebrauchst du hier viele Wörter, um wenig Information zu vermitteln.
-> Wenn man wartet vergeht die Zeit doch gefühlt langsam. Warum hat der Zeiger es dann eilig? Das passt nicht so ganz.

Die Augen der Frau sind das einzig Lebhafte an ihr; flink huschen sie über die Masse aus fremden Gesichtern, die sich aus dem Zug kämpft, dann trennt und an anderer Stelle neu zusammensetzt.
Doch nach und nach hören auch diese auf sich zu bewegen und werden eins mit dem Rest des Körpers.
-> Das geht mir zu schnell. Im ersten Moment sind die Augen flink und einen Satz weiter hören sie auf sich zu bewegen. Das ist eine Entwicklung, die du viel länger beschreiben kannst.

Ich bin gespannt, was mit deinem Text noch passiert.

Liebe Grüße
blackfyre

 

Hallo Uhrmacherin,

was die anderen an deiner Geschichte kritisiert haben, gefällt mir im Gegenteil sehr gut: die Ungewissheit. Du schaffst eine Distanz zwischen der Frau und dem Leser. Wir wissen nicht, was in dieser Frau vorgeht, und das ist auch gut so, und irgendwo darin liegt doch auch der Sinn dieser Geschichte, nicht wahr?

Die Sache mit dem Termin hat mir ebenfalls gut gefallen. Die Frau gibt vor (zumindest habe ich den Eindruck, dass sie wirklich nur vorgibt), einen Termin zu haben, weil es ihr womöglich peinlich ist oder weil sie es selbst noch nicht so ganz glauben kann.

Lediglich der letzte Satz passt irgendwie nicht. Der Ausdruck "ohne irgendwelche Sachen" passt nicht in den Klangteppich der Geschichte und macht mich nervös.
Das "Warten auf niemanden" greift nochmal die Überschrift auf und setzt einen klaren Punkt: Er kommt nicht, und er wird auch nicht kommen, da kann sie warten, so lange sie will.

Ansonsten finde ich deine Geschichte top; sie hat mich nachdenken lassen - und das ist, finde ich, das wichtigste an einer Kurzgeschichte!

Gruß
Die Wortesammlerin :D

 

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