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Frösche klatschen

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17.12.2005
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Anmerkungen zum Text

Die Mundart auf der Insel Reichenau im Bodensee ist einmalig und droht auszusterben. Es ist eine Mischung des Alemannischen mit Anlehnung an die Mundart aus dem Thurgau, der Schweiz.

Frösche klatschen

Er wollte, dass seine Tochter mich am Bahnhof abholt, aber ich sagte ihm, dass ich mit dem Auto käme. Okay, nuschelte er und fügte noch hinzu: “Wosch jo, wo´n i wohn.“ Er legte sofort auf und mit gemischten Gefühlen trat ich ans Fenster, sah hinaus in den einsetzenden Regen. Banni, wie wir ihn damals nannten, war ein Raufbold und unsere Freundschaft musste nach seinen Wutausbrüchen immer wieder neu geschlossen werden. Er griff dabei auf eine große Palette landwirtschaftlicher Erzeugnisse zurück, die er auf dem Hof seiner Eltern vorfand. Mal waren es zwei rote Äpfel, mal ein Strunk Tomaten, die er mir als Versöhnung hinhielt. Ich war nie lange eingeschnappt, denn mit Banni gab es Erlebnisse, die kein anderer Junge in der Nachbarschaft auf Lager hatte. Ihm fiel immer ein Streich ein, manchmal mit hohem Risiko. Zerrissene und verschmutzte Kleidung; selbst Schürfwunden, versengte Haare und Sonnenbrand waren nicht selten. Als ich nach der vierten Klasse in der Stadt das Gymnasium besuchte, beschränkte sich unsere Freundschaft auf die Nachmittage, später nur noch auf die Wochenenden. Langsam trennte uns das Bildungsniveau. Immer wieder warf er mir vor, dass ich mich als Klugscheißer aufspiele. Er übernahm bald darauf den kleinen Hof seiner Eltern. Ich zog mich zusehends zurück und irgendwann verlief die Freundschaft im Sande. Wir trafen uns manchmal noch zufällig bei Veranstaltungen und als ich mit meinen Eltern und Geschwistern in die Stadt zog, verloren wir uns ganz aus den Augen.

Jetzt sind wir fünfzig und eine Mitschülerin hat das erste Klassentreffen der Grundschule organisiert. Da mein Anfahrtsweg gute fünf Stunden betrug, hatte Banni mir die Übernachtung in seinem Haus angeboten. In einem langen Telefongespräch erzählte er mir vom Tod seiner Eltern, dass er eine aus der Klasse unter uns geheiratet habe und daraus eine Tochter namens Ilona hervorging. Seine Frau sei kurz nach der Geburt gestorben und jetzt sei Ilona dabei, den Hof auf Bio umzumodeln. Er ziehe sich langsam zurück, warum, dass wolle er mir persönlich erzählen. „Des vuzäll i dir denn no, wenn do bisch. Hot sich vill vuänderet, gsesch es denn no – wenn kunsch? Soll d´lona di go holle? Asso, kunsch mitm Karre – jo denn, wosch jo, wo´n i wohn.“
Die Sonne steht tief, als ich auf die Insel fahre. Pappeln säumen beidseitig die Straße. Das Schilf zeigt keimendes Grün zwischen den trockenen Halmen, auf dem See tummeln sich Unmengen von Wasservögeln. Vieles hat sich verändert, alte Häuser sind renoviert oder großzügig erweitert worden, neue sind hinzugekommen. Straßen, die sich früher als Feldwege zwischen den Äckern wanden sind heute asphaltiert und beschildert. Als ich auf den Hof fahre, steht Banni bereits in der Haustür. Dickbäuchig, wettergegerbt und weißhaarig.

Wir sitzen noch nicht lange in seiner Küche. Draußen dunkelt es, Banni hat Speck aufgetischt, selbstgebackenes Brot und frischen Most, als seine Tochter sich grußlos zu uns setzt. Die Haut ihrer Finger ist rau und sie schneidet das Brot mit einem grobgezackten Messer, indem sie es an ihre Brust drückt. Most schenkt sie sich so heftig ein, dass einige Tropfen auf dem Tisch landen. Sie kaut mit offenem Mund, atmet hörbar durch die Nase.
„Ist das der, mit dem Du früher Frösche geklatscht hast?“
Banni sieht mich peinlich berührt an, errötet, obwohl sein Gesicht schon von Haus aus eine krankhafte Rotfärbung hat.
„Ilona, loss des si, des isch etz it dr richtig Zietpunkt für sottige G´spräch“, behutsam legt er seine Hand auf ihre, doch sie zieht ihre weg. Streicht eine Strähne ihrer roten Haare hinters Ohr.
„Du hast doch erzählt, dass ihr früher mit Dachziegeln die Frösche an den Gräben erschlagen habt.“ Fast feindselig starrt sie über den Tisch, fixiert mich herausfordernd, während sie kaut.
In mir tobt das schlechte Gewissen. Bilder tauchen auf. Banni links, ich rechts des frisch ausgehobenen Grabens. Jeder einen alten Dachziegel in der Hand. Bei jedem Schritt springen die Frösche vor uns ins trübe Wasser, bleibt einer sitzen, werfen wir den Ziegel und versuchen, ihn zu treffen. Fliegt der Ziegel ins Wasser, hat man verloren. Zum Schluss hat gewonnen, wer die meisten Frösche erlegt hatte. In meiner Erinnerung sehe ich hunderte auf dem hellen Lehm sitzen, ihr Quaken war nachts eine ununterbrochene Geräuschkulisse. Unsere Eltern wussten nichts von unserem Tun.
„Naja“, setze ich an. „Früher war alles voll mit Eidechsen, Fröschen, Maulwurfsgrillen, Mückenlarven, Libellen ohne Ende. Käfer, Spinnen. Wir machten uns keine Gedanken.“
„Und das soll eine Erklärung sein?“ Sie schneidet sich ein großes Stück Speck ab, trennt den weißen Fettstreifen vom Fleisch.
„Wir waren immer draußen, die Wiesen, der See – alles war unser Spielplatz und mit allem, was dazu gehörte. Da ging schon mal was zu Bruch“, starte ich einen weiteren Versuch, aber sie unterbricht mich schroff.
„Was für eine Arroganz. Alles an Arsch gemacht und dann – oppela – kann ja mal passieren. Dumm gelaufen für die Viecher.“ Sie wendet ihren Blick nicht ab, schiebt sich mechanisch ein Stück Brot in den Mund.
Ich schlage die Augen nieder, halte nicht stand. Spüre, wie Röte in mein Gesicht kriechen will. Spiele nervös unterm Tisch mit den Fingern, suche fieberhaft nach weiteren Erklärungen.
„Hosch´s Zügs vusorget?“ Banni will das Thema wechseln, ablenken. Aber sie nickt nur, ohne den Blick zu unterbrechen.
„Damals gab es kein Bewusstsein für die Umwelt. Alles war im Überfluss vorhanden und niemand dachte daran, dass es mal weniger werden könnte. Wenn im Juni die Kaulquappen an Land kamen, dann hieß es, es habe Frösche geregnet. Die Ufer waren schwarz von den kleinen Hüpfern – das kann man sich heute gar nicht mehr“, ich verschlucke das letzte Wort, weil die Bedeutung des Gesagten wie ein Blitz in mich fährt.
„Vorstellen“, sagt Ilona leise. „So ist das also. Ihr habt in euch eine Vorstellung vom dem, was mal war und was, bitte, sollen wir uns vorstellen? Was ihr uns übrig gelassen habt? Wenn ich heute den Graben bis zum See laufe, dann sind da drei Frösche, wenn ich Glück habe. Vater hat erzählt, dass ihr früher unter jedem großen Stein im seichten Wasser Trüschen fandet. Kilch, Saibling, jetzt auch die Felchen. Weg! Selten geworden oder ausgestorben. Muscheln – außer Qaggas nichts mehr da.“ Mit den letzten Sätzen ist sie lauter geworden. Wirft mir die Namen und ihre Vorkommen wie Brocken auf den Tisch.
„Naja“, versuche ich einzuwenden. „Da sind wohl mehrere Faktoren zusammengekommen. Allein der Kunstdüngerverbrauch in der Landwirtschaft – früher schmiss doch jeder Bauer eine Handvoll Chemie an jede Pflanze, wenn Regenwolken aufzogen. In den Sechzigern durfte das Leitungswasser nicht mehr für Kleinkinder verwendet werden, so verseucht waren hier auf der Insel die Brunnen.“
„Ach!“, schnauzt sie zurück. „Jetzt sind wieder die Bauern schuld! Die wussten doch gar nicht, was sie da an die Pflanzen gaben.“
„So kann man sich auch rausreden!“, kontere ich. „Wenn durch meine Hand zwanzig Frösche gestorben sind, soll ich die Verantwortung übernehmen und Reue zeigen; aber der Landwirt braucht keine Verantwortung zu übernehmen, denn er folgt ja nur den Vorgaben des Bauernverbandes. Und der? Übernimmt der wenigstens die Verantwortung für das Insektensterben, für das Auslaugen der Böden, Monokulturen und den massiven Rückgang der Vogelpopulationen? Wo sind die Kiebitze? Ich hab nicht einen gesehen, als ich hierher gefahren bin! Nicht einen!“
Ilona drückt mit beiden Händen den Rest Brot in ihren Fingern zusammen. Sie wendet den Kopf ab, das Deckenlicht spiegelt sich in ihren feuchten Augen. „Scheiße“, murmelt sie, stützt ihr Kinn in die Handfläche und sieht mich wieder an. „Entschuldige“, sagt sie kleinlaut.
Banni legt wieder seine Hand auf ihre. „Mont it striete“, und schaut mich dabei an. „D´Ilona isch ussem Verband usse un vusurcht etz, Krüüter un aalts Gmües widder zu kultiviere. Zwei Johr isch nix g´loffe und sell Bio-Sertifikat hot achthundert Stutz koschtet. Un die sell Kontrollene ammel; sie hots it eifach!“ Banni tätschelt die Hand seiner Tochter.
Ilona nickt. „Ist gut, Fäddi“, sagt sie leise. „Ich wünsch Euch einen schönen Abend. Feiert schön.“ Grußlos steht sie auf und verlässt die Küche.
Banni zuckt mit den Schultern. „So isch´s worre!“, sagt er und fügt hinzu: „Gömmer go fiere! Mor´n dommer no wieter schwätze, i gang go´s Häs a´legge. Neb´a isch´s Bad, kasch di frisch mache. Schö, dass do bisch!“
Es ist still in der Küche. Von draußen im Flur höre ich, wie Banni sich anzieht. Vom Raufbold ist nicht mehr viel geblieben. An der kahlen Wand gegenüber hängt ein schlichtes Kreuz, in den Gardinen kleben tote Fliegen und Mücken. Das Essen steht noch auf dem Tisch, der Speck glänzt fettig. Immer noch mit gemischten Gefühlen erhebe ich mich und suche das Bad auf. Auch hier tote Mücken, Spinnweben in den Vorhängen. Im Waschbecken Kalkflecken und ein Glas mit trübem Wasser neben dem Hahn. Eine Packung Kukident daneben. Fünfzig Jahre ohne Veränderung. Ich lausche nach draußen durch das gekippte Fenster. Wo früher das Konzert der Frösche erklang, höre ich nur das Tschilpen einiger Sperlinge im Hof.
„Bisch fertig!“, ruft Banni. „Ja“, antworte ich und verlasse das Bad, ohne etwas getan zu haben.

 

Hallo @Detlev,

wie schön, endlich kriege ich mal was von dir zu lesen. Aber auch unabhängig von dir hätte ich sicher auf die Story geklickt, der Titel ist nämlich ein Volltreffer: Frösche klatschen, Frösche klatschen, wenn Wörter schmecken könnten, würde ich die den ganzen Tag im Mund behalten.

Eigentlich möchte ich gar nicht auf die Kleinigkeiten eingehen, die mir so auffallen, bei deinen Kommentaren schätze ich das nämlich immer sehr: Dieses ... Annehmen, wie es ist. Das mache ich später auch noch, versprochen, aber hier, nur kurz:

Als ich ab der vierten Klasse in der Stadt das Gymnasium besuchte

Nach der vierten Klasse, oder?

Er ziehe sich langsam zurück, warum, dass wolle er mir mündlich erzählen.

Telefonieren ist ja auch mündlich, deshalb vielleicht lieber persönlich, unter vier Augen?

Unmengen von Wasservögel

Wasservögeln, denke ich

Als ich auf den Hof fahre, steht er bereits in der Haustür.

Kurze Irritation, weil vorher ja vom Hof die Rede ist: Steht der da in der Haustür? Natürlich nicht. Sind auch Kinkerlitzchen, aber ich würde hier vielleicht zu "Banni" statt zu "er" tendieren.

Wir sitzen noch nicht lange in seiner Küche.

Hiervor vielleicht eine Leerzeile?

Banni sieht mich peinlich berührt an, errötet, obwohl sein Gesicht schon eine krankhafte Rotfärbung hat.

Vielleicht: sowieso schon / schon von Haus aus eine krankhafte Rotfärbung hat? Um es noch ein wenig abzugrenzen.

Früher gab es Unmengen von allerlei Tieren. Alles war voll mit Eidechsen, Fröschen, Maulwurfsgrillen, Mückenlarven, Libellen ohne Ende. Käfer, Spinnen. Wir machten uns keine Gedanken.

Ich finde, der erste Satz klingt ein wenig ... unnatürlich. Ließe sich auch problemlos streichen, weil redundant: Früher war noch alles voll mit Eidechsen ...

Wo früher das Konzert der Frösche erklang höre ich nur das Tschilpen einiger Sperlinge im Hof.

Komma nach erklang

So, genug davon. Ich habe deinen Text sehr gerne gelesen. Ich träume immer mal wieder davon, am Bodensee zu leben, ich war jetzt ein paar mal in Konstanz und deshalb fühlen sich die Mundart-Einsprengsel schon fast vertraut an - auch wenn sie nicht ganz lesefreundlich sind. Aber das ist ja eine grundsätzliche Hürde bei Mundart in der Literatur, denke ich. Deshalb fand ichs dann auch gut, dass nur der Banni so spricht, so hält es sich gut die Waage.

Der Text hat mich aber nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich angesprochen, da steckt viel drin. Ilona gefällt mir gut in ihrem Eifer. Mit ihr hat der Text sich in eine Richtung entwickelt, mit der ich nicht gerechnet habe, ich dachte ab einem gewissen Punkt - hochmütig, wie ich bin :shy: - schon, die Geschichte jetzt auch alleine fertig konstruieren zu können. Auch der Erzähler hat ja nicht damit gerechnet, der fühlt sich überrumpelt, das merkt man ihm an: Er will sich rechtfertigen, weil er weiß, dass das Fröscheklatschen nicht cool war. Aber gleichzeitig weiß er halt auch, dass sie Kinder waren, dass das eine andere Zeit war. "Wir haben es halt nicht besser gewusst" war nur leider noch nie eine gute Ausrede.
Recht hat da keiner, denke ich, darauf kommt es vielleicht auch gar nicht an. Mehr auf die Reiberei und dass man den Abrieb nicht einfach wegpustet.

Wie gesagt, da steckt viel drin, das ist nur eine von vielen Sachen, über die es sich hier nachzudenken lohnt. Und das trotz der Kürze - deshalb vielen Dank fürs Teilen und das Nachdenkfutter!

Bas

 

Hallo @Bas,

da tut sich was in meinem Innern. Danke, Danke.

wenn Wörter schmecken könnten, würde ich die den ganzen Tag im Mund behalten.
... wer Schmetterlinge lachen hört ... so ähnlich fühlt sich das an. Das rührt mächtig. Mich auf jeden Fall.
Recht hat da keiner, denke ich, darauf kommt es vielleicht auch gar nicht an. Mehr auf die Reiberei und dass man den Abrieb nicht einfach wegpustet.
... das ist sehr weise, was Du da sagst.

Danke für die Fehlerlese, hab ich gerne korrigiert und angenommen. Und nochmal danke für´s Lesen und den Kommentar. In Konstanz bin ich aufgewachsen und dort immer noch verwurzelt, auch wenn ich schon 20 Jahre im Hegau lebe. Leben ist teuer geworden in der Touristenhochburg :-)

Beste Grüße - Detlev

 

“Wosch jo, wo´n i wohn.“

Wa lakota,

lieber Detlev,

Frösche klatschen
ein schöner Titel und eine gute, etwas wehmütige Geschichte über den Bewusstseinswandel, der auch im Pott – alles andere, als ein bloßes Industriegebiet mit so eben verstorbenem Bergbau - von Grünzügen und anderen Erholungszonen durchzogen ist und sogar urwaldähnliche Flächen aufweist und neben einigen Tierparks ein letztes Revier für Wildpferde unterhält.

Und wir Drecksblagen waren begnadete Kaulquappenfänger in den Teichen und Bächen der Grüngürtel …

Ein wenig Schade finde ich, abgesehen davon, dass ich mal wieder in den "Alltag" reingeschaut hab, dass dem kleinen Text nicht mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird und – wie Du schon merkst – dass ich Ruhrlatein (ein Gemisch aus rheinischen und zwo sächsischen wie Münsterland, östliches Ruhrgebiet nebst Sauerland – das Suderlant [„Südland“] der sächsischen Stämme), jiddisch nebst den Varianten und Variationen der eingewanderten "Gast"arbeiterfamilien usw.) vermeiden werde. Kannze mich jlauben!

Mir hat die Geschichte sehr gefallen, dennoch sind einige Flusen aufzulesen und zuvor ein Tipp hierzu

Er wollte, dass seine Tochter mich am Bahnhof abholt, aber ich sagte ihm, dass ich mit dem Auto käme.
Nix falsch, aber das „dass“ ermöglicht die Vermeidung des Konjunktivs durch den Indikativ „dass ich mit dem Auto komm(e)“.

Du weißt es doch, siehe hier

Immer wieder warf er mir vor, dass ich mich als Klugscheißer aufspiele.

Straßen, die sich früher als Feldwege zwischen den Äckern wandenKOMMA sind heute asphaltiert und beschildert.

Hier schwimmt die Zeitenfolge ein wenig
Zum Schluss hat gewonnen, wer die meisten Frösche erlegt hatte.
„hat gewonnen“ ist so vergangen wie „erlegt hat“

Hier kommstu selber drauf

„So ist das also. Ihr habt in euch eine Vorstellung vom dem, was mal war und was, bitte, sollen wir uns vorstellen?

Scheiße“, murmelt sie, stützt ihr Kinn in die Handfläche und sieht mich wieder an. „Entschuldige“, sagt sie kleinlaut.
Ich bin immer noch auf dem Kreuzzug „rettet das Ausrufezeichen!“

Sehr gern gelesen vom

Friedel

 

Moin @Detlev,

ich kann alles nachvollziehen, den Dialekt verstehen, weiß, was du transportierst, aber ... es ging mir zu schnell. Zu knüppelartig. Die Vergegenwärtigung des rasant ablaufenden Artensterbens wird nicht von allen Lesenden als das aufgenommen, was es ist: ein dramatischer Umbruch, von dem wir die Choreographie noch nicht überblicken. Das langsame Auslegen der Argumente und Erlebnisse hätte ich für den Transport der Wahrheit als angenehmer empfunden. Problem sind ja die Schutzreflexe, das Zurückziehen von Interesse, den Rollladen runterlassen, denn von überall prasselt es auf die Menschen ein. Auch von der Gegenseite (was haben die Klimadiktatoren alle, bei uns gibt es noch genug Vögel). Die Wahrnehmung ist ein seltsam Ding, meist stark eingeschränkt oder nur wenig trainiert. Umso wichtiger ist dann die vorsichtige Annäherung.

Als Beispiel: Dein Prota kommt an, gemeinsamer Abend, Schwank auf Schwank wird erzählt, Tochter wird immer stiller, verzieht sich. Am nächsten Morgen, sie in der Küche, Prota kommt dazu (oder geht raus und sieht ihr bei der Arbeit zu, Kaffee in der Hand), dann kommt es zum Disput. Den dann aber nicht so dudentechnisch an die Lesenden bringen.

„Naja“, versuche ich einzuwenden. „Da sind wohl mehrere Faktoren zusammengekommen. Allein der Kunstdüngerverbrauch in der Landwirtschaft – früher schmiss doch jeder Bauer eine Handvoll Chemie an jede Pflanze, wenn Regenwolken aufzogen. In den Sechzigern durfte das Leitungswasser nicht mehr für Kleinkinder verwendet werden, so verseucht waren hier auf der Insel die Brunnen.“
Das klingt durchaus wie eine Mischung aus Lehrbuch und Vorwurf. Vor allem, was sind denn die anderen Faktoren. Hätte ich als Tochter nachgehakt oder als Prota weiter ausgeführt, wenn ich sie schon andeute.

Da treffen nicht nur Generationen aufeinander, auch Erklärungen bzw. Rechtfertigungen. Vor allem hat das 'Fröscheklatschen' der Kinder mit den Unbilden der Landwirtschaft nix zu tun. Eher mit dem Mitwelt-Bewusstsein der erziehenden Erwachsenen dieser Zeit (und ob das heute je nach sozialem Umfeld so viel besser ist, möchte ich mal bezweifeln).

Lange Rede, kurzer Sinn: Mehr Ausarbeitung, mehr Ausloten ist aus meiner Sicht erforderlich bei diesem komplexen Thema.

Sprachlich habe ich nix einzuwenden. Das hat mir gut gefallen.

Grüße
Morphin

 

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