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- 05.03.2006
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Flucht in die Liebe
„Kommst du am Rosenmontag mit ins Lutherhaus zur Evangelischen Jugend?", fragte Friedrich.
„Du bist ja nicht mal Mitglied", antwortete Friederike.
„Auch die Freunde der Mitglieder sind herzlich eingeladen."
„Ich kann nicht", sagte Friederike. „Meine Eltern fahren in die Stadt und sehen sich den Karnevalszug an und da muss ich mit.“
Friedrich ließ sich seine Enttäuschung nicht anmerken und bedrängte Friederike nicht weiter. Er wusste nur zu gut, wenn Friederikes Eltern einmal etwas beschlossen hatten, war es zwecklos sich dagegen aufzulehnen. Am liebsten wäre er mit in die Innenstadt gefahren; er hatte aber seinen Klassenkameraden versprochen ins Lutherhaus zu kommen. Am Rosenmontag war der große Saal des Lutherhauses überfüllt. Friedrich hatte sich als Cowboy verkleidet; als längst schon getanzt wurde, betrat eine Haremsdame den Saal. Sie trug goldene Schuhe und goldene Handschuhe und vor dem Gesicht einen Schleier, der nur die Augen frei ließ, die kunstvoll mandelförmig geschminkt waren. Von Kopf bis Fuß wirkte die Haremsdame exotisch und strahlte aufreizende Schönheit aus, denn sie trat auf wie eine Schauspielerin, die unvermutet aus den Kulissen auf die Bühne kommt. Nicht nur die Jungen, erst recht die Mädchen betrachteten sie staunend und eifersüchtig und rätselten, wer sich wohl hinter der Maskerade verbergen könnte.
Friedrich zögerte lange, sich ihr zu nähern; er fürchtete sich sogar etwas vor dieser hoheitsvollen Erscheinung. Dann, als er sah, dass andere Jungen mit ihr tanzten, nahm er seinen ganzen Mut zusammen und lud die Haremsdame zu einer Cola an die Bar ein, „Mannomann, du siehst ja scharf aus", sagte er, „Ich habe dich hier noch nie gesehen . Wo
kommst du her?"
„Kennst du mich denn nicht?" fragte die hübsche Dame.
„Wenn du deinen Schleier für mich hochheben würdest, könnte ich sehen, wer du bist", erwiderte er. Ganz vorsichtig hob sie ihren Schleier hoch. Friedrich dachte, er sieht nicht richtig. Es war tatsächlich seine Friedericke. Aber sie müsste doch eigentlich bei ihren Eltern sein! Er wollte sie gerade fragen, da küsste sie ihn auf den Mund. Friedrich schwebte auf der siebten Wolke. Dann hielt sie inne und fragte ihn, ob er tanzen wolle. Da konnte er gar nicht nein sagen und sie tanzten Wiener Walzer. Ganz romantisch schauten sie sich dabei in die Augen. Ein weiterer Kuss folgte. Plötzlich bemerkten die beiden Friederikes Eltern.
Damit ihre Eltern, die besorgt nach ihr suchten, sie nicht finden konnten liefen sie aus dem Casino. „Was jetzt?", fragte Friedrich. „Ich weiß nicht! Im Moment verstehe ich mich nicht so gut mit meinen Eltern und mir würde es nichts ausmachen, wenn wir etwas ganz Verrücktes tun würden." antwortete Friedericke unsicher.
„Du meinst... wir sollen abhauen,... aber wohin?"
„Hast du Geld dabei? Dann könnten wir uns einen Zug nehmen!", erwiderte Friedericke.
„Ja, habe ich! Genug sogar! Ich habe meine Bankkarte mit und auf meinem Konto sind über 1000 Euro!", gab er zurück.
Langsam schlenderten sie zum Bahnhof, der nicht weit vom Casino entfernt war. Als sie ankamen, fragten sie sich, wohin sie fahren sollten. Sie kamen zu dem Entschluss, einfach den nächsten Zug zu nehmen und das Schicksal entscheiden zu lassen. Nach etwa zehn Minuten war es soweit: Ein Zug rollte ein. Hand in Hand stiegen sie ein und suchten sich ein leeres Abteil. Müde von dem langen Tag schlief Friederike in Friedrichs Armen ein. Wo sollte die Reise hingehen?
Durch das laute Räuspern des Schaffners wurden die beiden wach.
„Fahrkarten bitte!!“ sagte er mit strenger Stimme. Erschrocken sahen die beiden auf und fragten, wohin der Zug fahren würde. Er antwortete: „Der Zug fährt nach Kiel und es dauert noch etwa eine Stunde." Sie klärten die Situation und bezahlten ihre Tickets.
Als der Schaffner wieder gegangen war, fragte Friederike: „Und was machen wir, wenn wir in Kiel sind?" Darauf antwortete Friedrich: „Ich habe gedacht wir suchen uns ein schönes Hotel."
"Aber wie lange wollen wir denn hier bleiben? Ich kann mir nicht vorstellen, ganz von Zuhause wegzugehen!“, erwiderte Friederike sofort und hielt sich die Hand vors Gesicht. Sie weinte und murmelte vor sich hin: „Was haben wir getan?! Sie werden uns suchen! Warum sind wir abgehauen?"
Friedrich nahm sie in den Arm, tröstete sie und flüsterte ihr ins Ohr: „Weil wir uns über alles lieben und uns nicht trennen lassen wollten!“ Er wischte ihr die Tränen aus dem Gesicht und sie küssten sich.
Die Zeit verging schnell und der Zug hielt an. Hand in Hand stiegen sie aus und gingen in ein Hotel, welches nicht weit vom Bahnhof entfernt war. Die beiden wunderten sich, denn die Frau an der Rezeption wollte keinen Ausweis sehen. Sie achtete nicht mal auf das Alter der beiden. Also bezahlten die beiden das Zimmer, worin sie zu zweit schlafen würden und gingen die Treppe hinauf.
Ihr Zimmer hatte die Nummer 25. Friederike und Friedrich gingen hinein und machten sich frisch. Sie mussten in Unterwäsche schlafen, da sie keine andere Kleidung dabei hatten. Es war schon zwölf Uhr und die beiden waren sehr müde. Sie gaben sich noch einen Gutenachtkuss und schliefen dann nebeneinander ein.
In dieser Nacht taten die Eltern der beiden sich zusammen und suchten die Stadt ab. Da man eine Vermisstenanzeige erst nach 24 Stunden aufgeben konnte, unternahmen sie etwas auf ihre eigene Faust. Die ganze Nacht suchten sie, bis sie letzten Endes aufgaben. Sie nahmen sich vor, um neun Uhr zur Polizei zu gehen.
Um acht Uhr wachten Friederike und Friedrich auf. Ohne ihm einen guten Morgen zu wünschen, sagte Friedericke sofort: „Lass uns zuhause anrufen, sagen, dass es uns gut geht und wo wir sind !" Friedrich war ganz ihrer Meinung.
Mit dem Telefon, dass auf dem Nachtschränkchen neben Friederike stand, rief sie ihre Eltern an. Es dauerte nur kurze Zeit, bis ihre Mutter ans Telefon ging.
Sie meldete sich leise: „Hallo?“ Friederike zögerte ein wenig. „Wer ist da?“ In ihrer Stimme war die Verzweiflung, die eine Mutter sicherlich hat, wenn ihre Tochter spurlos verschwunden ist, gut zu erkennen. Sie wusste ja nicht, dass es ihre Tochter war, die sie angerufen hatte. „Ich bin es! Friederike“, erwiderte sie traurig, da sie die Verzweiflung aus der Stimme ihrer Mutter heraushörte. „Friederike, wo seid ihr? Wie geht es euch? Was sollte das Ganze?“, strömte es aus ihr heraus. Friederike kam kaum zu Wort. Ihre Mutter hörte sich gar nicht mehr verzweifelt an, sondern eher wütend.
„Mama, hör mir doch mal zu!“, gab sie laut zurück. „Ich weiß, wir haben Blödsinn gemacht, aber wir haben es einfach getan. Doch haben wir ein schlechtes Gewissen wegen euch und darum melden wir uns jetzt. Wir haben aber noch nicht vor, nach Hause zu kommen, erst morgen oder übermorgen, dann aber ganz bestimmt. Macht euch keine Sorgen und regt euch bloß nicht zu sehr auf, wir sind keine kleinen Kinder mehr und versprechen, auf uns aufzupassen. Bis übermorgen“, sagte sie noch, „und denkt nicht so viel über eine angemessene Strafe für uns nach, hab euch lieb.“ Sie legte den Hörer auf.
Friedrich machte große Augen, er war erstaunt, wie gefasst und entschlossen Friederike mit ihrer Mutter sprach. Dasselbe stand ihm jetzt bevor. Stolz auf sich selber nahm Frederike ihren Liebsten in den Arm und küsste ihn sanft. Friedrichs Eltern klangen eher besorgt, aber Friedrich versprach ihnen auch, in ein bis zwei Tagen wieder nach Hause zu kommen, damit sie keine Vermisstenanzeige aufgeben würden. Sie reagierten nicht gerade erfreut, aber das störte Friedrich nicht weiter. Beide waren froh, das Gespräch hinter sich gebracht zu haben.
Die beiden zogen sich an und gingen in den Frühstückssaal. Sie staunten nicht schlecht, als sie die Büffets sahen. „Das ist ja der Wahnsinn!“, meinte Friederike. Sie setzten sich an einen Tisch für zwei. Über ihre Eltern machten sie sich jetzt überhaupt keine Gedanken mehr. Beiden war klar, dass sie dafür noch genug Zeit hätten, wenn sie wieder daheim wären. Die Strafe würde sicher nicht zimperlich ausfallen.
Sie genossen ihr Frühstück und sich. Das Wetter war herrlich, die Welt stand ihnen offen. Dieses Gefühl nahmen sie mit und sie wussten, das ihnen keiner mehr nehmen konnte, was sie jetzt gemeinsam erlebten. Bei einem Spaziergang am Wasser begann Friedrich von Frankreich zu berichten. Er war als kleiner Junge schon mal dort gewesen und diese Bilder hatte er noch genau vor sich. Friederike fasste nach seiner Hand. „Ich würde so gerne mit dir dort hinfahren! Und irgendetwas Romantisches mit dir erleben“, flüsterte sie ihm ins Ohr und drückte seine Hand dabei fest. Er drückte daraufhin seinen Daumen auf ihren Mund und machte ihr damit verständlich, dass er es natürlich auch wollte. Er war so in dieses Mädchen verliebt! Er würde sie niemals hergeben.
Die beiden setzten sich nach ein paar geschafften Metern auf eine Parkbank und küssten sich leidenschaftlich. Sie waren in einer anderen Welt, schwebten auf der siebten Wolke. Doch dann holte ein großer, kräftiger Polizist die beiden wieder in die richtige Welt zurück.
„Seit ihr nicht die vermissten Jugendlichen, die gestern Abend abgehauen sind?" Friederike wusste, es würde nichts bringen abzuhauen. Oder hatte Friedrich vielleicht dieselben Gedanken? Nervös schauten die beiden sich an. „Vermisst?", tat Friedrich verwundert. Vergeblich, denn der Polizist hatte ein Foto der beiden dabei. „Mitkommen!“, erwiderte er mit rauer, genervter Stimme. Nun war die Abenteuerreise vorbei, das wussten die beiden, doch sie würden immer zusammen bleiben und dieses Abenteuer war garantiert nicht das letzte...
(erdacht von Vanessa und Julia)