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Gruber vs. Fückending
Hans Gruber war Personalchef bei der Versicherung "Safe Life". Er hatte oft mit Leuten zu tun, vor allem mit Mitarbeitern oder Stellenbewerbern. Gerade bereitete er sich auf ein Vorstellungsgespräch eines Aussendienstmitarbeiters vor, der jeden Moment erscheinen sollte. "Hmm...", sagte er, während er dessen Unterlagen studierte. "Paul Fückending, 44 Jahre, Versicherungskaufmann. Kein Foto dabei. Warum bloss?" Im nächsten Moment läutete sein Telefon. Er drückte die Lautsprechertaste. "Ja?"
"Hier Hilde. Der Bewerber ist hier."
"Schick ihn rein, Baby." Hilde und Hans hatten eine Liaison, aber das durfte niemand im Büro erfahren. Hans selber hatte die Regel aufgestellt, dass Beziehungen zwischen den Mitarbeitern strengstens untersagt waren. Dies vor allem, damit er selbst bessere Chancen bei den weiblichen Mitarbeitern hatte.
Die Tür ging auf. Hans erhob sich. "Herr Fückending, kommen Sie rein." Als er den Bewerber sah, erstarrte er äusserlich. Es gab einen guten Grund, weshalb der Bewerber kein Foto beilegte, dazu jedoch später. Herr Gruber begann mit seinem Interview: "Herr Fückending, wie sind Sie zum Versicherungsgeschäft gekommen?"
"Durch Zufall."
"Interessant. Wissen Sie dann weshalb die Menschheit das Versicherungswesen ins Leben ruf?"
"Sie meinen rief."
"Bitte..?"
"Die Vergangenheitsform von rufen ist rief, nicht ruf."
"Willkommen an Bord!"
"Echt? Ich hab den Job?"
"Selbstverständlich nicht, niemand mag Klugscheisser! Sie wissen, wo die Tür ist."
"Aber ich wollte doch nur..."
"Raus."
"Entschuldigen Sie, dass ich Sie belästigt habe." Der Bewerber erhob sich von seinem Sessel und ging Richtung Tür.
"Herr Fückending..?"
"Ja?"
"Das war ein Test. Sie haben den Job!"
"Echt jetzt? Ich... ich hab ihn?"
"Nein! Das war der eigentliche Test! Ich wollte doch sehen, ob Sie sich verunsichern lassen. Offensichtlich schon... Schade! Auf Wiedersehen."
"Na schön... Langsam ist es mir egal. Tschüss!"
"Herr Fückending..?"
"Was denn nun?"
"Das ist genau die relaxte Art, die wir suchen. Gratulation! Sie sind dabei."
"Ist es Ihnen diesmal ernst?"
"Tut mir Leid, falsche Antwort. Dass es mir ernst ist, hätten Sie aus meiner Antwort sofort erkennen müssen. Diese Art von Unsicherheit ist wiederum gar nicht, wonach wir suchen."
"Sie Arschloch!"
"Herzliche Gratulation! Sie sind jemand, der seine Meinung offensagt, und diese direkte Art entspricht zu hundert Prozent unserer Philosophie! Welcome on board, haha! Das war der letzte Test, versprochen!"
"Na endlich! Haha, ich dachte schon..."
"Mein Gott, Fückending! Das darf doch nicht wahr sein! Sie müssen doch leere Versprechungen von verbindlichen Zusagen unterscheiden können! Ich dachte wirklich, Sie wären unser Mann. Tut mir leid... So wird das nichts."
"Jetzt reicht’s! Ich verschwinde! Ich scheisse auf Ihre Firma!"
"Sie beweisen mir gerade, dass Sie sich nicht alles gefallen lassen. Dieses Durchsetzungsvermögen brauchen wir hier! Bitte nehmen Sie Platz, damit wir die Details zu Ihrer Einstellung besprechen können."
"Gut, aber bleiben Sie jetzt bitte dabei!"
"Sie sind noch nicht einmal bei uns angestellt und stellen bereits Forderungen? So stelle ich mir eine gute Zusammenarbeit nicht vor... Es tut mir leid."
Das Bewerbungsgespräch ging im selben Stil noch ca. 15 Minuten weiter, worauf Hans den Mann schlussendlich einstellte, bevor dieser endgültig einen Nervenzusammenbruch gehabt hätte.
Herr Fückending ging erschöpft nach Hause. Es war schon dunkel als er zuhause ankam. Er öffnete die Haustüre und ging durch diese Türe, welche den Zutritt zu seinem Haus markierte, hinein. Was niemand wusste: Herr Fückending war gar kein Versicherungskaufmann, sondern ein Geheimagent der Versicherungsbetrugsmafia. Sein Ziel war es, herauszufinden, wie die Safe Life Versicherung arbeitete, und welche Schäden sie ganz sicher deckte, um dann diese Informationen an Kunden der Versicherung zu verkaufen, damit diese wiederum Versicherungsbetrug begehen konnten. Fückending war ein gerissener Hund, aber auch relativ hässlich. Seine Stirn war faltig, und seine kleinen Augen verschwanden unter dicken Augenbrauenbüscheln. Seine dunklen, gekrausten Haare liessen eine ansprechende Frisur gar nicht erst zu. Glücklicherweise stellte Hans Gruber nur Männer ein, die hässlicher waren als er selbst, damit ihm niemand die Sekretärin Hilde abjagen konnte. Insofern hätte Fückending ruhig ein Foto beilegen können, doch er hatte ja nicht wissen können, nach welch oberflächlichem Schema Gruber sein Personal einstellte.
Er ging zum Telefon und wählte eine Nummer. Am anderen Ende meldete sich eine Frauenstimme. Fückending sagte: "Der Ball ist im Tor. Erste Informationen werden diese Woche folgen. Schwarze Kobra meldet sich ab. Over and out." Mit diesen Worten hängte er den Hörer in die Gabel. Er holte sich ein Bier und sah sich auf DSF noch das Sportquiz mit den nackten Weibern an. Ein Zuschauer rief an und schrie anstatt eine Antwort zu geben nur "Zeig deine Titten!" Die Moderatorin leistete Folge und liess die Hüllen fallen, da sich sowieso keine Sau für das Quiz interessierte. Fückending grölte, leerte sich die Bierflasche in den Rachen und ging dann zu Bett. Der nächste Tag sollte ein anstrengender werden…
Er wachte am übernächsten Morgen auf und ging in die Küche. Nachdem er Kaffee aufgesetzt hatte, setzte er sich an den Tisch und griff erneut, aber gelangweilt zum Telefon und verstellte seine Stimme: "Heute wird der Torwart erledigt. Räusper... Wie geht’s eigentlich deiner Mutti? Hier ist die gefährlich Kobra! Tschischhhh. Hahahaha." Er legte wieder auf und lachte laut, denn er tat dies nur aus Jux; es war niemand am anderen Ende. Es war lediglich ein Test. Er wollte schon mal üben für seinen nächsten Call, welcher von enormer Wichtigkeit war.
Eine Stunde später betrat er sein neues Büro. Es lag direkt neben dem Sekretariat. Er packte seinen Aktenkoffer aus und legte diverse Arbeitsinstrumente fein säuberlich nebeneinander auf den Tisch: Kugelschreiber, Radiergummi, Schere, Schraubenzieher, Spitzhacke. Er hatte nämlich vor, sich ins Firmennetzwerk zu hacken, um dann die Dokumente vergangener Schadensfälle zu klauen. Er hatte keine Ahnung wie das ging, doch er würde sich schon noch schlau machen. Plötzlich vernahm er ein seltsames Geräusch. Es schien aus dem Sekretariat zu kommen und hörte sich wie eine verletzte Frau an, die leise stöhnte. Er war zwar ein arglistiger Typ, aber als er diese hilflose verletzte Frau hörte, wurde auch ihm etwas mulmig, obwohl er hart war. Er entschied sich, der armen Frau nebenan zu helfen und sagte zu sich: "Komm schon Kobra, das schaffst du." Er verliess seinen Raum um beim Sekretariat an die Türe zu klopfen: "Hallo? Kann ich Ihnen helfen?" Plötzlich war es still. Er dachte "Mein Gott, ob sie tot ist?" Er trat ein und erstarrte. Auf dem Tisch lag die Sekretärin Hilde, und auf ihr Hans Gruber. Beide starrten ihn erschrocken an. "Oh Gott, Fückending, es ist... es ist nicht so wie Sie denken!", stammelte Gruber. "Das ist nur ein weiterer Test... um zu sehen ob Sie... wie Sie sich..."
"Ein Test, soso...", sagte Fückending und schloss die Tür hinter sich. Er lächelte. "Sie wissen, wenn die Chefetage davon erfährt, sind Sie beide gefeuert. Ich könnte natürlich schweigen, niemandem davon erzählen... Hat eigentlich schon mal jemand am ersten Arbeitstag direkt eine Gehaltserhöhung um 2000 Euro erhalten, Herr Gruber?"
"Was soll das, Fückending? Wollen Sie mir drohen?"
"Ach, drohen ist so ein unschönes Wort. Sagen wir einfach, ich erpresse Sie."
"Damit kommen Sie nicht durch!"
"Nicht..? Verdammt, ich dachte schon..."
"Fückending? Das war ein Test. Natürlich kommen Sie damit durch!"
"Also doch? Sehr gut, dann wäre ja alles geklärt."
"Nein! Ich dachte, Sie hätten verstanden. So geht es leider nicht."
"Was? Wieso nicht?"
"Sehr gut, alles hinterfragen, so muss es sein. Ich gebe grünes Licht!"
"Grünes Licht... wofür?"
"Das war ein Test, wie Sie verschiedene Farben assoziieren. Leider scheint Grün Sie zu verwirren. So können wir unmöglich..."
"Sie treiben mich noch in den Wahnsinn!"
"Ein bisschen Wahnsinn braucht jeder gute Unternehmer, und Sie haben genau die richtige Portion davon! So kommen wir ins Geschäft!"
"Na gut, Sie sorgen dafür, dass ich eine Lohnerhöhung über 2000 Euro erhalte, und ich behalte unser kleines Geheimnis für mich."
"Abgemacht."
"Gut."
"Falsche Antwort, Fückending. Wissen Sie denn nicht, was 'Abgemacht' in der Versicherungsbranche bedeutet..?"
Die Unterhaltung ging im selben Stil noch ca. 15 min. weiter, bevor Fückending völlig erschöpft zusammenbrach. Gruber alarmierte die Polizei. Er gab an, Fückending hätte sich an der Sekretärin vergriffen. Dieser wurde in eine Nervenanstalt eingeliefert.
So obsiegte Gruber einmal mehr gegen einen sich auflehnenden Mitarbeiter und konnte seine Weiberei in der Versicherung erfolgreich fortsetzen.
Ende