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Hallows Follower

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17.10.2019
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Anmerkungen zum Text

Anlehnung an ein Spielbuch - nur als Kurzgeschichte -

Hallows Follower

Erklärung
Hier folgt eine Horror-Kurzgeschichte, die dem Prinzip eines Spielbuchs folgt. Die Abschnitte sind nicht chronologisch sortiert. Der Leser wird an verschiedenen Stellen zu einer Entscheidung aufgefordert. Nicht jeder Weg führt zu einem Happy-End!

Abschnitt 1 – Einleitung
Svenja schlüpfte in ihre rote Daunenjacke und schlängelte sich zwischen den anderen Leuten Richtung Ausgang hindurch. Der plötzliche Wechsel zwischen stickigem heißen Dunst im Inneren und der kühlen frischen Herbstluft draußen ließ sie klarer werden. Während hinter ihr noch der Bass durch die nun wieder geschlossenen Clubtüren dröhnte, schaute sie sich suchend um.
Wo war Dustin?
Auf den Straßen war nicht mehr viel los. Einige Verkleidete – Werwölfe, Vampire oder Hexen – waren noch auf dem Weg von einer Party zur nächsten oder torkelten nach Hause.
»Dustin?«, rief sie.
Keine Antwort.
Erst hatte sie noch angenommen, er wollte sie erschrecken und wartete hinter irgendeinem Versteck auf die beste Gelegenheit, aber nachdem sie bereits ein oder zwei Minuten wartete, wurde sie wütend.
Dieser kleine Scheißer.
Sie zückte ihr Smartphone und wählte seine Nummer.
»Ja?«
»Dustin?«
»Was?«
»Wo steckst du? Ich stehe hier wie blöd und warte auf euch!«
Ein kurzes Zögern, dann fragte er: »Wer ist da?«
Das durfte nicht wahr sein.
»Bist du bescheuert? Wer soll hier sein? SVENJA!«
Dieser Penner war zu besoffen, um eins und eins zusammen zu zählen.
»Svenja? HEEEEY, was geht?«
Er lachte. Dann hörte sie das Grölen mehrerer Leute im Hintergrund.
Der erste Impuls forderte einen Tobsuchtsanfall. Da sie allerdings nicht blau blau blau wie der Enzian war, wich die anfängliche Wut der bitteren Erkenntnis und nur um eine Bestätigung zu haben, fragte sie: »Ihr seid echt ohne mich gegangen?«
Stille.
Erkenntnis auf der anderen Seite.
»Fuck! Ey das tut mir voll leid! Leute: Wir haben Svenja vergessen.«
Einige lachten albern.
»Was soll ich jetzt machen? Könnt ihr zurückkommen?«
»Sorry, das geht nicht. Wir sind gerade in die letzte S-Bahn gestiegen. Ist keiner mehr im Club, mit dem du fahren kannst?«
»IHR wart die Letzten!«
Ihr seid das Letzte, dachte sie, ehe sie fortfuhr: »Falls du dich erinnerst: Ich wollte viel früher nach Hause fahren und bin nur deinetwegen länger geblieben. Du hast gebettelt wie ein kleines Kind. Die anderen Leute, die noch da sind, kenne ich alle nicht. Mit denen fahre ich sicher nicht nach Hause.«
»Ja, ey tut mir echt leid. Du hast was gut bei mir.«

Svenja ging missmutig los.
»Svenja? Bist du noch dran?«
»Ja.«
»Hast du meine Brille denn noch gefunden?«
Als wäre das jetzt so wichtig.
Svenja griff dennoch mit der freien Hand in ihre Tasche und zog den Scherzartikel hervor.
»Ja. Ich hab' sie.«, sie steckte die alberne Brille-mit-Nase-und-Schnurrbart-Kombi wieder in ihre Tasche.
Die anderen hatten vorhin schon bezahlt und waren raus gegangen, als Dustin aufgefallen war, dass seine Scherzbrille noch fehlte. Da Svenja nach ihm die Letzte war, hatte er sie gebeten, das Teil schnell noch zu holen. Hätte sie vorher gewusst, dass die anderen ohne sie losgehen würden, während sie im Club danach suchte, hätte sie dankend abgelehnt.
»Du kannst das Teil morgen wiederhaben«, sagte sie, »vorausgesetzt ich überlebe die Nacht.«
»Hey, mach' keinen Scheiß' ja? Das wird schon, du Angsthase. Nimm' dir einfach ein Taxi oder so. Wir schmeißen alle zusammen und du kriegst als Entschädigung das Geld wieder.«
Die letzten Worte waren leiser und unterbrochen. Die Verbindung wurde schlechter.
»Svenja? Bist du noch dran?«
»Ja, was ist denn? Ich höre dich so abgehackt!«
»Wir sind gleich in den Tunneln. Kein – Netz – mehr.«
Ende des Gesprächs.
Na toll.

Während sie lief, überlegte sie, wen sie um diese Uhrzeit noch anrufen konnte. Ihre Eltern waren im Urlaub auf Gran Canaria und hatten nachts ihre Handys ausgeschaltet. Sie probierte verschiedene Nummern.
Ihr Bruder nahm nicht ab.
Ihre beste Freundin Vanessa drückte den Anruf weg.
Beleidigte Leberwurst. Svenja war lieber mit den anderen Feiern gegangen , anstatt mit der erkälteten Vanessa Horrorfilme zu schauen.

Wenn keiner meiner echten Freunde da ist, frage ich meine Follower, dachte sie und öffnete eine ihrer Social-Media-Apps.
Dann postete sie: 'Hey Leute, ich muss allein nach Hause fahren. Könnt ihr mich ein bisschen supporten und bei mir bleiben? Hab echt Angst!'
Ein trauriges Emoji rundete den Beitrag ab. Drama Baby, das würde es bringen!
Sie war jung und hübsch und postete ständig irgendwelche Beauty-Tipps, Fitness-Bilder oder Nachtisch-Rezepte. Mit 55.000 Followern sollten doch noch ein paar online sein, um sie nach Hause zu begleiten.

Die ersten Reaktionen folgten schnell.
Neben einigen unseriösen Antworten wie
'Lauf, Schlampe, Lauf!'
'31.10.2019 - Michael Myers gefällt das.'
und
unsinnigen GIFs wie 'Just here, to read the comments'
meldeten sich auch User, die anboten, online zu bleiben und auf ihre Beiträge zu reagieren, bis sie zuhause war.

Da die letzte S-Bahn der Nacht bereits mit ihren Freunden weggefahren war, blieben Svenja noch zwei Optionen: Den Nachtbus nehmen oder zum Taxistand gehen.

Option A hatte den Vorteil, dass der Busbahnhof näher war und der Nachtbus bald fahren würde, so dass die Wartezeit sehr überschaubar war. Nachteile hingegen waren, dass sie nie wusste, welche Gestalten am Busbahnhof herumlungerten und mit dem Bus fuhren und dass sie nach der Fahrt das letzte Stück von der Haltestelle bis nach Hause allein gehen musste.

Option B hatte den Vorteil, dass sie mit dem Taxi direkt bis zur Haustür fahren konnte, jedoch die Nachteile, dass es teurer war – sofern die anderen ihr nicht am nächsten Tag das Geld dafür gaben – und dass sie nicht wusste, ob ein Taxi frei war oder sie erst eines über die Zentrale rufen müsste.

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Du bist einer der Follower und entscheidest. Je nach Entscheidung, ist unter einem anderen Abschnitt weiterzulesen.
1. Option: Nachtbus: Lies weiter unter Abschnitt 3
2. Option: Taxi: Lies weiter unter Abschnitt 4
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Abschnitt 2
Svenja las die ersten Antworten und folgte schließlich dem aus Ihrer Sicht besten Vorschlag eines Users, der sich „Lieutenant Dan“ nannte: 'Ruf' ein Taxi, nur eine dumme Bitch fährt mit einem Fremden.'

»Ich warte auf das Taxi, aber vielen Dank«, sagte Svenja zu Mike.
»Ganz sicher?«, fragte er und wirkte ein wenig enttäuscht.
Trotz einiger Zweifel nickte sie: »Ja, fahr' ruhig.«
Manchmal war die schnellste Lösung nicht die Sicherste.
»Schade, aber deine Entscheidung«, meinte er, »ich hoffe, dein Taxi ist gleich da.«

Vielleicht war es sein Blick, vielleicht sein Tonfall. Sie war sich jedenfalls sicher, dass er ihre Lüge durchschaut hatte. Trotz allem kurbelte er seine Fensterscheibe wieder nach oben und fuhr weg. Svenja wartete zur Sicherheit noch ein paar Sekunden, dann wählte sie die Nummer der Taxizentrale und bestellte einen Fahrer.

Nachdem sie aufgelegt hatte, konnte sie inmitten der Stille der Nacht und außerhalb ihrer Sichtweite in einiger Entfernung noch den laufenden Motor eines Fahrzeugs, wahrscheinliches eines PKWs, hören. Das Auto schien jedoch zu stehen. Wartete dort jemand? Worauf?

Als hätte in dem Moment jemand ihre Gedanken gelesen, wurde der Motor plötzlich abgestellt. Sie hörte jedoch kein Zuschlagen einer Autotür. Niemand war ein- oder ausgestiegen. Seltsam.
Ich drehe noch durch, stellte sie fest und versuchte sich zu beruhigen. Panisch werden bringt jetzt gar nichts.

Während sie wartete, wagte Svenja nicht, sich nur auf ihr Smartphone zu konzentrieren. Sie beobachtete ganz genau ihre Umgebung, damit sich ihr niemand unbemerkt nähern konnte. Nach fünfzehn Minuten, die ihr endlos erschienen, bog ein Taxi um die Ecke und hielt vor Svenja. Sie stieg erleichtert ein und setzte sich auf die Rückbank, schräg hinter den Fahrer. Nachdem sie ihm die Adresse genannt hatte, fuhr er los. Sie bemerkte nicht, dass zeitgleich ein anderer Fahrer den Motor seines Wagens wieder gestartet hatte und dem Taxi nun mit etwas Abstand folgte.

Während der Fahrt lehnte sich Svenja zurück. Am Steuer des gepflegten Mercedes' saß ein ebenso gepflegter älterer Mann mit kurzen, schneeweißen Haaren und einem weißen Rauschebart.
Der steht sicher kurz vor der Rente, dachte sie und postete erleichtert: 'Das Taxi ist da. Der Weihnachtsmann in zivil fährt mich höchstpersönlich nach Hause.'

»Was macht so eine junge Dame nachts zu dieser Zeit allein in der Stadt?«, fragte der Alte.
»Lange Geschichte«, sagte sie, »geplant war das so nicht. Eigentlich fahre ich nie allein.«
»Dann bin ich ja beruhigt. Sie müssen vorsichtig sein heutzutage.«
Er hustete schwer.
Wenn er bei dem Husten die Rente überhaupt erreicht, dachte Svenja und hatte unmittelbar ein schlechtes Gewissen, da der Fahrer ein netter Mann zu sein schien.
»Meine Tochter konnte mich zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen. Ich habe sie immer abgeholt und sicher nach Hause gebracht.«
Dann folgte ein längerer Hustenanfall.
»Alles in Ordnung?«, fragte Svenja.
Dieses Mal meinte sie sogar eine Art Gurgeln gehört zu haben. Das klang nicht nach einer normalen Erkältung. Sie hatten den Ort gerade verlassen und fuhren auf einer Landstraße. Während der Fahrer noch hustete, konnte er kaum noch steuern, setzte daher den Blinker und hielt am rechten Fahrbahnrand an. Das Husten und Röcheln wurde immer stärker.
Svenja wurde nervös. Was sollte sie tun? Wie konnte sie helfen? Ihm auf den Rücken klopfen? Es klang nicht so, als habe er sich bloß verschluckt. Der Erste-Hilfe-Kurs lag viel zu lang zurück, um sich an hilfreiche Tipps zu erinnern. Sie hatte keine Ahnung, was zu tun war.
Der Alte löste seinen Gurt, griff neben seinen Sitz und zog eine Wasserflasche hervor. Dann nahm er einen Schluck, schraubte die Flasche wieder zu und schien sich kurzzeitig zu beruhigen.

»Geht es wieder?«, fragte sie zaghaft.
Er atmete schwer. Svenja hörte bei jedem Atemzug eine Art Pfeifen und Zischen. Hatte er Asthma?
»Hallo?«
Er antwortete nicht, saß leicht gebeugt, mit dem Gesicht nach unten und ließ die Wasserflasche in den Fußraum fallen.
»Soll ich einen Krankenwagen rufen oder kann ich Ihnen irgendwie helfen?«, fragte Svenja. Sie versuchte, Ruhe zu bewahren, doch Ihre Aufregung stieg. Vor ein paar Minuten schien er gesundheitlich doch noch völlig in Ordnung gewesen zu sein.

Sie legte dem Mann vorsichtig die Hand auf die Schulter. Von seinem Husten war er nun in einen apathischen Zustand übergegangen. Als sich Svenja abschnallte und nach vorne beugen wollte, um ihm ins Gesicht zu sehen, wurde plötzlich der Türgriff der Beifahrertür mehrmals von außen betätigt.

Mit einem Schreck fuhr Svenja zusammen, stieß sich den Kopf an der Decke und fiel auf die Rückbank zurück. Sie starrte nach draußen. Ein Mann versuchte die Tür zu öffnen, die jedoch von innen zentral verriegelt war. Gerade, als sie 'Wer sind Sie?' rufen wollte, erkannte sie den Mann: Mike.
»Mike?«, rief sie, »Was willst du hier?«
»Mach' sofort die Tür auf«, brüllte er und deutete hektisch auf die Tür.
Er wirkte aufgebracht und zog erneut von außen am Türgriff, um ihr zu verdeutlichen, dass die Tür umgehend geöffnet werden musste.
»Schnell, mach' auf!«, rief er wieder.
»Geh' weg! Lass' mich in Ruhe!«
»Ich will dir nur helfen! Glaub' mir, du musst sofort da raus!«
»Was?«

Svenja sah in Mikes Gesicht und glaubte, in seinem Ausdruck nun auch Angst zu erkennen. Dann bemerkte sie, dass er nicht mehr sie anschaute, sondern wie erstarrt den Fahrer fixierte. Sie folgte Mikes Blick und entdeckte mit Entsetzen, dass die Augen des alten Mannes weit aufgerissen waren und sich kleine Schaumbläschen an seinem Mund gebildet hatten, die nun langsam Richtung Rauschebart wanderten.

»Ach du Scheiße«, entwich es ihr.
»Siehst du? Du musst sofort da raus.«
Sie wandte sich wieder Mike zu: »Nein, wir müssen ihm helfen«
»Ich habe schon einen Rettungswagen gerufen.«
Als Beweis hielt er sein leuchtendes Smartphone hoch und fuchtelte damit vor der Fensterscheibe herum. Wahrscheinlich wollte er die gewählte Nummer zeigen, Svenja konnte so schnell jedoch nichts erkennen. Dann rief er: »DIE sollen das machen, nicht du! Es ist zu gefährlich!«
Gefährlich?

Plötzlich ertönte ein lautes Hupen. Mike und Svenja zuckten zeitgleich zusammen. Es war der Alte. Als sich Svenja wieder zu ihm drehte, sah sie, dass dessen Körper nun nach vorne und der Kopf auf das Lenkrad gesackt war und damit das ununterbrochene Hupen auslöste. Als sie sich zu dem Mann beugte, rief Mike sofort: »Stopp! Fass' ihn auf gar keinen Fall an.«

Svenja wusste dass sie sich beeilen musste. Sie dachte fieberhaft nach. Sie hatte zwei Möglichkeiten: Wenn Mike einen Rettungswagen gerufen hatte, konnte Sie in der Zwischenzeit wenigstens versuchen, Erste Hilfe zu leisten und vielleicht mithilfe eines Followers, der medizinisch etwas Ahnung hatte, dem Fahrer helfen. Was, wenn er sonst erstickte? Manchmal zählte jede Minute. Außerdem wusste sie nicht, was Mike für eine Rolle spielte oder warum er überhaupt hier war.

Sie konnte jedoch auch auf Mike hören, aus dem Auto aussteigen und die Arbeit den Profis überlassen. Was, wenn Mike Recht hatte und sie auf irgendeine Weise selbst in Gefahr war? Vielleicht war der Alte ansteckend?

Die App auf Svenjas Smartphone war immer noch geöffnet. Da das Gesicht des Mannes nicht direkt zu erkennen war und Gefahr bestand, machte Svenja kurzerhand ein Bild, das sogleich hochgeladen wurde. Der Schaum, der sich um den Mund gebildet hatte, war gut erkennbar.
»Was machst du denn da?«, rief Mike von draußen.
Sie hoffte auf einen hilfreichen Rat, von jemandem, der es besser wusste als sie und postete sekundenschnell: 'Erste Hilfe oder Ansteckungsgefahr?'

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Du entscheidest:
1. Option: Erste Hilfe: Lies weiter unter Abschnitt 5
2. Option: Ansteckungsgefahr: Lies weiter unter Abschnitt 8
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Abschnitt 3
'Geh' einfach zum Nachtbus, man muss sich nicht in jede Angst rein steigern.' riet der User „KennyAlive“. Viele teilten seine Meinung und gaben seinem Beitrag in kürzester Zeit ein Like. Ein anderer meinte: 'Auch Verbrecher sind irgendwann müde.' Svenja hatte sich entschieden. Seit wann war sie denn ein solcher Angsthase? Sie ging Richtung Busbahnhof.

Auf ihrem Weg war nun keine Menschenseele mehr zu sehen. In den Häuser brannte nur hinter wenigen Fenstern noch Licht. Vermutlich schliefen viele Anwohner der Innenstadt bereits oder waren nicht zuhause. Sie überquerte eine Straße und näherte sich den Stufen, die in den etwas tiefer gelegenen Busbahnhof hinab führten. An den hinteren Haltebuchten, die sie bereits sehen konnte, standen, wie erwartet, weder Busse, noch Fahrgäste. Bis zum frühen Morgen blieb nur der Nachtbus, der immer ganz vorn an der ersten Haltebucht einfuhr. Als sie am oberen Treppenabsatz angekommen war und den gesamten Busbahnhof überblicken konnte, hörte sie plötzlich ein Tuscheln ganz in ihrer Nähe. Als sie an den Fuß der Treppe hinabsah, erkannte sie dort drei dunkle Gestalten, die in einem Kreis dicht zusammen standen und die Köpfe zusammengesteckt hatten.

Was sind das für Typen? Was machen die da?, dachte Svenja und blieb einen Moment stehen. Anhand der Staturen vermutete sie drei Männer. Sie hatten dunkle Kleidung an und die Kapuzen Ihrer Jacken oder Pullover über die Köpfe gezogen. Svenja glaubte, dass die drei bewusst den Blickkontakt mit ihr vermieden, da trotz der lauten Geräusche ihrer Absätze keiner zu ihr nach oben schaute.

Der Bus war noch nicht da und außer den drei Typen stand etwas weiter, am Ende der Haltebucht zum Nachtbus nur ein Typ in einer Art Gothic-Gewand.

Ist das sein Halloween-Kostüm oder sein Alltagsoutfit?, fragte Svenja sich fasziniert.

Sie entschied, dass es klug wäre, schnell an dem Goth vorbei zu gehen, so dass er zwischen ihr und den drei Gestalten stehen würde. Wenn die drei ein Opfer zum Pöbeln suchten, könnten sie sich zuerst den Goth vornehmen.

Trotz ihrer Vorahnung begann sie, die Stufen hinab zu gehen. Sobald sie unten angekommen war, machte sie einen Bogen um die drei Gestalten. Gerade, als sie fast vorbei war und dachte, es geschafft zu haben, drehten sie sich plötzlich um, machten einen Satz auf Svenja zu und entblößten ihre grauenhaften Gesichter: King Kong, Captain Spaulding und Freddy Krüger.

Svenja schrie auf und taumelte zurück. Als unmittelbar Gelächter ausbrach, wusste sie sofort, dass sie auf dämlichste Weise einfach nur erschreckt worden war: Halloween.

»Sehr witzig«, meinte sie etwas verunsichert und wollte schnell weiter gehen.
»Na na na, warte mal«, sagte der Clown.
»Oder hast du Angst?«, fragte King Kong albern und begann gebückt, wie ein Affe, zu laufen. Ehe Svenja sich versah, war er um sie herum gelaufen und versperrte ihr den Weg.
Freddy Krüger nahm zur Begrüßung seine Kapuze, nicht aber seine Maske, ab und verbeugte sich: »Verzeihung, wo sind denn unsere Manieren? Happy Halloween!«
»Was ist denn? Worauf soll ich warten?«, versuchte Svenja gespielt unbeeindruckt zu antworten, obwohl die drei ihr nicht geheuer waren. Mit einer Hand hielt sie wieder ihr Smartphone in der Jackentasche umklammert.
»Heute ist Halloween!«, meinte Captain Spaulding und schlug einen extra strengen Tonfall an, »wo zum Henker ist denn deine Verkleidung?«
»Meine Verkleidung?«
King Kong steigerte sich weiter in seine Performance hinein und lief nun nicht mehr nur auf den Beinen, sondern auch mithilfe seiner Hände auf dem Knöchelgang um Svenja herum, ohne etwas zu sagen. Stattdessen gab er Affenlaute von sich.
»Ja«, fuhr Freddy fort, »wir erwarten eine Verkleidung an Halloween. Das ist Pflicht!«
»Süßes, sonst gibt's Saures«, bemerkte Captain Spaulding.

Svenja spürte, dass die drei immer aufdringlicher wurden und es war ganz offensichtlich, dass sie sich nicht verkleidet hatte. Sie überlegte fieberhaft, wie sie aus dieser Situation entkommen sollte. Sie schaute sich nervös zu dem anderen Kerl an der Haltebucht um. Er musste alles gehört haben, schaute jedoch nicht einmal herüber.
»Oh, wie süß«, sagte Spaulding, »Ist The Crow da hinten etwa dein Freund?«
Die drei lachten hämisch. »Ich fürchte, er hat auch kein Kostüm für dich.«

Captain Spaulding und Freddy Krüger standen bedrohlich nah vor ihr und erwarteten eine Antwort. King Kong humpelte immer noch hinter ihr hin und her und versperrte ihr damit weiterhin den Weg.
Svenja war sich sicher: Sie musste die Opferrolle, in die sie gerade hinein manövriert wurde, schnellstmöglich wieder verlassen.

Sie ging in die Offensive, indem sie laut und entschlossen sagte: »Das da ist nicht The Crow. Das ist der Undertaker und er wartet nur auf EUCH!«

Alle vier sahen hinüber zu dem fast regungslos stehenden Typen in schwarzer Kleidung, der sich noch nicht einmal nach dieser Ansage wagte, zu ihnen herüber zu schauen. Einen Moment lang herrschte Stille. Dann brachen die drei in brüllendes Gelächter aus. Damit hatten sie nicht gerechnet. Diesen schmalen Typen als gefährlichen Wrestler zu bezeichnen, war so absurd, dass Svenjas Kommentar die Lage entschärft hatte.

Zum Glück wissen die überhaupt, wer der Undertaker ist, dachte sie.

Als sie gerade aufgehört hatten, zu lachen, hatte Svenja eine Idee, um dem Ganzen die Krone aufzusetzen. Sie griff in ihre Tasche, holte etwas hervor, drehte sich kurzerhand von den Dreien weg und dann mitsamt der Brille-mit-Nase-und-Schnurrbart-Kombi im Gesicht wieder zurück.
»Meine Verkleidung!«, verkündete sie stolz.
King Kong, Freddy Krüger und Captain Spaulding brachen erneut in Gelächter aus. Auch das hatten sie nicht erwartet.

Mehr unsexy geht nicht, dachte Svenja und nahm die Scherzbrille wieder ab.

Nachdem die drei sich wieder beruhigt hatten, nahmen auch sie nacheinander die Masken hoch und entblößten ihre Alltagsgesichter. Der Spuk war vorbei. Alle drei hatten kurz geschorene Haare. Svenja musste an Soldaten denken, die gerade ihre Freizeit zuhause verbrachten. Spaulding wirkte etwas älter als die anderen, King Kong hatte ein rundliches Gesicht, Freddy hatte einen abgebrochenen Schneidezahn. An für sich drei Durchschnittstypen. Svenja schätzte sie auf Anfang bis Ende 20.

»Chapeau!«, sagte Freddy in Bezug auf ihren albernen Einfall.
Captain Spaulding war nicht so leicht zu überzeugen und deutete auf die Scherzbrille: »Tolles Kostüm! Wen willst du denn damit darstellen?«
Ohne groß nachzudenken sagte sie: »Deine Mudda!«

Die Antwort war ihr so spontan in den Sinn gekommen, dass sie sie nicht mehr hatte zurückhalten können. War sie zu weit gegangen? Freddy und King Kong lachten erneut und obwohl er es nicht so witzig zu finden schien, lachte Spaulding etwas erzwungen mit. Gerade, als er noch etwas hinzufügen wollte, fuhr der Nachtbus um die Ecke und steuerte in die Haltebucht.
»Endlich!«, verkündete Svenja laut und in feierlichem Ton.
Dann lief sie demonstrativ als Erste auf den Bus zu.

Am Steuer des Nachtbusses saß ein Mann, der müde gähnte. Er hatte kurze hellblonde Haare.
Ob die Frisur Absicht ist?, dachte Svenja amüsiert.
Er erinnerte sie an eine sehr müde Version von H.P. Baxxter – nur ohne Piercing und Schmuck. Sie zeigte dem Fahrer ihre Fahrkarte und setzte sich in den hinteren Teil des Busses in eine Sitzreihe mit zwei Plätzen. Sie wollte den ganzen Bus im Blick haben.

The Crow stieg als Nächstes ein. Der stille Goth setzte sich in die Mitte des Busses, direkt an die Türen.
Feigling, dachte Svenja. Auf seine Hilfe hätte ich vorhin lange warten können.

Zuletzt stiegen die drei Komiker ein, dieses Mal wieder maskiert, um vor dem Busfahrer herum zu hampeln. Der Fahrer verzog keine Miene und forderte sie auf, ihre Fahrkarten zu zeigen.

Schließlich setzten die drei sich ebenfalls in den hinteren Teil des Busses, auf einen Sitzplatz mit vier Plätzen, bei denen sich jeweils zwei gegenüber befanden. Der Bus fuhr los.

»He, Mudda-mit-Bart«, rief Freddy zu Svenja, »wir hätten da noch ein Plätzchen.«
Er tippte auf den vierten Platz.
»Nee danke. Mudda ist alt und braucht ihre Ruhe«, sagte Svenja, lachte kurz mit den Dreien und zückte dann schnell ihr Smartphone, um beschäftigt zu wirken. Sie hatte Glück: Die drei akzeptierten ihre Ablehnung.

Stattdessen schienen sie sich nun auf etwas anderes zu konzentrieren. Sie flüsterten, so dass Svenja sie kaum verstand. Da sie ihre Kopfhörer dabei hatte, setzte sie diese zum Schein auf, schob sie jedoch etwas zur Seite und schaltete nichts ein, um den Dreien unauffällig zuhören zu können. Es klappte: Sie bemerkten ihre Kopfhörer und sprachen wieder lauter miteinander.

»Alter, was weiß ich, was das für'n Zeug ist. Nimm' du sie!«, sagte Freddy.
»Du hast den Typ doch gehört, der sie uns gegeben hat.«, meinte King Kong, »Mushrooms haben wir schon oft genommen. Das sind aber welche mit so einer Tinktur. Als Kombi soll das der neue heiße Scheiß sein. Einer muss sie nehmen.«

Die beiden diskutierten. Offenbar traute sich keiner von ihnen als Erstes die halluzinogenen Pilze auszuprobieren.

Der Bus war bereits etwa fünf Minuten gefahren und die Diskussion dauerte an, als sich Spaulding, der bisher still gewesen war, nach vorn zu den anderen beiden lehnte und genervt einwarf:
»Da passiert gar nichts! Fresst die Scheiße oder lasst es sein, aber geht mir nicht auf den Sack.«
Er ließ sich wieder zurück in den Sitz fallen.
»Wie meinst du das?«, fragte Freddy.
Svenja spähte vorsichtig zu ihnen. Spaulding zog eine Art Plastikbeutel aus seiner Jackentasche und zeigte ihn den anderen. Svenja schaute wieder weg.
»Junge, nicht dein Ernst!«, sagte Freddy überrascht.
»Du hast schon welche gegessen? Wann?«, fragte King Kong.
»Nicht so laut, soll der Fahrer das hören, oder was?«

Spaulding beugte sich verärgert wieder nach vorn, um nicht so laut sprechen zu müssen.
Svenja konnte nur noch Teile des Gespräches verstehen. Sie glaubte zu hören, dass er die Pilze schon direkt nach Erhalt eingeworfen und immer noch keine Veränderungen wahrgenommen hatte.

Da bin ich ja froh, dass die nicht wirken, dachte Svenja, die immer noch scheinheilig die Kopfhörer auf den Ohren hatte. Eine Busfahrt mit 'nem Clown auf 'nem Trip – nein Danke.

Plötzlich begann Spaulding zu husten.
»Ey Mann, nicht ins Gesicht.«
King Kong und Freddy drehten sich angewidert weg. Anstatt zu Antworten, wurde Spauldings Husten nur stärker. Er hörte nicht mehr auf.
»Alter, was hast du?«, fragte Freddy.
King Kong sah ihn ernst an »Die Pilze, ich schwör', die sind das!«

Selbst The Crow drehte sich verwundert nach ihnen um, schaute jedoch schnell wieder weg. Er wollte sich weiterhin aus allem heraushalten.

Svenja nahm ihre Kopfhörer ab: »Was ist mit ihm?« Sie zeigte auf Spaulding.
Sein Husten und Röcheln wurde immer stärker.
»Keine Ahnung«, sagte Freddy, »ich glaub', der kratzt gleich ab.«
Sie waren ratlos.
Spaulding riss die Augen weit auf und hörte mit einem Mal auf zu Husten.
Er atmete schwer und bei jedem Atemzug war eine Art Pfeifen und Zischen zu hören. Dann saß er apathisch da und zeigte keine Reaktion mehr.
»Sollen wir einen Arzt rufen?«, fragte Svenja, »ich glaube, eurem Freund geht es echt nicht gut!«
»Auf keinen Fall«, sagte Freddy, »der hat was genommen, keine Sanitäter, keine Bullen, klar!«
»Vielleicht ist das ein krasser Trip«, meinte King Kong.

Nachdem sie an weiteren Haltestellen ohne Stopp vorbeigefahren waren, stand The Crow auf und drückte den Knopf, der dem Busfahrer den Haltewunsch signalisierte.

»Bah, was ist das denn?« King Kong wich angeekelt zurück.
Svenja sah, wie kleine Schaumbläschen aus dem Mund von Spaulding liefen.
»Wir müssen einen Rettungswagen rufen«, sagte Svenja dieses Mal mit mehr Nachdruck.
Selbst, wenn der Typ auf einem Trip war, Atemnot und Ersticken gehörten sicher nicht dazu.

The Crow sah nun auch Spaulding und den Schaum vor dessen Mund, drehte sich sofort um und lief ohne zu Zögern von der Mitte des Busses bis zu den Türen am vorderen Einstieg. Sicherheitsabstand.
Der Busfahrer warf einen Blick durch den Spiegel in den hinteren Teil des Busses, konnte auf die Entfernung jedoch nicht viel erkennen.
»Scheiß Kids, kotzen mir nachts immer den Bus voll«, murmelte er verärgert.

Spaulding begann plötzlich zu zucken, ähnlich einem epileptischen Anfall.
Dann begann er Arme und Beine unkontrolliert von sich zu strecken und zu schleudern.
Er traf die anderen beiden einige Male, dann begann er vom Sitz zu rutschen.
Freddy hielt ihn fest: »Scheiße, was jetzt?«

Der Bus wurde langsamer.

Spaulding schloss die Augen. Seine Lider flackerten. Er gab eine Art Grunzen von sich.

Svenja nahm entschlossen ihr Smartphone. Genug war genug. Jemand musste etwas unternehmen. Das musste irgendeine Art Anfall sein. Er brauchte dringend Hilfe.
»Lass' das, Bitch! Ich sagte kein Rettungswagen!«, rief Freddy.

Ehe er reagieren oder Svenja die 1-1-2 wählen konnte, richtete sich Spaulding plötzlich auf und starrte Freddy mit nun weit aufgerissenen, milchig-weißen Augen an. Freddy schrie entsetzt auf und drückte seinen Freund in Svenjas Richtung in den Mittelgang.
Spaulding taumelte mit dem Rücken in Svenjas Richtung. Erschrocken wich sie zurück.
In dem Moment hielt der Bus ruckartig an der Haltestelle an und Spaulding stürzte seitwärts durch den Gang auf den Boden.

»Heilige Scheiße!«, schrie The Crow, der den Sturz gesehen hatte, mit einer hohen, fast mädchenhaften, Stimme.

Der Busfahrer öffnete alle Türen. Als The Crow nicht direkt ausstieg, sondern weiterhin in den hinteren Teil des Busses starrte, drehte sich der Fahrer von seinem Sitz aus nach hinten um und sah verwundert zu dem am Boden liegenden Spaulding hinab.

Dieser sprang plötzlich auf und lief wie ein wildes Tier auf The Crow zu.

Der Goth rannte sofort durch die geöffneten Türen nach draußen, so dass Spaulding die Kurve verpasste, gegen die Absperrung am Eingang des Busses prallte und erneut hinfiel. Ohne zu Warten oder Schmerzen zu zeigen, stand er wieder auf, drehte sich zu seiner Linken und griff den Busfahrer mit beiden Händen bei den Schultern. Er warf sich auf ihn und biss ihm in den Hals. Der Busfahrer schrie schmerzerfüllt auf. Blut spritzte hervor.

Svenja, Freddy und King Kong saßen zunächst wie hypnotisiert da.
Dann löste sich King Kong als Erstes aus seiner Starre. »Raus hier!«, brüllte er und lief, ohne auf seinen Freund zu warten, durch die noch geöffneten Türen im mittleren Teil des Busses.
Svenja und Freddy folgten ihm.

Schockiert und in Panik liefen die drei blindlings die Straße, an der sie ausgestiegen waren, entlang. Weg von dem Bus und der Bestie darin, die vor ein paar Minuten noch ein lachender Clown gewesen war. Svenja konnte kaum mithalten. Mit ihren hochhackigen Schuhen war sie um ein Vielfaches langsamer als die anderen beiden. Hinzu kam, dass sie, obwohl sie viel zum Thema Fitness – vor allem Sportmode – postete, in Sachen Ausdauer eine Null war.
»Wartet«, rief sie ihnen nach.
Doch sie reagierten nicht. Sie kümmerten sich nicht um Svenja und als der Abstand zwischen ihnen größer wurde und die beiden hinter einer Straßenecke in eine Art Park abbogen, hörte Svenja völlig außer Atem auf zu Laufen und ging stattdessen, so schnell sie konnte, weiter.

Sie drehte sich zu dem Bus um. Allzu weit war sie noch nicht gekommen. Der Bus stand beleuchtet da, sie konnte jedoch niemanden erkennen. Svenja ging zügig weiter. Das Ganze war so surreal, war es wirklich passiert? Wo lief sie überhaupt hin? An welcher Haltestelle waren sie ausgestiegen?

Sie bemerkte nicht, dass nun neben ihr auf gleicher Höhe ein grüner Corsa B mit heruntergelassenen Fensterscheiben parkte.
»He, alles in Ordnung?«, fragte jemand.
Svenja blieb überrascht stehen und wich einen Schritt von dem Corsa zurück.
Erst jetzt bemerkte sie, dass ein Mann im Inneren saß und dass sogar der Motor des Wagens noch lief. Nur die Scheinwerfer waren ausgeschaltet. Während ihrer Flucht musste sie die Umgebung vollständig ausgeblendet haben. Am Straßenrand parkten zudem viele Fahrzeuge, so dass ihr dieses nicht aufgefallen war. Im Inneren des Autos war es dunkel. Soviel sie erkennen konnte, hatte sich der Fahrer mit der Brille und den braunen zotteligen Haaren über den Beifahrersitz in ihre Richtung gelehnt. Sie schätzte sein Alter auf Mitte 30.

»Nein. Ich meine, ich weiß nicht, ob alles in Ordnung ist. Ich würde jetzt lieber weitergehen.«
»Warte! Ich habe gesehen, was passiert ist, als ich gerade an dem Bus vorbeigefahren bin. Ich kann dich mitnehmen.«

Er wirkte aufgeregt und rutschte unruhig auf seinem Sitz hin und her. Svenja fand, dass er eher harmlos aussah. Außerdem schien er selbst Angst zu haben. Kein Wunder, wenn er den Angriff im Bus mit angesehen hatte. Sie könnte einfach einsteigen und sich mitnehmen lassen.
Er bemerkte ihr Zögern.
Die Tatsache, dass sie noch nicht weitergegangen war, verriet ihm jedoch, dass sie in Erwägung zog, einzusteigen.
»Ich bin Mike. Ich fahre dich nach Hause, wenn du willst.«

Er drehte sich nach hinten um und beobachtete den Bus durch die Heckscheibe seines Wagens.
»Ich glaube, du solltest dich wirklich beeilen. Ich bin nicht scharf drauf, hier so lange zu Warten, bis die uns bemerkt und eingeholt haben.«
»Die?«
Svenja hatte nur gesehen, dass Spaulding ausgerastet war.
»Die Verrückten, die Wilden, was weiß ich. Der Typ und der Busfahrer.«
»Der Fahrer wurde angegriffen. Wir müssen Hilfe rufen«, sagte Svenja und holte ihr Smartphone aus der Tasche.
»Habe ich schon. Rettungswagen und Polizei sind unterwegs.«
Svenja schaute ihn ungläubig an. Sagte er die Wahrheit?
»Glaub mir, die Arbeit sollten wir denen überlassen. Willst du mitfahren oder nicht?«
Mike zog etwas aus seiner Hosentasche, dann hielt er es nach draußen: »Hier, mein Ausweis! Als Beweis, das ich nicht lüge!«
Svenja ging näher und spähte mit möglichst viel Sicherheitsabstand auf den Ausweis. Auf die Schnelle erkannte Sie nur den Namen – Mike Breuer – und das Geburtsdatum – 13.09.1990.

»Eine Sekunde!«, sagte sie. Svenja wusste nicht, ob sie ihm trauen konnte. Da Sie Ihr Smartphone griffbereit hatte, postete sie schnell an ihre Follower:
'Im Bus gab es einen schrecklichen Vorfall. Ein Typ, Mike, hat angeboten, mich mitzunehmen. Er hat mir auch seinen Ausweis gezeigt. Soll ich mit ihm fahren oder am Unfallort auf RTW und Polizei warten?'

»Was ist jetzt?«, rief Mike. Er wirkte immer nervöser, »Schnell, sonst fahre ich ohne dich!«

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Du entscheidest:
1. Option: Warten: Lies weiter unter Abschnitt 6
2. Option: Mit Mike fahren: Lies weiter unter Abschnitt 9
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Abschnitt 4
'Nimm' ein Taxi, verdammt! Am Busbahnhof sind um diese Zeit nur noch Betrunkene und Verbrecher!', meinte einer der ersten User mit dem Nickname „T-ReKs“.

Svenja folgte der Mehrheit dieser Kommentare und ging Richtung Taxistand. Auf ihrem Weg war mittlerweile keine Menschenseele mehr zu sehen. Kühler Wind zog auf und sie begann zu frösteln. Wenigstens regnete es nicht. Obwohl auch ihre Hände kälter wurden, hielt sie ihr Smartphone griffbereit in einer Hand und steckte nur abwechselnd die jeweils andere zum Wärmen in die Jackentasche. Immer bereit, einen Notruf an die Polizei und ihre Follower abzusetzen. Mit Ihren Stiefeletten konnte sie nicht besonders schnell laufen und die lauten Klick-Klack-Geräusche ihrer Absätze mussten sie meilenweit als wehrlose Frau verraten. Hinter ihr knisterte es. Svenja drehte sich um. Trockenes Laub wehte über den Asphalt. Sonst nichts. Sie versuchte, ruhig zu bleiben und keine Angst aufkommen zu lassen. Noch zwei Straßen weiter, dann hätte sie den Taxistand erreicht. Erwartungsvoll bog sie um die nächste Häuserecke. Verdammt!, dachte sie, natürlich steht kein Taxi da.

Sie klagte ihr Leid in einem Post und überlegte gerade, was sie tun sollte, als ein Mann in einem Auto vor ihr an der Straße hielt. Er kurbelte die Fensterscheibe eines grünen Opel Corsa B nach unten und streckte seinen Kopf nach draußen: »Hi, wartest du auf ein Taxi?«
Soviel sie erkennen konnte, hatte er eine altmodische Brille mit dicken Gläsern und mittellanges, zerzaustes braunes Haar. Sie schätzte sein Alter auf Mitte 30.

»Ja, ich warte«, Svenja drehte sich zu dem Taxi-Schild hinter sich um. Es war offensichtlich.
»Es müsste auch jeden Moment jemand da sein«, log sie, um ihn glauben zu lassen, sie hätte längst einen Taxifahrer gerufen und wäre nicht mehr lange allein.

»Um diese Zeit kann das schon mal eine ganze Weile dauern. Wie lange ist es denn her?«
»Wie lange ist was her?«
»Na der Anruf beim Taxiunternehmen.« Er lachte freundlich.
Ich war nie gut im Improvisieren, dachte sie verärgert, ehe sie sagte: »Ein paar Minuten.«
»Ich fahre Richtung Kanal. Wenn du willst, nehme ich dich mit.«
»Nein, danke. Ich warte lieber.«

Svenja überlegte, ob sein Angebot nicht doch eine Option war. Sie musste in die gleiche Richtung. Höchstens zwanzig Minuten Fahrt und sie wäre sicher und schnell zuhause.

Er schien ihre Zweifel zu bemerken: »Also ich verstehe, dass du noch warten willst. Du kennst mich ja auch gar nicht. Ich bin Mike. Ich war heute der Fahrer und habe meine Freunde gerade nach einer Halloween-Party abgesetzt. Es ist wirklich kein Problem, wenn ich dich mitnehmen soll.«
Er trug gar kein Kostüm. Sie allerdings auch nicht. Schließlich verkleidete sich nicht jeder an Halloween.
Mike zog etwas aus seiner Hosentasche, dann hielt er es nach draußen: »Hier, mein Ausweis! Als Beweis, das ich nicht lüge!«
Svenja ging näher und spähte mit möglichst viel Sicherheitsabstand auf den Ausweis. Sie erkannte u.a. den Namen – Mike Breuer – und das Geburtsdatum – 13.09.1990.
»Was sagst du?«, fragte er.
Warum bietet er mir das an?, fragte sie sich. Warum ist er nicht genervt oder wirkt müde? Immerhin kommt er nach eigener Aussage von einer Party und hat selbst nichts getrunken.
»Kannst du mir 'ne Sekunde geben?«, fragte sie ihn.
»Klar.«

Svenja überlegte. Den ganzen Weg zurück zum Busbahnhof zu laufen, dauerte zu lange. Für den Nachtbus war es jetzt zu spät. Ihr blieben nur zwei Möglichkeiten: Mit Mike fahren oder bei der Taxizentrale anrufen und alleine auf ein Taxi warten.

Svenja postete schnell einen Beitrag an ihre Follower:
'Leute? Hier ist kein Taxi und für den Bus ist es zu spät. Wenn ich ein Taxi rufe, müsste ich allein warten. Mich könnte aber sofort so ein Typ mit seinem Auto mitnehmen. Er heißt Mike und scheint nett zu sein. Seinen Ausweis hab' ich gesehen. Was soll ich tun?'

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Du entscheidest:
1. Option: Fahrt mit Mike: Lies weiter unter Abschnitt 7
2. Option: Taxizentrale anrufen: Lies weiter unter Abschnitt 2
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Abschnitt 5
'Der verreckt! Sitz nach hinten stellen, auf die Seite drehen und Atemwege frei machen! Den Mann ansprechen und den RTW rufen!', war einer der ersten Vorschläge des Users „Angel-9-1-1“.

Der Beitrag hatte Sie letztlich bestärkt. Svenja konnte nicht einfach aussteigen. Ein Mensch brauchte Ihre Hilfe. Sie warf ihr Smartphone auf den Sitz, beugte sich nach vorn und griff das kleine Rad seitlich am Fahrersitz. Während sie es drehte und dadurch Stück für Stück den Sitz nach hinten stellte, rief sie: »He, Sie, ich stelle jetzt Ihren Sitz nach hinten, hören Sie mich? Alles wird wieder gut!«
»Was soll das? Er ist ansteckend! Du darfst ihn auf keinen Fall berühren.«
Mike war außer sich. Svenja versuchte ihn zu ignorieren.
Der Sitz war fast unten, der Alte lehnte immer noch auf dem Lenkrad.
Svenja stand in gebückter Haltung auf, um den Fahrer an den Schultern zu greifen und nach hinten, in eine liegende Position, ziehen zu können.
»Nein!«, rief Mike, erkannte dann jedoch, dass sie ihn nicht mehr beachtete.
Svenja packte die Schultern des Mannes und zog mit aller Kraft an ihm. Gerade, als sie ihn aufgerichtet hatte und die Hupe endlich verstummte, begann der Mann zu stöhnen und zu zucken. Erschrocken ließ Svenja von ihm ab und wich wieder auf die Rückbank zurück. Der Alte fiel wie ein schwerer Sack das letzte Stück von selbst nach hinten, überstreckte den Kopf und rollte mit den Augen. Dann riss er den Mund auf und schrie schmerzverzerrt. Svenja beobachtete entsetzt, wie er zuckte und Arme und Beine, so gut es im beengten Fahrzeuginneren möglich war, immer wieder unkontrolliert in alle Richtungen streckte und dabei jedes Mal gegen das Innere des Fahrzeugs schlug. So schrecklich die Situation auch war, durch die Bewegungen musste sie unweigerlich an Edgar, die Schabe aus Men in Black, denken.
Dann ließ der Alte für einen Moment wieder alle Gliedmaßen sinken und lag erschlafft da.
»Zu spät«, murmelte Mike, der sich nun mit Bedauern langsam vom Taxi entfernte.
Gerade, als sie Mike irritiert nachsah, gab der Fahrer ein Grunzen von sich, richtete sich plötzlich wieder auf, drehte sich zu Svenja um und starrte sie mit milchig-weißen Augen an. Wie ein wildes Tier begann er bedrohlich zu knurren. Svenja schrie und griff nach dem Türgriff neben sich.
Zu spät erkannte sie, dass noch niemand die Verriegelung geöffnet hatte und sie gefangen war. Als der nicht mehr ganz so nette Weihnachtsmann zwischen den Vordersitzen nach hinten drängte, Svenja mit eisernem Griff packte und unter ihrem Geschrei ihre Halsschlagader zerbiss, war sie nicht nur infiziert, sondern in kürzester Zeit elendig verblutet.

Abschnitt 6
'Vielleicht haben sie Fragen. Bleib' da und warte auf die Rettungskräfte!' riet ihr eine Userin, die sich „Angel-9-1-1“ nannte.

Svenja hatte sich entschieden: »Ich warte hier, fahr' ohne mich.«
»Das ist doch verrückt«, sagte Mike, »du kannst hier nichts tun. Du hast doch gesehen, wie der Typ drauf war. Total aggressiv. Das ist gefährlich!«
Svenja war nicht vollkommen überzeugt, sagte jedoch: »Ich halte Abstand, dann wird schon nichts passieren. Jemand muss hier bleiben und den Einsatzkräften schildern, was passiert ist. Ich war dabei, ich weiß mehr über diesen Typen, als du.«
Sie dachte dabei an die Einnahme von den Magic Mushrooms.
Mike hielt überrascht einen Moment inne.
»Okay, wenn du meinst«, meinte er kurz angebunden.
Svenja fand seinen plötzlichen Sinneswandel und sein Verhalten merkwürdig und fühlte sich darin bestätigt, nicht mit ihm zu fahren.
»Danke trotzdem«, sagte sie noch.
»Nicht dafür«, antwortete ihr Mike, kurbelte seine Fensterscheibe nach oben, schaltete das Licht der Scheinwerfer wieder ein und fuhr ungewöhnlich schnell davon.
Jetzt hat er es aber eilig, dachte Svenja verwundert.

Sie drehte sich in Richtung Bus und überlegte, wo sie sicher und unbemerkt in Deckung gehen konnte, bis der Rettungswagen eintraf. Der Busfahrer brauchte Hilfe, aber der Erste-Hilfe-Kurs lag lange zurück und sie hatte zu große Angst vor Spaulding.

In dem Moment, als sie sich fragte, warum Mike auch den Fahrer als Bestie bezeichnet hatte, sah sie, wie zwei Gestalten aus dem Bus stiegen und sich hektisch in alle Richtungen umdrehten. Sie war nah genug, um Spaulding und den Busfahrer erkennen zu können. Wie konnte das sein? Spaulding hatte ihn angegriffen und sogar verletzt. Wie konnte er jetzt einfach wieder aussteigen und herumlaufen?

Als der Fahrer sie erblickte, begann er auf sie zu zu rennen. Svenja konnte es kaum fassen. Als Spaulding bemerkte, welches Ziel der Fahrer anvisiert hatte, begann auch er zu laufen. Svenja lief ebenfalls los, doch es war bereits zu spät. Ihre Verfolger hatten sie schnell eingeholt. Als sich die beiden auf sie warfen, sie zu Boden rissen und unter ihrem Geschrei ihre Halsschlagader zerbissen, verlor sie nicht nur jede Menge Blut, sondern war in kürzester Zeit infiziert.

Abschnitt 7
Svenja las die ersten Antworten und folgte schließlich dem aus Ihrer Sicht klügsten Vorschlag eines Users, der „Pyro-Fan-367er“ hieß: 'Sende seinen Namen und sein PKW-Kennzeichen per Nachricht an deine Eltern, damit die im Notfall Bescheid wissen. Dann spricht doch nichts dagegen und du kannst mit ihm mitfahren.'

Andere machten Scherze und meinten, dies sei der Beginn einer neuen Lovestory. Mike war nicht ganz ihre Kragenweite, aber immerhin war er nett und er wollte sie fahren. Die Kommentare über einen neuen Ted Bundy ignorierte sie.

»Okay, ich komme mit«, sagte sie und ging um das Auto herum. Sie notierte das Kennzeichen und sendete eine Nachricht mit Mikes Daten an Dustin. Sie wollte ihre Eltern nicht beunruhigen, wenn diese am Morgen das Handy einschalteten und sich wunderten, was ihre Tochter auf dem Heimweg getrieben hatte.
»Ich bin Svenja«, sagte sie, als er losfuhr.
Mike lächelte und antwortete nach ein paar Sekunden: »Ich weiß.«
»Wie bitte?«
Ted Bundy!, dachte Svenja und packte erschrocken den Türgriff. Wie konnte sie so dumm sein?
»Willst du während der Fahrt aussteigen?«, fragte Mike beunruhigt. Sein Blick folgte ihrer Hand.
»Woher kennst du meinen Namen?«, fragte sie und rückte auf ihrem Sitz von ihm weg.
Mike begann zu lachen.
Svenja war irritiert: »Worüber lachst du?«
»Svenja BFS?«, fragte er.
Dann begriff sie: Er meinte ihren Kanal. Svenja BFS stand für Svenja Beauty, Fitness and Sweets.
»Auch wenn wir heute Halloween haben und ich dich spontan mitnehme: Ich bin kein Mörder.«
Sie lachte verlegen, vergrub ihr Gesicht kurz in den Handflächen und fügte dann hinzu: »Tut mir leid, ich war so angespannt.«
»Kein Problem. Ich fahre jetzt die Strecke bis zum Kanal, dann musst du mir sagen, wo ich abbiegen soll, okay?«
Sie unterhielten sich über Svenjas letztes Rezept und Mike offenbarte ihr seine Leidenschaft für Kuchen jeglicher Art. Mike war in Ordnung.

Als er das Auto schließlich vor ihrer Haustür parkte, hatte er noch eine Bitte: »Ich finde du schuldest mir was!« Er wirkte ernst.
»Was meinst du?«, fragte sie überrascht. Hatte sie sich doch in ihm getäuscht?
»Nur ein Selfie für deinen Kanal«, meinte er scherzhaft und löste seinen ernsten Blick.
»Klar. Sehr gern.«
Sie machten ein gemeinsames Foto und Svenja postete es direkt.
Erleichtert meldete sie ihren Followern, dass sie gut zuhause angekommen war – Dank Mike.

Abschnitt 8
'Da stimmt was nicht, sofort raus da!', postete eine Userin, die „Franzi007“ hieß und Svenja den letzten Anstoß gab, an sich zu denken und auf Mike zu hören.

Ohne den Fahrer zu berühren griff sie den Hebel zur Entriegelung des Wagens.
Mike riss sofort die Tür zum Rücksitz auf: »Na endlich! Raus jetzt!«
Svenja steckte ihr Smartphone ein und hastete nach draußen. Mike spurtete los, Svenja folgte ihm.
Der Corsa war einige Meter vor dem Taxi am Straßenrand geparkt. Svenja hatte vorhin gar nicht bemerkt, dass Mike mit seinem Auto das Taxi überholt hatte.
Dann blieb sie jedoch noch einmal stehen und rief: »Warte! Wir können ihn doch nicht da drin liegen lassen!«
Mike stand nun vor seinem Auto und drehte sich zu ihr um, während er hektisch seine Jackentaschen durchsuchte. »Rettung ist unterwegs.«, versicherte er.
Er hatte den Schlüssel gefunden und öffnete die Fahrertür.
»Ja, das hast du gesagt. Wann?«
»Bald.«
Eilig stieg er ein.
»Mike, warte!«
Er ließ die Tür offen und beugte sich zu ihr nach draußen.
»Wenn du diese Nacht überleben willst, solltest du sofort einsteigen.«
»Ich verstehe nicht«
Sie war völlig ratlos. Was sollte sie tun? Mike war immer noch ein Fremder.
Ihr schlechtes Gewissen dem Alten gegenüber meldete sich. Sollte sie doch umkehren und Erste Hilfe leisten?

Plötzlich schien Mikes Gesichtsausdruck für einen Moment einzufrieren. Wie gebannt schaute er an Svenja vorbei, Richtung Taxi. Sie drehte sich um und erkannte, dass der Alte im Inneren des Taxis zu Bewusstsein gekommen war, denn er zuckte unkontrolliert und schlug mit den Armen immer wieder gegen das Innere des Autos.
»Was tut er da?«
»Das da vorn ist kein vernünftig denkender Mensch mehr!«

Mit weit offen stehendem Mund beobachtete sie, wie der Taxifahrer erst gegen die Fahrertür schlug und sich danach der Beifahrertür zuwandte, ebenfalls dagegen schlug und sich dann mit seinem Körper unbeholfen dagegen warf. Als diese nicht nachgab, drehte er sich suchend in alle Richtungen und entdeckte dann die immer noch geöffnete Autotür zur Rückbank.

»Verdammte Scheiße«, murmelte Mike, »wir Idioten! Da kommt er jetzt raus!«
Svenja betrachtete das Geschehen immer noch wie eine Zuschauerin eines spannenden Films.
Die ganze Situation war absolut surreal. Sie war wie hypnotisiert.
»Wenn du jetzt nicht einsteigst, fahre ich ohne dich«, rief Mike.
Er schloss die Fahrertür.
Der alte Mann kletterte eilig zwischen den Vordersitzen hindurch auf die Rückbank, den Blick nach draußen gerichtet.
Mike schnallte sich an und drehte den Zündschlüssel: »SVENJA!«
Der Motor sprang an.
In dem Moment, als der Taxifahrer im Freien war, sich zu den beiden umdrehte und begann, wie ein wildes Tier auf die beiden los zu stürmen, löste sich Svenja aus ihrer Starre und stürzte um den Corsa herum. Nur Sekunden, bevor der Alte den Wagen erreicht hatte, riss sie die Beifahrertür auf und fiel ins Innere des Fahrzeugs. Noch bevor sie die Tür ganz geschlossen hatte, war Mike schon losgefahren. Der Alte hatte noch den Wagen erreicht und gegen die Heckscheibe geschlagen, jedoch keinen Halt gefunden und war dabei zu Boden gestürzt. Svenja zitterte am ganzen Leib und beobachtete, wie der Alte wieder aufstand und in ihre Richtung lief. Sie ließen ihn weit hinter sich zurück.

Nach einigen Sekunden Fahrt, schnallte Svenja sich an und warf Mike einen prüfenden Blick zu.
»Woher kennst du meinen Namen?«, fragte sie und rückte auf ihrem Sitz von ihm weg, »du hast mich vorhin Svenja genannt. Ich habe dir noch gar nicht gesagt, wie ich heiße.«
»Svenja BFS?«.
Sie brauchte einen Moment, ehe sie begriff. Er meinte ihren Kanal. Svenja BFS stand für Svenja Beauty, Fitness and Sweets.
»Ich bin einer deiner Follower. Wir sind aus dem gleichen Ort, ich habe dich schon öfter hier gesehen.«
»Hast du mich deswegen am Taxi-Stand angesprochen?«
»Ja, ich habe dich einfach in dem Moment wiedererkannt.«
Sie wusste nicht, dass dies nur die halbe Wahrheit war.
»Na gut, aber was war mit dem Mann? Was weißt du darüber? Ist das eine Infektion? Ist das ansteckend?«
»Ich weiß nicht viel«, log er, »mein Bruder arbeitet in einem Labor. Mit richtig krassem Zeug, hochansteckende Viren, Quarantäne, Sicherheitsmaßnahmen, das ganze Programm. Er hat mich direkt nach der Party angerufen. Irgendeine Art Virus wurde heute gestohlen. Sie vermuten, dass es einen Anschlag geben soll. Als ich dich dann mitten in der Nacht und ganz allein dort stehen gesehen habe, wollte ich dich einfach nach Hause bringen. Mehr weiß ich nicht.«
Svenja versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Sagte er die Wahrheit? Sie musste sich eingestehen, dass seine Erklärung nach dem Vorfall mit dem Taxifahrer das einzige war, was zumindest annähernd Sinn machte.
»Ich weiß, das hört sich alles unglaublich an«, sagte Mike, »Aber wir haben auf jeden Fall das Richtige getan. Wenn Polizei und Rettungskräfte vor Ort sind, werden sie sich schon um den Mann kümmern. Dann kommt er in Quarantäne und bekommt ein Gegenmittel oder so und alles wird wieder gut.«
»Meinst du wirklich?«, fragte sie. Mikes Worte hatten eine beruhigende Wirkung.
»Ja, ich bin mir ganz sicher.«
Er lächelte aufmunternd.
»Ich bringe dich jetzt nach Hause. Wenn du drinnen bist, verriegle alle Türen – nur um Sicherzugehen. Dann schalte Radio, News Online und das Fernsehen ein und warte ab, ob du etwas aus den Nachrichten hörst. Ich tue das gleiche.«

Svenja nickte wortlos, während sie langsam zur Ruhe kam. Wäre sie nicht so erschöpft gewesen, hätte sie vielleicht die richtigen Fragen gestellt. Vielleicht hätte sie das Handschuhfach geöffnet und die Laborutensilien von Mike gefunden.

»Ich fahre bis zum Kanal, dann musst du mir sagen, wo ich abbiegen soll, okay?«
»Alles klar.«
Als Mike das Auto schließlich vor ihrer Haustür parkte, hatte er noch eine Bitte: »Ich finde du schuldest mir was!« Er wirkte ernst.
»Was meinst du?«, fragte sie überrascht. Hatte sie sich doch in ihm getäuscht?
»Nur ein Selfie für deinen Kanal«, meinte er scherzhaft und löste seinen ernsten Blick.
So absurd sie diesen Wunsch in dem Moment fand, sie kam ihm nach, nichts ahnend, dass Mike sich durch ihr Zusammentreffen und das von ihr ins Netz gestellte Selfie ein Alibi geschaffen hatte. Wer konnte schon wissen, welche Folgen die Ereignisse der Nacht noch nach sich ziehen würden.

»Klar. Sehr gern«, sagte Svenja und zückte ihr Smartphone.
Sie machte ein gemeinsames Foto und postete es direkt.

Nachdem sie die Haustür hinter sich geschlossen hatte, meldete sie ihren Followern erleichtert, dass sie gut zuhause angekommen war – Dank Mike. Die User hatten noch viele Fragen zu Svenjas Heimweg und posteten im Minutentakt. Sie wollten wissen, wie die Sache mit dem kranken Taxifahrer ausgegangen war und warum dieser Mike sie schließlich doch nach Hause gebracht hatte, aber Svenja vertröstete sie auf den nächsten Tag. Sie fühlte sich plötzlich müde und erschlagen und wollte nach einer heißen Dusche nur noch schnellstmöglich ins Bett.

Noch unter der Dusche, begann sie plötzlich zu Husten.

Abschnitt 9
'WTF was für ein Vorfall? Wenn da was nicht stimmt und du Angst hast, dann hau ab!', postete ein User, der „Smithers1989“ hieß und Svenja den letzten Anstoß gab, an sich zu denken und auf Mike zu hören.

»Okay, du hast mich überzeugt, ich fahre mit«, sagte sie zu Mike und steckte ihr Smartphone in ihre Tasche.
»Gut, mach schnell!« Mike setzte sich zurück und machte damit den Beifahrersitz frei.
Svenja schaute ein letztes Mal Richtung Bus. Niemand zu sehen. Mike folgte ungeduldig ihrem Blick. Als sie schließlich die Beifahrertür öffnete, um einzusteigen, drehte sich Mike wieder nach vorn und schaltete das Licht der Scheinwerfer ein.
Zu spät.
Sie hatten nicht bemerkt, dass jemand in vollem Tempo von vorn auf sie zugerannt war. Im Licht der Scheinwerfer hatte Svenja für den Bruchteil einer Sekunde noch Freddy erkannt.
Während sie die geöffnete Tür noch festhielt und bereits mit einem Fuß eingestiegen war, wollte Mike völlig panisch losfahren. Dummerweise hatte er seine Fensterscheibe zur Hälfte geöffnet, so dass Freddy hineingriff und an Mike zerrte. Dabei rutschte Mikes Fuß von der Kupplung, der Motor soff ab und der Wagen machte einen Satz nach vorn.
Freddy und Svenja fielen beide auf auf den Asphalt. Ehe einer von ihnen aufgestanden war, startete Mike den Motor erneut und trat ohne zu Zögern aufs Gaspedal.
Der Corsa fuhr davon.
Entsetzt sah Svenja ihm nach.
Er hat mich allein gelassen, dachte sie noch, als ihr Blick zu Freddy wanderte und auch er hatte sie bereits wahrgenommen. Seine weit aufgerissenen Augen waren milchig-weiß. Er sprang ruckartig auf, und stürzte auf Svenja zu, ehe diese reagieren konnte. Als er unter ihrem Geschrei ihre Halsschlagader zerbiss, war sie in kürzester Zeit infiziert.

Völlig fassungslos fuhr Mike in seinem Corsa durch die Stadt. Die Beifahrertür war noch nicht richtig geschlossen und er missachtete nahezu jede Verkehrsregel. Sein Plan war gescheitert.
Diese dumme Nutte, dachte er.
Hätte sie nicht so lange gebraucht, wären wir längst über alle Berge. Scheiße Scheiße Scheiße!

Mike wusste, dass es keine Rettung mehr für ihn gab. Freddy hatte ihn vorhin blutig gekratzt. Das reichte aus, um infiziert zu sein.
Wenigstens nimmt sich der Infizierte jetzt dieses dumme Gör vor, dachte Mike.
Als er schließlich zu Husten begann, hielt er gerade rechtzeitig vor einer stadtbekannten Kneipe, in der die Stammgäste noch bis in die frühen Morgenstunden mit Korn und Bier versorgt wurden.

Verfluchte Scheiße, wenn ich schon dran bin, dann nehme ich wenigstens noch ein paar von euch mit.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @S. Graven,

willkommen hier.
Du hast die Abschnitte falsch nummeriert. Nach Abschnitt 1 muss ich mich für Abschnitt 3 oder 4 entscheiden, danach folgen aber 2 und 3. Diese Verrückung zieht sich durch die gesamte Geschichte.

Ich sehe gerade, dass ich mich da irre. Aber nichtsdestotrotz muss ich mich nach A1 für A3 oder 4 entscheiden, einen Weg zum 2. Abschnitt gibt es nicht. Ich bin einfach total verwirrt, das macht die Geschichte für mich unleserlich. Irgendetwas stimmt da nicht und da ich deshalb weitere Fehler nicht ausschließen kann, spare ich mir die Mühe, zu versuchen da irgendwie durchzusehen. Sorry.

P.S. die zweite:
Jetzt aber. Jetzt habe ich gesehen, dass auf Abschnitt 2 später noch referiert wird. Wenn ich erst viel später dorthin kommen kann, wieso wird er dann so früh aufgelistet? Also alles in allem einfach super verwirrend.

 

Hallo @S. Graven!

Herzlich Willkommen im Forum!

Gab es nicht mal im "arena"-Verlag eine Serie, die ähnlich aufgebaut war? Erinnere mich vage an ein Buch über die Suche nach dem Yeti. Und ja, entweder, man fand ihn oder nicht oder man landete im Dschungel oder im realen Nirwana oder wurde von nepalesischen Milizen erschossen.

Natürlich möchte ich dir nicht zu nahe treten und ich habe hier noch nicht so viel kommentiert, aber dennoch: Du kannst bei einem Debüt nicht erwarten, dass die Foristen fünf verschiedene Plots (habe ich das richtig berechnet?) durchschauen und kommentieren. Vielleicht versuchst du es mit einer einfacheren, einer kleineren Geschichte?

Ich habe mich für die Abschnitte 1-3-9 entschieden. Alte Leidenschaft für Bussysteme. Egal. Du hast viele bunte Ideen und ich kann mir das ganze als Jugendbuch vorstellen, vielleicht beeinflusste mich aber auch die Erwartungshaltung durch die Yeti-Geschichte, klassischer observer bias. Auch die Idee mit den Followern gefällt mir ganz gut. Deine Sprache ist einfach, an manchen Stellen zu einfach, viele Beschreibungen wirken sehr alltäglich und spannungs-, emotionsarm:

Sie fühlte sich plötzlich müde und erschlagen und wollte nach einer heißen Dusche nur noch schnellstmöglich ins Bett.

Aber all das ist nicht mein Hauptkritikpunkt. Im Grunde hatte ich das Gefühl: Alles kann passieren. Es können Außerirdische landen, die mit Laserbratpfannen Svenja bekämpfen. Es können Meere verdunsten und im Nebel tauchen Schimmelreiter auf. Es könnte die letzte Dönerbude geschlossen haben. Es könnte ein Bus nach Jericho abfahren. Es kann alles passieren. Der Eindruck des "Alles-kann-passieren" schwenkte die Geschichte in eine humoristisch, satirische und leider, leider auch trashige Richtung, kurzum: Ich fand's richtig witzig. Wirklich. Nur hoffe ich nicht, dass genau das nicht bezweckt werden sollte. Mit Horror hat deine Geschichte nichts zu tun. Nein, echter Horror mag eine Königsdisziplin des atmosphärischen Schreibens sein, direkt hinter Wildnis-Natur und Boot-auf-dem-Meer.

So das war's!

Vg
kiroly

 

Hallo zusammen,

@Putrid Palace:
Danke für das Zeitnehmen bzw. Überfliegen der Abschnitte. Die Anordnung (das "Durcheinander") ist tatsächlich so gewollt. Da ich hier leider keine echten Seiten zum Durchblättern zur Verfügung habe, muss der Leser im Forum leider scrollen, bis er am jeweils nächsten Abschnitt angekommen ist. Da ich das Rad mit dieser Sorte Geschichte nicht neu erfunden habe, hier zur generellen Erklärung des Spielkonzepts der folgende Link: Spielbuch – Wikipedia. Sollte ich mit dem Beitrag insgesamt für Verwirrung gesorgt haben, tut mir das leid, das war nicht meine Absicht.

@kiroly:
Vielen Dank für deine Kritik und die Zeit, die du dir genommen hast. Ich war auf eine Antwort gespannt und habe mich sehr darüber gefreut. Die von dir genannte "Yeti-Serie" kenne ich zwar nicht, aber das Prinzip ist das Gleiche. Kurz zu meiner Motivation: Die Geschichte dient primär zur Unterhaltung. Vielleicht war es auch eine Art kleines Experiment. Ich hatte nicht die Erwartung, von euch eine detaillierte Korrektur jeder Zeile zu erhalten und wollte keinesfalls durch die verschiedenen Plots (genau: 5) bzw. durch einen langen Gesamttext reine Arbeit (oder vielleicht sogar ein Ärgernis(?)) verursachen.

Was mich persönlich sehr freut, ist die Tatsache, dass du in der Geschichte den Eindruck hattest, dass "alles passieren kann" und es "richtig witzig" fandest - das war gewollt. Mein Testleser musste z.B. an manchen Stellen lachen, was ich richtig gut fand (wer weiß schon zu 100 %, ob die vom Autor erdachte Stelle wirklich lustig rüber kommt... nie bei allen, aber zumindest bei einem Teil der Leser...). Du hast aber auf jeden Fall Recht, die Einordnung in "Horror" ist dann nicht richtig.

(Zur Erklärung: Ich habe auch zum ersten Mal etwas gepostet und versucht, den Tag - so heißt das doch? - nicht nur auf "Horror" zu begrenzen. Das Thema an sich wollte ich schon im Bereich Horror ansiedeln, jedoch mit Humor an ausgewählten Stellen. Leider konnte ich nur einen Tag auswählen und habe mir dann gedacht, dass ich bei dem nächsten Beitrag schon noch herausfinden werde, ob es auf menschliches Versagen (falsch eingetragen) oder technische Beschränkung (immer nur ein Tag möglich) zurückzuführen war.

 

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