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Fünf Minuten

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17.01.2011
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Fünf Minuten

Seine fünf Minuten hatte er. Der Applaus war vor zehn Jahren verklungen, doch das Echo blieb in seinem Kopf. Hätte er die fünf Minuten nicht gehabt – vielleicht hätte er ein zufriedenes Leben geführt. So aber blieb der Hunger nach mehr. Mehr Applaus. Mehr Konzerte. Mehr Fernsehinterviews. Mehr Geld. Nun war er 29 und innerlich völlig zerfressen. War das alles? Seit er vor zehn Jahren zum Superstar in einer Fernsehsendung gewählt wurde hatte sich sein Leben stark verändert. Er hatte damals seine Lehre abgebrochen und alles gegeben, daß er Karriere als Musiker machen würde. Doch schon einige Monate nach der letzten Sendung fing sein Traum zu zerbröseln an. Die geplante Tour wurde abgesagt, nachdem die Tickets einfach keine Käufer fanden. Das geplante Album erschien nicht, da der Plattenlabel in Konkurs ging. Einzig seine Single blieb als Zeuge seines Siegs. Die paar zehntausend Euro, die er mit seiner Musik verdiente, waren schon nach kurzer Zeit verbraucht. Aber er gab die Hoffnung auf den ganz großen Durchbruch jahrelang nicht auf. Dann starb seine Mutter an Brustkrebs. Sein Vater zerbrach. Er zerbrach.

Er liebte Rock'n'Roll der härteren Gangart. In seinem Kinderzimmer hingen Poster von Motörhead und Guns'n'Roses, auch von den Scorpions. Seine Familie lebte auf dem Dorf, die Schule war in der Nachbargemeinde. Sein Schulweg führte zwei Kilometer durch menschenleeres Ackerland. Hier sang er jeden Morgen die Stücke seiner Lieblingsbands. Später gründete er mit Schulfreunden eine AC/DC-Coverband. Nach der mittleren Reife begann er eine Lehre als Gitarrenbauer. Er meldete sich bei dieser bekannten Fernsehsendung an, er kam Runde um Runde weiter. Sein großen Widersacher besiegte er im Finale mit einer atemberaubenden Interpretation von Bob Dylans „Knockin on Heavens Door“. Die Auswertung – er schaffte es. Er war der neue Superstar. Sein Leben war Musik geworden.

Zehn Jahre vergingen, die Erinnerungen verblaßten. Das Leben schlug ihn. Sein Geist wurde krank. Die Welt war ach so ungerecht zu ihm. Hinter der Glastür regte sich etwas. Zwei Männer kamen und schlossen die Eingangstür auf. Er strich mit der Hand über den Pollover, vergewisserte sich, daß die Pistole noch an Ihrem Platz war. Die vierzehnte Staffel, die Finalsendung. Mit Liveübertragung. Er hatte einen Platz in der dritten Reihe. Dieser Schwarzhaarige vor ihm kam ihm irgendwie bekannt vor. Die Zuschauer strömten in den Sendesaal. Das Vorprogramm war schnell vorbei. Die Jury kam, er haßte diesen einen. Vor drei Wochen hatte er ihm geschrieben. Vor zwei Wochen hatte er versucht, ihn anzurufen. Letzte Woche hatte er ihn am Eingang zum Sender abgepaßt. Dieser Typ konnte sich überhaupt nicht mehr an ihn erinnern. Dabei war er doch damals Staffelsieger. Er wollte ihn doch nur um Hilfe bitten, sein neues Demo geben. Aber dieser arrogante Sack ließ ihn einfach stehen.

Die heiße Phase des Finales begann. Unruhig überprüfte er nochmal, ob die Pistole noch da war. Die Finalisten waren durch, die Stimmauszählung begann. Er machte sich bereit. Das Arschloch würde gleich auf die Bühne gehen und den Sieger ausrufen. Der Spot erhellte die Tür. Jede Sekunde war es soweit. Jetzt ging sie auf, Arschloch kam auf die Bühne. Ein Schuß fiel. Noch einer. Tumult. In der fünften Reihe links hinter ihm streckten Wachmänner diesen schwarzhaarigen nieder, den er schon am Eingang gesehen hatte.

„Die Nachrichten: Heute wurde in der vierzehnten Staffel von Superstar auf den Juror geschossen. Der Täter war ein Geisteskranker, der vor zehn Jahren zweiter in der Sendung wurde.“

 

Hallo realtosh, herzlich willkommen auf kg.de!

Seit er vor zehn Jahren zum Superstar in einer Fernsehsendung gewählt wurde hatte sich sein Leben stark verändert.
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Das geplante Album erschien nicht, da der Plattenlabel in Konkurs ging.
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Die Welt war ach so ungerecht zu ihm.
Bis hierhin ist der Erzähler recht neutral. Hier ergreift er plötzlich Partei, indem er den Protagonisten belächelt. Das würde ich unterlassen, denn es untergräbt die Sympathien, die der Leser bis hierhin für den Prot gesammelt hat.

So. Gefällt mir im Prinzip, deine Geschichte.
Eine Anmerkung: gegen Ende, wo der Prot sich setzt und diesen Schwarzhaarigen sieht und dann an den einen aus der Jury denkt, dachte ich, das wäre der Schwarzhaarige. Vielleicht kannst du die deutlicher trennen.
Der Twist war gut, hab ich nicht erwartet, aber ich sehe da jetzt auch nicht soviel Sinn hinter, außer, dass es ein Twist sein soll.

Viele Grüße,
Maeuser

 

Hallo realtosh,

herzlich willkommen hier!

Spannend ist deine Kriminalgeschichte nicht, dafür ist sie zu sehr im Stil eines Psychogramms erzählt, oder anders gesagt, zu motivlastig.
Beinahe der gesamte Text dient dem Versuch, durch das Zusammenstellen von psychologisch relevanten Fakten, das Persönlichkeitsbild eines Attentäters zu beschreiben.
Das ist nicht uninteressant, aber hier nur mit Abstrichen als gelungen zu bezeichnen.
Du hast nicht nur seinen geplatzten Karrieretraum ins Feld geführt, sondern auch das familiäre Umfeld. Das ist soweit gut. Dennoch bleiben solche Behauptungen, wie „Sein Vater zerbrach. Er zerbrach“ und „Zehn Jahre vergingen, die Erinnerungen verblaßten. Das Leben schlug ihn. Sein Geist wurde krank“ unbewiesen, bzw. ohne nachvollziehbares Bild.
Vor allem das Verblassen der Erinnerungen ist unpassend. Wie sollte sich da über die Jahre diese Wut aufbauen? Warum sollte er dann den Moderator umbringen wollen?


Der Tatversuch könnte ausgeschmückt werden, um dem Text am Ende noch ein wenig Spannung zu verleihen.
Wie schmuggelt er die Pistole an der Security vorbei? Hat er Angst bei diesen Vorbereitungen? usw.

Insgesamt eine vielversprechende Geschichte, die aber ihr Potenzial noch nicht ganz entfaltet hat.

Gruß

Asterix

 

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