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Erfolg
Er liebte seine Bücher.
Liebe, Lust und Leidenschaft. Tod, Trauer und Traurigkeit.
Fremde Menschen, fremde Länder.
Verlangen, Verlust, vermissen, vergessen.
Sie ließen ihn erleben; sie lenkten ihn ab.
Gefährliche Geliebte, Liebesleben, Mann und Frau, Schmerz, der Weltensammler.
Seine Wahl fiel heute auf Bukowski. Behutsam nahm er das Buch aus dem Regal, legte sich aufs Bett und verschwand in der Geschichte.
Von Zeit zu Zeit schaute er ungeduldig auf die Uhr. Um zehn war es endlich soweit.
Er ging auf den Balkon, sah in den Sternenhimmel, spürte die kalte Luft, schaute auf die Silhouette der Stadt und rauchte.
Er liebte diesen Moment.
Das Lebensgefühl der Menschen, die lachen und lieben, kam für einen Augenblick zu ihm.
Wie gerne hätte er es umarmt, wie gerne festgehalten.
Er ging einmal auf den Balkon – jeden Tag um zehn Uhr.
Um zehn nach zehn würde Sophie kommen. Freitags war ihr Französischkurs. Sie würde ihn anlächeln, ihm etwas erzählen, das ihn nicht interessierte, ihn nicht berührte. Er würde mit ihr lachen, innerlich ohne Regung. Dann würden sie schlafen gehen.
Er schlief schlecht. Etwas nagte an ihm. Etwas zog an ihm. Etwas schüttelte ihn.
Vor dem Einschlafen würde er wieder zu sich sagen: „Ich habe es geschafft, ich bin sehr erfolgreich, viele mögen mich, viele schauen zu mir auf. Vielen geht es nicht so gut wie mir.“
Dann würde er seine Gedanken auf die Reise schicken. Sie einen vergangenen Moment finden lassen, in dem er gelebt hat. In dem er Liebe, Lust und Leidenschaft gespürt hat. Eine Zeit, in der er fremde Menschen in fremden Ländern geliebt hat.
Zurück in die Zeit, in der er nicht erfolgreich war. Eine Zeit, in der noch nichts verloren war.
Irgendwann würde er schlafen – irgendwann wieder wach werden.