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Glänzende Isolation

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01.07.2006
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Glänzende Isolation

Eine Zeitlang hatte Anand geschlafen. Erwachend blieb ihm eine süßlich-laue Trägheit in den Gliedern und Träume, die in seinem Kopf wie Papageien herumschwirrten. Er lag auf dem Boden des Dritte-Klasse-Abteils. Die dünnen Gitterstäbe der Vogelkäfige, an die er im Liegen seinen Rücken lehnte, hatten ihm ein schmerzendes Muster in den Rücken gedrückt.

Das Abteil war nun fast leer. Nur eine Frau lag noch mit angewinkelten Beinen auf einer der schmutzigen Holzbänke. Hastig wischte er sich den Speichel, der ihm während des Schlafens aus dem Mund getrieft war, von seiner Wange ab. Dann entspannte er sich wieder und rollte sich etwas zur Seite, um sein Gesicht mehr in den Fahrtwind zu halten, der die Schwüle des Nachmittags etwas linderte. Noch wollte er die Frau nicht ansehen. Er öffnete seinen Gedanken alle Türen und das Flag-Flag der zerschlissenen Sonnenblenden, die gegen die Abteilwände schlugen, machte er zum Flügelschlag, der ihn direkt in den Himmel bringen sollte.

Wie viele Analphabeten besaß er ein ausgezeichnetes Gedächtnis. Und in diesen Stunden zwischen Schlafen und Wachen ging er im Stillen alle Frauen durch, die er näher kannte oder die jemals seine Aufmerksamkeit, wodurch auch immer, erregt hatten. Um sich alle merken zu können, hatte er sie geordnet. Namen waren dabei nicht wichtig. Er ordnete sie nach ihren Besonderheiten. Vieles, fast alles an den Frauen schien es ihm wert, dass man sich dessen erinnerte. Der Schwung eines Oberlides, die Geschmeidigkeit einer Bewegung, die Melodie eines Lachens - das alles konnte ihn tagelang beschäftigen. Am Ende machte Anand das verbotene Fach auf. Hier waren die Schätze, die seltenen Momente, in denen er von einigen Frauen mehr gesehen hatte, als er eigentlich durfte, denn er war unverheiratet. Frauen, sie sich im Fluss die Haare wuschen, und denen sich beim Vorbeugen der nasse Stoff in die Falte zwischen den Beinen schmiegte. Die im Vollmond glänzende Haut von Nachbarinnen, die sich ihren Männern in den unerträglich heißen Sommernächten auf den Dächern hingaben. Brüste, die während der Feldarbeit aus den schweißnassen Oberteilen rutschten. Einmal hatte er ein Mädchen beobachtet, das sich in einem selbstvergessenen Moment zwischen den Beinen rieb.

In seinem Schatzkästlein fehlten jedoch die Blicke der Frauen; Blicke, die an deren fruchtbaren Tagen tiefer und wärmer wurden. Das Spiel mit losen Worten, Gesten und kehligem Lachen kannte er nicht. Niemals hatte ihn eine Frau begehrt.

Doch er war keiner jener verbitterten Männer geworden, deren angesammelter, gestockter Saft sich in verbale Galle verwandelt, die sie bei jeder Gelegenheit über die Frauen ausschütten. Das sehnsüchtige Gefühl für sie blieb bei ihm rein und unveränderlich, ja, es machte das Zentrum seines Wesens aus, dem er alles unterordnete.

Endlich erlaubte Anand sich, seinen Blick auf ihr ruhen zu lassen. Er sah vor allem ihre kleinen, aber breiten Füße, die silbernen Schellen um ihre Fesseln, die manchmal leise klirrten, und ihre an die Abteilwand gelehnten Unterschenkel. Ihr Kleid und die weite Hose waren purpurfarben und der Fahrtwind plusterte sie in regelmäßigen Wellen auf, um sie dann wieder an ihren Körper zu pressen. Es war, als würde ihr der Stoff, immer wieder an den Füßen beginnend, über den ganzen Körper streicheln. Anand stand auf. Anjali schlief, während es um sie herum mit rosafarbenen Flügeln flatterte.

Er trat zu ihr hin und betrachtete sie eingehend. Sie wohnte im Dorf nur ein paar Häuser weiter, mit Mann und Kindern, und er versuchte, mit seinem Mund ihren Namen zu formen. ... Anjali schlief weiter. Nun überlegte er, was das Anziehendste an ihr war. Außergewöhnlich waren ihre Nasenflügel, die, da sie sich scharf in die Wangen kerbten, ihrem Gesicht etwas Ornamentales gaben, zwei vollendet gerundete Bögen, die Energie und Leidenschaft verrieten. Schön war auch die Höhlung unter ihrem Kehlkopf, glatt, leise pochend, in einem dunklen Perlmuttton schimmernd. Schließlich entschied er sich jedoch für ihren Nabel, ein kleiner Trichter, in dem sich so manches inmitten ihres wohlgenährten Bauches hätte sammeln können. Er stellte sich ganz knapp neben die Holzbank, auf der sie lag, und beugte sich mit hinausgestreckter Zunge über sie. Vorsichtig senkte er sie in ihren Nabel und begann an ihm zu lecken, ganz leicht nur.

Die rosa Flügel der Tücher umschwirrten ihn und ihr Geruch füllte ihm das Gehirn. Tief atmend richtete er sich wieder auf und sah, wie sich die feuchte Spur auf ihrem Bauch regelmäßig hob und senkte. Er stellte sich vor, dass er mit ihr wie in einem Film auf dem Zugdach tanzte, Anjalis Bauch würde dabei im Rhythmus der Musik ein wenig schlingern, aber der Mann neben ihr, der eigentlich er hätte sein sollen, hatte kein Gesicht.

Jetzt legte er seinen linken Zeigefinger ganz sanft auf die Spalte zwischen ihren Brüsten und zog eine Linie hinunter: Haut, Stoff, Haut, Stoff. Aufmerksam beobachtete er, wie sich der Abstand zwischen Hosenbund und Bauch bei jedem ihrer Atemzüge vergrößerte und wieder verkleinerte. Er war Vogelhändler, er hatte flinke, geschmeidige Hände. Ruhig und konzentriert schob er nun zwei Finger in diese Öffnung, so weit, bis er unter dem Drahtgeflecht der Haare feuchtes Fleisch spürte. Ein paar Augenblicke nur ließ er die Finger dort ruhen, dann zog er sie wieder behutsam aus dem Hosenbund. Sein Pulsschlag ließ nun auch sein Inneres purpurfarben erglühen. Rasch kehrte er zu seinem Platz zurück.

Als der Zug an seiner Station hielt, schulterte Anand seine Vogelkäfige, leer wie immer, wenn er von der Stadt nach Hause kam, und stieg aus. Er bemerkte gar nicht mehr, dass Anjali knapp hinter ihm die gegitterten Stufen hinabstieg. Er ließ die ganze Zeit seine linke Hand an der Nase; nicht das kleinste Geruchsteilchen wollte er verlieren. Es erschien ihm, als ob zuerst die Nase und dann sein ganzer Kopf voll und schwer von diesem leicht säuerlichen Duft würden. Nie mehr würde Anand ihn vergessen. Oft würde er ihn noch berauschen.

Anjali zog rasch ihr Tuch über den Kopf, als sie an ihm vorbeiging, und sah ihn nicht an. Anand jedoch stand auf dem in der Abendsonne liegenden Bahnsteig und lächelte. So weit man bei einer gespaltenen Lippe von einem Lächeln sprechen kann.

 

Hallo Andrea,

vorab den Textkram:

Erwachend blieb ihm eine süßlich-laue Trägheit in den Gliedern und die Buntheit seiner Träume, die in seinem Kopf wie Papageien herumschwirrten.

Buntheit ist Singular, Papageien sind Plural.
Bezug: Die Trägheit blieb und die Buntheit? Oder bleibt die Buntheit der Träume in den Gliedern? Hmm.

dritte-Klasse-Abteils

für meinen Geschmack gehört "Dritte" groß.

Die schmutzigen Holzbänke um ihn waren

um ihn herum?

Noch wollte er sie nicht ansehen.

Bezug? Will er die Schwüle nicht ansehen?

Und in diesen Stunden zwischen Schlafen und Wachen ging er im Stillen alle Frauen durch, die er näher kannte oder die jemals seine Aufmerksamkeit, wodurch auch immer, erregt hatten.

Der Satz holpert, vor allem wegen des eingeschobenen "wodurch auch immer".

er konnte sie ohnehin kaum aussprechen
.

Analphabetismus bedeutet für mich nicht lesen und schreiben können.

Hier waren die Schätze, die seltenen Momente, in denen er von einigen Frauen mehr gesehen hatte, als er eigentlich durfte, als unverheirateter Mann.

Holpert, vor allem wegen der "englisch" wirkenden Satzstellung.

Namen zu formen. ... Anjali schlief weiter.

Würde die Auslassungspunkte an dieser Stelle ersatzlos streichen.

und ihre aufgestellten Unterschenkel.

Was sind aufgestellte Unterschenkel?
Nun überlegte er, was das Anziehendste an ihr wäre.

Wozu den Konjunktiv an dieser Stelle?


Zum Inhalt: Die Geschichte hat mich irgendwann ab der Mitte in ihren Bann gezogen. Was ich gut finde ist, z.B. der Ort der Handlung, das beiläufig Exotische, das einen angenehmen Kontrast zu den zahlreichen Mittdreissiger-Westeuropa-Hybris-Geschichten bildet.

Was ich noch für verbesserungsfähig halte, ist die sprachliche Ausgestaltung. In dem Bemühen um orientalische Blumigkeit driftest du an manchen Stellen für meinen Geschmack zu sehr in Übertreibungen ab:

Und in diesen Stunden zwischen Schlafen und Wachen ging er im Stillen alle Frauen durch, die er näher kannte oder die jemals seine Aufmerksamkeit, wodurch auch immer, erregt hatten.

Wirklich alle?

Sein Pulsschlag ließ nun auch sein Inneres purpurfarben erglühen.

Sieht man davon ab, besticht deine Geschichte durch eine sichtlich feine Beobachtungsgabe, wenn auch die Idee des "Geruch sammelns" etwas an Süßkinds "Das Parfum" erinnert.

Liebe Grüße,

AE

 

hallo Andrea,

Schön, wieder eine neue Geschichte von dir lesen zu können. Leider hat sie mir bis ziemlich genau zur Mitte nicht so gut gefallen.ich kann nicht genau sagen, woran das liegt, aber der Anfang erschien mir so unwichtig.
verschiedene Bilder, z. B. das mit den Papageien, aber auch der Flügelschlag der Sonnenblenden kommen mir etwas extravagant vor, irgendwie übertrieben.

was mir aber ganz besonders auffiel, sind folgende Dinge:

warum reist die Frau im Dritte-Klasse-Abteil, wo sie doch ganz offensichtlich zu einer etwas höheren Schicht/Kaste gehört, ist sie doch wohlgenährt. Ich habe vom Kastensystem nicht wirklich Ahnung, vielleicht ist es ja ganz richtig so, aber es passt für mich nicht ganz.

der Vogelhändler überschreitet eigentlich deutliche Grenzen. Er nähert sich einer (womöglich zu einer höheren Kaste gehörenden) Frau in einer Weise, die von ihr mit Sicherheit als Belästigung empfunden würde, wäre sie wach. Er tut etwas unerhörtes! Leider kommt das im Text nicht weiter zum Tragen. Der Protagonist scheint daran nicht zu denken, obwohl er den strengen Polizeiapparat seines Landes kennt, wissen müsste, dass ärmere Menschen, die in die Mühlen der Justiz geraten, gern schlechter behandelt werden, nein, er empfindet sich sogar noch als rein, wenn ich das richtige verstanden habe.
sollte er nicht wenigstens ein schlechtes Gewissen haben oder zumindest ein Bewusstsein dafür zeigen, dass der Grenzen überschreitet? Dass du das weggelassen hast, hat mich ziemlich irritiert.

Deine Beschreibungen sind ansonsten wirklich sehr schön, beispielsweise das Stoff, Haut, Stoff, Haut; das zeigt, worauf sich der Protagonist konzentriert, dass er alles in sich aufsaugen möchte.

War interessant zu lesen und habe ich auch gerne gemacht, wenngleich ich auch so manches auszusetzen hatte.

Liebe Grüße
Georg

 

Hallo Andrea,

Eine Zeitlang hatte Anand geschlafen. Erwachend blieb ihm eine
Partizipien haben ein gravierendes Problem, sie fassen oft komplexe Vorgänge zusammen in geballter Form. Das ist schön, wenn es sich dabei nur um einen Nebenaspekt handelt, z.B. „sich den Schlaf aus den augenreibend erkundigte er sich, ob …“: Hier sieht man: Das Erkundigen ist die Hauptsache und das mit dem Augenreiben ist nur ein Nebenaspekt.
Aber hier hast du erst das geschlafen in einem eigenen Satz und dann sofort danach das „erwachend“ und was ihm blieb. Das „Erwachen“ ist aber eine Hauptsache, das ist kein Nebenaspekt. Erst hat er geschlafen, jetzt ist er aufgewacht. Und dann die Nebenerscheinungen …
Wirklich, mit den Partizipien sollte man im Deutschen ganz vorsichtig umgehen, sie sind für den Schreiber viel bequemer als für den Leser. Denn der Schreiber kann damit noch einen Gedanken zusätzlich in den Text klatschen, den der Leser dann aber aufgrund der komprimierten Form oft gar nicht so mitbekommt.
Lange Rede, kurzer Sinn: Statt „Erwachend“ gönne der Tätigkeit den Raum, den sie braucht und ausfüllt, und schreibe: Als er erwachte

Die dünnen Gitterstäbe der Käfige, an denen er lehnte, hatten ihm ein schmerzendes Muster in den Rücken gedrückt.
Hier musste ich auch überlegen, denn nur wenn ich als Leser bereit bin, den Gedanken zu entschlüsseln, sehe ich das Bild: Er hat „lehnend“ geschlafen, daher das Muster. Also hatte er die Käfige in seinem Rücken und so halb-aufrecht geschlafen. Aber bei „lehnend“ denke ich zuerst an aufrechtes Lehnen. Die Bilder brauchen mehr Platz in dieser Form. Oder du schreibst banal: der Käfige, auf denen er halb geschlafen hatte,

um sein Gesicht mehr dem Fahrtwind auszusetzen,
Auszusetzen passt nicht. Das ist immer was Negatives. Man wird hoher Strahlung „ausgesetzt“, „großen Temperaturen“, er tut es freiwillig und es ist nichts Negatives daran.
Man würde nicht sagen: Der Braten wird nun im Ofen hohen Temperaturen ausgesetzt, man würde sagen: Die Katze wurde in der Mikrowellen hohen Strahlungen ausgesetzt.

der die dicke Schwüle des Nachmittags etwas linderte.
Dicke Schwüle – geschenkt. Schwüle wirkt dick, ja.

Nichts entging seinem Blick.
Unnötiger Füllsatz, wenn es wirklich so ist, dann werde ich es bei der Aufzählung, die ich nun erwarte, ohnehin bemerken. Der Satz leistet auch nicht mehr als das „wodurch auch immer“ von vorhin.

in denen er von einigen Frauen mehr gesehen hatte, als er eigentlich durfte, als unverheirateter Mann.
Du erzählst doch eindeutig auktorial, dann nimm dir doch die Freiheit heraus, die diese Perspektive bietet, um solche kleinen Kippen zu umschiffen: als er eigentlich durfte, DENN (um das als zu vermeiden) er war ein unverheirateter Mann. Ist auch durch diesen kleinen Bruch sofort eine andere Dynamik hinter dem Satz.

unter dem anklebenden Stoff die Spaltung zwischen ihren Beinen deutlich sehen konnte.
Das „anklebenden“ killt die Melodie des Satzes. Ich will da nicht an Klebstoff denken. In die gleiche Kerbe schlägt auch das Wort „Spaltung“, das durch das „ung“ viel zu wissenschaftlich und behördlich für diesen lyrischen Gedanken klingt.

Die im Vollmond glänzende Haut von Nachbarinnen, die sich ihren Männern in heißen Sommernächten auf den Dächern hingaben.
Im Vollmond glänzende Haut ist ein schönes Bild – aber die Sommernächte sind „heiß“? Was ist das denn für ein schwaches Wort. In drückendheißen – das wäre was, aber auch schon ne Spur zu lang, „Lau“ wäre zu normal, „schwül“ hast du schon verbraten, aber irgendwie so was in der Richtung. „Drückend-lauen“, hitzig ginge, oder du setzt neu an am ende: hingaben, in Nächten, die so heiß waren, dass (poetische Übertreibung).

Üppige Brüste, die während der schweren Arbeit auf den Feldern aus den schweißnassen Oberteilen rutschten.
Drei Adjektive aus der Kategorie „Ich hab das Nomen, an dem ich hänge, so satt.“

Er hatte die flinken, geschmeidigen Hände des Vogelhändlers.
Eines

Von der Struktur des Textes springst du ab dem dritten Absatz in eine auktoriale Perspektive, um raffend den Charakter zu beleuchten und seine Triebe und Sehnsüchte in der Vergangenheit. Am Ende gehst du wieder in die aktuelle Situation hinein. Man merkt das auch, Anfang und Ende sind stärker als der rückblickende Mittelteil. Außerdem bringst du den Text so auch ein wenig um eine Steigerung, denn wenn man „erlebt“ hätte, wie er aus der Ferne die Frauen anschmachtet, dann wäre die Überschreitung dieser Grenze im zweiten Absatz deutlicher geworden. So liegt es zeitlich (vom Text her gesehen), so eng beieinander, dass der Schritt und das Überwinden kaum deutlich wird. Denn hier wird ja die Grenze vom schmachtenden Voyeur zum Aktiven sehr schnell überschritten.
Für die „Schönheit“ einer Frau brauche ich sehr viel mehr Platz als ein paar Zeilen. Also um sie zu glauben. Das „Besondere“ beschränkt sich hier auf Nasenflügel und so … ich weiß nicht, mir reicht das nicht. Vorher waren es Archetypen „üppige, arbeitende Frauen“, jetzt ist es die spezielle, die schlafende Schönheit, aber einer schlafenden Frau ein Gesicht zu geben und sie dann noch so „begehrenswert“ zu zeichnen, dass hier etwas Richtiges entstehen kann – mehr Raum einfach. Es wird sehr viel Zeit dafür aufgewandt, die Tätigkeiten zu beschreiben, die Figuren selbst gewinnen aber kein Gesicht. Selbst der Protagonist, jemand, der außerhalb der Gesellschaft steht, scheint sich mit seiner Rolle gut abgefunden zu haben. Sehnsucht, sicher, aber das, was er braucht, kriegt er ja auch so. Die Frau aus der Nachbarschaft, die ihn wahrscheinlich kennt, schläft einfach weiter und erwacht nicht mal an ihrer Station (wenn man davon ausgeht, dass sie ebenfalls dort aussteigt, wegen Nachbarschaft).
Die Tragik der Situation, die der Geschichte eine gewisse Würze geben würde, bleibt unausgelotet.
Es hat schon Elemente einer typischen Erotik-Geschichte. Das exotische Setting, der Standes-Unterschied (Stallbursche/Lady Chatterly), auch die Unbefangenheit mit der er zur Tat schreitet und natürlich auch die ganze Verklärung des eigentlichen Aktes. Da wird die Geilheit, die Sehnsucht, zu etwas erhabenem gemacht. Der Geruch der Scham wird gespeichert und archiviert. So eine Art privates Porno-Archiv, baut er sich da auf. Das sind schon alles schöne Ideen und Elemente, der Ansatz, den du in der Geschichte andeutest, die Sprachebene, die suggeriert, dass da noch mehr dahintersteckt, das geht aber meiner Ansicht nach nicht auf. Die Geschichte ist sehr viel weniger als sie sein könnte, und das ist eigentlich schade.

Gruß
Quinn

 
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Hallo Andrea!

Grundsätzlich gefällt mir deine (vermutlich) indische Zug-Szene ganz gut. Wenn auch stellenweise bemüht literarisch, beschreibst du die Sehnsucht eines geistig zurückgebliebenen, zusätzlich durch eine Hasenscharte entstellten, jungen Mannes nach der Nähe von Frauen sehr gut, mMn. In seiner sexuellen Not, er wird als Mann ja nicht beachtet, zieht er sich in eine fantastische Traumwelt zurück und entwickelt so eine seltsame Form der Ersatzbefriedigung. Geschickt beschreibst du seine Gefühlswelt. Sie besteht aus heimlichen Berührungen von ahnungslosen Frauen und ihren verlockenden intimen Düften. Der harmlose „Imbecil“, katalogisiert seine Opfer geistig penibel, kann seine Erinnerungen an sie, wann immer es ihm passt, abrufen und sexuell verwerten. Letztlich eine Form kreativer Überlebensstrategie.

Ein Problem hatte ich mit dem leeren Abteil im Zug. Wer indische Züge kennt, weiß, dass es kaum möglich ist, alleine in einem Abteil zu sitzen. Geradezu unmöglich erscheint mir dies in der dritten Klasse zu sein. (Hätte mir das manchmal gewünscht. ;))
Etwas mehr tiefer gehende Beschreibung erhoffte ich mir von der Atmosphäre im Abteil. Gerüche, Geräusche, Rattern der Räder, Russgeschmack im Mund, Essen und Teeverkäufer, die ständig zwischen den Waggons hin und her laufen. Da wäre noch mehr drinnen gewesen, mMn. (Die Angst erwischt zu werden, z.B.)

Textkram:

Die dünnen Gitterstäbe der Käfige, an denen er lehnte, hatten ihm ein schmerzendes Muster in den Rücken gedrückt.
Da würde ich dir vorschlagen, "Vogelkäfige" zu sagen. Später kommt dann die geschickte Hand des Vogelfängers, die Assoziation fällt somit leichter, mMn.

Erwachend blieb ihm eine süßlich-laue Trägheit in den Gliedern und die Buntheit seiner Träume, die in seinem Kopf wie Papageien herumschwirrten.

Hier stört mich die Wortwiederholung und die Plural Singular Problematik.
Vorschlag: … und die bunten Träume, die in seinem Kopf wie …
Gleichzeitig fiele die mMn unschöne „Buntheit“ weg.

Die schmutzigen Holzbänke um ihn waren nun bis auf eine Frau leer.
Diesen Satz würde ich teilen.
Vorschlag: … waren nun leer. Nur eine Frau saß noch … (vielleicht in einer Ecke des Abteils?)

Doch er war keiner jener verbitterten Männer geworden, deren angesammelter, gestockter Saft sich in verbale Galle verwandelt, die sie bei jeder Gelegenheit über die Frauen ausschütten.

Ein sehr schöner Satz, :thumbsup:
Nur die Zeitform könntest du überdenken.
Alternative: … deren gestockter Saft sich in verbale Galle verwandelt hatte, die sie …

Anand stand auf. Sie schlief, während es um sie herum mit rosafarbenen Flügeln flatterte.

Da würde ich nach häufigem sie und ihr, einmal "Frau" sagen.
Alternative: Die Frau schlief, während es …

Sehr gerne gelesen!
"Namaste", sagt Manuela :)

 

Hallo Andrea,

für meinen Geschmack hast du einen wunderbar sensiblen Ton getroffen, um die an sich auch sehr sensible Geschichte zu erzählen. Stoff und Ton fügen sich also wunderbar ineinander und weben einen Text, der trotz seiner eigentlichen Tragik schön daherkommt.
Vielleicht liegt es daran, weil du deinen Prot trotz seiner bemitleidenswerten Lage nicht die Rolle des Leidenden zuspielst. Es scheint, als habe er sich mit seinem Schicksal arrangiert, als schöpfe er das beste daraus.
Gerade an dieser Stelle steuerst du vehement dem Selbstmitleid entgegen:

Doch er war keiner jener verbitterten Männer geworden, deren angesammelter, gestockter Saft sich in verbale Galle verwandelt, die sie bei jeder Gelegenheit über die Frauen ausschütten. Das sehnsüchtige Gefühl für sie blieb bei ihm rein und unveränderlich, ja, es machte das Zentrum seines Wesens aus, dem er alles unterordnete.
Das finde ich auch sehr schön formuliert. Allerings findet sich gerade hierhin auch ein gewisser Widerspruch. Du erschaffst hier eine Feststellung, die deinen Prot von anderen Männern unterscheidet, die von Frauen abgelehnt werden und dadurch in Verbitterung enden.
Allerdings bietest du hier eine Formulierung an, die eine Wahl vorgaukelt, welche dein Prot gar nicht besitzt. Da er sich anscheinend kaum artikulieren kann, ist es ihm wohl auch nicht möglich seinen Frust in verbaler Galle auf die Geschöpfe seiner Begierde zu entladen...
Da solltest du in meinen Augen noch mal kurz rüberbügeln. Auch die Tipps von Quinn erscheinen mir einleuchtend. Und wenn die kg tatsächlich in indischen Gefilden spielt, ist wohl auch Manuelas Einwurf mit dem leeren Abteil gerechtfertigt.
Dennoch aber sehr gerne gelesen.

grüßlichst
weltenläufer

 

Moin Andy

Die schmutzigen Holzbänke um ihn waren nun bis auf eine Frau leer.
Ja, das sehe ich wie Manuela. Man kennt aus Filmen, in den die dritte-Klasse-Abteile mit Menschen vollgestopft sind. Sie steigen ja nicht nur aus, an den Haltestellen steigen auch wieder Passanten ein. Meistens sind es Männer, die mit ihren Frauen unterwegs sind. Wieso hier die Frau allein unterwegs ist, verstehe ich auch nicht. Und dass sie einfach so einschläft, ich könnte mir gut vorstellen, dass sie aufgeregt ist, oder besonders aufpasst, weil sie alleine unterwegs ist, aber okay, du hast das jetzt so geschrieben.
Deine Geschichte würde gar nicht mehr funktionieren, würdest du diese Punkte berücksichtigen.
Er öffnete seinen Gedanken alle Türen und das Flag-Flag der zerschlissenen Sonnenblenden, die gegen die Abteilwände schlugen, machte er zum Flügelschlag, der ihn direkt in den Himmel bringen sollte.
Gestern habe ich noch über dein Flag-Flag gelacht, heute finde ich das ganz gut, weil es zeigt, dass er, egal was um ihn geschieht, er das für seine Phantasien gebraucht.
Wie viele Analphabeten besaß er ein ausgezeichnetes Gedächtnis.
Wie die meisten ... würde ich schreiben, liest sich für mich flüssiger.
Um sich alle merken zu können, hatte er sie geordnet.
Doch, das hat was von "Das Parfum", wenn er die Frauen oder ihre Handlungen nach Kategorien einordnet.
Am Ende machte Anand das verbotene Fach auf.
Ich würd das nicht verbotenes Fach nennen, ja, vielleicht in der Realität, aber das ist sein eigentlicher Schatz - seine Schatzkammer, von der niemand was ahnen darf.
n denen er von einigen Frauen mehr gesehen hatte, als er eigentlich durfte, als unverheirateter Mann.
Verheiratete Männer dürfen natürlich spannen. ;) Nee, ist schon klar, liest sich nur beim ersten Mal etwas schräg.
Das Spiel mit losen Worten, Gesten und kehligem Lachen kannte er nicht. Niemals hatte ihn eine Frau begehrt.
würde ich streichen.
Er stellte sich vor, dass er mit ihr wie in einem Film auf dem Zugdach tanzte, Anjalis Bauch würde dabei im Rhythmus der Musik ein wenig schlingern, aber der Mann neben ihr, der eigentlich er hätte sein sollen, hatte kein Gesicht.
Der Vergleich mit dem Film ist zwar dick aufgetragen, und wie die meisten hier sagen, übertrieben, aber ich denke, das passt einfach zu diesem Indian-Style. Die Farbe ihrer Kleidung, ihr Schmuck, ihre Bewegungen, irgendwie ist alles übertrieben. Aber das ist nur Bollywood, und hier ist kein Stück Bollywood, aber dann plötzlich, wenn du diesen Vergleich machst. Man kann sich darüber streiten, vielleicht wünscht er sich auch einfach mal normal zu sein und ganz sicher wünscht er sich begehrt zu sein.
Aber wenn er jetzt diese Vorstellung von dieser Frau hat, warum dann nur sie. Mir kommt es die ganze Zeit vor, als wäre sie nur eine weitere Frau in den Kategorien, aber mit ihr soll er auf Zugdächern tanzen?
Ich fände es besser, wenn sie gleich besonders bleibt wie die anderen, also eigentlich normal. (;
Das mit dem "kein Gesicht" ist wieder super charakterisiert.
Auf dem in der Abendsonne liegenden Bahnsteig lächelte Anand endlich. So weit man bei einer gespaltenen Lippe von einem Lächeln sprechen kann.
Er träumt/phantasiert die ganze Zeit, ist aber doch nicht zufrieden damit, erst als er auch den Geruch dieser einen Frau hat? Hmm.
passt nicht zu deinem restlichen Stil.

Ja, Andy, ich find die Geschichte eigentlich schön erzählt, aber du hättest auf jeden Fall mehr daraus machen können. Das Thema ist auf jeden Fall was für die Rubrik "Gesellschaft", findest du nicht? Er vergewaltigt ja die Frau praktisch, nur weil sie nichts mitbekommt? Wäre die Geschichte anders geschrieben, würde man auch eine Kritik auf diese Gesellschaft erkennen, dass in diesen Kulturen vorehelicher Sex verboten ist, und aus solchen Sonderlingen Vergewaltiger werden. Ist aber deine GEschichte und ich finde sie eigentlich ganz gut, nur unrealistisch. :p

Cu JoBlack

 
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Hallo Alter Ego!

Zitat:
Erwachend blieb ihm eine süßlich-laue Trägheit in den Gliedern und die Buntheit seiner Träume, die in seinem Kopf wie Papageien herumschwirrten.
Buntheit ist Singular, Papageien sind Plural.
Bezug: Die Trägheit blieb und die Buntheit? Oder bleibt die Buntheit der Träume in den Gliedern? Hmm.
Der Relativsatz bezieht sich natürlich auf "Träume".
Zitat:
Und in diesen Stunden zwischen Schlafen und Wachen ging er im Stillen alle Frauen durch, die er näher kannte oder die jemals seine Aufmerksamkeit, wodurch auch immer, erregt hatten.
Der Satz holpert, vor allem wegen des eingeschobenen "wodurch auch immer".
Ich weiß nicht, schön langsam nervt mich die herrschende Tendenz zu möglichst geradlinigen Sätzen. Ich finde nicht, dass Sätze deswegen gleich holpern, nur weil sie einen Einschub haben.
Zitat:
er konnte sie ohnehin kaum aussprechen
Analphabetismus bedeutet für mich nicht lesen und schreiben können.
Ja, das war auch so nicht gemeint. Aber ich sehe das Problem jetzt auch, dass man durch die räumliche Nähe beider Aussagen, auf die Idee kommen kann, dass Analphabetismus auch nicht richtig artikulieren können bedeutet. Dass er die Namen nicht aussprechen kann, soll auf seine gespaltene Lippe hindeuten, nicht auf seinen Analphabetismus. Muss ich mir noch anschaun, wie ich das deutlicher machen kann.

Zitat:
Namen zu formen. ... Anjali schlief weiter.
Würde die Auslassungspunkte an dieser Stelle ersatzlos streichen.
Die Auslassungspunkte sollen zeigen, dass er es nicht schafft, ihren Namen auszusprechen.

Zitat:
Und in diesen Stunden zwischen Schlafen und Wachen ging er im Stillen alle Frauen durch, die er näher kannte oder die jemals seine Aufmerksamkeit, wodurch auch immer, erregt hatten.
Wirklich alle?
Warum nicht? Warum sollte er sich nicht ein paar hundert Frauen merken können?
Zitat:
Sein Pulsschlag ließ nun auch sein Inneres purpurfarben erglühen.
Das ist natürlich als Parallele zu ihren rosafarbenen Kleidern zu sehe, sollte eigentlich seine Erregung zeigen, aber das ist wohl Geschmackssache.
Sieht man davon ab, besticht deine Geschichte durch eine sichtlich feine Beobachtungsgabe, wenn auch die Idee des "Geruch sammelns" etwas an Süßkinds "Das Parfum" erinnert.
Dankeschön! :) Naja, ich denke, Geruch hat schon lange vor Süßkind zum Inventar erotischer Geschichten gehört, aber ja, im Sammeln an sich könnte man natürlich eine Parallele zum "Parfum" sehen.

Vielen Dank für deinen Kommentar. Einige deiner Einwände hab ich beherzigt.


Hallo Schrei-Bär!

Schön, wieder eine neue Geschichte von dir lesen zu können. Leider hat sie mir bis ziemlich genau zur Mitte nicht so gut gefallen.ich kann nicht genau sagen, woran das liegt, aber der Anfang erschien mir so unwichtig.
Ja, anscheinend geht es nicht nur dir so. Liegt wahrscheinlich daran, wie von Quinn kritisiert, dass ich da zu zusammenfassend erzähle.
verschiedene Bilder, z. B. das mit den Papageien, aber auch der Flügelschlag der Sonnenblenden kommen mir etwas extravagant vor, irgendwie übertrieben.
Ja, es sind verschiedene Versatzstücke von indischen erotischen Erzählungen oder Filmen drinnen. Mit einer Frau im Zug zu fahren scheint für Inder ein sehr erotisches Erlebnis zu sein. ;)
was mir aber ganz besonders auffiel, sind folgende Dinge:
warum reist die Frau im Dritte-Klasse-Abteil, wo sie doch ganz offensichtlich zu einer etwas höheren Schicht/Kaste gehört, ist sie doch wohlgenährt. Ich habe vom Kastensystem nicht wirklich Ahnung, vielleicht ist es ja ganz richtig so, aber es passt für mich nicht ganz.
Sie gehört nicht zu einer höheren Kaste, ihre silbernen Fußschellen und dass sie alleine reist, weisen darauf hin, dass sie wahrscheinlich eine Prostituierte ist. Einer niederen Kaste anzugehören bedeutet nicht zwangsläufig, arm zu sein, zumindest nicht so arm, dass man hungern muss.
der Vogelhändler überschreitet eigentlich deutliche Grenzen. Er nähert sich einer (womöglich zu einer höheren Kaste gehörenden) Frau in einer Weise, die von ihr mit Sicherheit als Belästigung empfunden würde, wäre sie wach. Er tut etwas unerhörtes! Leider kommt das im Text nicht weiter zum Tragen. Der Protagonist scheint daran nicht zu denken, obwohl er den strengen Polizeiapparat seines Landes kennt, wissen müsste, dass ärmere Menschen, die in die Mühlen der Justiz geraten, gern schlechter behandelt werden, nein, er empfindet sich sogar noch als rein, wenn ich das richtige verstanden habe.
sollte er nicht wenigstens ein schlechtes Gewissen haben oder zumindest ein Bewusstsein dafür zeigen, dass der Grenzen überschreitet? Dass du das weggelassen hast, hat mich ziemlich irritiert.
Ja, sicher, aber es ist ja auch ein bisschen ein erotisches Märchen, wenn ich das alles berücksichtigt hätte, wäre es das nicht mehr gewesen. Sicher ist die Plausibilität der Geschichte angreifbar, aber das war mir hier auch nicht so wichtig. Natürlich ist hier der Tatbestand einer sexuellen Belästigung gegeben, und trotzdem wollte ich es eben anders zeigen, als etwas Sanftes, Hingebungsvolles.
Deine Beschreibungen sind ansonsten wirklich sehr schön, beispielsweise das Stoff, Haut, Stoff, Haut; das zeigt, worauf sich der Protagonist konzentriert, dass er alles in sich aufsaugen möchte.

War interessant zu lesen und habe ich auch gerne gemacht, wenngleich ich auch so manches auszusetzen hatte.

Danke dir! :)

Gruß
Andrea

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Quinn!

Zunächst mal zu deinen Bemerkungen zu den Partizipien: Nein, mir war das Bleiben wichtiger als das Erwachen, ich sage dann ja auch, WAS ihm geblieben ist und sage nichts mehr über den Vorgang des Erwachens. Ich glaube, dich stört auch die Anfangsstellung des Partizips. Gib´s zu!!! ;) Es gehört zur Artifizialität der Geschichte, die ja beabsichtigt ist. "Als er erwachte" wäre mir zu lang.

Alle anderen Verbesserungsvorschläge habe ich berücksichtigt.

Von der Struktur des Textes springst du ab dem dritten Absatz in eine auktoriale Perspektive, um raffend den Charakter zu beleuchten und seine Triebe und Sehnsüchte in der Vergangenheit. Am Ende gehst du wieder in die aktuelle Situation hinein. Man merkt das auch, Anfang und Ende sind stärker als der rückblickende Mittelteil. Außerdem bringst du den Text so auch ein wenig um eine Steigerung, denn wenn man „erlebt“ hätte, wie er aus der Ferne die Frauen anschmachtet, dann wäre die Überschreitung dieser Grenze im zweiten Absatz deutlicher geworden. So liegt es zeitlich (vom Text her gesehen), so eng beieinander, dass der Schritt und das Überwinden kaum deutlich wird. Denn hier wird ja die Grenze vom schmachtenden Voyeur zum Aktiven sehr schnell überschritten.
Ich weiß wirklich nicht, ob es was bringen würde, wenn ich dieses Schmachten auch darstellen würde. Ja, der Text legt nahe, dass er bis jetzt nie eine Frau angefasst, sondern nur beobachtet hat. Aber das Thema ist nicht das Überschreiten einer Grenze, dass er etwas Verbotenes tut, ist nur ganz am Rande da. Die Magie der Anwesenheit einer Frau ist stärker als alles Andere. Irgendwie verstehe ich den Einwand nicht ganz, fürchte ich :schiel:
Für die „Schönheit“ einer Frau brauche ich sehr viel mehr Platz als ein paar Zeilen. Also um sie zu glauben. Das „Besondere“ beschränkt sich hier auf Nasenflügel und so … ich weiß nicht, mir reicht das nicht. Vorher waren es Archetypen „üppige, arbeitende Frauen“, jetzt ist es die spezielle, die schlafende Schönheit, aber einer schlafenden Frau ein Gesicht zu geben und sie dann noch so „begehrenswert“ zu zeichnen, dass hier etwas Richtiges entstehen kann – mehr Raum einfach. Es wird sehr viel Zeit dafür aufgewandt, die Tätigkeiten zu beschreiben, die Figuren selbst gewinnen aber kein Gesicht.
Ich sag nirgends, dass sie schön ist. Er braucht doch nicht unbedingt eine "schöne" Frau, um die Situation und ihre Ausgeliefertheit erregend zu finden. Sehr wahrscheinlich findet er alle Frauen, die er sieht, erregend, und sucht gerade deswegen nach Kleinigkeiten, die für sich schön sind. Sie ist einfach eine Frau, die DA ist, mit allen ihren Attributen. Ich muss den Leser nicht von der Schönheit der Frau überzeugen, sondern nur von seiner Faszination am Weiblichen.
Selbst der Protagonist, jemand, der außerhalb der Gesellschaft steht, scheint sich mit seiner Rolle gut abgefunden zu haben. Sehnsucht, sicher, aber das, was er braucht, kriegt er ja auch so. Die Frau aus der Nachbarschaft, die ihn wahrscheinlich kennt, schläft einfach weiter und erwacht nicht mal an ihrer Station (wenn man davon ausgeht, dass sie ebenfalls dort aussteigt, wegen Nachbarschaft).
Ja, er ist zufrieden, obwohl er keine Befriedigung finden kann. Das war auch genau das Thema: Dass er, aufgrund seiner Verunstaltung, eine Sensibilität für das Weibliche herausgebildet hat, die andere Männer vielleicht nicht haben. Er sieht in allen Frauen so etwas wie Idole.
Das mit dem Aussteigen ist natürlich ein Fehler! ;)
Die Tragik der Situation, die der Geschichte eine gewisse Würze geben würde, bleibt unausgelotet.
Es hat schon Elemente einer typischen Erotik-Geschichte. Das exotische Setting, der Standes-Unterschied (Stallbursche/Lady Chatterly), auch die Unbefangenheit mit der er zur Tat schreitet und natürlich auch die ganze Verklärung des eigentlichen Aktes. Da wird die Geilheit, die Sehnsucht, zu etwas erhabenem gemacht. Der Geruch der Scham wird gespeichert und archiviert. So eine Art privates Porno-Archiv, baut er sich da auf. Das sind schon alles schöne Ideen und Elemente, der Ansatz, den du in der Geschichte andeutest, die Sprachebene, die suggeriert, dass da noch mehr dahintersteckt, das geht aber meiner Ansicht nach nicht auf. Die Geschichte ist sehr viel weniger als sie sein könnte, und das ist eigentlich schade.
Vom Standesunterschied hab ich nichts geschrieben. Und der Vergleich Stallbursche/Lady Chatterly ist völlig unpassend angesichts der Unattraktivität von Anand, was übrigens "Freude" heißt. Klar, er macht die Frauen zu etwas Erhabenem, weil sie natürlich so unerreichbar sind für ihn.
Ja, vielleicht wird ja noch mehr aus der Geschichte, mal schaun. Ich hab halt versucht, einmal eine poetischere Geschichte zu schreiben. Schade, dass das für dich nicht interessant ist. Auf jeden Fall aber hast du mich dazu gebracht, darüber nachzudenken, was die Geschichte eigentlich ist, und wieso ich sie so geschrieben habe, wie sie ist, möglich dass mich das dazu bringt, den Figuren mehr Profil und der Geschichte mehr Raum zu geben.

Danke dir! :)


Namaste Manu!

Grundsätzlich gefällt mir deine (vermutlich) indische Zug-Szene ganz gut. Wenn auch stellenweise bemüht literarisch, beschreibst du die Sehnsucht eines geistig zurückgebliebenen, zusätzlich durch eine Hasenscharte entstellten, jungen Mannes nach der Nähe von Frauen sehr gut, mMn.
Danke :) und autsch zu "stellenweise bemüht literarisch" ;) Nein, als geistig zurückgeblieben wollte ich ihn nicht darstellen, seine Systematisierung der Frauen zeugt ja schon von Intelligenz. Dass er Analphabet ist, ist in Indien ja nichts Ungewöhnliches. Richtig sprechen kann er aufgrund seiner Gaumenspalte nicht.
In seiner sexuellen Not, er wird als Mann ja nicht beachtet, zieht er sich in eine fantastische Traumwelt zurück und entwickelt so eine seltsame Form der Ersatzbefriedigung. Geschickt beschreibst du seine Gefühlswelt. Sie besteht aus heimlichen Berührungen von ahnungslosen Frauen und ihren verlockenden intimen Düften. Der harmlose „Imbecil“, katalogisiert seine Opfer geistig penibel, kann seine Erinnerungen an sie, wann immer es ihm passt, abrufen und sexuell verwerten. Letztlich eine Form kreativer Überlebensstrategie.
Kann ich einfach nur "ja" dazu sagen!
Ein Problem hatte ich mit dem leeren Abteil im Zug. Wer indische Züge kennt, weiß, dass es kaum möglich ist, alleine in einem Abteil zu sitzen. Geradezu unmöglich erscheint mir dies in der dritten Klasse zu sein. (Hätte mir das manchmal gewünscht. )
Ich WUSSTE, dass dieser Einwand von dir kommt! :D Ja, ich weiß, dass indische Züge immer überfüllt sind, aber wie schon gesagt, es ist ja eher ein Märchen als ein realistischer Bericht.
Etwas mehr tiefer gehende Beschreibung erhoffte ich mir von der Atmosphäre im Abteil. Gerüche, Geräusche, Rattern der Räder, Russgeschmack im Mund, Essen und Teeverkäufer, die ständig zwischen den Waggons hin und her laufen. Da wäre noch mehr drinnen gewesen, mMn. (Die Angst erwischt zu werden, z.B.)
Da hast du Recht, das wäre auch eine Möglichkeit, die Geschichte noch auszubauen.

Zitat:
Doch er war keiner jener verbitterten Männer geworden, deren angesammelter, gestockter Saft sich in verbale Galle verwandelt, die sie bei jeder Gelegenheit über die Frauen ausschütten.
Ein sehr schöner Satz,
Nur die Zeitform könntest du überdenken.
Alternative: … deren gestockter Saft sich in verbale Galle verwandelt hatte, die sie …
Nein, hier spricht die auktoriale Erzählerin, die davon ausgeht, dass es solche Männer immer gibt und geben wird: daher Präsens! :D
Ansonsten hab ich alle deine Verbesserungsvorschläge bereits eingebaut!
Sehr gerne gelesen!
Freut mich! Und danke dir für deinen Kommentar!

Gruß
Andrea

 

Hallo Andrea,

seltsam - ich habe diese Geschichte schon heute Vormittag gelesen und da hat sie mir eigentlich gar nicht gefallen. Jetzt lese ich sie zum zweiten Mal und finde sie einfach wunderbar.
Warum? Nun ja, beim ersten Lesen hatte ich - wie einige andere - das Gefühl, dass hier irgendetwas fehlt. Ich habe mir mehr Hintergründe gewünscht, vor allem über deinen Protagonisten.
Aber jetzt stelle ich fest: Es ist alles da.
Du charakterisierst ihn nicht mit Worten, in dem du ihm bestimmte Eigenschaften zuschreibst - aber doch hat sich in meinem Kopf eine ziemlich genaue Vorstellung von seinem Wesen geformt.
Ein klitzekleines bisschen hat mich der Protagonist an Baptist Grenouille (Das Parfum) erinnert. Aber nur wenig. Nicht wegen der Riechszene am Ende, sondern eher weil er die Frauen nach ihren Besonderheiten ordnet.
Auch wenn der Fokus deiner Geschichte sicherlich nicht auf dem gesellschaftlichen Aspekt liegt, so finde ich durchaus, dass man auch diesbezüglich so einiges herauslesen kann.
Tja, alles in allem hat es mir sehr gut gefallen.

Einen einzigen Kritikpunkt habe ich allerdings doch (sonst wär´s ja langweilig) - der Anfang hat mir sprachlich nicht so gut gefallen. Hauptsächlich haben mich die vielen Adjektive gestört. Meines Erachtens würde manches sprachlich schöner, eleganter wirken, wenn du auf das eine oder andere verzichtest.

Lieben Gruß, Bella

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Andrea,

deine Geschichte ist sehr intensiv. Sie entwickelt ihren Reiz in wohltuender Ruhe, lässt sich Zeit und fokussiert sich auf einen erotischen Augenblick. Ich finde sie auch gut geschrieben, habe nur bei den schwirrenden Papageien gestutzt. Das kann ich nicht wirklich in Einklang bringen. Aber da fiel mir dann ein, dass ja sogar Männer schwirren können (wie Motten das Licht) und dann dachte ich, dann sollen sie halt schwirren, die Papageien. Dennoch denke ich bei Schwirren immer eher an Insekten. Papageien flattern eher.

Was ich nicht beurteilen kann (ich war noch nicht in Indien), aber was mir dennoch durch den Kopf ging (und an anderer Stelle auch angesprochen wurde): Ein leeres Abteil in einem Zug in Indien, in dem nur diese beiden Personen sind? Vielleicht entspricht das nicht der Realität. Aber gern gelesen habe ich die Geschichte trotzdem. Sie hat in meinem Kopf auch sehr starke Bilder erzeugt.

Beispiel: Ihr Kleid und die weite Hose waren purpurfarben und der Fahrtwind plusterte sie in regelmäßigen Wellen auf, um sie dann wieder an ihren Körper zu pressen. Es war, als würde ihr der Stoff, immer wieder an den Füßen beginnend, über den ganzen Körper streicheln.

Eindrucksvoll beschrieben!

Grüße von Rick

 

Hallo Weltenläufer!

für meinen Geschmack hast du einen wunderbar sensiblen Ton getroffen, um die an sich auch sehr sensible Geschichte zu erzählen. Stoff und Ton fügen sich also wunderbar ineinander und weben einen Text, der trotz seiner eigentlichen Tragik schön daherkommt.
Vielleicht liegt es daran, weil du deinen Prot trotz seiner bemitleidenswerten Lage nicht die Rolle des Leidenden zuspielst. Es scheint, als habe er sich mit seinem Schicksal arrangiert, als schöpfe er das beste daraus.
Freut mich, dass du das so siehst, so war es auch gedacht! :)
Du hast da aber wirklich einen Widerspruch entdeckt, den ich mir noch überlegen muss. Aber er könnte natürlich auch verbittert sein, ohne dass er es artikulieren kann. Aber vielleicht lass ich das mit dem Nicht-richtig-sprechen-Können überhaupt weg.
Danke dir für deinen Kommentar!


Hey Alte!

Die schmutzigen Holzbänke um ihn waren nun bis auf eine Frau leer.
Ja, das sehe ich wie Manuela. Man kennt aus Filmen, in den die dritte-Klasse-Abteile mit Menschen vollgestopft sind. Sie steigen ja nicht nur aus, an den Haltestellen steigen auch wieder Passanten ein. Meistens sind es Männer, die mit ihren Frauen unterwegs sind. Wieso hier die Frau allein unterwegs ist, verstehe ich auch nicht. Und dass sie einfach so einschläft, ich könnte mir gut vorstellen, dass sie aufgeregt ist, oder besonders aufpasst, weil sie alleine unterwegs ist, aber okay, du hast das jetzt so geschrieben.
Deine Geschichte würde gar nicht mehr funktionieren, würdest du diese Punkte berücksichtigen.
Ja, ich habe darauf schon Manuela geantwortet, sieh´s als Märchen aus Tausend und einer Nacht! ;)
Zitat:
Am Ende machte Anand das verbotene Fach auf.
Ich würd das nicht verbotenes Fach nennen, ja, vielleicht in der Realität, aber das ist sein eigentlicher Schatz - seine Schatzkammer, von der niemand was ahnen darf.
Eben, es darf niemand was davon ahnen, also verboten! :p
Zitat:
n denen er von einigen Frauen mehr gesehen hatte, als er eigentlich durfte, als unverheirateter Mann.
Verheiratete Männer dürfen natürlich spannen. Nee, ist schon klar, liest sich nur beim ersten Mal etwas schräg.
lol
Der Vergleich mit dem Film ist zwar dick aufgetragen, und wie die meisten hier sagen, übertrieben, aber ich denke, das passt einfach zu diesem Indian-Style. Die Farbe ihrer Kleidung, ihr Schmuck, ihre Bewegungen, irgendwie ist alles übertrieben. Aber das ist nur Bollywood, und hier ist kein Stück Bollywood, aber dann plötzlich, wenn du diesen Vergleich machst. Man kann sich darüber streiten, vielleicht wünscht er sich auch einfach mal normal zu sein und ganz sicher wünscht er sich begehrt zu sein.
Aber wenn er jetzt diese Vorstellung von dieser Frau hat, warum dann nur sie. Mir kommt es die ganze Zeit vor, als wäre sie nur eine weitere Frau in den Kategorien, aber mit ihr soll er auf Zugdächern tanzen?
Ich fände es besser, wenn sie gleich besonders bleibt wie die anderen, also eigentlich normal. (;
Wieso zu dick aufgetragen? In Indien sind Filme etwas sehr Wesentliches. Wieso sollte er keine Fantasie mit ihr haben, in denen beide als Filmpaar auftreten? Auch verstehe ich nicht, wieso sie dadurch besonderer wird als die anderen Frauen - bei denen hatte er sicher auch Fantasien, aber ich erzähl halt die Geschichte von dieser einen besonderen Begegnung.
Das mit dem "kein Gesicht" ist wieder super charakterisiert.
gut! :)
Zitat:
Auf dem in der Abendsonne liegenden Bahnsteig lächelte Anand endlich. So weit man bei einer gespaltenen Lippe von einem Lächeln sprechen kann.
Er träumt/phantasiert die ganze Zeit, ist aber doch nicht zufrieden damit, erst als er auch den Geruch dieser einen Frau hat? Hmm.
passt nicht zu deinem restlichen Stil.
Du meinst hier das "endlich", hm? Aber das ist jetzt weg!
Ja, Andy, ich find die Geschichte eigentlich schön erzählt, aber du hättest auf jeden Fall mehr daraus machen können. Das Thema ist auf jeden Fall was für die Rubrik "Gesellschaft", findest du nicht? Er vergewaltigt ja die Frau praktisch, nur weil sie nichts mitbekommt? Wäre die Geschichte anders geschrieben, würde man auch eine Kritik auf diese Gesellschaft erkennen, dass in diesen Kulturen vorehelicher Sex verboten ist, und aus solchen Sonderlingen Vergewaltiger werden. Ist aber deine GEschichte und ich finde sie eigentlich ganz gut, nur unrealistisch.
Hm, aber die Intention der Geschichte ist doch eine ganz andere, eben eine erotische und keine gesellschaftliche. Und nein, Vergewaltigunger ist er bestimmt keiner, wenn das so rüberkommt, dann hab ich was falsch gemacht. Ich wollte hier sicher keine Gesellschaftskritik schreiben.

Trotzdem danke für deine interessanten Gedanken und für deinen Kommentar!

Dein Gruppenmitglied


Hallo Sami!

Vielen Dank für die Verteidigung meiner Geschichte, hab mich echt darüber gefreut!

Mir gefallen die angesprochene 'Sensibilität', die Sinnlichkeit, du fängst mich mit nahezu jedem Wort ein.
Das ist wirklich schön!
Komischerweise hat mir der gerade der erste Abschnitt so gut gefallen, dass ich unbedingt weiterlesen wollte. Also, Jungs und Mädels, Knüppel für meinen Hinterkopf gibt's an der Theke.
Echt arg, wie die Geschmäcker verschieden sind. Und du bist wirklich ein Kavalier! :D

Gruß
Andrea

 

Hallo Andrea,

erstmal zum Text:

Eine Zeitlang hatte Anand geschlafen. Erwachend blieb ihm eine süßlich-laue Trägheit in den Gliedern und Träume, die in seinem Kopf wie Papageien herumschwirrten.
Das erwachend wurde schon einmal moniert. Ich finde es auch nicht kraftvoll.
Süßlich-lau hat was Morbides für mich. Aber das ist Geschmackssache.

Das Abteil war nun fast leer. Nur eine Frau lag noch mit angewinkelten Beinen auf einer der schmutzigen Holzbänke.
Wenn ich auf Holz schlafen muss, versuche ich zumindest, mit einem Tuch oder dergleichen etwas Dämmung, Weichheit (wenigstens unter dem Po) beim Schlafen herzustellen. Das ist sonst so hart. Einfach nur mal so als Gedanke hier reingeschmissen.

Wie viele Analphabeten besaß er ein ausgezeichnetes Gedächtnis.
Das ist für mich eine Aussage, die nicht haltbar ist. Das betrifft vielleicht solche in zivilisierten Ländern, die sich durchmogeln müssen und sich dadurch Taktiken angeeignet haben, die auch ein immenses Gedächtnistraining erforden. Aber in Zweit- und Drittländer ist es gang und gebe, nicht lesen und schreiben zu können - da wird ein solches Kopftraining nicht erforderlich.

In seinem Schatzkästlein fehlten jedoch die Blicke der Frauen, Blicke, die an deren fruchtbaren Tagen tiefer und wärmer wurden. Das Spiel mit losen Worten, Gesten und kehligem Lachen kannte er nicht. Niemals hatte ihn eine Frau begehrt.
Schöne Stelle. Ich hirne nur am ersten Satz rum und würde nach Frauen ein Semikolon setzen.

Schließlich entschied er sich jedoch für ihren Nabel, ein kleiner Trichter, in dem sich so manches inmitten ihres wohlgenährten Bauches hätte sammeln können. Er stellte sich ganz knapp neben die Holzbank, auf der sie lag, und beugte sich mit hinausgestreckter Zunge über sie. Vorsichtig senkte er sie in ihren Nabel und begann an ihm zu lecken, ganz leicht nur.
Hier war ich etwas irritiert über die freizügige Kleidung der Prota, ohne vorher darauf hingewiesen worden zu sein.


Er ließ die ganze Zeit seine linke Hand an der Nase; nicht das kleinste Geruchsteilchen wollte er verlieren.
Mit dem selbst kreierten Wort Geruchsteilchen
habe ich etwas Probleme, das ließe sich sicher noch etwas eleganter ausdrücken.

Anand jedoch stand auf dem in der Abendsonne liegenden Bahnsteig und lächelte. So weit man bei einer gespaltenen Lippe von einem Lächeln sprechen kann.
Dein letzter Satz wird dem Ton Geschichte nicht gerecht. Ein Mensch lächelt auch mit den Augen, mit der Gestik seines Körpers, wenn es der Mund wegen einer Deformation nicht richtig kann. Das nimmt für mich viel vom Zauber der Geschichte und kommt wie eine kleine kalte Dusche. Es geht nicht um die Tatsache, dass er der Prot eine Hasenscharte hat, wenn ich das richtig interpretiere, sondern die Art und Weise, wie du das dem Leser darlegst.

So, dass waren die eher kritischen Punkte, die ich gefunden habe.

Nichts desto trotz gefällt sie mir gut, deine Geschichte, besonders, da du offenläßt, ob Anjali wirklich schläft oder nur so tut und genießt. Für mein Empfinden könnte der letzte Satz sogar gelöscht werden und es wäre trotzdem genauso rund.

Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo Bella!

seltsam - ich habe diese Geschichte schon heute Vormittag gelesen und da hat sie mir eigentlich gar nicht gefallen. Jetzt lese ich sie zum zweiten Mal und finde sie einfach wunderbar.
Das freut mich, besser so als umgekehrt! ;)
Warum? Nun ja, beim ersten Lesen hatte ich - wie einige andere - das Gefühl, dass hier irgendetwas fehlt. Ich habe mir mehr Hintergründe gewünscht, vor allem über deinen Protagonisten.
Aber jetzt stelle ich fest: Es ist alles da.
Du charakterisierst ihn nicht mit Worten, in dem du ihm bestimmte Eigenschaften zuschreibst - aber doch hat sich in meinem Kopf eine ziemlich genaue Vorstellung von seinem Wesen geformt.
Schön, dass es bei dir funktioniert hat! Das mit der Ähnlichkeit zu "Parfum" wurde ja schon von anderen erwähnt. Wegen des Anfangs: Ein paar Adjektive hab ich jetzt gestrichen.

Danke für deine sehr positive Kritik, hat mich wirklich gefreut! :)


Hallo Rick!

deine Geschichte ist sehr intensiv. Sie entwickelt ihren Reiz in wohltuender Ruhe, lässt sich Zeit und fokussiert sich auf einen erotischen Augenblick. Ich finde sie auch gut geschrieben, habe nur bei den schwirrenden Papageien gestutzt. Das kann ich nicht wirklich in Einklang bringen. Aber da fiel mir dann ein, dass ja sogar Männer schwirren können (wie Motten das Licht) und dann dachte ich, dann sollen sie halt schwirren, die Papageien. Dennoch denke ich bei Schwirren immer eher an Insekten. Papageien flattern eher.
Ja, ich hab mich sehr um Vergegenwärtigung bemüht, schön dass du es so intensiv nachempfinden konntest! :) Das Schwirren der Papageien meint weniger ihr Fliegen, sondern eher das Geräusch, das ihre Flügel dabei machen. Aber vielleicht muss ich das deutlicher machen. Ich hab´s eh schon zugegeben, dass das mit dem leeren Abteil wenig Plausibilität hat. Aber es freut mich besonders, dass die Geschichte dich erreichen konnte! :)


Hallo Bernadette!

erstmal zum Text:

Wenn ich auf Holz schlafen muss, versuche ich zumindest, mit einem Tuch oder dergleichen etwas Dämmung, Weichheit (wenigstens unter dem Po) beim Schlafen herzustellen. Das ist sonst so hart. Einfach nur mal so als Gedanke hier reingeschmissen.
Ich glaube, wenn es sehr heiß ist, leigt man lieber am blanken Holz.
Zitat:
Wie viele Analphabeten besaß er ein ausgezeichnetes Gedächtnis.
Das ist für mich eine Aussage, die nicht haltbar ist. Das betrifft vielleicht solche in zivilisierten Ländern, die sich durchmogeln müssen und sich dadurch Taktiken angeeignet haben, die auch ein immenses Gedächtnistraining erforden. Aber in Zweit- und Drittländer ist es gang und gebe, nicht lesen und schreiben zu können - da wird ein solches Kopftraining nicht erforderlich.
Ich antworte hier mal mit Hans Magnus Enzensberger: "... so erscheint mir der Analphabet nachgerade als ehrwürdige Gestalt. Ich beneide ihn um sein Gedächtnis, um seine Fähigkeit, sich zu konzentrieren, um seine List, seine Erfindungsgabe, seine Zähigkeit, und um sein feines Ohr." (Aus: Lob des Analphabeten) Schreiben zu können, gibt die Möglichkeit, etwas dauerhaft zu speichern, wenn man es nicht kann, muss man es sich eben so merken, daher müssen Analphabeten sich mehr auf ihr Gedächtnis verlassen. Das ist gerade in Hinblick auf eine orale Kultur wichtig, lange Zeit wurde Literatur nur mündlich weitergegeben - von Menschen, die sich auch sehr lange Geschichten merken konnten. Das meinte ich.
Hier war ich etwas irritiert über die freizügige Kleidung der Prota, ohne vorher darauf hingewiesen worden zu sein.
Im Allgemeinen tragen indische Frauen eine Tracht, die aus einem engen, kurzen Oberteil, das den Bauch frei lässt, einer weiten Hose und einem Tuch besteht, das über die Schulter bzw. den Kopf getragen wird. Sogar alte Frauen gehen bauchfrei, das ist ganz normal.
Das mit den "Geruchsteilchen" muss ich mir noch überlegen.

Zitat:
Anand jedoch stand auf dem in der Abendsonne liegenden Bahnsteig und lächelte. So weit man bei einer gespaltenen Lippe von einem Lächeln sprechen kann.
Dein letzter Satz wird dem Ton Geschichte nicht gerecht. Ein Mensch lächelt auch mit den Augen, mit der Gestik seines Körpers, wenn es der Mund wegen einer Deformation nicht richtig kann. Das nimmt für mich viel vom Zauber der Geschichte und kommt wie eine kleine kalte Dusche. Es geht nicht um die Tatsache, dass er der Prot eine Hasenscharte hat, wenn ich das richtig interpretiere, sondern die Art und Weise, wie du das dem Leser darlegst.
Ja, du hast Recht, da kommt der auktoriale Erzähler wohl etwas hart daher. Aber ich hab keine andere Möglichkeit gesehen, mitzuteilen, dass er eine Hasenscharte hat. Vielleicht fällt mir noch was ein.

Freut mich, dass dir meine Geschichte trotzdem gefallen hat und danke für deinen Kommentar! :)

Gruß an alle
Andrea

 

Hallo Andrea!

Da ich noch nicht so viel geschrieben habe und wenig Erfahrung habe, weiß ich nicht woran das liegt, aber ich habe jedes einzelne Wort deiner Geschichte sehr konzentriert gelesen (passiert nicht oft) und die Wörter haben mich sanft gefesselt.
Die Bilder, die ich gesehen habe, waren sehr real und intensiv. Die ganze Zeit war es, als hätte ich genau neben der Frau gestanden und sie und den Mann beobachtet.
Liebe Grüße,
isa.

 

Hallo Isatoo!

Freut mich sehr, dass das bei dir so gewirkt hat! :) Eigentlich ist das auch meine Absicht, dass es für den Leser sehr "gegenwärtig" wird. Vielen Dank für deinen netten Kommentar!

Gruß
Andrea

 

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