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Grünkäppchen, der Wolf und Oma Trudchens Lebkuchen

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03.02.2018
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Grünkäppchen, der Wolf und Oma Trudchens Lebkuchen

Grünkäppchen,
der Wolf und Oma Trudchens Lebkuchen
(Ein weihnachtliches Märchen aus der Altmark)
von Stefan Kemper-Kohlhase

Es war einmal ein Junge, den nannten alle nur „Grünkäppchen“. Er war nicht mehr Kind und noch nicht Erwachsener. Und alle nannten ihn „Grünkäppchen“, weil sein Vater ihm im Krankenhaus aus lauter Langeweile eine grüne Mütze gehäkelt hatte. „Grünkäppchen“ war zunächst von seinen Mitschülern gehänselt worden wegen seiner grünen Mütze, aber nach 3 Tagen bemerkten schon einige Mitschüler kleinlaut, daß sie gerne auch so eine „coole“ Mütze haben wollten. „Grünkäppchen“ fühlte sich durch seine Spitznamen auch nicht gemobbt. Er war sehr für Ackerbau, Viehzucht und Umweltschutz. Und als Fan des VfL Wolfsburg war das Tragen einer grünen Mütze Ehrensache.
„Grünkäppchen“ lebte, wie es der Zufall so wollte, in Grünenwulsch. Natürlich! Und er hatte eine Oma in Dobberkau, „Oma Trudchen“. Das heißt, eigentlich war sie garnicht seine Oma. „Oma Trudchen“ war die Oma aller Kinder. Schon in jungen Jahren hatte sie graue Haare. Sie hatte nie geheiratet und auch keine Kinder gehabt, aber alle nannten sie „Oma Trudchen“, weil sie so kinderlieb war. Und sie war eine unzerstörbare altmärkische Frohnatur. Alle liebten „Oma Trudchens“ Lebkuchen. Sie waren die besten Lebkuchen der Welt und – sie dufteten nach Heimat. Ihr Vorrat an Lebkuchenherzen in der großen Keksdose auf dem Schrank in der Stube ging niemals zur Neige. Und „Oma Trudchen“ gab mit Freude.
„Grünkäppchen“ war, als er noch kleiner gewesen war, oft bei „Oma Trudchen“ gewesen. Sie kümmerte sich um die Kinder, wenn die Eltern nicht konnten. So hatte „Grünkäppchen“ oft mit „Oma Trudchen“, seiner „Adoptivoma“, die Kaninchen gefüttert, die Eier aus dem Hühnerstall geholt, „Altmärkische Hochzeitssuppe“ gekocht oder Lebkuchen gebacken.
„Grünkäppchen“ mochte „Oma Trudchen“ sehr. Aber jetzt war „Oma Trudchen“ krank geworden. Die Ärzte hatten von „Parkinson“ und „kürzertreten“ geredet. „Grünkäppchen“ sagte sich: „Nun will ich „Oma Trudchen“ auch mal was Gutes tun!“ An einem nebeligen Novembertag hatte er nach der Schule zusammen mit seinen Eltern Lebkuchen gebacken. Und „Grünkäppchen“ wollte nun ein Lebkuchenhaus für „Oma Trudchen“ bauen. Eigentlich sollte es ein Forsthaus mit einem Playmobil-Förster werden. Das Forsthaus sah aber aus wie ein Bunker und der Hochsitz, den „Grünkäppchen“ dazu gebaut hatte, sah aus wie ein Kirchturm. Naja, ein großer Künstler als Zuckerbäcker war er nicht, aber „Oma Trudchen“ konnte ja mit dem Herzen sehen. Sie würde sich sicher über den Kirchen-Forsthaus-Bunker freuen. Zur Sicherheit stellte „Grünkäppchen“ noch die Lutherfigur, die er zur Konfirmation bekommen hatte, neben den Förster. Dann packte er alles in einen Karton und machte sich auf den Weg zu „Oma Trudchen“ nach Dobberkau. Da sein Fahrrad kaputt war, mußte er laufen. An der Tür sagten seine Eltern noch: „Paß auf den Verkehr auf im Wald zwischen Grassau und Friedrichsfleiß. Da gibt’s Raser. Und nimm dich vor dem Wolf in Acht.“ Da platzte „Grünkäppchen“ der Kragen und er bellte seine Eltern, halb im Scherz, an: „Ihr habt wohl zuviel „Rotkäppchen und er böse Wolf“ gelesen. Ihr seid voll peinlich! Informiert euch gefälligst ordentlich zum Thema Wolf, z.B. auf der Internetseite des Mitteldeutschen Rundfunks. Bis nachher!“ Rumms, fiel die Tür ins Schloß. Nachdem „Grünkäppchen“ zum Wald hinter Grassau gekommen war, dachte er aber doch an den Wolf und bemühte sich möglichst laut zu sein. Und da gerade keine anderen Leute in Sicht waren, begann er mit seine krächzenden Stimmbruchstimme Adventslieder zu singen. Die hatte er aus „Oma Trudchens“ Gesangbuch gelernt. „Oma Trudchen“ mochte nämlich auch gerne Singen. „Macht hoch die Tür“, „Tochter Zion freue dich“, „Wir sagen euch an den lieben Advent“, „Stille Nacht, heilige Nacht“ oder „O du fröhliche“. Der Wald lauschte mit größter Andacht. Dann stimmte „Grünkäppchen“ ein von ihm selbst gedichtetes Lied an:
(Melodie: Mitt hjerte alltid vanker)
Mein Herz will treu und feste / zum Stall von Bethlehem.
Nicht in die Prachtpaläste, / zum Retter will ich gehen.
Glaub‘, Hoffnung und die Liebe, die haben dort die Macht.
Ich kann dich nicht vergessen, du holde Weihnachtsnacht.
Meister Isegrim, der in einiger Entfernung auf Wildschweinfrischlinge gelauert hatte, gab Fersengeld. Die Menschen sind viel zu stressig und zu laut.
Wer allerdings hinter der nächsten Wegbiegung auftauchte, das war Wolfhard Wolfermann, ein in der Region bekannter Tunichtgut, Lüstling und Dummschwätzer. „Grünkäppchen“ dachte nur: „Oh nein, bitte nicht!“ Aber da ergoß sich schon Wolfhard Wolfermanns wehleidiger Sermon über ihn. Und, wie üblich, erzählte er von amerikanischen Bankern, die ihn um sein Erbe betrogen hatten, von australischen Einwanderungsbehörden, die seine DDR-Ausbildung nicht anerkannt hatten und von den türkischen Erdogan-Beamten, die ihn wegen allzu lauten Redens eingesperrt hatten. Schließlich fragte Wolfhard Wolfermann wie üblich nach Geld. Die Standardantwort, um Wolfhard Wolfermann abzuwimmeln, war immer: „Sie können gerne heute Abend zu uns kommen. Eine Schmalzstulle und etwas Kaffee haben wir immer. Geld geben wir aber keins!“ Das sagte auch „Grünkäppchen“. Alle wußten, daß Wolfhard Wolfermann zu feige war, um wirklich zu kommen. Zum Schluß, bevor er sich Richtung Hohenwulsch wandte, fragte er noch: „Wo willst du eigentlich hin?“ „Zu „Oma Trudchen““, antwortete „Grünkäppchen“. „Grüß sie mal von Wölfchen Wolfermann!“, sagte Wolfhard Wolfermann noch, bevor sie sich trennten.
Im Wald zwischen Friedrichsfleiß, Schorstedt und Dobberkau beobachtete „Grünkäppchen“ noch einen Sprung Rehe, einen Fuchs und 2 Feldhasen. Davon erzählte er „Oma Trudchen“ später. Sie war nicht gut zufrieden und lag im Bett. Sie freute sich aber wie ein Schneekönig über „Grünkäppchens“ Kirchen-Forsthaus-Bunker. „Grünkäppchen“ erzählte von der Schule, der Jugendfeuerwehr, dem Sportverein und der Begegnung mit „Nervensäge“ Wolfhard Wolfermann im Wald. „Der ist wieder im Lande?“ fragte „Oma Trudchen“. „Wieso? Kennst du ihn?“ fragte „Grünkäppchen“. „Und ob!“, sagte „Oma Trudchen“,“Er hatte große Pläne nach der Wende und wollte sein Glück in Amerika machen! Leider hat er sehr viele unschöne Dinge erlebt. Er soll nur mit seinem deutschen Reisepaß und den Kleidern auf dem Leibe letztes Jahr auf dem Berliner Flughafen gesehen worden sein. Ich wußte nicht, daß er wieder in die Altmark zurückgekehrt ist. – Weißt du was? Wenn du ihm heute nochmal begegnest, dann gib ihm das von mir.“ „Oma Trudchen“ öffnete die Schublade ihres Nachttisches und gab „Grünkäppchen“ eine kleine Papiertüte.
Tatsächlich traf „Grünkäppchen“ Wolfhard Wolfermann nochmal an diesem Abend. Bevor ihn Wolfhard Wolfermanns geballter Redeschwall treffen konnte, sagte „Grünkäppchen“:
„Bitte schön! Mit einem Gruß von „Oma Trudchen“.“ Die Papiertüte wechselte den Besitzer und Wolfhard Wolfermann war zum ersten Mal seit längerer Zeit sprachlos. Ehe er sich bedanken konnte, war „Grünkäppchen“ schon hinter der nächsten Wegbiegung verschwunden. Wolfhard Wolfermann hörte nur noch „Grünkäppchens“ neustes Lied durch den abendlichen Wald schallen:
(Melodie: Fra Fjord og fjære)
Die Engel singen / heut‘ ihr Halleluja.
Dem Herrn sie bringen / ihr hohes Loblied dar.
Zur Erde kam er. / Die Zeit erfüllet war.
Marie‘ die Mutter, / den Retter sie gebar.
O Jesus Christus, gegrüßet seist du mir.
Hinter dem nächsten Hügel lag Meister Isegrim rund und satt. Er hatte sich an einem Reh gütlich getan, das ein Trailer auf der Straße nach Rochau überfahren hatte.
Wolfhard Wolfermann war inzwischen in seiner Bleibe angekommen, einem halbverfallenen Haus, das niemandem gehörte. In der Papiertüte fand er 3 von „Oma Trudchens“ Lebkuchenherzen, die den Duft von Heimat verströmten. – Eine große, dicke Träne kullerte über Wolfhard Wolfermanns Wange. An diesem Abend schrieb er einen langen Brief an „Oma Trudchen“. Er erzählte ihr seine Lebensgeschichte. Diesmal aber ohne Selbstmitleid und Rumgeschwafel. Der Brief, den er am nächsten Morgen in „Oma Trudchens“ Briefkasten steckte, endete mit den Worten: „Danke, daß du mir den Glauben an das Gute im Menschen wiedergegeben hast „Oma Trudchen“. Einen gesegneten Advent. Dein Wölfchen.“
Und die Moral von der Geschicht?
(Melodie: Macht hoch die Tür)
Komm, o mein Heiland Jesus Christ, /
Meins‘ Herzens Tür dir offen ist. /
Ach zieh‘ mit deiner Gnaden ein; /
Dein Freundlichkeit auch uns erschein./
Dein Heil’ger Geist und führ und leit /
Den Weg zur ew‘gen Seligkeit. /
Dem Namen dein, o Herr, /
Sei ewig Preis und Ehr.“
P.S.: „Oma Trudchen“ starb ein paar Monate später und Generationen von „Lebkuchenkindern“ kamen zu ihrer Beerdigung. Ihr Grab war immer gepflegt.
„Grünkäppchen“ wurde Parkranger im Nationalpark Harz.
Wolfhard Wolfermann fand wieder zu einem geordneten Leben.
Und Meister Isegrim wundert sich über die vielen Wildschweine und die vielen Waschbären.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hoppla, bistu verwandt oder veschwägert mit einem gewissen Hans Kohlhase aus Cölln an der Spree?, gleichwohl erst einmal herzlich willkommen hierorts,

bestes Alltmarkpaulchen aller sechs Richtungen,von unten bis oben, von rechts bis links und von vorne wie hinten!, Stefan Kemper-Kohlhase!

Ja, das ist mal eine Geschichte, die sicherlich viel Spaß gemacht hat beim Schreiben und im mündlichen Vortrag. Aber was da gelingt, kann schriftlich in die Hose gehen, denn das gesprochene Wort ist flüchtig, kaum der eigenen Zunge entsprungen kommt's zum einen Ohr rein und zum andern wieder raus in Schallgeschwindigkeit, also 33-mal schneller als Armin Harry und Usain Bolt auf bescheidenen 100 m. Niedergeschrieben fällt jede Schwäche auf. Und die erste mündet direkt in der Frage, ob die Rechtschreibreform am Autoren vorbeigegangen ist ... -

in Fügungen wiedergegeben

..., daß sie gerne auch ... mußte er laufen ... „Paß auf den ... fiel die Tür ins Schloß
u. a.,

ausgerechnet die sinnvollste Reform, die kurze, scharfe Silbe mit doppel-s und die lange Silbe mit ß zu kennzeichnen (am deutlichsten sieh man's am reformierten "Fluss" gegen den traditionellen "Fuß", lautschriftlich ("[fluz / fu:z]"), womit wir schon bei den nervenden Gänsefüßchen bei Namen sind.

Einmal reicht an sich (wenn überhaupt, dann beim ersten Mal), einen Spitznamen oder auch nur "Sogenanntem", denn eigentlich ist ja alles nur so genannt, wie es halt genannt wird und der "Name" ist ja nix anderes als eine umgelautete Substantivierung des Verbes "nennen".

Zahlen werden üblicherweise in literarischen Versuchen ausgeschrieben. Natürlich wäre es Blödsinn und Platzverschwendung, alle Zahlen auszuschreiben, denn ab 13 sind es nur noch zusammengesetzte Zahlen und siebenmilliardensiebenhundertmillionensiebeundsiebtigtausendsiebenhundertsiebenundsiebzig wäre nun kein literarischer Höhepunkt (wobei ich schändlicherweise die 77.700.000 schon einfach weggelassen hab, es erhöht ja nur die Gefahr des Tipp- oder sonstiger Fehler)

Dass Du arg an der Schulgrammatik hängst, überrascht mich besonders, ist aber nix Falsches. Da können korrektgeformte Sätze sogar nerven (und ich bin an sich geduldig wie ein Baum, nur beweglicher). Nur ein Beispiel:

„Grünkäppchen“ war, als er noch kleiner gewesen war, oft bei „Oma Trudchen“ gewesen.

Nun ja, Heidecker, dem das Sein west, ist das nicht. Und das ist gut so, aber man merkt, "ge-" liegt nicht weit vom "verwesen". Da nützt auch nichts die Trennung des Verbes "sein" in Voll- und Hilfsverb. Wie wäre es mit
"Als kleiner Junge besuchte Grünkäppchen oft seine Oma Trudchen."
Nur mal so als Modell für weitere Versuche ...

Gleichwohl hat mir die Geschichte gefallen, weil sie einen skurrilen Humor zu verbergen weiß (der kranke Vater häkelt das Mützchen, z. B.), der sich entfalten will.

Das wirstu lernen.

Bin ich von überzeugt!

Trivialeres

Das heißt, eigentlich war sie garnicht seine Oma.
Gar nicht wird gar nicht zusammengeschrieben!

„Ihr habt wohl zuviel „Rotkäppchen und er böse Wolf“ gelesen.
"Zuviel" nur als ein "Zuviel", also Substantiv zusammen, ansonsten immer auseinander "zu viel"

... und bemühte sich[,] möglichst laut zu sein.
(Komma, weil die Infinitivgruppe von einem Substantiv abhängt, dass hier listigerweise als Reflexivpronomen klein daherkommt, und Pronomen vertreten in aller Regel ein Substantiv ganz hervorragend

„Der ist wieder im Lande?“[,] fragte „Oma Trudchen“. „Wieso? Kennst du ihn?“[,] fragte „Grünkäppchen“. „Und ob!“, sagte „Oma Trudchen“,“...
Hier zeigt sich, dass Du die Kommaregeln zur wörtl. Rede kennst bei der Oma ...
Alles nur Flüchtigkeit?

Schönes Wochenende wünschr der

Friedel

Nachtrag, ohne nachtragend zu sein, nach der Lesung Deines Profils

Ich möchte ein Märchen veröffentlichen.
und wat nu?

PS: Bevor ich's vergess: Die Akte "Hans Kohlhase" inspirierte Heinrich v. Kleist zum "Michael Kohlhaas"!

 

Guten Abend!
Vielen herzlichen Dank für die konstruktive Rückmeldung. Nein, ich habe hier im Osten keine Wurzeln. Eigentlich bin ich "Beute-Altmärker" und stamme aus Westfalen. Und die Rechtschreibreform ist wirklich teilweise an mir vorbeigegangen. Von 2001 bis 2012 habe ich in Norwegen gelebt, deshalb die Probleme mit der Grammatik. Ich arbeite dran.
Gruß
Stefan Kemper-Kohlhase

 
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Nix zu danken,

Stefan,

am hilfreichsten dürfte neben dem gebundenen Duden oder Wahrig (jetzt wahrscheinlich Bertelmann) Duden.de sein, das immer auf dem neuesten Stand ist (das Regelwerk der Rechtschreibreform sollte die Ausgabe 2017 sein, denn es werdn immer wieder Änderungen vorgenommen - quasi wie im Steuerrecht. Auffälligste Änderung ist da die Einführung des ß als Großbuchstaben. Was seit dem Dreißigjährigen Krieg - in dem Zeitraum wurde aus dem sz das ß, mein ich so aus dem Gedächtnis - durchaus ohne Großbuchstaben gelang, scheint in der Moderne ein Problem zu sein. Kein gutes Zeichen, finde ich.

Duden.de - wort oder Zeichen eingeben, anklicken etc. -liefert die notwendige(n) Regel(n), die Bedeutung nebst des Wandels von einem Wort und ein kleine Grammatik. Einfach vesuchen, wird schon klappen! Klappt ja sogar bei mir ...

Tschüss und schönen Sonntag noch, hier an der Grenze zum Westfälischen (Münsterland beginnt auf der anderen Straßenseite, ich hock hier noch am Niederrhein und hierselbst ist es derzeit zumindest trocken ...

Friedel

 

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