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Copywrite Fensterladen auf, Fensterladen zu

Team-Bossy a.D.
Seniors
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23.02.2005
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Fensterladen auf, Fensterladen zu

Hoffentlich noch ein paar Minuten. Aus aller Welt. Lasst mich doch mit dieser Meghan und dem Rotkopf in Ruhe. Kaffee durch. Mist, Milch alle. Tja, ab in Keller. Nie mit leeren Händen … hab‘ ich gestern zwei Flaschen Rotwein gesoffen? Hä? Nee, puh - die eine war nur noch halb. Sehr gut. Muss morgen das Leergut wegbringen. Zwei Kartons voll. Was war gestern Nacht noch? Fernsehen? Buch? Filmriss. Ich darf einfach nicht soviel Alk trinken.
Treppe fege ich auch morgen. Oder nachher? Jetzt Zeitung.
Ein Knäckebrot dazu. Mit Honig. Die Bienen haben es grade gut bei der Wärme. Karel Gott.
Boing-Boing-Boing - der Flip hat sich witzig angehört. Muss noch nach dem Wespennest schauen. Im Baumarkt Spray kaufen.
Er ist aufgewacht. Schon vorbei. Nicht mal Todesanzeigen gelesen. Also los, Murmeltier. Rechtes Fenster. Oh, zackig aufgerissen. Das Quietschen vom Fensterladen, Herrgott, ich kann es nicht mehr hören.
Autowerkstatt, neue Reifen bestellen und Bremsen nachsehen. Wer ruft denn jetzt an? Ah, Annemarie!
“Mäusefallen? Drei hab ich, glaub, im Keller. Schau erst nachher, Anton kommt gleich zum Frühstück.“
Schmatzen, Kaffeetrielen.
„Nein, er ist beim ersten Fenster. Dauert noch ein paar Minuten. Dann will er doch noch zum Briefkasten.“
Leerer Kasten, schiefe Grimasse.
„Ach, Anne, ich leg dem auch am Sonntag was rein, weiß er ja eh nicht. Meld‘ mich wieder bei dir.“
Das Fenster im Bad. Oder? Ja, doch, dort ist er, der Laden ist geschmiert. Komm, Anton, noch den im Flur, dann hast du wieder dunkel. Ich dann leider auch. Glühwürmchen damals im Sommer. Deine Schulter war so breit. Quietsch. Ich häng die Dinger jetzt ab, Andreas, hilfst du mir bitte? Nein, Mama, in zwei Wochen macht Papa was anderes, glaub‘s mir. Halt noch durch. Kann der gut sagen, ist um die Zeit nie daheim.
Fensterladen auf, Fensterladen zu. Fensterladen auf, Fensterladen zu. ICH HALT DAS NICHT MEHR AUS.
Gerda, was macht Anton denn immer mit den Läden? Blöde Kuh. Siehst du doch. Sei froh, dass dein Reinhard schon 1,80 tiefer liegt.
Kühlschrank ist fast leer, muss morgen einkaufen. Teewurstzipfel. Reicht aufs Brot. Bäcker Fricke hat heute zu. Die Laugenwecken sind das Beste. Mit Salami. Magen knurrt. Noch nichts gegessen.
Banane. Mist, keine da. Einkaufszettel. Und Wurst.
Fenster auf, Läden auf. Luftholen. Er beim Briefkasten. Die Augen vom Postboten. Haha, viel zu jung. Badfenster noch aufreißen.
Ach, vom Briefkasten zurück. Gib den Schlüssel her. „Danke fürs Holen!“ Wer braucht denn schon so einen großen Grill? Ratenzahlung?

Teewasser kocht, Pfefferminztee, letzter Beutel. Einkaufszettel.
Er sitzt sicher im Sessel. „Frühstück, Anton!“ Oder geht er gleich an die Vorhänge? Tatsächlich. Fenster zu, Vorhang zu. Ich ersticke fast. Sein Arm ist knöchern. Suppenhuhn. Luftholen. Aber – es bringt nichts, ihm was vorzuwerfen. Lass es. Anton, du schaust mich an wie ein Dackel. Geh‘ doch bitte, bitte, bitte von den Fenstern weg.
„Anton, Frühstück!“ Ja, komm‘ mir wie ein Entchen hinterher. Will doch nicht. Tee hat gezogen.
„Hey Mum.“
„Andreas, du schon?“
„Ja, ich konnte früher aus der Schicht.“
„Er wird gleich zum Frühstück kommen. Vielleicht.“
„Ist er bei den Fenstern?“
„Ja, wo sonst?“ Was für eine blöde Frage, weiß er doch selbst. Ist mir keine Stütze.
Endlich. Ich brauch nicht schauen, das Geschlurfe ist eindeutig.
„Hey, Dad.“
„Hallo. Wir kennen uns. Ich weiß. Ich möchte dir gerne einen Witz erzählen.“
Zum dreihundertvierundzwölften Male. Mexiko. Sonne.
„Kommt ein Ballon geflogen und sagt: Kaktusssssssss“. Oh, tut das s weh. So scharf durch die Zähne. Andreas, hör auf, da immer noch zu lachen. Ich finde es NICHT MEHR ZUM LACHEN.
Er kaut wieder endlos an der Brotrinde. Gleich wird er meckern. Pah, wusst‘ ich es doch. Ab in Kompost. Aha, Bananenschalen. Hat er die gegessen?

Nächste Runde Fensterläden. Platze gleich. Gerda, hole tief Luft.
„Komm Mum, lass‘ ihn.“
„Nächsten Samstag kommen die Läden runter. Ich kann nicht mehr.“
„Vielleicht sollten wir jetzt doch mal darüber nachdenken, ob er ...“
„Nein, er bleibt hier. Was sollen denn die Leute denken, wenn ich ihn abschiebe?“
Ich seh sie: all die Weiber, die sich das Maul zerreißen. Undankbare Ehefrau. In guten wie in schlechten Tagen. Scheiß Pfaffe. Ich scheiß auf den lieben Gott.
„Anton, mach doch die Läden auf, es ist doch noch hell.“
Hamsterrad. Wie demütig er zusammenzuckt. Hund. Winsel doch noch. Was ist übrig von meinem Schatz?
„Siehst du, er macht sie wieder auf.“
„Andreas, in spätestens zehn Minuten sind dann dafür die Vorhänge wieder zu.“
„Ich kann dir nicht helfen, wenn du dir nicht helfen lässt.“

„Komm, Anton, ich habe dir tolle Musik aufgelegt, setz‘ dich doch ein wenig auf dein Sofa.“
Mäusefallen. Vier gefunden. Gleich noch Anne anrufen. Würde so gerne wieder mal mit ihr ausgehen. Saturday Night fever, fe-e-ver. Schweiß vom Tanzen, Lachen, laute Musik. Spaß. Hmm.

Hoffentlich ist sie gleich dran. Ah, gut.
„Anne, kommst du nachher kurz wegen den Fallen vorbei, er hat Friedhofszeit. Bis er die Runde gedreht hat, können wir reden.“
„Bin schon auf dem Weg!“ Ach schön. Abwechslung. Halb zwei mittags. Kann ich einen Sekt für uns zwei aufmachen? Sie hatte letzte Woche Geburtstag. Grund zum Trinken, fällt nicht auf.

Wie seh‘ ich aus? Mückenschiss auf dem Spiegel sollte ich mal wegwischen. Ach egal. Egal ist 88.
Nächste Woche Friseurtermin. Muss noch Frieder wegen Anton fragen. Antonsitter.
Das Gartentor. Anne schon hier.
„Hey, schön, meine Liebe, dich zu sehen!“ Anne sieht einfach immer gut aus. Wenn nur mein Arsch so knackig wäre.
„Gerda, das kann man wirklich keinem erzählen, wie lange wir uns nicht mehr gesehen haben.“
„Komm rein – und herzlichen Glückwunsch noch zum Geburtstag, wenn auch verspätet!“ Wie weich sie sich anfühlt, das Haar riecht gut. Der Sekt.
„Zur Feier des Tages könnten wir doch ein Glas auf dich trinken, was meinst?“
„Mitten im Mittag, Gerda?“
„Ja komm, sei nicht so. Setz dich, ich hol sie schnell. Schau, dahinten sind die Fallen, musst sie vielleicht noch auskochen.“
Was stinkt denn so im Kühlschrank? Muss nachher schauen. Flasche ist gut kalt, die Perlen im Glas sind so quirlig. Wann war ich das letzte Mal so? Hoffentlich kommt Andreas jetzt nicht.
„Auf dein Wohl, Anne! Ich wünschte, Anton bliebe eine Weile unterwegs, damit wir Zeit zum Quatschen haben.“
„Wie läuft es denn mit ihm?“ Wie‘s läuft? Er läuft von Fenster zu Fenster. Sonst läuft nichts.
„Haja, immer das Gleiche. Du weißt ja, er hat seine Rituale. Das ist schon anstrengend, das jeden Tag zu ertragen. Aber wer sollte denn für ihn sorgen, wenn nicht ich? Andreas spricht immer wieder vom Altenheim. Das kann ich doch nicht machen.“

„Gerda, du darfst dich aber nicht selbst aufgeben. Wer weiß, wie lange er noch so in Obhut leben muss? Willst du dich bis ans Ende deiner Tage aufopfern?“
Jetzt fängt die auch schon so an. Komplott oder was? Versteht mich keiner? Ihr könnt gut reden, ihr seid nicht in meiner Situation. Glas schon leer. Ob es auffällt, wenn ich schon für mich nachgieße?
„So ein Heim ist teuer. Das kann ich mir nicht leisten. Und ich bin seine Frau.“
Noch einmal springen die Perlen voller Lust durchs Glas, als ich es ein zweites Mal fülle.
„Boah, du hast ja heute einen guten Zug drauf, Gerda.“
„Gönn‘ mir ja sonst nichts.“ Wie wahr. Was gönn‘ ich mir denn? Ich hab einfach ein Scheißleben. Fenster auf, Fenster zu, Sprachlosigkeit. Aufpassen. Füttern. Schau mich nicht so an. Ich weiß, ich bin nicht mehr attraktiv.
„Geh doch wieder mal zum Friseur! Du hattest früher immer so peppige Frisuren, das vermisse ich an dir.“
„Nächste Woche habe ich Termin. Muss noch den Frieder fragen, ob er dann nach Anton schaut.“
Frieder. Dunkle Augen. Warmes Lächeln. Wenn du mal jemand zum Reden brauchst, sag es.
Hehe. Soll ich über seinen Bruder jammern?
„Wenn er nicht kann, sag mir Bescheid.“
„Danke. Aber als Bruder kann man ruhig auch mal was tun.“
„Es fällt ihm sicher schwer, das anzusehen.“
„Aha, und mir nicht, meinst du? Fenster auf, Fenster zu, Vorhang auf, Vorhang zu. Briefkasten auf, Briefkasten zu. Den ganzen Tag.“
„Gerda, das weiß ich doch. Gönn‘ dir doch wenigstens mal ein, zwei Mal in der Woche eine Tagesbetreuung. Vielleicht geht es dir dann besser und du bist ausgeglichener.“
Keiner versteht mich. Ein Schluck beruhigt. Mist, Glas schon wieder leer.
„Ausgeglichener? Ich? Wer ist hier denn schon seit Jahren so ausgeglichen, das überhaupt auszuhalten? Ich bin ausgeglichen. Pass auf, was du sagst.“ Was bildet die sich denn auf einmal ein? Ihr könnt alle so schön reden. Ihr seid nicht ich. Hoppsla, ein Hickser.

„Schwierig grade mit dir, du lässt nicht mit dir reden. Ich denke, es ist besser, ich gehe, bevor das hier noch ungut wird. Ich hol mir noch die Fallen. Pass auf dich auf.“
Hä? Was habe ich denn grade gesagt? War das so schlimm? Was hatte ich gesagt? Mist, weiß es nicht mehr.
„Tschüss Anne. Bis bald.“
Ihr Glas ist noch halb voll. Hm, war schon warm. Egal. Die Flasche noch ein Drittel gefüllt. Wenn Andreas das sieht, denkt er, ich hätte sie alleine aufgemacht und schon so viel getrunken. Am besten, ich mach sie leer, damit er sie nicht im Kühlschrank sieht. Anton auch noch nicht da. Jetzt geht es mir wieder besser. Eigentlich ist alles gar nicht so schwer. Noch ein Glas. Huch, schwanke ich? Flasche in den Keller. Muss noch Treppen fegen. Jetzt nicht, mir ist schummrig. Ich leg mich wohl besser mal auf das Sofa, bis Anton kommt.

Wer klingelt denn hier so lange? Wo bin … auf dem Sofa. Sekt mit Anne. Sekt ohne Anne. Anton.
„Anton, bist du hier?“ Wer klopft denn so laut?

„Moooooment, bin gleich da!“ Komischer Geschmack im Mund, ein Biss Apfel hilft.
„Gerda, mach auf." Frieder.
„Ja, sofort.“ Was ist denn los? Anton nicht hier? Wie lange habe ich geschlafen?
„Anton ist gestürzt, liegt hinten im Steinberger Feld. Martina hat mich gerade angerufen, die ist da vorbeigefahren. Komm, wir fahren hin.“
Frieders tolle Kutsche. Riecht immer wie frisch geputzt. Wie lange war Anton weg? Es wird dunkel. Mein Gott, ich habe Stunden geschlafen. Was ist denn passiert? Ich muss gleich spucken. Mir dreht sich alles. Ich bin schuld.
„Fahr schneller, Frieder.“
„Geht nicht. Aber wir sind gleich da.“

Blaulicht frisst sich in den Himmel. Ein Krankenwagen.
„Anton!“ Wer hält mich da zurück?
„Frieder, lass mich!“

„Lass die ihre Arbeit tun, du störst. Die sind am Beatmen.“ Bin ich im Film? Ich träume. Ich wache jetzt auf. Dieser Alptraum kann nicht wahr sein. Ich bin schuld.
Vielleicht stirbt er. Vielleicht stirbt er? Wie wäre es denn … Was machen die ganzen Leute hier? Gut, dass Frieder hier ist. Da liegt Anton einfach wie ein Käfer auf dem Rücken. Der Arzt hängt über ihm, bricht ihm alle Rippen. Augen zu. Ich kann es nicht sehen. In den Ohren surrt es. Oh, ich schwanke. Frieder, danke. Halt tut gut.

„Vitalfunktionen stabil.“ Der Arzt hört bei ihm auf. Was wurstelt der an dem Schlauch? Ah, Infusion. Ich will jetzt hin.
„Ich bin seine Frau! Kann ich zu ihm kommen, Herr Doktor?“
„Ganz kurz, ja. Er muss gleich abtransportiert werden.“ Nasses Gras, Steine. Da liegt er. Bleich. Das Hemd aufgerissen, die Augen halb zu.
„Anton, hörst du mich?“
„Wer sind Sie? Ich muss nach Hause.“
Wer fasst meinen Arm?
„Machen Sie sich keine Gedanken, er ist jetzt nur im Moment durch den Schock verwirrt. Das wird wieder.“
„Nein. Er ist immer so.“
Ich darf doch nicht wollen, dass du bald ganz weg bist. Fenster auf, Fenster zu. Es quietscht. Kaktussssssssssssss.

 
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Liebe @bernadette,

geil! Ich habe das Original noch nicht gelesen, werde ich nachholen und dann einen Nachtrag zufügen (weiß nicht, ob das noch heute passiert, aber es wird), aber die Geschichte kann total auf eigenen Beinen stehen. Ich bin sehr, sehr angetan. Die Überforderung in der häuslichen Pflege, großes Thema, das zeigst Du hier wirklich sehr eindrücklich. Und da Du die ganze Zeit im Kopf der Prot. hängst, dadurch bekommt das eine ziemliche Intensität. SoC - gut gewähltes Stilmittel, für mich funktioniert das total.

Fensterladen auf, Fensterladen zu. Fensterladen auf, Fensterladen zu. Ich halt das nicht mehr aus.
Dadurch, dass Du es auch so oft im Text verwendest, kann man sich als Leser auch selbst dem nicht entziehen. Dadurch bekommt man ein gutes Gespür für ihr Leiden.

Einkaufszettel.
Hehe. Den habe ich wirklich geliebt.

Fenster zu, Vorhang zu. Ich ersticke fast.
Ja. Ja. Und ja.

„Ja, wo sonst?“ Was für eine blöde Frage, weiß er doch selbst. Ist mir keine Stütze.
Ja, sie ist echt durch.

„Vielleicht sollten wir jetzt doch mal darüber nachdenken, ob er ...“
„Nein, er bleibt hier. Was sollen denn die Leute denken, wenn ich ihn abschiebe?“
Ja, dieses verdammte Argument. Dabei ginge es in vielen Fällen auch dem Gepflegten besser. Ich habe das in der Familie auch erlebt. Am Ende sind beide kaputt und niemandem geholfen. Aber aus irgendeinen blöden Grund gesteht man sich das nicht ein. Weil man eben befürchtet, die Leute zeigen auf einen mit dem Finger. Weil man sich selbst auch dem Partner gegenüber in die Pflicht nimmt. Weil man sich selbst diese "Schwäche" nicht eingestehen will.

Hamsterrad. Wie demütig er zusammenzuckt. Hund. Winsel doch noch. Was ist übrig von meinem Schatz?
Und das wird dann nämlich aus der Beziehung. Nur noch Frust und Sarkasmus. Mehr Gefühle haben keinen Raum mehr.

„Ich kann dir nicht helfen, wenn du dir nicht helfen lässt.“
Wo er recht hat, ...

Jetzt fängt die auch schon so an. Komplott oder was? Versteht mich keiner? Ihr könnt gut reden, ihr seid nicht in meiner Situation. Glas schon leer. Ob es auffällt, wenn ich schon für mich nachgieße?
Ich hät auch gut ohne ihren Alk gekonnt, aber vielleicht ist es einer Verbindung zum original geschuldet. Wenn sie da einfach nur auf dem Sofa vor Erschöpfung eingepennt wär. Klar, Alk. ist hier eine Versuchung, ein Tröster - der im Alltag sicher auch in den Haushalten einzieht, aber eben nicht alle. Es schwächt deine Prot. und damit auch bisschen das Thema, finde ich. Aber das ist jetzt gar keine Kritik, nur ein Gedanke.

„Wenn er nicht kann, sag mir Bescheid.“
Ja, Hilfe annehmen ist auch etwas, was man lernen muss. Gelingt nicht allen.

„Ausgeglichener? Ich? Wer ist hier denn schon seit Jahren so ausgeglichen, das überhaupt auszuhalten? Ich bin ausgeglichen. Pass auf, was du sagst.“ Was bildet die sich denn auf einmal ein? Ihr könnt alle so schön reden. Ihr seid nicht ich. Hoppsla, ein Hickser.
Der Ausbruch, den kann man jetzt so schön auf den Alk. schieben und ein bisschen auf die Überforderung. Das meine ich mit stärker, wenn es eben "nur" die wäre. Wenn das aus einem "übermüdeten" Mund kommt und nicht aus einem versoffenen.

„Moooooment, bin gleich da!“ Komischer Geschmack im Mund, ein Biß Apfel hilft.
„Gerda, mach auf“. Frieder.
Biss + Punkt verrutscht

Habe mich gefragt, warum er noch allein losläuft. Ist es nicht ein Problem schlechthin, dass die Leute nicht mehr zurückfinden? Könnte er nicht "abhauen", während sie auf dem Sofa einnickt? Irgendwie störe ich mich daran. Aber ich weiß auch zu wenig über Demenz.

Fenster auf, Fenster zu. Es quitscht. Kaktussssssssssssss. Ich darf doch nicht wollen, dass du bald ganz weg bist.
Tolles Ende. Ich will, dass Du stirbst, damit ich wieder meine Ruhe habe. Aber ich will nicht, dass Du in ein Heim kommst. Lieber tot als im Heim. Total kaputt.

Habe ich sehr, sehr gern gelesen!
Beste Grüße, Fliege

Nachtrag: Ja, ein wunderschönes Original ist das. Bin wieder einmal mehr froh drum, dass das CW zum Perlentaucher generiert. Der Friedshofsausflug ist also bereits im Original verankert. Allerdings ist er dort mehr eingeflochten, dass der Prot. diesen Weg (scheinbar als einzigsten) tatsächlich so verinnerlicht hat, dass er ihn noch gehen kann. Jedenfalls bis zu dem Moment, da eine Baustelle auftaucht.

 

Liebe @bernadette,
da mache ich mal doch nicht den Anfang. (Fliege war schneller). Ein sehr harter, bitterer Text, sprachlich abgehackt und von einem zum nächsten irrlichternd, eine Frau kurz vor dem Zusammenbruch, gerade noch funktionierend. Wenn ich diesen Text zusammen mit dem beeindruckenden Text von @Vulkangestein lese, muss ich echt schlucken, denn dort ahnt man zwar, was für eine Mühe Anton seiner Frau bereitet, aber auch, wie sehr er sich anstrengt alles richtig zu machen. Man wünscht ihm was Gutes. Die Gerda in deinem Text ist nur noch bitter, da scheint keine Kraft mehr da zu sein, kein Funken Liebe, nur Verachtung, blanke Verzweiflung und das Gefühl vom Leben betrogen zu werden. Dabei ist sie unfähig sich Hilfe zu holen, es gibt da ein Verbot, das macht man nicht. Mich macht die Frau wütend und hilflos in ihrer Engstirnigkeit.

Hoffentlich noch ein paar Minuten. Weltspiegel. Lasst mich doch mit dieser Meghan und dem Rotkopf in Ruhe. Kaffee durch. Mist
Von Anfang an ist klar, wir unfassbar gereizt sie ist.

Was war gestern Nacht noch? Fernsehen? Buch? Filmriss. Muss weniger saufen.
Treppe fege ich auch morgen. Oder nachher? Jetzt Zeitung.
Sprachlich, die Wortwahl, das wirkt ziemlich prollig mit dem saufen. Hm.

Also los, Murmeltier. Rechtes Fenster. Oh, zackig aufgerissen. Das Quietschen vom Fensterladen, Herrgott, ICH KANN ES NICHT MEHR HÖREN.
Und diese Mischung aus Ironie und Wutausbruch, das kippt so schnell, da ist immer so eine Drohung da, soviel Gewalt. Gut gemacht.

Gerda, was macht Anton denn immer mit den Läden? Blöde Kuh. Siehst du doch. Sei froh, dass dein Reinhard schon 1,80 tiefer liegt.
Hier nimmst du eigentlich das Ende vorweg, dass sie wünscht, er wäre tot. Am Ende wirkt es aber so, als habe sie Skrupel bei diesem Gedanken, während sie das hier einfach so raushaut. Das passt für mich nicht so.

Aber – es bringt nichts, ihm was vorzuwerfen. Lass es. Anton, du schaust mich an wie ein Dackel. Geh‘ doch bitte, bitte, bitte von den Fenstern weg.
„Anton, Frühstück!“ Ja, komm‘ mir wie ein Entchen hinterher. Will doch nicht. Tee hat gezogen.
Ich finde solche Stellen toll, wo man merkt, wie sie in der Zwickmühle sitzt, seine Abhängigkeit wahrnimmt und gar nicht weiß wohin mit ihrem Frust.


„Kommt ein Ballon geflogen und sagt: Kaktusssssssss“. Oh, tut das s weh. So scharf durch die Zähne. Andreas, hör auf, da immer noch zu lachen. Ich finde es NICHT MEHR ZUM LACHEN.
Gute Wahl, der Witz. Passt.


„Nein, er bleibt hier. Was sollen denn die Leute denken, wenn ich ihn abschiebe?“
Ich seh sie: all‘ die Weiber, die sich das Maul zerreißen. Undankbare Ehefrau. In guten wie in schlechten Tagen. Scheiß Pfaffe. Ich scheiß auf den lieben Gott.
Sie scheißt drauf, aber sie richtet sich nach ihm. Das, was sie abhält, sich Hilfe zu holen ist nur dieses "Was sollen die Leute denken?". Ich kenne, auch aus der Familie, dieses schlechte Gewissen, weniger wegen der Leute, sondern überhaupt, dass man dem Kranken das antut, ihn aus seiner gewohnten Umgebung reißt, er schrecklich leiden würde. Das scheint hier keine Rolle zu spielen und das ist schon hart.

„Siehst du, er macht sie wieder auf.“
„Andreas, in spätestens zehn Minuten sind dann dafür die Vorhänge wieder zu.“
„Ich kann dir nicht helfen, wenn du dir nicht helfen lässt.“
Da hat er recht.

„Haja, immer das Gleiche. Du weißt ja, er hat seine Rituale. Das ist schon anstrengend, das jeden Tag zu ertragen. Aber wer sollte denn für ihn sorgen, wenn nicht ich? Andreas spricht immer wieder vom Altenheim. Das kann ich doch nicht machen.“
Das könnte etwas natürlicher kommen. "Was soll ich denn machen? Ich kann ihn doch nicht ins Heim tun." Irgendwie so?


Frieder. Dunkle Augen. Warmes Lächeln. Wenn du mal jemand zum Reden brauchst, sag es.
Hehe. Soll ich über seinen Bruder jammern?
Huch, deutet sich da was zwischen Gerda und Frieder an?

„Anton, bist du hier“?
vertauscht

Der Arzt hängt über ihm, bricht ihm alle Rippen. Augen zu. Ich kann es nicht sehen. In den Ohren surrt es. Oh, ich schwanke. Frieder, danke. Halt tut gut.
Ich finde es gut, dass da noch ein Moment kommt, wo sie Mitgefühl für ihn hat. Ich interpretiere das Ganze so, dass sie komplett ausgebrannt ist, dass da aber doch mal Liebe und Fürsorge war und wieder sein könnte, wenn sie entlastet werden würde. Jedenfalls verleitet mich diese kleine Stelle dazu, das zu hoffen.

Ja, ist gelungen, das Copywrite. Im Moment brechen für die Pflegenden zu Hause ja ganz viele Angebote weg, die ihnen sonst Entlastung verschaffen und für die Kranken wichtige Programmpunkte sind, so wie Tagesbetreuung. Dein Text zeigt, wo die Grenze der Belastbarkeit liegt.

Liebe Grüße von Chutney

 

Da ist Gerda ja mächtig am Routieren, liebe @bernadette.
Im Stakkato hetze ich mit ihr durch einen gewöhnlichen Tag als Frau von Anton, den bloß noch seine Erkrankung ausmacht, seine Ticks. Hier spielt es keine Rolle, was sie mit ihm macht. Das ist in deinem Text, anders als beim Original (will nur eben flexen, dass ich es gelesen habe :D), nicht traurig für ihn, sondern enervierend für die Ehefrau. Für Gerda habe ich wenig Mitgefühl, denn sie lässt sich nicht helfen, aus Angst vor Nachbarn, Familienmitgliedern. Ihr Ruf ist ihr näher als die voraussichtliche Erleichterung. Vermutlich auch ein Generationsproblem. Ich sag immer, der wahre Charakter zeigt sich in der Krise:klug: - und Alkohol ist eben ein Nervengift und die liegen bei Gerda blank. Das zeigst du sehr deutlich, auch im Umgang mit den anderen Charakteren. Die hadert mit Gott und der Welt.
Dieser Stil, hart und trocken, lässt mich von Gerda abtreiben. Ich entferne mich immer mehr, so dass ich am Ende nicht bei ihr bin, wenn sie insgeheim hofft, Anton macht’s nicht mehr lange.
Hin und wieder hast du Buchstaben verschluckt oder verwechselt, aber ich tippe, da hat @Fliege sicher einen ihrer Flügel im Spiel und nicht der Zeitdruck. :cool:
Als Kopie ist sie gut gelungen, der Perspektivwechsel und die gesellschaftliche Kritik sind eine lesenswerte Zugabe.

Lieber Gruß zum Leseeindruck,

Kanji

 

Hallo @bernadette,

schön, dass du hier wieder mitmischst. :)

An den Text von Vulkangestein kann ich mich gut erinnern, der hat mich damals ziemlich mitgenommen. Aber ich wusste nicht mehr, dass der von Vulkangestein war! Schön, dass du ihn wieder hervorgeholt hast.

Einen Perspektivwechsel finde ich hier eine gute Idee. Die Sprache, die du wählst, abgehackt und flatterhaft, die ist interessant und du machst das gut. Aber ich merke, dass mir das auf Dauer zu anstrengend ist. Ein kurzer Text in dieser Form würde gehen, aber in der Länge fang ich irgendwann an zu überfliegen. Vielleicht könntest du da noch etwas kürzen. Aber vielleicht geht es ja auch nur mir so.

Liebe Grüße,
NGK

 

Liebe @Fliege

SoC - gut gewähltes Stilmittel, für mich funktioniert das total.
Schön, dass du das auch so empfindest. Das war mein erster Gedanke, dann fing ich an, im SoC zu schreiben, fand es dann aber zu anstrengend, habe in die auktoriale Perspektive gewechselt und schrieb einen Teil, wurde damit aber auch nicht glücklich. Dann wieder neu mit dem SoC angefangen und gut war's. Was ein Hin- und Her. Beim SoC ist für mich die Befürchtung groß, dass der Leser den Handlungsstrang nicht so gut mitbekommt, wie ich ihn ja schon im Kopf habe und nur punktuell durch die Gedankenblitze rauslasse. Aber nach deiner Reaktion zu urteilen ist mir das gelungen, zumindest für dich. Das freut mich.
Weil man sich selbst auch dem Partner gegenüber in die Pflicht nimmt. Weil man sich selbst diese "Schwäche" nicht eingestehen will.
Ja, und anfangs ist da glaub ich auch wirklich noch viel Liebe dabei und Verständnis und auch das Verlangen, den Menschen um einen zu haben. Bis es dann eben irgendwann kippt.

Ich hät auch gut ohne ihren Alk gekonnt, aber vielleicht ist es einer Verbindung zum original geschuldet. Wenn sie da einfach nur auf dem Sofa vor Erschöpfung eingepennt wär. Klar, Alk. ist hier eine Versuchung, ein Tröster - der im Alltag sicher auch in den Haushalten einzieht, aber eben nicht alle. Es schwächt deine Prot. und damit auch bisschen das Thema, finde ich. Aber das ist jetzt gar keine Kritik, nur ein Gedanke.
Solange du es nicht als Kunstgriff siehst ;) Du hast recht: das ganze kann auch ohne Alk funktionieren. Mal sehen, wie es die anderen sehen, ob es stört oder die Geschichte anders rüberkäme, wenn das nicht auch als Thema mitschwingt.

Habe mich gefragt, warum er noch allein losläuft. Ist es nicht ein Problem schlechthin, dass die Leute nicht mehr zurückfinden? Könnte er nicht "abhauen", während sie auf dem Sofa einnickt? Irgendwie störe ich mich daran. Aber ich weiß auch zu wenig über Demenz.
Soweit ich das von Bekannten mitbekomme, weiß der Patient anfangs ja über seine Krankheit Bescheid und man will ihm ja nicht alle Lebensqualität nehmen. Anton ist gerade in seiner Übergangsphase von noch einiger Selbstständigkeit zu intensiverer Betreuung.
Wenn man es so betrachtet, könnte er ja nur schon beim Briefkastenleeren abhauen. Ich stelle mir vor, der geht durch zwei, drei Nebenstraßen zu dem sehr nahegelegenen Friedhof, was bisher kein Problem war.
Ah, jetzt sehe ich den Fehler: im Original weiß man ja, dass da eine Umleitung war und er sich nicht mehr richtig orientieren konnte, das ist in meiner Version nicht erklärt :rolleyes: weil sie es ja nicht weiß. Da muss ich mir noch was einfallen lassen.

Habe ich sehr, sehr gern gelesen!
Was für eine Freude, so einen Erstkommentar unter einem Text zu haben. :)


Liebe @Chutney

Sprachlich, die Wortwahl, das wirkt ziemlich prollig mit dem saufen. Hm.
Ja und nein. Es passt vielleicht nicht zur Figur, wie man das dann gewohnt ist: bestimmte Lebenslage harmoniert mit einem bestimmten Jargon, wenn gesprochen und gehandelt wird.
Ich habe mir einige Gedanken dazu gemacht. Von mir selber ausgehend jedoch kann ich das stehenlassen, weil ich manchmal auch prolliger denke als ich es je so sagen würde :schiel:.


Gerda, was macht Anton denn immer mit den Läden? Blöde Kuh. Siehst du doch. Sei froh, dass dein Reinhard schon 1,80 tiefer liegt.

Hier nimmst du eigentlich das Ende vorweg, dass sie wünscht, er wäre tot. Am Ende wirkt es aber so, als habe sie Skrupel bei diesem Gedanken, während sie das hier einfach so raushaut. Das passt für mich nicht so.

Das habe ich bisher gar nicht so gesehen, also da keine Verbindung gesehen, das war halt nur so ein Spruch. Aber ein guter Punkt, den du ansprichst! Das lasse ich mir nochmals durch den Kopf gehen.

Ja, ist gelungen, das Copywrite. Im Moment brechen für die Pflegenden zu Hause ja ganz viele Angebote weg, die ihnen sonst Entlastung verschaffen und für die Kranken wichtige Programmpunkte sind, so wie Tagesbetreuung. Dein Text zeigt, wo die Grenze der Belastbarkeit liegt.
Danke fürs Lob. Genau so Details wie die Tagesbetreuung lassen den Betreuern mal Luft und ohne das wird es noch schwerer, ich sehe das gerade bei einer Freundin, die ihre Mutter täglich betreut trotz eigener Familie und Job.

Liebe @Kanji

Ich entferne mich immer mehr, so dass ich am Ende nicht bei ihr bin, wenn sie insgeheim hofft, Anton macht’s nicht mehr lange.
Ja, Gerda ist unbequem als Protagonistin. Das ist mir schon von Anfang an bewusst, es liest sich alles ja auch nicht wie geschmiert.

Hin und wieder hast du Buchstaben verschluckt oder verwechselt,
Naja, das so anzumerken und nicht mal ein Beispiel zu bringen ist sehr unbefriedigend für mich, weil ich den Text mindestens 20 Mal in Abständen nach dem Schreiben durchgelesen habe, um sowas zu vermeiden. Dann würde es mich sehr interessieren, was ich übersehen habe. :sconf:
Als Kopie ist sie gut gelungen, der Perspektivwechsel und die gesellschaftliche Kritik sind eine lesenswerte Zugabe.
Danke für das Lob.

Liebes @Nichtgeburtstagskind,

Die Sprache, die du wählst, abgehackt und flatterhaft, die ist interessant und du machst das gut. Aber ich merke, dass mir das auf Dauer zu anstrengend ist. Ein kurzer Text in dieser Form würde gehen, aber in der Länge fang ich irgendwann an zu überfliegen.
Mit so einer Aussage muss ich rechnen; ich kann dich gut verstehen, dass es nicht jedermanns Ding ist. Jedoch gehe ich lieber das Risiko ein, dass manche nicht so warm mit dem Text werden und lasse die Textlänge, denn ich sehe keine unnötigen Schlenker im Erzählen.
Danke für deinen Eindruck.

@Fliege @Chutney @Kanji @Nichtgeburtstagskind
Euch Vieren vielen herzlichen Dank für die Zeit, die ihr euch für meine Gerda und den Anton genommen habt. Außer Lob und Leseeindrücke habe ich auch Hinweise bekommen, die ich in Ruhe anschauen und ggfs. verbessern werde.

Liebe Grüße
bernadette

 
Zuletzt bearbeitet:

@bernadette, wie recht du hast, die fehlende Korrektur zu bemerken, nur habe ich vermutet, wuselige Wortkrieger wären mir bereits zuvorgekommen, um dich auf die flüchtigen Buchstaben aufmerksam zu machen. Bin doch nicht so die Spürnase dafür.
But so, here are the results :shy:

Schmatzen, Kaffeetrielen.

Da mir das Wort Kaffeetrielen nicht geläufig ist, vermutete ich, es würde sich um gewöhnliches Kaffetrinken halten.

Komm, Anton, noch den im Flur, dann hast du wieder dunkel.

Hier dachte ich, es würde ein es fehlen: dann hast du es wieder dunkel.

Ich seh sie: all‘ die Weiber, die sich das Maul zerreißen.

all die Weiber

Ich wünschte, Anton bliebe eine Weile unterwegs, damit wir Zeit zum quatschen haben.“

zum Quatschen

Noch einmal springen die Perlen voller Lust durchs Glas, als ich es ein zweites Mal fülle.

Mein Lieblingssatz

Boah, du hast ja heute eine guten Zug drauf, Gerda.“

einen

Hoppsla, ein Hickser.

mir fehlt ein a: Hoppsala

„Nein. Er ist immer so.“

Meinetwegen hätte Gerda das nicht sagen müssen. Klar, dass sie das denkt.

Es quitscht.

quietscht

Ich wollte dich nicht verärgern und wünsche dir ein schönes Wochenende,

Kanji

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Kanji,

nee, du hast mich keinesfalls verärgert, ich war nur neugierig, ob das teilweise auch dem SoC geschuldet ist, wo doch nicht immer ein korrektes Deutsch, ähnlich wie bei der wörtlichen Rede, möglich ist. Einiges habe ich verbessert, dafür Dank. Ein paar Anmerkungen/Verschlucker waren Absicht.

Ich kenne leider kein anderes Wort für trielen. Das ist sowas wie verkleckern, verschütten, langsam sein, unaufmerksam Dinge anpacken. Aber trielen trifft es noch genauer mMn.

Hoppsla ist bei uns zB auch viel geläufiger wie Hopsalla. Naja, das sind regionale Eigenheiten, die ich aber so stehenlasse, weil sie das ja auch denkt, wie sie sprechen würde.

Danke, dass du nochmals drüber bist.

Liebe Grüße
bernadette

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe @bernadette ,

da hast du aber was riskiert. Bisher konnte man in dem Kontext vor allem über hingebungsvolle Personen lesen, die sich aufopfern, also "Helden" sind. Hier nun einmal kommt eine Frau vor die unbestechliche Linse einer Profifotografin. Sie zeigt an Gerda, dass die alles andere als ein Helfersyndrom hat. Das ist ehrlich und bestimmt gar nicht so selten.

Der demenzkranke Anton ist zwar ein harmloser, unaggressiver Patient, hat aber schon einige Marotten, die nerven können. Vermutlich ist es sehr irritierend, immer wieder die gleichen sinnlosen Aktionen von Anton zu unterbinden oder zu korrigieren. Schon in normalen Beziehungen können Eigenheiten des Partners Hassgefühle auslösen, bekannte Beispiele sind die Zahnpastatube, die "falsch" ausgedrückt wird, oder das Frühstücksei, wenn es mit dem Messer geköpft und nicht geklopft wird.
Aber deine Prota ist auch nicht leicht zu händeln. Das spüren die Freunde, das spürt Sohn Andreas. Gerda schlittert durch ihren unmäßigen Alkoholverbrauch in einen Krankheitszustand, der sie am Ende vielleicht ebenfalls zu einem Pflegefall werden lässt.

Also, was ist mit Gerda los?
Ich habe mal ein paar Schlaglichter auf Gerdas seelische Verfassung gerichtet.

Blöde Kuh. Siehst du doch. Sei froh, dass dein Reinhard schon 1,80 tiefer liegt.

Da ist der Wunsch, es wäre bei ihrem Anton auch schon soweit.

Die Augen vom Postboten. Haha, viel zu jung.

Bekomme ich dann auch einen mit dazu, der grillt?

Alte Bedürfnisse, die jedenfalls Anton nicht mehr erfüllt, bzw. erfüllen kann. Es stellt sich natürlich hier auch die Frage des Alters. Habe ich richtig gelesen, dass Sohn Andreas ursprünglich eher ein Enkel sein sollte?

Würde sie so gerne wieder mal mit ihr ausgehen. Saturday Night fever, fe-e-ver. Schweiß vom Tanzen, Lachen, laute Musik

Klingt nach verpassten Gelegenheiten und Angst vor dem Altwerden.

„Komm rein – und herzlichen Glückwunsch noch zum Geburtstag, wenn auch verspätet!“ Wie weich sie sich anfühlt, das Haar riecht gut. Der Sekt.
„Zur Feier des Tages könnten wir doch ein Glas auf dich trinken, was meinst?“

Gerda, die Tanzmaus vom "Heuboden" oder "Waldpeter", jede Gelegenheit zum Feiern am Schopf packend

„Wie läuft es denn mit ihm?“ Wie‘s läuft? Er läuft von Fenster zu Fenster. Sonst läuft nichts.

Ich weiß, ich bin nicht mehr attraktiv.

Pure Verzweiflung, aber warum lässt sie sich nicht helfen? Bei "nüchterner" Betrachtung wäre das Pflegeheim eine Lösung. Allerdings - und das wird deutlich - so gravierend ist Antons Zustand (noch) nicht. Es kostet wahnsinnig viel und was würden die Leute sagen? Ja, die Leute!

Frieder. Dunkle Augen. Warmes Lächeln. Wenn du mal jemand zum Reden brauchst, sag es.

Ist da ein Fünkchen Hoffnung auf bessere Zeiten?

Hä? Was habe ich denn grade gesagt? War das so schlimm? Was hatte ich gesagt? Mist, weiß es nicht mehr.

Ich darf doch nicht wollen, dass du bald ganz weg bist.

Wollen nicht, aber denken?

Vielleicht stirbt er. Vielleicht stirbt er? Wie wäre es denn … Augen zu. Ich kann es nicht sehen. In den Ohren surrt es. Oh, ich schwanke. Frieder, danke. Halt tut gut.

siehe oben.

Als Leserin geht es mir so, dass die Prota mir zusehens unsympathischer wird.
Es ist ein beklemmendes Gefühl zu erleben, was so eine extreme Situation aus den Menschen macht. Das Beste oder das Schlechteste kann zum Vorschein kommen. Wird gerade auch gesellschaftlich diskutiert. Gerda ist durchaus kein Einzelfall.

Stilistisch finde ich interessante Effekte durch das assoziative Nachspüren. Bei einem längeren Text wäre es mir aber zu anstrengend. Zum Originaltext mit dem sanften Ich-Erzähler ist die Geschichte ein Rachenputzer.
Gut gemacht!

("Hesch widder trielt? Musch halt 's Muul zulosse!")

Liebe Grüße
wieselmaus

 

„Ich leg dem auch am Sonntag was rein, weiß er ja eh nicht. ..“
...
„Nein, er bleibt hier. Was sollen denn die Leute denken, wenn ich ihn abschiebe?“

„Wie läuft es denn mit ihm?“ Wie‘s läuft? Er läuft von Fenster zu Fenster. Sonst läuft nichts.

Vielleicht ist das, was man „Liebe“ nennt – abgesehen, dass vor allem das Adjektiv zur Floskel verkommt zum puren Anhängsel in der Begrüßung,

liebe Bernadette,

nur ein Mythos, vllt. sogar nur ein Gerücht, denn das Urvertrauen nebst dem Glauben an die/den Andere/n am Anfang eines jeden Lebens ist ja erzwungenermaßen. Ein Wunder also, dass „Liebe“ bzw. „Vertrauen“ noch nicht in den amtlichen Tabellen zur Abschreibung für Abnutzung (Afa) auftauchen und sich somit regulieren ließen, dass es keines besonderen Anlasses mehr bedürfte, Vertrauen und Liebe zu brechen. Am sichersten wäre vllt., in jedem „verflixten“ Jahr den „Bund fürs Leben“ erneuern zu müssen. Aus Mythos und Religion wissen wir ja, dass Riten auch dem Unbedarftesten Halt geben können.

Wie schon die Vorlage spielt Deine gelungene Version im bürgerlichen Milieu (was würden die Nachbarn sagen, wenn ...) Nun, ich weiß nun nicht, was zwischen Anton und „Mum“ vorgefallen ist, aber

Muss weniger saufen.
ist ja eigentlich schon ein guter Vorsatz, sich das bisschen Versatnd selbst nicht wegzusaufen unterm Vorwand, etwas nicht ertragen zu können oder vergessen zu wollen, womit sich beide an sich wieder näher kämen) vllt., was den Satz betrifft, ist er m. E. sogar mehr als eine bloße Aussage?!, wie auch hier
Herrgott, ICH KANN ES NICHT MEHR HÖREN.
das ja durchs Spiel der MajUSKELn noch hervorgehoben wird.

Wie auch gerade schon bei Vulkangestein haben Flusen immer Saison:

„Hey[,] Dad.“

Und – Du wirst den Hinweis eines, der einige Semester „Marketing“ hinter sich gebracht hat – auffällt ist die kleine, eher unauffällige Passage
Ich seh sie: all die Weiber, ….
die wie in einem Ohr-Kino kurz zuschnappt … und vorgelesen sicherlich anders wirkt, als erlesen.

Hier stritten zwo Formulierungen miteinander und die unterlegene rächt sich, indem sie kurz aufleuchtet:

Mäusefallen. Vier gefunden. Gleich noch Anne anrufen. Würde sie so gerne wieder mal mit ihr ausgehen.
Halb zwei [m]ittags.
Mückenschi[ss] auf dem Spiegel sollte ich mal wegwischen.
(vllt., dämmert mir gerade, erfüllt die alte Schreibung einen Hinweis auf die Erschwernis, Neues/Änderungen aufzunehmen ... also Form und Inhalt einander absolut anzupassen) dennoch auch hier
„Tschü[ss] ...

Wenn Andreas das sieht, denkt er, ich hätte sie alleine aufgemacht und schon so[...]viel getrunken.
(kommt weiter unten noch mal vor)


Ja, auch mein Wortschatz wurde durch

Kaffeetrielen
auf 301 erhöht! Nee, musst ich nachschauen - der Weg war kurz zu meiner Vorrednerin ...

Tschüss

Friedel

 

Hallo @bernadette

sich an der Wiedergabe des Gedankenstroms zu versuchen, finde ich grundsätzlich reizvoll. Sowohl im Original wie auch in der Copy geschieht das auf dieselbe Weise: mit bruchstückhaften Gedankenfetzen. Ästhetisch betrachtet fehlt mir die (klingt jetzt vielleicht abgehoben, aber wurschd) die künstlerische Gestaltung, die den Text lesbar macht, Spannung aufkommen lässt. Der Twist am Ende reicht mMn dafür nicht ganz aus. Ich lese vieles beiläufig und schiele zum Ende hin.
Trotzdem: interessanter, kreativer Ansatz.

Treppe fege ich auch morgen. Oder nachher? Jetzt Zeitung.
Ein Knäckebrot dazu. Mit Honig. Die Bienen haben es grade gut bei der Wärme. Karel Gott.
Boing-Boing-Boing - der Flip hat sich witzig angehört. Muss noch nach dem Wespennest schauen. Im Baumarkt Spray kaufen.
sehr assoziativ, hier zum Beispiel gelingt es gut, den Gedankenstrom wiederzugeben

Schmatzen, Kaffeetrielen.
ich mag "trielen"

Wer braucht denn schon so einen großen Grill? Ratenzahlung? Bekomme ich dann auch einen mit dazu, der grillt?
das denkt sie, echt? Treppenwitzniveau :D

„Kommt ein Ballon geflogen und sagt: Kaktusssssssss“. Oh, tut das s weh. So scharf durch die Zähne. Andreas, hör auf, da immer noch zu lachen. Ich finde es NICHT MEHR ZUM LACHEN.
gut beschrieben, hier gelingt der Witz

„Komm, Anton, ich habe dir tolle Musik aufgelegt, setz‘ dich doch ein wenig in dein Sofa.“
auf das Sofa

die Perlen im Glas sind so quirlig. Wann war ich das letzte Mal so? Hoffentlich kommt Andreas jetzt nicht.
mm, die Gleichsetzung von perlen und Perlen finde ich ungenau und ein bisschen arg naiv, wenn sie das denkt

Ich hab einfach ein Scheißleben. Fenster auf, Fenster zu, Sprachlosigkeit. Aufpassen. Füttern. Schau mich nicht so an. Ich weiß, ich bin nicht mehr attraktiv.
ob die wirklich mit diesen Worten (Scheißleben) über sich selbst denkt?

Frieder. Dunkle Augen. Warmes Lächeln.
mm, weiß nicht, ob diese Assoziation so klappt. Warum nicht eine Erinnerung an eine konkrete Situation, die sie mit Freiherr erlebt hat?

„Machen Sie sich keine Gedanken, er ist jetzt nur im Moment durch den Schock verwirrt. Das wird wieder.“
„Nein. Er ist immer so.“
Sarkasmus?

Fenster auf, Fenster zu. Es quietscht. Kaktussssssssssssss. Ich darf doch nicht wollen, dass du bald ganz weg bist.
ließe sich streichen mMn, das Kaktusbild dadurch stärken

viele Grüße in den Süden
Isegrims

 

Liebe @bernadette,
natürlich hast du mit Gerda keine Protagonistin erschaffen, die man wirklich mögen kann, auch wenn man logischerweise Mitgefühl für sie und ihre Situation aufbringt. Aber du hast es geschafft, mich als Leserin so in ihren Bewusstseinsstrom hineinzuziehen, dass sie mir vertraut wird. Eine unangenehme Vertraute.

Lasst mich doch mit dieser Meghan und dem Rotkopf in Ruhe. Kaffee durch. Mist, Milch alle. Tja, ab in Keller. Nie mit leeren Händen …
Finde ich gut gemacht, vor allem mit dieser Hausfrauenweisheit am Ende.
Ein Knäckebrot dazu. Mit Honig. Die Bienen haben es grade gut bei der Wärme. Karel Gott.
Ist ja kein Text zum Lachen, aber die Assoziation mit „Karel Gott“ finde ich wirklich witzig.
Er ist aufgewacht. Schon vorbei. Nicht mal Todesanzeigen gelesen.
Ich merke, Gerda ist genau so gehetzt wie ihre Sprache.
Was mich im Nachhinein irritiert hat – es scheint hier ja wohl doch eher früher Morgen oder Vormittag zu sein, wegen Frühstück etc., auch vom weiteren zeitlichen Ablauf her. Aber zu Beginn hast du den „Weltspiegel“. Den kenne ich nur von Sonntagabend. Gibt es natürlich jetzt garantiert in der Mediathek oder so, aber das macht es vielleicht etwas komplizierter, als es sein müsste. Jedenfalls dachte ich dadurch erst, es wäre Abend. Vielleicht findest du ja irgendein blödes Frühstücksfernsehprogramm, was sie stattdessen gucken könnte?
Das Quietschen vom Fensterladen, Herrgott, ICH KANN ES NICHT MEHR HÖREN.
Ich fände diesen verzweifelten Ausruf fast besser, wenn er erst später käme, wenn du das langsamer aufbaust.
Schmatzen, Kaffeetrielen.
Ich wohne ja auch schon ziemlich südlich, aber ich kannte das „trielen“ auch noch nicht. Aber warum nicht auch etwas mundartliches unterbringen, das passt zu Gerda – die Gefahr in diesem Fall besteht allerdings, dass die Restbevölkerung denkt, es wäre ein Tippfehler
„Ich leg dem auch am Sonntag was rein, weiß er ja eh nicht. Meld‘ mich wieder bei dir.“
Hier war mir nicht gleich klar, wer das sagt
Glühwürmchen damals im Sommer. Deine Schulter war so breit. Quietsch.
Schön! Also, gut gemacht.
Fensterladen auf, Fensterladen zu. Fensterladen auf, Fensterladen zu. Ich halt das nicht mehr aus.
Das auch. Ist eindringlich. Und vielleicht erst hier die lauten Großbuchstaben?
Teewasser kocht, Pfefferminztee, letzter Beutel. Einkaufszettel.
Er sitzt sicher im Sessel. „Frühstück, Anton!“ Oder geht er gleich an die Vorhänge? Tatsächlich. Fenster zu, Vorhang zu. Ich ersticke fast.
Es liest sich natürlich anstrengend auf Dauer, aber das ist es ja, was du willst: Zeigen, dass es anstrengend ist.
Sein Arm ist knöchern. Suppenhuhn.
Ach je, was für eine Assoziation ...
„Ist er bei den Fenstern?“
„Ja, wo sonst?“ Was für eine blöde Frage, weiß er doch selbst. Ist mir keine Stütze.
Gerda besteht wirklich nur noch aus Verbitterung und Sarkasmus und lässt ja gar nichts zu, was ihr in irgendeiner Weise eine Stütze sein könnte.
Zum dreihundertvierundzwölften Male. Mexiko. Sonne.
Schöne Vorarbeit für den Schluss, das kommt an!
„Vielleicht sollten wir jetzt doch mal darüber nachdenken, ob er ...“
„Nein, er bleibt hier. Was sollen denn die Leute denken, wenn ich ihn abschiebe?“
Ich seh sie: all die Weiber, die sich das Maul zerreißen. Undankbare Ehefrau. In guten wie in schlechten Tagen. Scheiß Pfaffe.
Die äußeren Zwänge, Leute und die Kirche bestimmen, wie Gerda nach außen hin agiert, obwohl sie weder von dem einen noch dem anderen eine positive Meinung hat.
Saturday Night fever, fe-e-ver. Schweiß vom Tanzen, Lachen, laute Musik. Spaß. Hmm.
Das Aufblitzen einer schönen Erinnerung, die Gerda mit einem kurzen „Hmm“ wieder zum Schweigen bringt, denn die Gegenwart sieht so aus:
„Wie läuft es denn mit ihm?“ Wie‘s läuft? Er läuft von Fenster zu Fenster. Sonst läuft nichts.
Das ist so bodenlos verbittert, genau wie das hier:
Wer ist hier denn schon seit Jahren so ausgeglichen, das überhaupt auszuhalten?
Das ist ja eben auch kaum auszuhalten, und genau deshalb wäre zusätzliche Hilfe die einzige Möglichkeit für Gerda, selbst nicht völlig unterzugehen.
Vielleicht stirbt er. Vielleicht stirbt er? Wie wäre es denn …
Ich kann ich mir vorstellen, dass Gerda sich gegen solche Gedankenspiele nicht wehren kann.
Zu Gerdas Alkoholkonsum: Ich finde das schon passend, den mit unterzubringen in der Geschichte,
aber ich könnte mir auch gut vorstellen, dass er nicht ganz so großen Raum einnimmt, eher nur in kleinen Portionen (Schlucken) angedeutet wird.
Fenster auf, Fenster zu. Es quietscht. Kaktussssssssssssss. Ich darf doch nicht wollen, dass du bald ganz weg bist.
Großartig finde ich diesen Schluss, bernadette, der berührt mich wirklich. Ich würde vielleicht hier den letzten Satz an den Anfang der Satzgruppe stellen. Nicht ganz streichen (habe gerade gesehen, dass @Isegrims das vorgeschlagen hat), aber tatsächlich eben mit diesem ssssssss rausgehen.
Ich finde, durch den Kontrast von deiner verbitterten Gerda zu der im (ebenfalls beeindruckenden) Original nur im Hintergrund agierenden, pastell gezeichneten Ehefrau ist dir ein spannendes CW gelungen!
Liebe Grüße von Raindog

 

Gude @bernadette,
tut mir leid, dass das so lange gedauert hat, bis ich mich mal zum Copywrite melde. Ich hatte es direkt gelesen, jetzt nochmal und nun der Kommentar :)
Den Perspektivwechsel finde ich sehr gelungen. Gerda ist etwas anders, als ich sie mir vorgestellt habe, aber doch genau so, wie ich es nachvollziehbar finde. Ihren Bewusstseinsstrom nachzuvollziehen ist hart, sie wirkt in Teilen unnahbar und fast boshaft - aber sie ist auch die Einzelkämpferin, die das alles alleine aushalten muss.
Besonders gut gefällt mir die Ambivalenz, die du ihr mitgibst. Da ist zum einen die Gerda, die aus den zwanghaften Tätigkeiten des Mannes etwas macht, es integriert und damit lebt:

„Ich leg dem auch am Sonntag was rein, weiß er ja eh nicht.
Das ist eigentlich süß - aber vor allem auch traurig.
Auf der anderen Seite sieht sie in ihm fast nicht mehr ihren Mann, ihren Anton, da gibt es einige schöne Stellen und Assoziationen, ich greife mal eine heraus:
Sein Arm ist knöchern. Suppenhuhn.

Du zeichnest eine Gerda, die ihren "Kampf" unbedingt alleine ausfechten will. Für sich begründet sie das mit den Gerede der anderen, zeigt auch hier keine eigene Liebe mehr zu Anton. Macht die klare Andeutung, dass es ihrer Freundin besser geht, deren Mann bereits unter der Erde liegt. Aber da ist auch der Schluss:
Ich darf doch nicht wollen, dass du bald ganz weg bist.
Und ich glaube, sie fürchtet nicht das Gerede der anderen, sie fürchtet vor allem, dass sie genau diesen Gedanken vollzieht, wenn sie ihren Anton "weggibt". Da ist also doch mehr als die im Bewusstseinsstrom so aktive Abneigung, da ist noch ehrliche Sorge, gemischt mit Pflichtgefühl. Ein ganz unangenehmer Cocktail nach dem Gerda gar nicht mehr weiß, was sie tun soll außer einfach weitermachen.

Insgesamt finde ich, dass du hier mehrere Dinge sehr toll aufzeigst. Zunächst, wie scheiße diese Pflegesituation für nahestehende Personen einfach ist / sein kann. Und dann vor allem, warum das alles nicht so einfach ist. Dieses "weggeben". Das alles in einem, wie ich finde, tollen, treibenden Bewusstseinsstrom mit überraschenden, kreativen Assoziationen.

Zwei Anmerkungen waren mir da ein wenig zu plakativ, aber man könnte durchaus auch zurecht anmerken, dass man ja auch in Phrasen denkt:

Ich hab einfach ein Scheißleben.
Muss weniger saufen.

Aber sonst gelingt es, insbesondere das szenische Detail hat mir gefallen:
Nicht mal Todesanzeigen gelesen.
Verortet die Situation sehr stark. Zeigt den Schwerpunkt, den Lebensmittelpunkt.

„Kommt ein Ballon geflogen und sagt: Kaktusssssssss“. Oh, tut das s weh.
Genau diese Kleinigkeiten, neben dem großen Thema Fensterläden, machen die Situation aus. Wie weh es tut, mehrfach am Tag, immer wieder dasselbe. Bis einen jede Kleinigkeit daran nahezu schmerzt.

Ich habe insgesamt etwas gebraucht, in die vergleichsweise "raue" bzw. direkte Sprache der Protagonistin reinzukommen. Aber durch den Kontrast und den Schluss gewinnt der Text dadurch und ich muss sagen, ich finde ihn insgesamt sehr gut gelungen. Hat mich sehr gefreut dieses Copywrite zu lesen, auch wenn es natürlich kein Glücksgefühl zurücklässt.


Liebe Grüße
Vulkangestein

 

Liebe @wieselmaus,

Alte Bedürfnisse, die jedenfalls Anton nicht mehr erfüllt, bzw. erfüllen kann. Es stellt sich natürlich hier auch die Frage des Alters. Habe ich richtig gelesen, dass Sohn Andreas ursprünglich eher ein Enkel sein sollte?

Ha, wieselmaus, da hast du mich kurz aufs Glatteis gebracht. :lol: Ich habe nie wirklich ein Rechenexempel gestartet, was für ein Alter meine Protagosten haben, im Original funktioniert das auch so irgendwie. Anton und Gerda sind so Mitte, Ende 60, da kann ein Spätgeborener schon 20-25 Jahre alt sein und noch daheim wohnen. So ungefähr halt.

Als Leserin geht es mir so, dass die Prota mir zusehens unsympathischer wird.
Es ist ein beklemmendes Gefühl zu erleben, was so eine extreme Situation aus den Menschen macht. Das Beste oder das Schlechteste kann zum Vorschein kommen.
Das blöde an so einer Situation ist halt immer, dass es für die Pflegenden nur eine Besserung gibt, wenn es dann für die Patienten eine andere Lösung (Heim/Tod) gibt. Also sich auf etwas Besserung freuen geht immer mit schlechtem Gewissen dahin. Das ist sehr verzwackt und ich denke, es ist ganz wichtig, dass man den Familienmitgliedern immer wieder sagt, dass es kein Makel ist, zu Betreuende auch in ein Heim zu bringen.
Stilistisch finde ich interessante Effekte durch das assoziative Nachspüren. Bei einem längeren Text wäre es mir aber zu anstrengend.
Ich finde es auch sehr anstrengend, bin aber doch überrascht, dass es bei den meisten bisherigen Lesern positiv ankam, ich habe mit viel mehr gemischter Resonanz für den SoC gerechnet.

"Hesch widder trielt? Musch halt 's Muul zulosse!"
Immer wieder schön, wenn du mich gedanklich in die alte Heimat holst :gelb:

Hallo @Friedrichard,

Am sichersten wäre vllt., in jedem „verflixten“ Jahr den „Bund fürs Leben“ erneuern zu müssen.
Oweia, dann gäbe es vermutlich noch 30% mehr Scheidungen.

all die
Weiber
der ist gut :)

Danke für den Hinweis auf die anderen Fehler, die ich verbessere.


Hallo @Isegrims,

die Perlen im Glas sind so quirlig. Wann war ich das letzte Mal so? Hoffentlich kommt Andreas jetzt nicht.
mm, die Gleichsetzung von perlen und Perlen finde ich ungenau und ein bisschen arg naiv, wenn sie das denkt

ich verstehe nicht ganz, was du mit perlen und Perlen meinst. Die Gleichsetzung hat sich auf quirlig bezogen.

Ästhetisch betrachtet fehlt mir die (klingt jetzt vielleicht abgehoben, aber wurschd) die künstlerische Gestaltung, die den Text lesbar macht, Spannung aufkommen lässt.

Die künstlerische Gestaltung wäre eine Challenge on top :lol: dazu schreibe ich einfach zu wenig, um das ausgefeilter hinzubekommen.
Aber ich vermute zu wissen, was du vermisst.

Ich lese vieles beiläufig und schiele zum Ende hin.
Weißt du, was ich dann immer mache? Abbrechen. :thumbsup: dass du durchgehalten hast.

Liebe @Raindog,

Aber du hast es geschafft, mich als Leserin so in ihren Bewusstseinsstrom hineinzuziehen, dass sie mir vertraut wird. Eine unangenehme Vertraute.
Hoffentlich kannst du sie dann bald wieder wegschieben, so Leute mag man ja nicht lange um sich rum :shy:
Was mich im Nachhinein irritiert hat – es scheint hier ja wohl doch eher früher Morgen oder Vormittag zu sein, wegen Frühstück etc., auch vom weiteren zeitlichen Ablauf her. Aber zu Beginn hast du den „Weltspiegel“. Den kenne ich nur von Sonntagabend.

In unserer Tageszeitung "Südkurier" gibt es den Politikteil, dann kommt der Weltspiegel, dann die regionalen Seiten. Aber da hast du recht, diese Irritation kann ich komplett umgehen, indem ich eindeutiger auf die Zeitung hinweise, die sie am morgen liest (und nicht TV guckt).
Naja, im Weltspiegel kommen halt so unnötige Sachen wie die Gefühlslage von irgendwelchen Royals etc.

Ich fände diesen verzweifelten Ausruf fast besser, wenn er erst später käme, wenn du das langsamer aufbaust.
Guter Einwand, werde ich demnächst ändern.

Ich finde das schon passend, den mit unterzubringen in der Geschichte,
aber ich könnte mir auch gut vorstellen, dass er nicht ganz so großen Raum einnimmt, eher nur in kleinen Portionen (Schlucken) angedeutet wird.
Da das Fliege auch schon angedeutet hat, werde ich nochmals über die Stellen gehen und vielleicht ein paar Gläser streichen.


Großartig finde ich diesen Schluss, bernadette, der berührt mich wirklich. Ich würde vielleicht hier den letzten Satz an den Anfang der Satzgruppe stellen. Nicht ganz streichen (habe gerade gesehen, dass @Isegrims das vorgeschlagen hat), aber tatsächlich eben mit diesem ssssssss rausgehen.
Danke für den Vorschlag. Den werde ich übernehmen, das gefällt mir auch. :thumbsup:

Hallo @Vulkangestein,

Und ich glaube, sie fürchtet nicht das Gerede der anderen, sie fürchtet vor allem, dass sie genau diesen Gedanken vollzieht, wenn sie ihren Anton "weggibt". Da ist also doch mehr als die im Bewusstseinsstrom so aktive Abneigung, da ist noch ehrliche Sorge, gemischt mit Pflichtgefühl. Ein ganz unangenehmer Cocktail nach dem Gerda gar nicht mehr weiß, was sie tun soll außer einfach weitermachen.
Gut beobachtet und auf den Punkt gebracht.

Das alles in einem, wie ich finde, tollen, treibenden Bewusstseinsstrom mit überraschenden, kreativen Assoziationen.
Na, das lese ich gerne :)

Die rüderen Töne wie Scheißleben, Saufen etc. wurde nicht erst von dir kritisiert. Da muss ich noch überlegen, ganz überzeugt, das abzumildern, bin ich noch nicht.

An euch alle @wieselmaus @Friedrichard @Isegrims @Raindog @Vulkangestein ein herzliches Danke für eure Zeit, die ihr mir für den Text geschenkt habt. Danke für die lobenden und kritischen Worte und für einige Verbesserungsvorschläge, die ich umsetzen werde.

Bleibt alle gesund,
bernadette


 

Moin, moin liebe @bernadette ,

wie schön, mal wieder was von Dir zu lesen, das ist einfach das schöne an den "Spiel"-Runden - man liest was anderes, es schreiben Leute, die sich sonst rarer machen, man kommentiert ein bisschen mehr - schön, das es Euch alle gibt.

Eigentlich würde mir bei Deiner Geschichte ein - gerne gelesen auch gefallen, aber ganz so unkonstruktiv will ich dann doch nicht erscheinen. Also schaue ich mir mal die Zitate an, bei denen mir ein paar Sonntags-früh-Gedanken durch den Kopf gingen.

Fensterladen auf, Fensterladen zu
Was für ein lockender Titel, keine Ahnung, was auf mich zukommt?

hab‘ ich gestern zwei Flaschen Rotwein gesoffen? Hä? Nee, puh - die eine war nur noch halb. Sehr gut.
Gedankenstrom in dieser Menge war schon recht ungewöhnlich, aber es zieht einen rein, ich habe das Gefühl hinterherzurennen, Du denkst schnell :D
Hier hatte ich mich kurz gefragt, woran sie es merkt, mein Gedanke war, das da noch eine halb volle Flasche steht ... Dann wäre es aber ein: "die eine ist noch halb"

Ein Knäckebrot dazu. Mit Honig. Die Bienen haben es grade gut bei der Wärme. Karel Gott.
Boing-Boing-Boing - der Flip hat sich witzig angehört. Muss noch nach dem Wespennest schauen. Im Baumarkt Spray kaufen.
Was für herrliche Sprünge, aber ja, das machen meine Gedanken auch.

Schmatzen, Kaffeetrielen.
:crying::crying:
Den Einschub habe ich nicht verstanden, wer macht das? Anton ist noch nicht im Raum und sie denkt doch nicht selbst "ich schmatze"?

„Nein, er ist beim ersten Fenster. Dauert noch ein paar Minuten. Dann will er doch noch zum Briefkasten.“
Oh, oh, eigentlich darf ich gar nicht lachen, sowas kann ja jeden treffen, hat heute am Frühstückstisch mal wieder die Diskussion ausgelöst, wie wir in der Familie mit sowas umgehen würden ...

Deine Schulter war so breit.
Und danke, das Du Ihre Liebe immer mal wieder durchblitzen lässt, zumindest in der Erinnerung

Sei froh, dass dein Reinhard schon 1,80 tiefer liegt.
nett

Badfenster noch aufreißen.
Ach, vom Briefkasten zurück.
Er ist doch draußen am Briefkasten, ich sehe ihn triumpfierend die "Sonntagspost" hochrecken, warum dann dazwischen ins Bad?

„Hallo. Wir kennen uns. Ich weiß. Ich möchte dir gerne einen Witz erzählen.“
Ja, der Satz löst Erinnerungen aus, der gehört wohl bei allen dazu ...(zum Glück ohne den Witz)

„Vielleicht sollten wir jetzt doch mal darüber nachdenken, ob er ...“
„Nein, er bleibt hier. Was sollen denn die Leute denken, wenn ich ihn abschiebe?“
Ist das wirklich immer das erste Argument?

Was ist übrig von meinem Schatz?
:crying:

Würde so gerne wieder mal mit ihr ausgehen. Saturday Night fever, fe-e-ver. Schweiß vom Tanzen, Lachen, laute Musik. Spaß. Hmm.
Wenn nur mein Arsch so knackig wäre.
Oh, wie alt ist sie denn? Ist das ein sehr junger Dementer oder ein großer Altersunterschied. Der Satz bringt mich ins stutzen, der Neid auf den knackige Po der Freundin auch. Sorry, falls Du dies alles schon beantwortet hast, wenn ich möglichst viele Copys kommentieren will, schaffe ich die Komms einfach nicht.

„Mitten im Mittag, Gerda?“
Regional? Mitten am Tag oder einfach Mittags? wäre für meine norddeutschen Ohren vertrauter.

Vielleicht stirbt er. Vielleicht stirbt er? Wie wäre es denn …
oh weia, diese heimlichen Gedanken über die "Erlösung" für alle und die damit verbundenen Schuldgefühle

Ich darf doch nicht wollen, dass du bald ganz weg bist. Fenster auf, Fenster zu. Es quietscht. Kaktussssssssssssss.
Der Schlusssatz ist mir ein wenig drüber, ich bin ja voll in ihren Gedanken und glaube einfach nicht, das Sie freiwillig daran denken mag.

Ich schaue jetzt mal ins Original, mal schauen wie es als Copy wirkt. Ah! Ich kannte die Geschichte nicht, aber das ist natürlich perfekt. Super gelöst.
Wünsche Dir einen schönen Sonntag
Beste Wünsche
witch

 

Liebe witch,

vielen Dank für deinen Kommentar.

Da ich das nicht nur bei dir gelesen habe:

Oh, wie alt ist sie denn? Ist das ein sehr junger Dementer oder ein großer Altersunterschied.
Mich hatte wieselmaus auch schon einmal mit der Frage konfrontiert und ich musste ihr sagen, dass ich mir da gar nicht soviel Gedanken drum gemacht habe. Ich habe in meiner Antwort an sie irgendeine mögliche Rechnung aufgemacht, dabei ist es tatsächlich wohl eher so, dass die Ehefrau auch einiges jünger sein könnte, wäre ja jetzt nichts Besonderes. Aber die Frage ist berechtigt, das ist nicht ganz ausgereift dargestellt.

Hier hatte ich mich kurz gefragt, woran sie es merkt, mein Gedanke war, das da noch eine halb volle Flasche steht ... Dann wäre es aber ein: "die eine ist noch halb"

Egal wie ich es gemeint habe, ist dein Einwand richtig: ich dachte, dass ihr beim Drübernachdenken einfiel, dass sie eineinhalb Flaschen getrunken hat, weil vor dem Beginn des Trinkens noch eine halbe Flasche da war. Also dass das besser ist, als zwei getrunken zu haben.
Aber wie soll das ein Leser kapieren?
Das muss ich ändern. Danke.

Badfenster noch aufreißen.
Ach, vom Briefkasten zurück.

Er ist doch draußen am Briefkasten, ich sehe ihn triumpfierend die "Sonntagspost" hochrecken, warum dann dazwischen ins Bad?

Ich kann es gut verstehen, dass man nicht jeden Sprung beim SoC verstehen kann.
Hier war das von mir so gedacht:
Anton macht ja immer alles dicht. Fenster, Läden. Gerda hat sie schnell wieder aufgerissen.

Liebe witch, ich weiß, dass du wenig Zeit hast für all das, umso mehr habe ich mich über deinen Kommentar gefreut.

Liebe Grüße
bernadette

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey @bernadette ,

was für ein ungewöhnlicher Text. Mir fällt auf, dass ich noch nicht viele SoC-Texte gelesen habe, sehr spannende Erfahrung. Ich erklär dir, was bei mir passiert ist. Zuerst bin ich null in den Text reingekommen. Das sage ich so, weils wirklich so war. Ich hab so gut wie gar nichts verstanden und das über mehrere Absätze. Bevor ich dir schreibe, wie sich der Knoten für mich gelöst hat, hier einige Stellen, die ich mir beim Lesen dann herauszitiert habe, und meine Gedanken dazu:

dem Rotkopf

da dachte ich mir. Hä? Was für ein Rotkopf? Ich habe später keinen Hinweis, nichts gefunden, was das nochmal erklärt. Vielleicht wollte sie Rotschopf schreiben, dachte ich mir. Warum Rotkopf? Wer oder was ist das?

Aus aller Welt.

hier dachte ich: ist das jetzt Rhythmus, weil so sehr am Anfang? Was meint das? Bedeutet das überhaupt etwas bzw. ist das einfach eine ganz elliptische Form von "Ich fühle mich wie aus allen Himmeln/Wolken gefallen"?

Hä? Nee, puh

So Whatsapp-mäßig.

Muss morgen das Leergut wegbringen. Zwei Kartons voll.

Weil ich ja das Thema überhaupt nicht gerafft habe, dachte ich mir, warum wird mir das hier gerade in seiner Belanglosigkeit erzählt? Ich habe ja auch nicht gewusst, dass sie schon älter ist. Rentner(in) hatte ich so langsam angenommen. Aber eher jünger; eben auch wegen der Sprache.

Er ist aufgewacht. Schon vorbei. Nicht mal Todesanzeigen gelesen.

Vor allem dieses schon vorbei hat mich sehr verwirrt. Ich wusste gar nicht, um was es gerade geht, wovon hier gesprochen wird.

Boing-Boing-Boing - der Flip hat sich witzig angehört

auch das.

Also los, Murmeltier. Rechtes Fenster. Oh, zackig aufgerissen. Das Quietschen vom Fensterladen, Herrgott, ich kann es nicht mehr hören.

Hier dachte ich mir: Mit wem redet er oder sie da eigentlich gerade? Oder ist das irgendeine Code-Sprache?

Schmatzen, Kaffeetrielen.
Leerer Kasten, schiefe Grimasse.

hier war ich langsam auf dem Trichter, ja, SoC, hier peitschen einfach alle Eindrücke aufeinander. Hier habe ich mich dann gefragt, dass das ja eher Außenblick ist. Als würde eher die Erzählerin einen SoC in dem Sinne schildern, dass sie alle Bilder aufschreibt, die sie (meinetwegen auch die Autorin) sieht. Würde Gerda im SoC denken, dass sie gerade eine schiefe Grimasse zieht? Das kann man doch nur von außen beurteilen.


Ich mach hier mal Schluss und lösche die weiteren Zitate, die ich mir herausgeschrieben habe. Ich will nicht an deinem Text vorbeiquatschen. Hoffe, du kannst auch mit diesem ersten, verwirrten Eindruck was anfangen.

Nach einer gewissen Zeit bin ich dann erstmal in die Kommentare. Da war kein Zeichen von Missverständnis. Vielleicht auch, weil einige den Referenztext kannten. Vielleicht auch, weil sie sich gleich mehr auf den SoC eingelassen haben. Ich habe dann ohne Rotstift gelesen. Auch nicht in Frage gestellt, was du schreibst. Also muss ich ehrlich auch sagen, ich habe dann unkritisch gelesen. Da hat es sehr viel besser funktioniert. Ich habe dann mit den ganzen Infos aus den Kommentaren die Geschichte besser einordnen können. Dann habe ich auch die Bitterkeit gelesen und auch die manchmal sehr guten Sprünge (Quietschende Fensterläden – sie denkt ans Wechseln der Reifen). Viel Emotionalität; eigentlich ein sehr starker Text, finde ich. Ich wäre aber niemals einfach so reingekommen; ich hoffe du kannst meiner anfänglichen Verwirrung entnehmen, weshalb. Ich kann dir deshalb erstmal nur den Eindruck dalassen, dass ich den Text, nachdem ich die Kommentare gelesen habe, sehr eindrücklich und stark fand, das ich mit dem SoC aber auch (persönlich bedingt, wie auch immer) große Schwierigkeiten hatte.

So viel erstmal von mir. Ich werde Vulkangesteins Text gleich noch lesen und dann wohl auch noch etwas zum Vergleich ins Edit schreiben.

Liebe Grüße, Bernadette. Schön, mal wieder etwas von dir zu lesen, mal wieder ein Bild zu haben.
Carlo


Edit: Der Text von @Vulkangestein ist also aus Antons Perspektive geschrieben. Dem konnte ich natürlich schon deshalb besser folgen, weil ich die Umrisse der Geschichte kenne. Dazu hat aber auch der eher Personale Erzähler beigetragen. Ist dort eben kein SoC.

Ich merke, dass dieser Perspektivwechsel, im CW nun mehrmals gelesen und selbst auch geschrieben, wirklich eine gute Möglichkeit einer zweiten Annäherung an einen Text ist. Auch hier ist das so. Ich finde es in dem Sinne auch spannend, das einmal mit einem Personalen Erzähler und einmal im SoC zu erleben. Tatsächlich finde ich die Innenansicht bei Vulkangestein schon gut gelungen, aber denke auch, dass das sehr sehr schwierig ist. Ein Freund arbeitet derzeit auch an einem langen Text über das Thema und da ist es auch eine Außenperspektive und trotzdem bringt er mir dieses Verschaltete der Demenz, das mir absolut fremd ist, näher. In Ein Tag wie jeder andere spüre ich sehr den Autor, der die eigentlich unmögliche Empathieleistung, das aus der Perspektive des Demenzkranken zu schreiben, zu erbringen versucht. Er ist sichtbar für mich und das stört mich. Das sagt aber eigentlich nur, dass ich nicht ganz bereit bin, mich auf die Geschichte einzulassen, was, glaube ich, an einer Grundskepsis meinerseits gegenüber solchen schwierigen Themen liegt. Ich kann solche Geschichten, wo es schon auch um Betroffenheit geht, nicht völlig ohne Informationen über den Autor oder Veröffentlichungskontext lesen. Da kann man jetzt denken: Was hat das denn bitte mit der Geschichte zu tun? Ich weiß auch nicht, es ist nur ein Gefühl. Wenn ich ein Buch in der Hand habe und ich weiß, das ist autobiografisch und da ist mit viel Mühe so eine Annäherung gemacht worden, vielleicht auch mit vielen Augen und Händen, dann bin ich bereit, da Eingeständnisse zu machen. Das Stichwort ist da für mich die Willing Suspension of Disbelief (von Peeperkorn nochmal den Hinweis auf dieses Phänomen bekommen). Betrifft jetzt eigentlich nur den Text von Vulkangestein ...
Das mal als mein persönlicher SoC zu Vorlage und Zusammenspiel :rolleyes:

LG nochmal

 

Liebe bernadette,
hier ist Gegenbesuch!

Das ist für mich ein schwieriger Text. Nicht falsch verstehen, du hast das wirklich gut gemacht, es ist nur so, ich mag zunehmend keine Texte mehr im reinen SOC oder wie das Dingens heißt. Ich mag das in kleinen Dosen oder in entsprechend funktionaler Form als innere Rede in einem Text eingesetzt, aber ganz und gar im SOC? Manchmal will ich das gar nicht wissen, was die Leute alles im Kopf haben.
Für mich beginnt das schon immer mit der räumlichen und zeitlichen Orientierung. Natürlich kriegt man das hin, es zu verstehen, auch wenn man bis zum zweiten Absatz braucht, um zu begreifen, mit wem man es wo eigentlich zu tun hat, aber bis dahin stolpert man eben auch durch ein paar Gedankenfetzen, von denen man nicht weiß, welchen Bezug sie zur Geschichte haben.
Auch stilistisch gibt es da was zu bedenken. Man neigt dazu, Ellipsen zu benutzen, Satzfetzen, ganze Sätze, Prädikate, komplexere Strukturen kommen kaum mehr vor, um die Unmittelbarkeit auszudrücken.
Mir leuchtet das nicht immer ein, ich frage mich, warum man sich unbedingt so beschränken muss. Ein schneller Gedankenanflug, eine Beobachtung kann auch in Sätzen erfolgen. Das muss doch nicht immer wie eine Kochanleitung klingen.

Also du siehst, bernadette, ich bin eigentlich eine gediegene SOC-Hasserin. Trotzdem hast du mir diese Geschichte nahegebracht über einen ganz bestimmten Punkt, der eigentlich nur schwach spürbar ist, fast nur angedeutet. Dafür aber eben auch sehr sensibel und feinfühlig eingesetzt.
Die ist ja fix und alle die Frau, total fertig, braucht den Alkohol als Ventil, als Versüßung und Entspannung, kann ihren alten Anton kaum mehr aushalten. Sie wird zunehmend unangenehm in ihrer Gestresstheit und Gereiztheit, auch wenn man sie um ihre Situation echt nicht beneidet, man spürt die Anspannung, den Druck, das ist schon sehr gut, wie du das machst, sie befindet sich in einem Zustand, bei dem man sich sogar vorstellen kann, dass sie ihn schubst oder gar Schlimmeres. Die Vorstellung, ihn ins Heim zu geben, ist undenkbar für sie, der Grund ist vor allem ihr Ansehen. Obwohl sie schon jetzt mal ein Äuglein riskiert und einen möglichen Antonnachfolger in Betracht zieht, ob das nun der zu junge Postbote ist oder der Frieder.
So, das alles ist wie gesagt, nicht nur ganz wunderbar gemacht, (auch wenn es im SOC steht) man geht wirklich mit, lernt sie kennen, so unangenehm einem das vielleicht sogar ist, aber man lernt sie kennen ... aus all dem ist eigentlich klar, sie wünscht sich nur noch, dass er stirbt. Und es wird ja auch immer mal wieder angedeutet oder mehr als das.
Sogar gegen Ende, wenn er ihr wegen ihres Trunkenheitsschläfchens abhauen kann, da ist ihr Hauptgefühl zunächst mal, dass sie Schuld hat. Schuld zu fühlen hat oft weniger mit Zuneigung zu der geschädigten Peson zu tun als mit der Angst um das eigene Ansehen.
Doch merkwürdigerweise, ganz ganz zum Schluss, kommt dieser Satz:

Ich darf doch nicht wollen, dass du bald ganz weg bist. Fenster auf, Fenster zu. Es quietscht. Kaktussssssssssssss.
Und in dem spüre ich auf eine sehr verquere Weise echte, aber völlig verschüttete Traurigkeit über Antons mögliches Ende. Du hast das ja auch angebahnt, wenn du sie beobachten lässt, wie er da liegt mit seinem aufgerissenen Hemd, wenn sie nicht sehen kann, wie er behandelt wird, wie sie Angst um seine Rippen hat. Es ist nur schwach da, aber genau das fand ich so klasse, weil sie ja solche Gefühle auch gar nicht mehr zulassen kann, die sind doch längst verschüttet im täglichen Trott.
Das hat für mich die Geschichte stark gemacht. Es war eine schöne Entwicklung von normaler Frau zu einem Besen und dann hat der Besen auf einmal ein paar ganz ganz weiche, sanfte Borsten.


Noch paar Details und ich versuch mal, mich auf den Standpunkt des SOC zu beamen und von der Linie aus zu kommentieren:

Hä? Nee, puh - die eine war nur noch halb. Sehr gut. Muss morgen das Leergut wegbringen.
Denkt wirklich irgendjemand "Puh"? das klingt wie aus einem Comic. Und leider aus keinem guten. Bernadette, sowas brauchst du doch gar nicht.

Boing-Boing-Boing - der Flip hat sich witzig angehört. Muss noch nach dem Wespennest schauen.
Das kam für mich völlig zusammenhanglos. Was soll das sein? Soll das was mit Biene Maja zu tun haben? Könnte man glatt streichen aus meiner Sicht.

Er ist aufgewacht. Schon vorbei. Nicht mal Todesanzeigen gelesen. Also los, Murmeltier. Rechtes Fenster. Oh, zackig aufgerissen. Das Quietschen vom Fensterladen, Herrgott, ich kann es nicht mehr hören.
Hier finde ich das Bruchstückhafte einerseits gut, man versteht, dass sie sofort mit ihrer Zeitung aufhören muss. Aber man denkt, sie müsste sich zu einer Arbeit anstacheln, zu der sie das Fenster aufreißen muss. Und man denkt, sie beschwert sich darüber, dass die quietschen. Hier würde ich dem Leser etwas mehr Orientierung gönnen, man sollte merken können, dass das Aufreißen seine Aktion ist.

Schmatzen, Kaffeetrielen.
Ich habs gelesen, was das heißen soll. So allein auf weiter Flur sieht der mundartliche Ausdruck wie ein Tippfehler aus.

Leerer Kasten, schiefe Grimasse.
Schiefe Grimasse klingt komisch. Eine Grimasse zeichnet sich dadurch aus, dass sie das Gesicht schief macht. Wär also irgendwei doppelt gemoppelt. Es einfach weglassen geht nicht, auch das hier wäre eine Möglichkeit für einen kurzen eindeutigeren satz. Müsste man mal prüfen. Ich würd hier auch hinschreiben, dass es um Anton geht, ich nehme zwar an, sie bezieht sich auf sein Gesicht und nicht auf ihres, aber so ganz eindeutig ist es nicht.

Fensterladen auf, Fensterladen zu. Fensterladen auf, Fensterladen zu. ICH HALT DAS NICHT MEHR AUS.
Hier finde ich es gut, es ist ja das, was sie nervt und an den Rand bringt. Das zu wiederholen, verstärkt den gewünschten Effekt auf den Leser. Auch die Großbuchstaben passen.

Gerda, was macht Anton denn immer mit den Läden? Blöde Kuh. Siehst du doch. Sei froh, dass dein Reinhard schon 1,80 tiefer liegt.
Hier gefällts mir weniger. Das vorangestellte Gerda klingt, als wollte die Protagonistin jemanden fragen. Klingt außerdem unrythmisch. Kann man weglassen.

„Anton, Frühstück!“ Ja, komm‘ mir wie ein Entchen hinterher. Will doch nicht. Tee hat gezogen.
Auch das ist in der Kürze nicht eindeutig. Will er nicht? Will sie nicht? Klingt auch sehr unrythmisch.

„Ja, wo sonst?“ Was für eine blöde Frage, weiß er doch selbst. Ist mir keine Stütze.
Hier finde ich es gut gemacht.

Mäusefallen. Vier gefunden. Gleich noch Anne anrufen.
Vorhin hieß sie noch Annemarie. Nenn sie doch von Anfang an Anne. Macht es einfacher.

Blaulicht frisst sich in den Himmel.
Schönes Bild

„Anton!“ Wer hält mich da zurück?
„Frieder, lass mich!“
Ohne den Gedanken fände ich es hier schneller.

Da liegt er. Bleich. Das Hemd aufgerissen, die Augen halb zu.
„Anton, hörst du mich?“
„Wer sind Sie? Ich muss nach Hause.“
Wer fasst meinen Arm?
Hier dagegen, das ist toll.

Ja und dann das eindrückliche, berührende Ende. So muss es sein.

Bernadette, ein tolles Copy, auch wenn ich nicht der SOC-Fan bin, aber da kannst du ja nix für und ich hab hoffenltich deutlich machen können, dass es in deiner Geschichte sehr viel Nachdrückliches es auch jenseits des SOC gibt. :)
Viele liebe Grüße an dich
Novak

 

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