Formen des Romans
Darüber, was denn die Form eines Romans sei, gibt es Irrungen und Wirrungen. Die lassen wir mal weg.
Zunächst ist ein Roman selbst die Form einer höheren Gattung, der Epik. Daran sieht man, dass die Form eines Romans wiederum nicht verwechselt werden sollte mit dem Genre. Es geht hier also nicht um den Inhalt, sondern um die Gestaltung, dem Gerüst des Erzählens.
So können Genres und Themen in verschiedener Form dargeboten werden. Einige Beispiele:
Briefroman
Die Briefe sind fiktiv. Die Sprache der Verfasser entspricht meist nicht den Anforderungen, die ein Leser an einen professionellen Erzähler stellt. Die Herausforderung für den Autor besteht darin (um den Briefwechsel glaubwürdig zu machen), unterschiedliche Sprachregister und Tonhaltungen bei den jeweiligen Briefschreibern zu verwenden.
Tagebuchroman
Auch hier ist der Name Programm. Wie beim Briefroman, muss der Autor (einen Erzähler gibt es auch hier nicht?) sich einer Ausdrucksweise bedienen, die (im Moment des Schreibens) nicht zur Veröffentlichung gedacht ist. Ein Tagebuch ist ja etwas zum persönlichen Gebrauch.
Schlüsselroman
Eine spezielle Erzählform, die nicht leicht einzusortieren ist. Daher Näheres unter „Das Genre“
Entwicklungsroman
Er schildert die geistige oder soziale Entwicklung der Hauptfigur über einen abgesteckten Zeitrahmen. Diese Entwicklung steht im Vordergrund und ist für den Leser einsichtig, da der Protagonist seine Erlebnisse offen reflektiert. Daraus entwickelt er Erkenntnisse, die sein bisheriges Verhalten oder seine Zielsetzung in Frage stellen oder bekräftigen oder eine neue Richtung/Vorgehensweise anraten.
Bildungsroman
Ähnlich dem Entwicklungsroman, nur hat man es hier eher mit einem „unbeschriebenen Blatt“ zu tun, einem Helden, der noch nicht seinen Platz in der Gesellschaft gefunden hat.
Der Held ist ein junger Mensch, der versucht, sich mit seiner Umwelt in Einklang zu bringen. Dabei macht er nicht nur Erfahrungen mit den zwei großen Weltbildern, dem vertikalen und dem horizontalen, sondern und viel mehr mit dem Zeitgeist, der in seinem Umfeld vorherrscht.
Das Ergebnis kann für den Leser befriedigend sein (wenn der Held sich anpasst) oder ihn unbefriedigt bis verwirrt zurücklassen, wenn der Held sich absondert.
Der historische Roman
Beitrag von Friedrichard
Der Geschichtsroman gestaltet künstlerisch historische Ereignisse in Prosaform.
Das Wort „Geschichte“ (ahd. gisciht) ist vom Verb „geschehen“ (ahd. giskehan) abgeleitet und meint zunächst „Begebenheit / Ereignis /Geschehnis“, um bereits im mhd. die Folge(n) des Ereignisses einzubeziehen. Aber erst im Übergang mhd. zum frühen nhd. (15. Jh.) wird auch die Erzählung (aber auch der Bericht) über dieses Geschehen in die "Geschichte" einbezogen und historia. Erst mit Herder wird Geschichte zur Wissenschaft und erst mit dem Durchbruch des Geschichtsbewusstseins der Romantik(er) entsteht der Geschichtsroman - im deutschsprachigen Raum verknüpft mit den Namen Arnims, Hauff (Lichtenstein und Jud Süß!) und Novalis mit einem Höhepunkt im bürgerlichen Realismus bei C. F. Meyer, der auch ein Problem auf schlichte Art gelöst hat, indem sein Personal die Sprache der Jetztzeit spricht, was aber genug Fußfallen birgt in Dingen, die es „früher“ nicht gab.
Für alle Formen „historischen“ Erzählens – selbst für die (Auto-)Biografie gilt, dass es eine Annäherung bleibt, ein Bild, dass sich der Autor von der/den Person/en, dem/den Ereignis/sen macht. Aber zwischen Belletristen und Wissenschaftlern besteht ein entscheidender Unterschied: Müht sich der Belletrist gemeinhin allzu selten, Archive aufzusuchen, um Handschriften zu lesen, die er vielleicht gar nicht entziffern und/oder erst recht nicht verstehen kann oder will, selbst wenn sie in einer alten Fassung seiner Muttersprache verfasst sind, verlässt er sich auf Spezialisten, und wär's der eigene Großvater, die ihm das aufwändige Studium abnehmen (im anderen Falle wär er buchstäblich von allen guten Geistern verlassen). Und obwohl er nicht unbedingt sein Wissen erweitert, schmückt er Vorgekautes aus und deutet es nach seiner Interessenlage. Die Mühe des dokumentarischen Puzzles überlässt er dem/den Spezialisten – und je begrenzter die Datenlage, umso größer der freie Raum der belletristischen Fantasie.
Zum Problem ausführlicher:
War Karl der Große ein Selfmade-Man?
Der Episodenroman
Was denn ein Episodenroman sei, darüber streiten sich die Geister.
Sinngemäßes musste ich bereits des Öfteren hier schreiben. Was nicht weiter verwunderlich ist, denn nur solange sich die Geister streiten, haben sie eine Existenzberechtigung. Oder anders gesagt: Solange das Gebilde der Literaturwissenschaft nicht seine absolute Form erreicht hat, ernährt es den forschenden Literaturwissenschaftler.
Also, was nun? Zunächst möchte ich etwas ausschließen:
Ein Episodenroman ist keine Romanreihe, der eine Haupthandlung zugrunde liegt. Es ist auch kein in Häppchen geteilter Roman, also ein Gesamtwerk, das zur Gewinnsteigerung zerstückelt wird.
Der Episodenroman stellt sich aus mehreren Handlungssträngen (Episoden) zusammen. Die Handlungen sind verbunden durch ein übergeordnetes Thema.
Oder es gibt eine Art Führer (übergeordneter Erzähler) durch die Episoden, der für den mehr oder weniger losen Zusammenhalt sorgt.
Was heißt „mehr oder weniger“?
Es bedeutet, dass die Episoden gegen andere austauschbar sind, dass welche hinzugefügt oder herausgenommen werden können – solange es dem übergeordneten Thema dient oder die Erzählabsicht des Episodenführers nicht durchkreuzt.
Die Episoden untereinander können jeweils ein anderes Thema (und auch Motiv) beschreiben.
Jede Episode hat eigene Charaktere, die sich nicht unbedingt begegnen müssen.
Die einzelnen Episoden können jeweils unterschiedliche Genres bedienen.
Sie müssen nicht in der gleichen Zeit oder gar Epoche angesiedelt sein.
Sie müssen auch nicht am selben Ort spielen.
Die Novelle
Sie ist vom Roman genauso schwer zu unterscheiden wie von der Kurzgeschichte. Daher wird sie gerne über die Textlänge definiert. Man sagt, die Novelle sei länger als eine Kurzgeschichte und kürzer als ein Roman.
Das ist jedoch lediglich ein empirisches Merkmal, das sicherlich auf das Gros der Novellen zutrifft. Als Definition ist es jedoch nicht ausreichend.
Aufbau:
Der Einstieg ist direkt. Das Ende bleibt nicht offen.
Figuren:
Die Figurenzahl ist gering. Es gibt nur einen zentralen und ausgearbeiteten Charakter. Dieser kann aber auch als Stereotyp vereinfacht werden.
Die Hauptfigur befindet sich in einem extremen, inneren Konflikt, der sich in der Handlung zum Ausdruck bringt.
Konflikt:
Es gibt einen einzigen stark und konsequent ausformulierten Konflikt. Dessen Lösung (gut oder schlecht) wird auf den Punkt gebracht. Er sollte extreme Pole aufweisen: Wollen und Können, Gehorsam und Ungehorsam, Chaos und Ordnung usw. Oft treten entgegengesetzte Wertesysteme gegeneinander an.
Handlung:
Es gibt keine Nebenhandlung. Das beschriebene Ereignis ist beispiellos. Die Novelle zeichnet sich daher oft als Übertreibung aus. Dennoch ist das beschriebene Ereignis immer auch in der realen Welt möglich.
Deutung:
Symbole eröffnen oft eine metaphorische Ebene.
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Liste wird fortgesetzt … Vorschläge?
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