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Thema des Monats Hinter die Loeffel

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16.05.2005
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Hinter die Loeffel

Hinter die Löffel

„Die Berechnungen hinsichtlich der Generierung eines schwarzen Loches ergaben leider unbefriedigende Aussagen. Grundsätzlich steht die Technologie dafür zwar zur Verfügung, allerdings sind die gewünschten Beschleunigungseffekte nicht endgültig steuerbar.
Die mathematischen Modelle zeigen Lösungen nach denen unsere Sonne durch die Gravitation zwar hinreichend beschleunigt wird, das schwarze Loch aber in einen stabilen Zustand übergehen könnte, der eine Kollision mit unserer Sonne zur Folge hätte.
Und dann... gibt es was hinter die Löffel.“
Der Vortragende, Tort Tappellipp, legte seine Löffelohren zusammen und sank auf die Vorderkrallen. Mit einem Satz war er aus der Vortragsmulde gesprungen und gesellte sich in den Kreis der Ingenieuroposophen.
Die pinkfarbenen Wände der gewölbten Halle fassten mit weichem Timbre die Aussage zusammen:
„Die Lösung des Problems mittels eines schwarzen Loches führt wahrscheinlich zum Scheitern des Projektes“ säuselten sie.
Nach angemessener Pause des Nachsinnens stieg Dampf aus der Schalllippe Borte Bastlipp. Solcherart um einen Wortbeitrag nachsuchend sprang er in sich verengenden Kreisen um die Vortragsmulde herum.
Da sich keiner aus der Versammlung aufmachte, seinen Sprung zu kreuzen und damit selbst das Vortragsrecht zu begehren, nahm er in der Mulde Platz.
„Unsere Zivilisation hat seit undenklichen Zeiten unter der Einsamkeit gelitten“, sprach er und zustimmendes Löffelrauschen bestätigte es ihm.
„Als wir endlich die technologischen Voraussetzungen geschaffen hatten den Raum nach Signalen anderer Wesen abzusuchen und selbst Rufzeichen zu senden, gingen wir von einem baldigen Kontakt mit unseren Sternenfreunden aus.
Doch unsere Rufe verhallten ungehört und kein Signal von fremden Sternenvölkern durchbrach das kosmische Rauschen das unsere Parabolen auffingen.
Einsam war es um uns, kalt und tot grinste uns das All an, wie gemein.
Und Generation um Generation wuchs die Angst, ganz allein in dieser Galaxie zu sein. Einer Krankheit des Verstandes gleich fiel unsere Zivilisation in geistige Starre, unfähig dem Entsetzen des unbelebten Sternenraumes zu widerstehen.
Und nun, nachdem wir endlich den so lang ersehnten Kontakt aufgenommen haben, soll uns die Eventualität der Vernichtung abhalten, unseren Freunden entgegenzueilen?“
Er sprang aus der Mulde und unter Löffelklappern fassten die pinkfarbenen Wände zusammen: „Das Risiko der Vernichtung scheint durch die Aussicht auf fortwährende Einsamkeit möglicherweise gerechtfertigt.“

Ob dieser, ihre eigene Vernichtung einschließenden Konsequenz gerieten die logischen Schaltungen der pinkfarbenen Wände in Aufruhr.
Schließlich sind halbvernünftige, ganzintelligente Rechenkreise sensibel im Bezug auf ihr eigenes Dasein.
Es war also nicht verwunderlich, dass sich die Wände in Trauerultraviolett verfärbten und wie zur eigenen Beruhigung folgenden Monolog absonderten:
´Das Signal war aus einer anderen Galaxie eingegangen und als simpler Rundumruf identifiziert. Nach Schätzungen der mit mir versippten Recheneinheiten war es nur ein Dutzend Generationen unterwegs gewesen.
Die Parabolen hatten eine automatische Antwort gesendet und über die Informaten die Planetenbewohner davon in Kenntnis gesetzt. Zeitgleich wurden die chemischen Tanks auf die Produktion starker Antieuphorika umgestellt, gerade noch rechtzeitig, um der andauernden, daseinsverkürzenden Euphorie Herr zu werden.
Die Frage nach der weiteren Vorgehensweise in Bezug auf die Anderen stellte sich natürlich nicht.
Wie kann eine erwachsene Zivilisation anders reagieren, als alle Ressourcen des Planeten in den Dienst der Frage zu stellen, wie ein persönliches Treffen zu bewerkstelligen sei?
Die natürliche Sehnsucht der begabten Vernunft nach Austausch mit Seinesgleichen ist ein ihr innewohnender Imperativ.
Nun mögen junge oder zurückgebliebene Zivilisationen auf die Idee verfallen zum Zwecke des Informationsaustausches Flugkörper in den Raum zu schießen.
Zugegeben, ein in seiner Unlogik fast grandios zu nennendes Unterfangen, denn es erzeugt das Paradoxon des negativen Informationsgradienten.
Denn die Information, die eine Antwort auf eine vor Unzeiten gestellte Frage enthält ist negativ, da sie häufig das vermeintliche Wissen verringert.
Denn wenn sich eine Zivilisation die gestellte Frage vorläufig selbst beantwortet hat und die erhaltene Antwort von dieser Lösung abweicht, ohne das eigentliche Problem zu lösen, weiß man weniger als vorher. Gerade im ontologischen Bereich muss es zwangsläufig dazu kommen.
Insofern ist die naheliegende, ja einzig denkbare Option, Heimatstern und die umgebenen Planeten auf eine Bahn zu stoßen, die ein Treffen mit den Anderen in absehbarer Zukunft ermöglicht.
Allerdings weisen logische Schaltkreise entschieden darauf hin, dass mit Emotionen begabte Wesen im Überschwange ihrer Freude sich daseinserhaltene Mäßigung auferlegen sollten.´

Allgemeines Löffelrasseln begleitete das Ende des Vortrages. Die Höflichkeit gebot es auch eine auf Platinen gebannte Halbvernunft aussprechen zu lassen, selbst wenn ihr auch die halbe Vernunft zeitweise abhanden gekommen war.
Tort Tappellipp der nur fadenscheinig kurz mit den Löffeln gerasselt hatte sprang schon wieder um die Mulde herum.
Das er sich dort mit Borte Bastlipp im Sprung kreuzte war ein unerhörtes Vorkommnis.
Die Sitte forderte, dass sie im Sprunge ihre Anliegen äußerten bis die Versammlung mit einer Löffelabstimmung einem der Kontrahenten den Vorzug gewährte oder das kraftvolle Springen zur Erschöpfung und Aufgabe eines der Wortbegehrenden führte.
Borte Bastlipp, der ältere der Beiden schonte seine Kräfte, indem er immerfort nur ´sterbogel´ schnaufte, was von den Anwesenden richtig als „Sterben oder Gelingen“ interpretiert wurde, also als Vorschlag, es mit dem schwarzen Loch zu versuchen.
Tort Tappellipp, der noch mehr Lebenszeit vor sich hatte und insofern mehr Interesse am eigenen Dasein, machte mehrere Kompromissvorschläge (Zeitlicher Aufschub, mehrere, sich aufhebende schwarze Löcher, virtuelle Schwarzlöchelein, Antinichtlöcher, Pseudoschwarzloch aus dunkler Materie) und als ihm die Sprunggelenke zu schmerzen begannen rief er die nunmehr grünen Wände zur Hilfe.
Es war den Wänden anzumerken, wie begierig sie auf die Worterteilung gelauert hatte. Schließlich war es ihnen aus Gründen der Statik streng untersagt, springend ums Wort zu ersuchen.
„Mit aller uns eigenen Bescheidenheit, die wir, wie wir bemerken dürfen, im Rahmen emotionaler Mimikry grenzwertig zu simulieren im Stande sind, schlagen wir die beschleunigte Bahnkorrektur unseres Systems durch Beschuss mit anfallendem Wohlstandsmüll vor.
Dessen jährliches Aufkommen beträgt heute bereits ein rundes hundertzwanzigstel der Sonnenmasse und wird nach meinem Berechnungen in wenigen Generationen auf ein rundes Achtel der Sonnenmasse ansteigen. Der genaue Beschuss beschleunigt das System nach für nach und wird binnen eines Umlaufes um die Galaxisachse die nötige Fluchtgeschwindigkeit erreichen. Dazu...“
Die weiteren, eher technischen Ausführungen der stolzweißen Wände gingen in begeistertem Löffelrattern unter.

Der Stern und seine angeschlossenen Planeten hatten die dritte kosmische Fluchtgeschwindigkeit noch nicht ganz erreicht, als die Parabolen sich ratsuchend an die freudengelben Wände wandten.
„001011011010110110101011101011101011111010100100001010110“ lautete die bestürzte Frage.
„01101110101012“ wurde sie entschieden beantwortet.
Dieser Dialog war nicht für irgendwelche Löffel bestimmt und daher binär (und, von Seiten der sich verschwörerisch Brünett verfärbenden Wände auch trinär) geführt und lautete:
Parabolen: Unmengen von höheren Zivilisationen fragen an, weshalb wir uns aus der Galaxis verdrücken. Ob wir die Einsamkeit suchen?
Bunten Wände: Anfrage bejahen. Und löffelseits: Schnauze halten.

 
Zuletzt bearbeitet:

Juhu, bin wieder mal als Erster (olympischer Gedanke? Noe, der Zweite IST der Erste Verlierer (*g*)) mit dem Monatsthema durch.
Natuerlich wieder nur "tell", aber das kenn Ihr ja von mir (und langsam scheint Ihr Euch ja auch daran zu gewoehnen (*g*)).
Das die Story zwischen Ernst und Ironie schwankt ist sicher nicht optimal, aber ICH habe das Monatsthema (welches m.A.n. kaum ernsthaft zu behandeln sein duerfte, was ich leider erst beim Schreiben bemerkte) nicht ausgesucht.
Und ja, mir ist bewusst, was S. Lem dazu sagen wuerde:
"Die Geschichte endet dort, wo sie anfangen sollte."
Proxi

 

Hallo Proxi,

bist mir wohl zuvor gekommen, mit Deinem Beitrag. Nette Idee: ein Sonnensystem als Queen Mary der Milchstraße. Die Löffel und die intelligenten Bauteile erinnern mich an ein Buch von Ian McDonald (nicht "Desolation Road". das andere). Für astrophysikalische Details bin ich heute schon zu müde. Werde das Ganze morgen nochmal durchrechnen. ;)

lg Fritz

 

Hehe, die Kommataste unserer Proproxi ist mal wieder defekt :p
Ansonsten:

mehrere, sich aufhebende schwarze Löcher, virtuelle Schwarzlöchelein, Antinichtlöcher, Pseudoschwarzloch aus dunkler Materie
Das war das Thema des Monats. Hast Du immerhin in Klammern abgehandelt, der Rest erklärt halt, wieso dieser Stern das Sonnensystem verlässt, ist auch bunt und platisch geschildert, mit fremdartigen Wesen. Aber da es beim Reden bleibt, finde ich die Handlung wenig mitreißend und dem Monatsthema nicht angemessen pompös.

Fazit: nett erdacht, flach gemacht :D

Uwe

 

Ich dachte, dass das Monatsthema sich um den, die Galaxis verlassenden Stern dreht?
Bei Space Opera haette ich doch nie einen Beitrag gesendet.
Ausserdem: Pomp mag sich ja fuer gewisse Koenigshaeuser eignen, in der SF wirkt das doch meist aufgesetzt (wie ja Teile der amerikanischen SF (speziell Asimov) nicht mehr ist, als Histoerchen mit SF-Requisiten (denke z.B. an die Foundation-Triologie))
Ausserdem muss es heissen: nett erdacht, platt gemacht (*g*)

 

Hi Proxi!

Ich bin mir, was die Bewertung des Textes betrifft, nicht ganz sicher. Du beschreibst zwar sehr schön die Debattierkultur der Hasen-Aliens, und das mit den sprechenden Wänden ist eine ganz passable Idee. Ebenso finde ich das Thema der Debatte interessant: Wie weit wäre eine intelligente Zivilisation bereit zu gehen, um mit ihresgleichen kommunizieren zu können? Wer deine Story "Der dritte Schatten" kennt, der kann die Hoppelhäschen verstehen. ;)

Andererseits ist die Umsetzung teilweise ein wenig holprig und erheblich verbesserungswürdig.
Ganz schrecklich finde ich, dass du die Hintergrundgeschichte von den Wänden herunterbeten lässt, obwohl es ja niemanden gibt, dem sie sie erzählen könnten, der noch nicht im Bilde ist.
Und bevor du Sachen sagst wie: "Hast du das nicht gecheckt, da steht 'wie zur eigenen Beruhigung'", lass dir gesagt sein, dass niemand, der etwas nur zu sich selber sagt, so eine strukturierte Erzählung daraus machen würde. Auch nicht, wenn er ein halbvernünftiger Schaltkreis ist.
Wenn du sowieso auf "Tell" stehst, kannst du das auch durch den auktorialen Erzähler rüberbringen.

Außerdem:

schlagen wir die beschleunigte Bahnkorrektur unseres Systems durch Beschuss mit anfallendem Wohlstandsmüll vor.
Dessen jährliches Aufkommen beträgt heute bereits ein rundes hundertzwanzigstel der Sonnenmasse

Ah, ja. Nur mal für die Doofen: Was bitte soll mit dem Wohlstandsmüll beschossen werden? Das System? Also das ganze Sonnensystem? Merkwürdig, die Hoppelhäschen leben doch drin. Die Sonne? Ergibt keinen Sinn.
Und wenn der Müll einen signifikanten Teil der Sonnenmasse ausmacht, müsste er schon ein Vielfaches der eigenen Planetenmasse erreicht haben - pro Jahr, versteht sich. So viele Rohstoffe kann wohl kaum eine Zivilisation umformen, auch nicht, wenn sie sich im ganzen Sonnensystem ausgebreitet hat.

Was die Pointe am Ende soll, bleibt auch völlig im Unklaren. Wieso wollen die Computerschaltkreise, dass die Löffel sich aus der Galaxis verdrücken?
Und dass ihr Ziel sich außerhalb der Galaxis befindet, macht das mit den "Ein Dutzend Generationen" unplausibel, denn Galaxien sind normalerweise weiter voneinander entfernt. Ganz davon abgesehen, dass ein Sonnensystem für eine Galaxieumrundung etliche Millionen Jahre braucht und mit Sicherheit auch nicht auf eine Geschwindigkeit beschleunigen kann, die es schneller macht als das Licht.

Klar, dass du offenbar eine Zivilisation mit gigantonomischen Maßstäben zeichnen wolltest, aber du kennzeichnest die kleinen Häschen in keinster Weise so.

Details:

Die mathematischen Modelle zeigen Lösungen, nach denen unsere Sonne

wahrscheinlich zum Scheitern des Projektes“, säuselten sie.

Solcherart um einen Wortbeitrag nachsuchend, sprang er in sich verengenden Kreisen

Als wir endlich die technologischen Voraussetzungen geschaffen hatten, den Raum

Einsam war es um uns, kalt und tot grinste uns das All an, wie gemein.

Das ist wirklich albern und passt nicht. Streichen.

fiel unsere Zivilisation in geistige Starre, unfähig, dem Entsetzen

Die Höflichkeit gebot es, auch eine auf Platinen

Tort Tappellipp, der nur fadenscheinig kurz mit den Löffeln gerasselt hatte, sprang schon wieder um die Mulde herum.

Dass er sich dort mit Borte Bastlipp im Sprung kreuzte, war ein unerhörtes Vorkommnis.

Die Sitte forderte, dass sie im Sprunge ihre Anliegen äußerten, bis die Versammlung

Borte Bastlipp, der Ältere der Beiden, schonte seine Kräfte,

machte mehrere Kompromissvorschläge (Zeitlicher Aufschub, mehrere, sich aufhebende schwarze Löcher, virtuelle Schwarzlöchelein, Antinichtlöcher, Pseudoschwarzloch aus dunkler Materie), und als ihm die Sprunggelenke zu schmerzen begannen, rief er die nunmehr grünen Wände zur Hilfe.

Ganz nebenbei: Starke Aufzählung. :thumbsup:
Das r muss trotzdem weg. Man ruft jemanden zu und nicht zur Hilfe.

Schließlich war es ihnen aus Gründen der Statik streng untersagt, springend ums Wort zu ersuchen.

Verwehrt würde hier besser passen.

und wird nach meinen Berechnungen

Außerdem: Ich dachte, die Wände wären im Plural?

Ciao, Megabjörnie

 

Wenn ich Space Opera lese, dann will ich Pathos, epische Breite und Länge, keine niedlichen kleinen Mümmelmänner. Und vom Inhalt her hat Proxi verständlicherweise tatsächlich das Thema falsch verstanden. Ich musste auch erstmal bei den Mods nachfragen, ob es sich um die verschwindende Sonne handeln soll. Aber das Genre Space Opera war klar vorgegeben. Und dafür war es zu wissenschaftlich, zu Dialogig und zu wenig actionbetont.
Bleibt eine nette Schmunzelgeschichte.

 

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