Was ist neu

Herr Findeisen und Herr Grieskötz

Mitglied
Beitritt
23.05.2018
Beiträge
1

Herr Findeisen und Herr Grieskötz

Herr Findeisen und Herr Grieskötz
Lügenmärchen
Erste Geschichte
Herr Findeisen und Herr Grieskötz wanderten frohgemut auf der Landstraße dahin. Die Wolken schwammen im blauen Himmelssee, die Krähen hatten ihre schwarzen Turnleibchen angelegt und balgten sich auf den Wellen des Windes, auf den Wiesen transpirierten die Blumen, die Schmetterlinge schrieben Geschichten in die Luft.
Herr Findeisen und Herr Grieskötz waren keine gewöhnlichen Wanderer. Nein, das waren sie nicht! Sie waren zwei Alleebäume, die einstmals zwischen Holzenhofen und Großkitzighausen am Straßenrand standen. Herr Grieskötz war eine Ulme, Herr Findeisen eine Aberesche. Jahrelang hatten sie dort ausgeharrt, wurden von den vorbeibrausenden Autos eingestaubt, mussten den Odelgeruch der Bauern schlucken, wanden sich unter den Giftschwaden der Unkrautvernichtungsmittel. Nun waren sie es leid.
„Wir sind es leid, hier leiden zu müssen!“, rauschten sie, zogen ihre Wurzeln aus dem Boden und zogen los.

Begegneten sie einem Wurzelgurk. „Woher und wohin?“, fragte der Wurzelgurk.
„Daher und dorthin“, sagte Herr Findeisen. „Wir wollen in die Welt hinaus, um Abenteuer zu erleben und Heldentaten zu verrichten, verstehst du?“
„Oh, das verstehe ich sehr gut“, sagte der Wurzelgurk. „Eine Heldenreise war schon immer mein Traum. Ihr habt sicher nichts dagegen, mich ein Stückchen Weges mitzunehmen?“
Nein, die beiden Wanderbäume hatten nichts dagegen. Da schwang sich der Wurzelgurk auf eine Astgaben und ließ sich gemütlich tragen.
Begegneten sie einem Käsekuchen. „Woher und wohin?“, fragte der Käsekuchen.
„Wir kommen von daher und wollen dorthin“, sagte Herr Grieskötz. „Eine Heldenreise, verstehst du?“
„Oh, ich habe mir immer schon gewünscht, ein Held zu sein“, rief der Käsekuchen. „Ihr habt sicher nichts dagegen, mich ein wenig mitzunehmen?“ Schwang sich auf eine Astgabel und ließ sich gemütlich tragen.
Was soll ich sagen? Im Laufe ihrer Wanderung begegneten sie einer Himbeertorte, einer Kohlroulade, einem veganen Sauregurkensalat, einem vitaminreichen Müsliriegel, einem Hirschgulasch mit Tomatensoße, einer Wohlfühlpizza, einem ondulierten Flammkuchen, einem Kässpatzen, der zwitschern konnte, einem Schellfisch, der schellen konnte, einem Pfifferling, der pfeifen konnte, und manch anderen kulinarischen Köstlichkeiten.
Bald bogen sich die Äste unter der nahrhaften Fracht, Herr Findeisen und Herr Grieskötz aber wurden müder und müder, weil sie alles schleppen mussten.
„Lass uns eine Weile ausruhen!“, sagte Herr Findeisen. „Unter diesem Machandelbaum können wir uns von der Anstrengung erholen.“ Kaum aber hatten sich die beiden im kühlen Schatten niedergelassen, da rauschte es über ihnen im Geäst, und die Fee Machandola, die sich zwischen den Machandeln versteckt gehalten hatte, hüpfte zu ihnen herunter.
„Ihr seid zwei toll wandelnde Gasthäuser, eine Art mobile Großküche“, rief sie begeistert. „Kommt zu mir in mein Machandelbaumschloss, da wollen wir eine Festmahl veranstalten, wie man es sich prächtiger nicht vorstellen kann!“
Das ließen sich die beiden nicht zweimal sagen und folgten der Fee, die ihnen voranschwebte in ihrem hauchzarten Machandelsommersonnenkleid. Es ging über spiegelnde Marmorstufen und seidenweiche Teppiche, durch Zimmerfluchten und Bernsteinsäle, Galerien und Tapetentüren, bis sie schließlich die Hofküche erreichten.
Dort zerhackte die Fee Machandola die Ulme und die Aberesche zu Kleinholz, nachdem sie die beiden in Menschen verwandelt hatte, und schürte damit ein lustiges Feuer. Bald war alles gekocht und gebraten und gesotten und gegrillt und auf das Beste zubereitet. Sie setzten sich an die herrschaftlich geschmückte Tafel, banden die gestickten Servietten um und aßen und schnabulierten, dass es nur so eine Art hatte. Gegrillte Schinkenröllchen und ondulierten Kalbsbraten, Schneckeneier und Ameisenrippchen, dressierte Tofuspieße, Himbäreis mit Mandarillensauce, Machandelmarmelade, Müsliragout und manches mehr verspeisten sie, alles mit dem größten Vergnügen und Appetit, dass ihnen beinahe die Rinde geplatzt wäre, wenn sie noch Bäume gewesen wären.
Als sie alles aufgegessen hatten und kein Krümlein und kein Knöchelchen mehr auf den Tellern zurückgeblieben war, kam aus dem Schlossgarten die zauberische Sommersonnenschlosskapelle, um sie mit wohltuenden Klängen zu unterhalten und ihnen die Verdauung zu erleichtern. Die Glockenblumen läuteten, die Gänseblümchen schnatterten, die Hahnenfüße krähten, die Löwenzähne brüllten, die Klappertöpfe klapperten, die Sumpfnelken sumpften, die Silberdisteln silberten und distelten, das war eine prächtige, wenn auch etwas ungewöhnliche Musik. Nur das Vergissmeinnicht war still, weil es seine Noten vergessen hatte.

So vergnügten und unterhielten sie sich auf das Beste. Und als sie sich genug vergnügt und unterhalten hatten, wie ging es dann weiter?
„Wir gründen einen Wanderverein“, sagte Herr Grimmeisen. „Dann können wir wandern von einem Ort zum andern und froh und heiter immer noch weiter.“
„Wir gründen eine Partei“, schlug Herr Grieskötz vor. „Da können wir unsere politischen Gegner bekämpfen und die Welt verbessern auf Teufel komm raus.“
„Wir gründen einen Märchenwald“, sagte die Fee. „Einer von euch stellt sich an die Kasse und verkauft Tickets, der andere küsst mich, wenn ich im Dornröschenschloss schlafe. Ihr könnt euch ablösen.“
Und wie ging es dann weiter?
Es war so, wie es meistens ist. Kaum sind ein paar Menschen beisammen, noch dazu, wenn sie verzauberte Bäume sind, schon müssen sie diskutieren und streiten und rechthaben und sich in den zerzausten Haaren liegen. Zum Schluss rief die aufgebrachte Fee: „Mir hängt eure Streiterei zum Hals heraus!“
Sie zog ihren blitzblanken Sommersonnenzauberstab heraus und verzauberte Herrn Findeisen in eine Ulme und Herrn Grieskötz in eine Aberesche, was sie ja ursprünglich gewesen waren. Sich selber aber verwandelte sie in einen Machandelbaum, weil sie auch mitgestritten hatte.

Wenn du aber einmal auf halbem Weg zwischen Holzenhofen und Großkitzighausen am Straßenrand eine Ulme und eine Aberesche und einen Machandelbaum siehst, die mit ihren Blättern dem vorbeifliegenden Wind zuwinken und ihre Astaugen sehnsüchtig zu den Wolken hinaufdrehen, so soll dir das eine Lehre sein. Was für eine Lehre?
Eine Schublehre? Eine Sprachlehre? Eine Menschenleere, eine Blutleere, eine Galeere? Irgend so etwas.
Und wenn du ein wenig Zeit übrig hast, dann sollst du dich in den Schatten des Machandelbaumes setzen und vor dich hin träumen in das blaue Himmelsmeer hinein. Da wird es auf einmal rascheln und knispern, und dann wird einer neben dir hocken, ein Winzling mit einer Knollennase und einer Wanderpfeife. Das ist der Wurzelgurk, den die Fee nicht verzaubern konnte, weil Wurzelgurken zauberresistent sind.
„Was ist eine Wanderpfeife?“, wirst du ihn fragen. „Na ja, das ist so etwas wie...“, wird der Wurzelgurk mit seiner krächzenden Wurzelgurkenstimme antworten und wird sein großes Taschentuch herausziehen und sich ausgiebig schnäuzen.
Und wie er das Taschentuch ausbreitet, ist es eine Landschaft mit Bergen und Tälern und Wiesen und Wäldern und Bäumen und Bächen und Käfern und Kornblumen.
Und wie geht es dann weiter?
Das ist eine andere Geschichte.

 

Hallo Lutz Gemthal,

und willkommen hier im Forum für gepflegte Lustigkeitsausflüge, für Sonnenveganer, Baumsommerträumer und Wurzelgurkenfreuden. Die Geschichte klingt nach 19. Jahrhundert, jedenfalls was die verwendete Sprache anbetrifft, nach Heine und den Frühlingsromantikern. Was ich aber nicht schlecht finde, führt es doch erzählerisch in eine Zeit, in der sich die Verwicklungen in Wohlgefallen auflösen. Wie in deiner Geschichte. Na ja, die Witzigkeit ließe sich übrigens steigern, wenn du das absurde Element stärken und die Wortspielchen gezielter einsetzen würdest.

Textstellen:

auf den Wiesen transpirierten die Blumen,
wie darf ich mir das vorstellen? Tau?

den Odelgeruch
was’n das? Auch Wurzelgurk kenne
Ich nicht

einem Kässpatzen, der zwitschern konnte, einem Schellfisch, der schellen konnte, einem Pfifferling, der pfeifen konnte,
das mit den Kässpatzen finde ich ja noch lustig, die restliche Reihung nervt ein wenig.
Die Glockenblumen läuteten, die Gänseblümchen schnatterten, die Hahnenfüße krähten, die Löwenzähne brüllten, die Klappertöpfe klapperten, die Sumpfnelken sumpften, die Silberdisteln silberten und distelten, das war eine prächtige, wenn auch etwas ungewöhnliche Musik.
hier genauso: weniger ist mehr

Was für eine Lehre?
Eine Schublehre? Eine Sprachlehre? Eine Menschenleere, eine Blutleere, eine Galeere?
mm, Wortspiele müssen schon knallen, damit sie wirken, das hier finde ich lahm.

Das ließen sich die beiden nicht zweimal sagen und folgten der Fee, die ihnen voranschwebte in ihrem hauchzarten Machandelsommersonnenkleid.
süß: besonders das Sommersonnenkleid

Viele Ich-pflück-mir-jetzt-den-Lunch-vom-Mandelbaum-Grüße
Isegrims

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom