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Im Geschäftsgang

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17.08.2016
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Im Geschäftsgang

Die Kaffeemaschine röchelte ihm aus dem Halbdunkel entgegen. Regentropfen schlugen gegen das Fenster und rannen in gezackten Bahnen die Scheibe hinab. Davor die Sammlung von kleinen Kakteen, ordentlich aufgereiht. Der Schreibtisch wurde in seinem Zentrum durch eine altmodische Gelenklampe erhellt. Orange, mit schwarzem Knopf oben auf dem Metallschirm, dessen Klicken beim Ein- und Ausschalten Anton Grubers Tag Struktur gab. Morgens um sieben an, nachmittags um vier wieder aus. Davor und danach das Quietschen der Gelenke. Das leise Surren, wenn sich die Federn spannten und schließlich mit einem Seufzer wieder in ihre Ausgangsposition zurückkehrten.
Dazwischen erledigte er seine Arbeit, seit fast vierzig Jahren. Hatte es bis zum stellvertretenden Referatsleiter gebracht. Und wenn Lehmann endlich in Rente ging, würde er der inneren und durch nichts zu ändernden Logik der Behörde entsprechend sein Nachfolger werden. Dann hätte er noch sechs Jahre vor sich an der Spitze des Referats, in dem er als junger Mann seine Ausbildung begonnen hatte. Nur noch zwei Jahre, dann wäre er der Mann an der Spitze von Referat 13. Innerer Dienst, die Abteilung, die alles am Laufen hielt. Sozusagen der Herzmuskel der Behörde.
Gruber gönnte sich einen Moment eitler Zufriedenheit. Es sollte ja Menschen geben, die einen Reiz darin sahen, sich mit anderen Verrückten in das Haifischbecken unsicherer Arbeitsverhältnisse zu werfen, nur um sich oder dem Nachbarn oder wem auch immer zu beweisen, wie toll sie waren, oder, noch schlimmer, um sich regelmäßig „neu zu erfinden“. Was war das alles denn gegen die beruhigende Vorhersagbarkeit der beruflichen Entwicklung an einer Behörde wie dieser? Ein schnurgerades Gleis, die Lokomotive unter Halbdampf. Seit 19 Jahren ein Einzelbüro mit Kaffeemaschine und wechselnden Kakteen auf dem Fensterbrett. Wer bitte schön konnte etwas anderes wollen? Gruber schüttelte lächelnd den Kopf, dann ließ er die Fingergelenke knacken und machte sich an sein Tagwerk.
Nachdem er sich einen Überblick über die E-Mails in seinem Postfach verschafft hatte – widerwillig wie eigentlich jeden Tag seitdem dieses sinnlose elektronische Nachrichten Hin- und Herschicken auch hier Einzug gehalten hatte (ja, er gab es gern zu, er war ein Mann des Papiers: Vermerke, Aktennotizen, handschriftliche Korrespondenz) –, wollte er sich gerade den Stapel grüner Aktenmappen auf der rechten Seite des Schreibtisches vornehmen, da bemerkte er eine ungewohnte Unruhe auf dem Gang vor seinem Büro. Ein Tuscheln und Raunen, schnelle Schritte, verdächtiges Flüstern, er meinte sogar, die geschwätzige Frau Grunert erschrocken aufschreien zu hören. Was war da los?
Plötzlich steckte der große, immer zu laute Frey seinen Kopf zur Tür hinein und sah Gruber erstaunt an. „Sie hier?“
Gruber lächelte leicht herablassend. „Wo sollte ich denn sonst sein, Herr Frey? Und überhaupt, was ist denn da draußen...“
„Haben Sie es etwa noch nicht gehört?“, unterbrach ihn Frey und trommelte nervös mit den Fingern auf dem Türrahmen.
„Gehört? Was denn?“
„Der Lehmann hatte einen Autounfall.“
„Mein Gott, hoffentlich nichts Schlimmes“, erwiderte Gruber, dachte das Gegenteil und hoffte dabei, anteilnehmend genug zu klingen.
„Äh, doch. Er ist tot.“
„Oh, das ist ja ... also nein, das ist ja...“
„Schrecklich?“
„In der Tat.“ Gruber nickte ein paar Mal. „Man sollte, also wie wird es denn jetzt ...?“
„Um zehn ist Referatssitzung. Die Leitung wird ein paar Worte sprechen.“
„Das ist sehr gut. Denn es muss ja auch weitergehen, nicht wahr?“
Dietmar Frey warf ihm einen befremdlichen Blick zu, dann windete er seinen langen Körper aus der Tür und stapfte davon.
Gruber lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Er war zwar von zwei Jahren ausgegangen, fühlte sich aber durchaus bereit, das Erbe von Lehmann bereits heute anzutreten, oder auch in einer Woche – wegen der Pietät. Sollte er vielleicht eine kleine Ansprache vorbereiten? Nein, er würde sich lieber überrascht geben, wenn Dr. Manfred Stauffen ihn heute als neuen Referatsleiter ernennen würde. Zunächst sicher kommissarisch. Aber alles andere waren ja letztendlich nur Formalitäten. Spätestens in einem Monat würde er mit allen Befugnissen ausgestattet sein. Kurz verweilte er bei diesem Gedanken, dann gab er sich einen Ruck. Er hatte schließlich zu arbeiten. Die grünen Mappen. Von rechts nehmen, durcharbeiten und dann auf den linken, stetig größer werdenden Stapel legen. Herrlich!

Der große Versammlungsraum – Meetingraum, wie er jetzt hieß – war schon halbvoll. Alle Referatsleiter und deren Stellvertreter, Müller von der IT, der dicke Gerber vom Personalrat waren da. Ein paar der Vorzimmerdamen (die man seit kurzem als Teamassistentinnen bezeichnete) waren auch gekommen. Warum das denn, bitteschön? Die hätte Gruber jedenfalls nicht eingeladen, da sprach die Hierarchie dann doch klar dagegen. Nun gut, hier würde sich bald sowieso einiges ändern. Bescheiden setzte sich Gruber in die letzte Reihe und versuchte, eine dem Anlass entsprechende Miene aufzusetzen.
Dr. Stauffen betrat den Raum, baute sich vor der versammelten Mannschaft auf, nickte bedächtig. Dann informierte er darüber, was sich unter den Anwesenden bereits herumgesprochen hatte, selbst Gruber wusste ja schon Bescheid. LKW von links, Vorfahrt übersehen, verstarb noch am Unfallort. Alle sollten Herrn Lehmann als korrekten, arbeitsamen, bei den ihm unterstellten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen beliebten, der Behörde und dem übergeordneten Ministerium stets loyal dienendem Referatsleiter in Erinnerung behalten. Und so weiter. Gruber saß mit im Schoß gefalteten Händen auf seinem Stuhl und nickte an den geeigneten Stellen. Als der Behördenleiter sich dann endlich bis zu dem eigentlich interessanten Punkt vorgearbeitet hatte, nämlich Lehmanns Nachfolge, senkte Gruber demütig den Blick.
„Auch wenn das jetzt eigentlich nicht der richtige Augenblick ist für Personalthemen, ist es andererseits natürlich von großer Wichtigkeit, für Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Referat 13, und für das gesamte Haus, die Nachfolge unseres überaus geschätzten Kollegen Gerd Lehmann so schnell und reibungslos wie möglich einzuleiten.“ Er bedachte Gruber mit einem jovialen Lächeln. „Und wer, wenn nicht Herr Gruber, wäre wohl dafür der beste, ja der logische Kandidat?“
Anton Gruber spürte die auf ihn gerichteten Blicke. Langsam hob er den Kopf, machte eine beschwichtigende Geste mit beiden Händen und nickte dann wieder. Dieses Mal versuchte er, einen Hauch Ehrfurcht in die Geste zu legen. Natürlich war er die logische Wahl, das brauchte doch wohl nicht betont zu werden. In solchen Momenten zeigte sich die akademische Arroganz des verehrten Herrn Dr. Stauffen immer besonders, fand Gruber. Hielt sich für was Besseres, nur weil er studiert hatte.
Kurzer, verhaltener Applaus, dann löste sich die Versammlung wieder auf. Gruber erhob sich und ging nach vorne zu Stauffen, bei dem noch Thomas Gerber stand und leise mit ihm sprach. Was hatten die beiden denn zu tuscheln?
„Herr Gruber, das war für uns alle ein Schock“, sagte Stauffen und schüttelte ihm kurz die Hand.
„Einfach schrecklich“, bestätigte Gruber. „Wir sollten seiner Frau, also das Haus sollte seiner Frau ... vielleicht Blumen? Das muss ja vor allem für sie, ähm ...“
Stauffen und Gerber wechselten einen irritierten Blick. „Frau Lehmann ist vor fünf Jahren gestorben. Die gesamte Abteilung hat doch damals gesammelt“, sagte Manfred Stauffen.
„Ach ja, richtig“, sagte Gruber, auch wenn er sich so spontan nicht daran erinnern konnte. Herrgott, man konnte ja auch nicht alles im Kopf haben, die Arbeit ging schließlich vor.
„Nun denn, dann belassen wir es zunächst bei der kommissarischen Leitung, in Ordnung?“ Stauffen war schon halb an Gruber vorbei. „Alles andere dann so bald wie möglich.“
„Natürlich, Herr Dr. Stauffen. Vielen Dank für das Vertrauen. Ich werde mich würdig erweisen.“
„Sicher.“ Damit war Stauffen weg. Der dicke Gerber nickte ihm kurz zu und verließ dann ohne ein weiteres Wort den Raum. Sollte er doch, den hatte Gruber eh gefressen. Der kannte doch nichts anderes als Blockade, keinen Sinn für personalspezifische Notwendigkeiten. Aber das wird sich auch schon noch ändern. Wenn er erst mal vollständig inthronisierter Referatsleiter war, dann würde er entsprechend darauf hin arbeiten, den Personalrat in seine Schranken zu verweisen.

Anton Gruber hatte sich gestattet, seine Arbeit zu unterbrechen, um eine Liste mit zehn Punkten zu erstellen, die er als Referatsleiter prioritär umsetzen würde. Gerade nickte er zufrieden lächelnd, als es zaghaft an der Tür klopfte.
„Herein.“
Die Sekretärin des verstorbenen Referatsleiters Lehmann betrat mit unsicheren Schritten den Raum und blieb einen Meter vor seinem Schreibtisch stehen, die Hände vor dem molligen Unterleib ineinander verschränkt. Gruber schenkte ihr ein kurzes, professionelles Lächeln. Er hatte sich schon gefragt, wann diese schwatzhafte Person aufkreuzen würde. Bestimmt kam jetzt die herzzerreißende Geschichte der alleinerziehenden Mutter.
„Sie wünschen, Frau Kilian?“
„Ja also, ich hoffe, ich störe Sie nicht?“
„Nun ja, ich habe natürlich sehr viel zu tun. Aber wenn Sie sich kurz fassen...“
„Ja klar. Schlimm das mit Herrn Lehmann. Er war ja wirklich ein toller Vorgesetzter. Einfach schrecklich.“
„Wir sind alle erschüttert“, sagte Gruber. Er trommelte leise mit den Fingerspitzen auf die Holzplatte.
„So unerwartet das Ganze. Da Sie ja jetzt der neue Referatsleiter sind...“
„Kommissarisch“, korrigierte Gruber mit erhobenem Zeigefinger.
„Ähm, aber Sie sind doch jetzt mein Vorgesetzter, oder?“
Gruber bedachte sie mit einem blasierten Blick. Diese Frau stahl ihm kostbare Zeit. Seine Liste, die Postmappen, tausend Dinge zu erledigen. „Selbstverständlich.“
„Gut, also der Herr Lehmann, der hat mich ja Donnerstag immer schon um eins gehen lassen. Mein Sohn hat da früher Schulschluss und ich würde ihn ungern allein...“
„Frau Kilian“, sagte Gruber mit strenger Stimme. „Mir ist bewusst, dass Herr Lehmann, bei allen Qualitäten, die er zweifellos hatte, gewisse Dinge, nun ja, etwas hat schleifen lassen. Dazu gehörte meiner Meinung nach auch die Personalführung.“ Er ließ seine Worte kurz wirken. Frau Kilian sah ihn fragend an. „Ich bin allerdings davon überzeugt, dass dieses Referat nur zu alter Stärke zurückfinden kann, wenn wir hier alle an einem Strang ziehen und vor allem, wenn jeder hier alles gibt. Daraus erwächst ein Höchstmaß an Effizienz, was letztendlich für das gesamte Haus überlebenswichtig ist. Frau Kilian, dies ist der Innere Dienst. Denken Sie einmal über diese beiden Worte nach, über deren Bedeutung. Ich vergleiche unsere Arbeit immer mit dem, was im menschlichen Körper das Herz vollbringt. Ohne uns wären die anderen Referate quasi arbeitsunfähig, ach was: tot. Und damit auch das Ministerium. Liebe Frau Kilian, sind Sie sich dessen bewusst?“
„Äh, ich denke schon.“
„Sehr schön, dann verstehen wir uns ja.“
Frau Kilian trat nervös von einem Fuß auf den anderen. „Und was bedeutet das jetzt, ich meine wegen meinem Sohn?“
Gruber war kurz versucht, sie über die Verwendung des falschen grammatikalischen Falles in Kenntnis zu setzen, ließ es dann aber bleiben.
„Ich dachte eigentlich, ich hätte mich klar genug ausgedrückt. Dann soll er eben in den Hort gehen oder zu Freunden. Was weiß ich. Es ist auch nicht meine Aufgabe, hier eine Lösung für ihr Problem zu finden.“
„Aber Herr Lehmann...“, versuchte sie es noch einmal.
„Wie gesagt, das Referat wird sich neu aufstellen müssen. Ich würde Ihnen empfehlen, diese Tatsache zu akzeptieren.“
„Und wenn nicht?“ Sah Gruber da ein kämpferisches Blitzen in ihren Augen?
„Dann, Frau Kilian“, er beugte sich ein paar Zentimeter nach vorne, „wird es hier schwer werden für Sie.“
„Oder ich gehe zum Personalrat.“ Ein Schmollen um ihre dünnen Lippen.
Gruber zuckte mit den Schultern. „Dieser Weg steht Ihnen selbstverständlich offen. Ich möchte aber zu bedenken geben, dass ich eines noch mehr verabscheue als Faulheit. Und das ist fehlende Loyalität. Eine Umsetzung wäre dann das Mittel der Wahl, denke ich. Einen schönen Tag noch Frau Kilian.“

Kakteen hatten eine beruhigende Wirkung auf Anton Gruber. Dieses Beharrliche, Genügsame. Schroff waren sie, das schon. Sie gaben ihre Geheimnisse nur zögerlich preis. Aber hatte man ihre Schönheit erst einmal verstanden, dann konnte man sich ihr nicht entziehen. Wenn er mit der Gießkanne die Reihe entlangging und hier und dort eine kleine Menge Wasser auf die spezielle Kaktuserde gab, dann geschah es nicht selten, dass er sich mit den stacheligen Gewächsen verglich. Ja, er und seine Kakteen hatten in der Tat einiges gemeinsam. Und nicht zuletzt wurden sie beide unterschätzt.
Die Sitzung der Referatsleiter heute hatte es mal wieder gezeigt. Niemand, der überhebliche und dabei doch so blinde Dr. Stauffen eingeschlossen, hatte die Tragweite, ach was, die Brillanz seines Zehn-Punkte-Plans erkannt. Abgewimmelt hatten sie ihn. Dr. Stauffen hatte dabei eine Handbewegung gemacht, als würde er eine lästige Fliege verscheuchen wollen. Diese Trottel. Wollten oder konnten sie nicht verstehen, in welch prekärem Zustand sich sein Referat, mehr noch, die gesamte Behörde befand? Wie wollten sie denn wieder in die Spur kommen, wie ihrem Auftrag gerecht werden, wie das Haus zu alter Größe führen? Bestimmt nicht, indem solche Nichtigkeiten wie die Belange der übergewichtigen Frau Kilian größeren Stellenwert bekamen als seine genialen Überlegungen. Entschuldigen solle er sich bei ihr. Unfassbar.
Gruber stellte die Gießkanne ab und setzte sich an seinen Schreibtisch, versuchte Halt in den grünen Postmappen zu finden. Die klare Struktur des Geschäftsgangs, von 1 über 13 und 15 zurück nach 1, die rechte Seite gespickt mit den ihm so vertrauten Paraphen, hatte es noch immer geschafft, dass er sich beruhigte, sich wieder auf das Wesentliche konzentrieren konnte. Nichts anderes auf der Welt hatte diese Wirkung auf ihn. Und schon allein deswegen, so dachte er fast grimmig, hatte er die Referatsleitung verdient. Er war eins mit der Behörde, untrennbar mit ihr verwachsen.

Die Tür öffnete sich, ohne dass zuvor angeklopft wurde. Konrad Reimann, stellvertretender Leiter von Referat 11 (Personal), jung, eloquent, stets in teuer aussehende Anzüge gekleidet, mit perfekt sitzendem Krawattenknoten und ebenso perfekt sitzender Gelfrisur, immer ein Lächeln auf den Lippen, natürlich bei allen beliebt, stand in der Tür. Gruber hasste diesen Typen.
»Herr Reimann, ich habe das Klopfen gar nicht gehört.«
»Hallo Herr Gruber, wollte mal bei Ihnen reinschnuppern. Wie Sie sich so schlagen. Ist ja jetzt sicher ein Haufen an Mehrarbeit hier, was?«
»Danke, ich komme klar. Arbeit war mir noch nie eine Belastung. Im Gegenteil.« Gruber versuchte seinen Ärger über das unangekündigte Eintreten in sein Büro herunterzuschlucken. Es gelang ihm nur teilweise.
Konrad Reimann lachte affektiert. »Sie sind mir einer.«
»Was führt Sie hier herunter in den dritten, Herr Reimann?«
»Ach, nichts Bestimmtes.« Reimann blickte sich im Raum um, wandelte mit langsamen Schritten zum Fenster, dann zum Regal mit der Kaffeemaschine. Schaute hierhin und dorthin, ganz so, als wäre Gruber gar nicht anwesend. Was für eine Unverschämtheit.
»Suchen Sie etwas?«, fragte Gruber gereizt.
»Nein, nein. Das heißt, vielleicht. Wie ist denn der WLAN-Empfang hier?«
»Der WLAN-Empfang?«
»Genau.« Reimann strahlte ihn an. Breitbeinig stand er im Raum, die Hände in die Hüften gestemmt. Gruber hasste ihn mit jeder Sekunde mehr.
»Keine Ahnung«, sagte er.
»Verstehe. Na, macht ja nichts.« Reimann schob nachdenklich die Unterlippe vor, rieb sich das Kinn, dann sah er Gruber wieder an. »Haben Sie Lust auf einen Kaffee? Wir könnten ein wenig plaudern über die Erfahrungen als Referatsleiter.«
Gruber sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Soweit ich weiß, sind Sie stellvertretender Referatsleiter. Und ich bin zur kommissarischen Leitung ernannt worden.« Nach einem kurzen Augenblick schob er ein »Noch« nach. »Außerdem, Herr Reimann, habe ich wirklich viel zu tun.« Gruber machte eine ausladende Geste von links nach rechts über seinen Schreibtisch.
»Sicher, verstehe. Dann vielleicht ein anderes Mal?«
»Vielleicht«, erwiderte Gruber mit wenig Überzeugung.
»Na dann.« In der Tür drehte sich Konrad Reimann noch einmal um. »Wirklich ein schönes Büro. Ich meine, grundsätzlich.« Er zwinkerte Gruber zu und verschwand.
Was für ein unangenehmer Zeitgenosse, dachte Gruber und vertiefte sich wieder in seine Arbeit.

Das Telefon klingelte. Die Nummer auf dem Display kündigte das Vorzimmer der Leitung an. Das wurde aber auch Zeit, dachte Gruber und riss den Hörer nach dem zweiten Klingeln an sein Ohr.
„Gruber, Innerer Dienst.“
„Guten Tag, Herr Gruber. Kranold-Jungmann aus dem Leitungsbüro hier.“ Eine dieser Doppelnamen-Frauen aus der Stabsstelle. Gruber hatte kein Bild von Frau Kranold-Jungmann vor sich, stellte sie sich aber als missmutige, dünne Frau mit Kurzhaarschnitt vor. „Herr Dr. Stauffen möchte Sie gern in seinem Büro sehen. Geht es in einer Stunde?“
„Natürlich. Ich kann mir Zeit freischaufeln“, sagte Gruber.
„Vielen Dank. Dann trage ich den Termin so ein.“
Anton Gruber legte auf. Dieses Treffen konnte nur eines bedeuten: Die Leitung würde ihn heute zum Referatsleiter benennen. Und das nach nur acht Tagen. Ziemlich schnell, aber gut, es lag ja auch eigentlich alles auf der Hand. Warum da noch länger zögern und die Arbeitsfähigkeit des Referats weiter unnötig gefährden?
Gruber zog seine Liste aus der Schublade, die er für sich Wegweiser in die Zukunft getauft hatte und machte sich daran, die konkreten Schritte für die Umsetzung der kurzfristigen Ziele niederzuschreiben. Fünfundvierzig Minuten später streckte er sich, zog sein braunes Sakko über und machte sich auf den Weg in den siebten Stock.
„Er erwartet Sie“, begrüßte ihn Frau Kranold-Jungmann im Vorzimmer von Dr. Stauffen. Entgegen seiner Vorstellung war sie eine überaus gutaussehende junge Dame mit langen rotbraunen Haaren. Dennoch, diese unsäglichen Doppelnamen waren Gruber ein Graus. Seine Frau hatte selbstverständlich ihren Mädchennamen aufgegeben. Was war auch schon dabei?
„Danke.“
Gruber klopfte kurz an und trat dann in das Büro des Behördenleiters. Auf der Schwelle blieb er verdutzt stehen. In einem der mit dunkelblauem Stoff bezogenen Sessel der kleinen Sitzgruppe in einer Ecke des großzügigen Raums saß mit übereinandergeschlagenen Beinen und breitem Lächeln Konrad Reimann. Auch Dr. Stauffen schien bester Laune zu sein, er saß locker auf der Kante seines Schreibtischs und grinste, als hätte er gerade einen nicht jugendfreien Witz erzählt.
„Ach, der Herr Gruber. Unser bester Mann in Referat 13.“ Stauffen winkte ihn herein und lud ihn mit einer Geste ein, neben Herrn Reimann Platz zu nehmen.
„Herr Dr. Stauffen, vielen Dank für den Termin“, sagte Gruber und versuchte, ein wenig Pathos in seine Stimme zu legen. „Ich hatte ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass es so schnell geht.“
Stauffen rieb die Handflächen aneinander. „Stimmt schon. Aber wir wollen ja, dass es weitergeht, nicht wahr? Das wäre sicher auch im Sinne unseres verehrten Kollegen Gerd Lehmann.“
„Natürlich.“
„Sehen Sie, ich war mir sicher, dass Sie dafür Verständnis haben würden. Und warum? Weil niemandem die volle Funktionsfähigkeit des Referats so am Herzen liegt wie Ihnen. Das weiß doch hier jeder.“
„Nun ja...“ Gruber senkte bescheiden den Blick. „Es ist mir natürlich wichtig, dass...“
„Und deshalb“, unterbrach in Dr. Stauffen, „haben wir, also habe ich, beschlossen, die Leitung des Referats 13 mit Wirkung ab morgen in die Hände von Herrn Reimann zu legen. Sie bleiben selbstverständlich stellvertretender Referatsleiter.“
Gruber sah von Dr. Stauffen (erwartungsvolles Lächeln) zu Reimann (angedeutetes Schmunzeln) und wieder zurück zum Behördenleiter. „Wie bitte?“
„Ich kann verstehen, wenn das jetzt etwas, nun ja, unerwartet kommt.“ Stauffens Lächeln bekam eine leicht gequälte Note. Ohne Frage gespielt, da war sich Gruber sicher. „Aber ich bin mir sicher, dass Sie und Herr Reimann hervorragend zusammenarbeiten werden. Niemand kennt das Referat so wie Sie. Ich sehe Sie als eine Art ... ja, Techniker. Ein Techniker im Maschinenraum eines Ozeandampfers. Absolut wichtige Funktion, da stimmen Sie mir sicher zu.“
„Techniker? Und er ist dann also der Kapitän?“
Reimann erhob sich energisch, baute sich vor Gruber auf und hielt ihm die makellos gepflegte Hand hin.
„Herr Gruber, ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit. Ich bin mir sicher, dass ich von Ihrer langjährigen Erfahrung nur profitieren kann.“
Gruber ergriff zögerlich die ihm angebotene Hand, immer noch im Sessel sitzend, und bemühte sich um ein Lächeln. „Ja dann“, war alles, was er sagen konnte.
Dr. Stauffen klatschte in die Hände. „Damit wäre das ja geklärt. Alles weitere überlassen ich dann Ihnen beiden. Herr Reimann, wenn Sie bitte noch bleiben würden.“
Gruber erhob sich schwerfällig, ihm war leicht schwindlig. Mit langsamen Schritten verließ er das Leitungsbüro.

Die Kaffeemaschine röchelte. Vor dem Fenster standen die Kakteen, ordentlich in einer Reihe. Sein neues Büro war deutlich kleiner und besaß nur ein Fenster, so hatte Gruber mit einem Teil seiner Kakteensammlung auf den grauen Aktenschrank ausweichen müssen. Er zog sich den Schirm der Schreibtischlampe heran, hörte das vertraute Quietschen. In der ersten Postmappe hatte Reimann mit offensichtlich hastig hingekritzelten Buchstaben Grubers Bearbeiternummer und den Auftrag »Bitte um Bearbeitung« vermerkt. Den Inhalt hatte er wahrscheinlich bestenfalls überflogen. Seit Reimann vor drei Wochen die Referatsleitung übernommen hatte, landeten fast alle Vorgänge mit derselben Auszeichnung auf Grubers Tisch. Er bearbeitete den Vorgang gewissenhaft – natürlich tat er das –, zeichnete und legte die Akte links neben sich auf den Ausgangsstapel.
Seine Zeit würde kommen, dachte er. Nicht zum ersten Mal seit dem Gespräch mit Dr. Stauffen und Konrad Reimann. Typen wie der Reimann machten unweigerlich irgendwann Fehler. Meist aus Ungeduld. Wollten Dinge auf dem kleinen Dienstweg regeln. Und dann würde er bereitstehen. Dann wäre die innere Logik der Behörde wiederhergestellt.
Gruber schloss den nächsten Vorgang ab und übergab ihn dem Geschäftsgang.

 

Hallo Fraser,

eine Geschichte aus dem Büro, aus dem inneren einer Behörde, wie schön! Als im Büro arbeitender Mensch kann ich mich recht gut in die Szenerie einfinden, obwohl ich Behörde, also öffentlicher Dienst, eigentlich gar nicht kenne.

Aber Büro ist Büro (übrigens eine recht nette alte Fernsehserie unter diesem Titel!) und somit kann ich mich dort gut hineinversetzen.

Ganz generell gefällt mir deine Geschichte gut, obwohl mir recht schnell klar war, dass sie genau so ausgehen würde, ich war nur darauf gespannt, wie du diese (vorgegebene) Lösung hinbekommst. Das war auch geschmeidig gemacht mit dem Konkurrenten, der plötzlich auf dem Sofa bei Dr. Stauffen gesessen hat.

Weniger hat mir gefallen, dass du Gruber doch sehr einseitig, übertrieben charakterisiert hast. Ein bißchen weniger wäre mehr gewesen. Übertrieben auch diesen "Geschäftsgang", die Akten vom Stapel rechts auf den Stapel links abzuarbeiten. Ich fürchte, dass dies nicht jedem gefallen wird. Ich hatte selbst mal eine recht ähnliche Geschichte geschrieben und ähnlich formuliert und mir wurde damals recht deutlich gesagt, dass das langweilig sei.

Insgesamt: Ich würde mich freuen, Ähnliches aus dem Leben im Büro wieder von dir lesen zu können.

vg, Freegrazer

 

Hallo @Fraser

eine interessante Geschichte, flüssig geschrieben, keine sprachlichen Mängel. Ich kann mir alles lebhaft vorstellen. Du beschreibst den Ablauf in der Inneren Behörde, die Personen sehr gut. Es entsteht Kopfkino.

Natürlich ist Dein Prota ein sehr unsympathischer Zeitgenosse. Dennoch habe ich nicht aufgehört zu lesen. Und natürlich bin ich froh, dass er die Referatsleitung auf Dauer nicht bekommen hat. Eins muss man ihm lassen, er ist hartnäckig. Trotz der Niederlage glaubt er weiterhin, dass er eines Tages ans Ziel kommt. Hut ab.

Danke für die kurzweilige Geschichte.

Ich wünsche Dir einen angenehmen Sonntag.

Liebe Grüße,
Silvita

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola @Fraser,

ich stürze mich auf Deinen Text:

Davor die Sammlung von kleinen Kakteen, ordentlich aufgereiht.
Jeder outet sich so gut er kann.

… dessen Klicken beim Ein- und Ausschalten Anton Grubers Tag Struktur gab.
Super gemacht.

(Die ersten zwanzig Zeilen sind ein mächtiger Block. Da muss ich immer ein Lineal holen, um nicht mit den Zeilen durcheinander zu kommen ).

Hatte es bis zum stellvertretenden Referatsleiter gebracht.
Echter Karrierist.

dann windete er seinen langen Körper aus der Tür
… und nickte an den geeigneten Stellen.
Hehe.

„Frau Lehmann ist vor fünf Jahren gestorben.
Peinlich :dozey: .

Dein Text liest sich echt gut. Die anfänglich etwas akribische Beschreibung von Prota, Büro und Arbeitsabläufen passt mMn sehr gut zum Thema – der Leser muss die Muße haben, sich darauf einzulassen.

… das wird sich auch schon noch ändern.
Dazu gehörte meiner ? nach auch die Personalführung.“

Und dann kommt Grubers Standpauke für Frau Kilian – erschreckend authentisch. Verblüffender Originalton, sehr überzeugend. (Solltest Du tatsächlich in diesem Milieu zu tun haben, würde ich das nicht so lobend herausheben:cool:.

Und dann – das muss man sich einmal vorstellen – erhebt sich eine Frau gegen den kommissarischen Referatsleiter Herrn Gruber! Unglaublich. Zeiten sind das!

Wir könnte ein wenig plaudern …
Eine dieser Doppelnamen-Frauen …
:lol:

Ich kann mir Zeit freischaufeln“
Klasse.
die konkreten Schritte für die Umsetzung der kurzfristigen Ziele
Ein Wahnsinns-Jargon. Böse Sache, aber amüsant.

Kurz vor Schluss allerdings bekomme ich so eine Art Büro-Überdosis. Muss das wirklich mit rein:

In der ersten Postmappe hatte Reimann mit offensichtlich hastig hingekritzelten Buchstaben Grubers Bearbeiternummer und den Auftrag »Bitte um Bearbeitung« vermerkt. Den Inhalt hatte er wahrscheinlich bestenfalls überflogen. Seit Reimann vor drei Wochen die Referatsleitung übernommen hatte, landeten fast alle Vorgänge mit derselben Auszeichnung auf Grubers Tisch. Er bearbeitete den Vorgang gewissenhaft – natürlich tat er das –, zeichnete und legte die Akte links neben sich auf den Ausgangsstapel.
?

Lieber Fraser, da hast Du ein gutes Stück geschrieben. Humor ist – wie wir alle wissen – sauschwer, doch in dieser feinen Dosierung gut verträglich. Und dass jemand die technische Entwicklung verpennt wg Kakteengießens, passiert sicherlich öfter, als man denkt.

Schöne Grüße!
José

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Fraser,

von mir nur ein kurzes Feedback.

Deine Geschichte liest sich sehr rund, mir sind keine Fehler aufgefallen. Ich finde, Du hast dass Innere einer Behörde sehr gut dargestellt (hatte auch mal die Gelegenheit, eine Behörde von innen kennenzulernen). Das trifft schon alles sehr gut und Herr Gruber ist sehr treffend dargestellt.

Mir fehlt allerdings für "Humor" ein wenig der Humor und für eine Satire der Biss. Und wenn es beides nicht sein soll, dann fehlt mir die Entwicklung des Herrn Gruber. Eigentlich kommt der Konflikt bzw. die Hürde für Deinen Protagonisten erst am Ende, nämlich dadurch, dass er gerade nicht die Referatsleitung übernimmt. Hier wäre es doch spannend, wie ein Charakter wie Herr Gruber reagiert. Du löst das, indem Du ihn einfach weitermachen lässt wie gewohnt. Das ist mir ehrlich gesagt ein wenig zu fade.

Letztlich fehlt mir also die Spannung in der Geschichte, denn sie kommt weder durch den Humor noch durch die Bissigkeit einer Satire, aber auch nicht dadurch, dass Du Deinen Charakter diesen Konflikt auf spannende Weise lösen lässt, ihn sich entwickeln lässt.

Also, sehr gut geschriebener Text, aber mit Luft nach oben bei den genannten Punkten.

Gruß
Geschichtenwerker

 

Hi Fraser,

handwerklich finde ich die Geschichte absolut in Ordnung. Der Plot gefällt mir auch.
Habe mich sofort in die Behörde versetzt gefühlt.
Allerdings hatte ich immer ein wenig diese TV-Serie im Hinterkopf.

Die Kaffeemaschine röchelte ihm aus dem Halbdunkel entgegen.
Fängt nicht genauso der Vorspann der Serie "Stromberg" an? (Kakteen kommen da auch vor.)

Hätte der Prota noch ein, zwei groteske Dinge ähnliche Dinge wie Bernd Stromberg getan, wäre es Stromberg.
Das mit dem Nichtwissen der verstorbenen Ehefrau und das Verweigern des früheren Feierabends war ja schon mal ein guter Anfang. :lol:

Herr Fey?
unterbrach ihn Frey
Nennt er ihn absichtlich falsch? Fände ich sogar besser, als wenn es nur ein Vertipper wäre. Hat der "echte" Stromberg ja genau getan. Und keiner hat ihn mehr verbessert, weil es eh nichts genützt hätte. :lol:

Ja, die Kakteen, die Mappen rechts und links, der Gedanke an die richtige Grammatik, die Wichtigkeit der Abteilung – gefällt mir alles prima.

Habe ich gerne gelesen.

Liebe Grüße und ein tolles Jahr 2021,
GoMusic

 

Hallo @Freegrazer ,
Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren.
Ist sicherlich nicht jedermanns Thema, dieser etwas zugespitzt erzählte (wenngleich näher an der Realität als mancher vielleicht glauben mag ;-) Alltag einer deutschen Behörde. Schön, dass du dich grundsätzlich angesprochen gefühlt hast.

Aber Büro ist Büro (übrigens eine recht nette alte Fernsehserie unter diesem Titel!) und somit kann ich mich dort gut hineinversetzen.
Die Serie sagt mir leider nichts. Dann bin ich wohl (endlich mal) noch zu jung?

Ganz generell gefällt mir deine Geschichte gut, obwohl mir recht schnell klar war, dass sie genau so ausgehen würde,
Was ja andererseits auch für die Beschreibung der Szenerie und des Charakters Gruber sprechen könnte. Denn so wie er sich verhält, tja, da musste es wohl darauf hinauslaufen. Aber ja, ich hätte vermutlich auch ein solches Ende erwartet.

Weniger hat mir gefallen, dass du Gruber doch sehr einseitig, übertrieben charakterisiert hast. Ein bißchen weniger wäre mehr gewesen.
Hm, okay. Aber für mich stellt der Gruber diesen Typ absoluter Beamter dar. Sicherlich eine aussterbende Art, auch in der verstaubtesten Behörde. Der lebt halt mit jeder Faser diese hierarchische, ins kleinste Detail strukturierte, durch Arbeitsanweisungen geschmierte Maschinerie. Glaubt daran, Und klammert sich sicher auch an diese Prozesse in einer sich schnell ändernden Welt. Umso mehr. Was ihn im Grunde genommen bemitleidenswert macht. Sicher, ein wenig übertrieben ... aber nur ein wenig.

Insgesamt: Ich würde mich freuen, Ähnliches aus dem Leben im Büro wieder von dir lesen zu können.
Das Ende würde weitere Episoden sicher hergeben. Mal sehen...

Danke nochmals, Freegrazer.

Beste Grüße,
Fraser
---------------

Liebe @Silvita,
Auch bei dir möchte ich mich zunächst fürs Lesen und den Kommentar bedanken.
Danke für die einleitenden, motvierenden Worte!

Natürlich ist Dein Prota ein sehr unsympathischer Zeitgenosse.
Ist er das? Auf den ersten Blick sicherlich. ABer da ist ja immer auch noch eine andere Seite, denke ich. Und wie oben zum Kommentar von Freegrazer geschrieben, sehe ich Gruber eigentlich (oder auch) als Opfer seiner vollkommen überhöhten Ansprüche an sich selbst und an die Umgebung, in der und für die er arbeitet. Er ordnet halt alles, auch und vor allem sich selbst, dem reibungslosen Funktionieren der Arbeitsabläufe, der Arbeitsfähigkeit unter. Natürlich ginge es auch anders, aber er kann es einfach nicht anders. Dafür ist er schon zu tief drin. Und zu lange. Also: unsympathisch, ja. Aber irgendwie kann er einem auch Leid tun, oder?

Und natürlich bin ich froh, dass er die Referatsleitung auf Dauer nicht bekommen hat.
Weil er unsympathisch ist? Vielleicht wäre er aber ja objektiv gesehen (also aus Sicht der Funktionalität) die bessere Wahl gewesen, als der oberflächliche Reimann. Ist halt die Frage...

Trotz der Niederlage glaubt er weiterhin, dass er eines Tages ans Ziel kommt. Hut ab.
Na, das ist doch noch eine kleine Versöhnung mit der Person Gruber ;-)

Danke für die kurzweilige Geschichte.
Sehr gern. Ich freue mich, dass ich dich unterhalten konnte damit.

Nochmals vielen Dank für deinen Eindruck!

Beste Grüße,
Fraser

------------------

Wird fortgesetzt.

 

Lieber @Fraser

Auch bei dir möchte ich mich zunächst fürs Lesen und den Kommentar bedanken.
Danke für die einleitenden, motvierenden Worte!

Gern geschehen.

Ist er das? Auf den ersten Blick sicherlich. ABer da ist ja immer auch noch eine andere Seite, denke ich. Und wie oben zum Kommentar von Freegrazer geschrieben, sehe ich Gruber eigentlich (oder auch) als Opfer seiner vollkommen überhöhten Ansprüche an sich selbst und an die Umgebung, in der und für die er arbeitet. Er ordnet halt alles, auch und vor allem sich selbst, dem reibungslosen Funktionieren der Arbeitsabläufe, der Arbeitsfähigkeit unter. Natürlich ginge es auch anders, aber er kann es einfach nicht anders. Dafür ist er schon zu tief drin. Und zu lange. Also: unsympathisch, ja. Aber irgendwie kann er einem auch Leid tun, oder?

Mmh. Also bei mir kam da jetzt keine "andere" Seite rüber. Klar, er ist fleißig, zuverlässig, ein Arbeitstier. Das macht ihn aber noch nicht sympathisch.
Ganz schrecklich finde ich ihn natürlich auch nicht, sonst hätte ich die Geschichte nicht gelesen :) Er ist kein Massenmörder oder begeht sonstige gemeine Verbrechen, aber er ist missgünstisch, neidisch, unaufmerksam (was die Mitmenschen angeht) und geht nicht nett mit den Kollegen*innen um.
Nee, leid tut er mir gewiss nicht :D

Weil er unsympathisch ist? Vielleicht wäre er aber ja objektiv gesehen (also aus Sicht der Funktionalität) die bessere Wahl gewesen, als der oberflächliche Reimann. Ist halt die Frage...

Ja genau. Weil er unsympatisch und missgünstig ist.
Naja, als Leser interessiert mich die Funktionalität jetzt herzlich wenig :) Mir gehts vielmehr um die Charaktere.
Und der Reimann kam bei mir jetzt nicht oberflächlich rüber.

Na, das ist doch noch eine kleine Versöhnung mit der Person Gruber ;-)

Auf jeden Fall :)

Sehr gern. Ich freue mich, dass ich dich unterhalten konnte damit.

Das hast Du auf. Und ich freue mich, wenn Du Dich freust.

Ganz liebe Grüße und einen schönen Tag,
Silvita

 

Hallo @Fraser, mit viel Vergnügen habe ich deine Geschichte gelesen :). Mir kommen die Szenen sofort vor Augen! Ehrlich gesagt, hatte ich gleich wohl Donald Trump vor Augen ... ;).
Sehr gut geschrieben und unterhaltsam!

Herzliche Grüße,
Schwerhörig

 

Aber Büro ist Büro (übrigens eine recht nette alte Fernsehserie unter diesem Titel!) und somit kann ich mich dort gut hineinversetzen.
Die Serie sagt mir leider nichts. Dann bin ich wohl (endlich mal) noch zu jung?

Ich nochmal.
Diese Serie solltest du dir mal ansehen; gibt es als DVD. Wer jemals im Büro gearbeitet hat, idealerweise natürlich mehr in den 70ern, der hat da etwas zum Schmunzeln und das mit hohem Wiedererkennungswert.

Und zum Lesen: Wer "Business-Geschichten" gerne liest, sollte sich mal ansehen, was Martin Suter alles zu diesem Thema geschrieben hat.

vg, Freegrazer

 

Hallo @Freegrazer,
Schön, dass du noch mal reinschaust.
Wenn ich mich recht erinnere, haben wir den DVD-Spieler neulich in den Keller geräumt aufgrund ausbleibender Nutzung ;-) Aber danke für den Hinweis.

Und zum Lesen: Wer "Business-Geschichten" gerne liest, sollte sich mal ansehen, was Martin Suter alles zu diesem Thema geschrieben hat.
Die älteren Geschichten um Geri Weibel sind in der Tat meist sehr amüsant. Da hatte Suter noch Saft, in letzter Zeit enttäuscht er mich leider zunehmend.

Bis bald,
Fraser

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Hallo @josefelipe,
Tut mir leid, dass ich erst jetzt zum Kommentieren komme. Job und Homeschooling lassen leider gerade nur wenig Muße.
Ich habe mich aber sehr gefreut, dass du vorbeigeschaut und -gelesen hast. Deine schöne Barcelona-Geschichte der (vor?)letzten Challenge ist mir noch in guter Erinnerung, auch wenn ich sehr lange nicht mehr aktiv war hier.

Danke für deine lobenden Bemerkungen und natürlich auch für die kritischen.

(Die ersten zwanzig Zeilen sind ein mächtiger Block. Da muss ich immer ein Lineal holen, um nicht mit den Zeilen durcheinander zu kommen ).
Hm ja, ich habe ein paar Absätze eingefügt, vielleicht ist es so lesbarer und das Lineal kann in der Schublade bleiben.

Dein Text liest sich echt gut. Die anfänglich etwas akribische Beschreibung von Prota, Büro und Arbeitsabläufen passt mMn sehr gut zum Thema – der Leser muss die Muße haben, sich darauf einzulassen.
Ich denke, dass muss der Leser immer, oder? Auch bei kürzeren Texten, oder solchen, die weniger "akribisch" sind. Thematisch ja vor allem. Ich freue mich auf jeden Fall, dass du genug Muße hattest. Und ja, ich denke auch, dass in diesem Setting (Büro, Behörde, Behördenmief...) so ein etwas gemächlicheres Tempo ganz angebracht ist. Ein wenig ist es sicherlich auch die Eitelkeit des Autors, entsprechende Details einbringen zu wollen ;-)

Kurz vor Schluss allerdings bekomme ich so eine Art Büro-Überdosis. Muss das wirklich mit rein:
Mit dieser Überdosis wollte ich abschließend beschreiben, wie sich das Arbeitsverhältnis zwischen Reimann und Gruber entwickelt hat, nämlich letztendlich so, wie Stauffen es bildlich beschrieben hat: Gruber ist der Mann fürs Schuften und Reimann strahlt nach außen. Und selbst das akzeptiert Gruber, zum einen, weil er natürlich ein ihn komplett beherrschendes Arbeitsethos hat (das gibt es bei Beamten wirklich ;-), zum anderen, weil er auf seine Chance lauert.

Lieber Fraser, da hast Du ein gutes Stück geschrieben. Humor ist – wie wir alle wissen – sauschwer, doch in dieser feinen Dosierung gut verträglich.
Vielen Dank. Ich denke, guter Humor (ohne den für meine Geschichte unbedingt in Anspruch nehmen zu wollen) entsteht, wenn der Alltag, wie wir ihn kennen, um eine Nuance angehoben, einen Hauch übertrieben wird. Da braucht es ja oft gar nicht so viel. Wenn es für dich funktioniert hat, dann freut mich das.

Nochmals danke und ich freue mich, wieder eine deiner Geschichten zu lesen (hoffentlich sehr bald!).

Beste Grüße,
Fraser

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Wird fortgesetzt.

 

Hallo @Geschichtenwerker,
Vielen Dank für dein Feedback.
Das mit dem Humor ist ja so eine Sache, da gibt es sicher viele verschiedene Befindlichkeiten, persönliche Definitionen usw., was denn Humor ist, bzw. welche Art Humor funktioniert.

Bei dir hat der Text humormäßig nicht gezündet, das ist ok, auch wenn ich finde, dass er durchaus mit subtil lustigen Stellen gespickt ist. Wie oben geschrieben, ist für mich guter Humor letztendlich nicht viel mehr als eine leichte Übertreibung des Alltäglichen an den richtigen Stellen. Anyway.

Eigentlich kommt der Konflikt bzw. die Hürde für Deinen Protagonisten erst am Ende, nämlich dadurch, dass er gerade nicht die Referatsleitung übernimmt. Hier wäre es doch spannend, wie ein Charakter wie Herr Gruber reagiert. Du löst das, indem Du ihn einfach weitermachen lässt wie gewohnt. Das ist mir ehrlich gesagt ein wenig zu fade.
Stimmt, der große Konflikt kommt zum Schluss. Sicher hätte man sich auch vorstellen können, dass der Gruber jetzt total ausflippt. Aber das ist einfach nicht seine DNA. Und er ist ja nicht total passiv, in Gedanken bereitet er sich ja auf evtl. Fehltritte von Reimann vor. Aber er ist und bleibt eben der brave Soldat, in dem Sinne hatte Stauffen mit seinem Vergleich ja durchaus Recht. Fade? Vielleicht unspektakulär, aber gibt doch im Grunde auch zu denken, oder?

Also, sehr gut geschriebener Text, aber mit Luft nach oben bei den genannten Punkten.
Ich danke dir herzlich für deine Einschätzung.

Beste Grüße,
Fraser
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Hallo @GoMusic ,
Danke fürs Lesen und Kommentieren.

Habe mich sofort in die Behörde versetzt gefühlt.
Allerdings hatte ich immer ein wenig diese TV-Serie im Hinterkopf.
Hey, als ich das gelesen habe, musste ich auch an "Stromberg" denken. Beim Schreiben allerdings nicht. Und im direkten Vergleich würde ich Gruber charakterlich auch fast diametral zu Stromberg sehen. Stromberg war ja, meiner Erinnerung nach, so ein arbeitsscheuer Querulant, dem im Grunde genommen seine Arbeit am A...sch vorbeiging. (Und mich nebenbei mit seiner Art so sehr genervt hat, dass ich die Serie nach vier oder fünf Folgen nicht weiter verfolgt habe.)
Gruber hingegen ist ja durch und durch Behördensoldat, bei allem, was er tut, ist ihm das Wohl der Behörde oberste Maxime. Zumindest sieht er das so.
Aber gut, Parallelen sind zweifellos vorhanden.

Nennt er ihn absichtlich falsch? Fände ich sogar besser, als wenn es nur ein Vertipper wäre. Hat der "echte" Stromberg ja genau getan. Und keiner hat ihn mehr verbessert, weil es eh nichts genützt hätte.
:lol:
Nee, sorry, das war in der Tat ein Verschreiber. Habe ich korrigiert.
Der Gruber würde niemals einen Namen vergessen oder falsch aussprechen, dafür ist er viel zu korrekt und bildet sich etwas darauf ein. Das gehört für ihn zum Berufsethos.

Habe ich gerne gelesen.
Das freut mich sehr.

Nochmals danke. Beste Grüße,
Fraser
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Hallo @Manlio,
Danke fürs Lesen und Kommentieren.

sehr schöner Text, bei dem mein innerer Beamter mehrfach kräftig nicken musste
;)
He he! Innerer Beamter, sehr schön!

Wenn ich eins zu mäkeln habe, dann, dass mir der Schluss zu brav ist. An der Stelle hätte der Text natürlich eine Kurve nehmen können in dem Sinne, dass Gruber, für den sich bisher alles im Beilaufen ergeben hat, jetzt in den Kampfmodus übergeht
Ok, das geht in dieselbe Kerbe wie bei @Geschichtenwerker. Wie du selbst schreibst, passt es zu Grubers Charakter, dass er abwartend seinen Trott weiterlebt, darauf hoffend, dass sich die innere Logik der Behörde wiederherstellt. Wird sie wahrscheinlich nicht, denn die Welt dreht sich weiter und die Moderne hält überall Einzug, aber das weiß der Gruber ja nicht, bzw. das ist fernab seiner Vorstellungskraft (oder vielleicht verdrängt er auch nur).
Na mal sehen, vielleicht geht da ja noch was bei Grubers charakterlicher Entwicklung... ;.)

Bis bald.
Beste Grüße,
Fraser

 

Hallo @Silvita,
Danke, dass du dich noch mal meldest.

Mmh. Also bei mir kam da jetzt keine "andere" Seite rüber. Klar, er ist fleißig, zuverlässig, ein Arbeitstier. Das macht ihn aber noch nicht sympathisch.
Ganz schrecklich finde ich ihn natürlich auch nicht, sonst hätte ich die Geschichte nicht gelesen :) Er ist kein Massenmörder oder begeht sonstige gemeine Verbrechen, aber er ist missgünstisch, neidisch, unaufmerksam (was die Mitmenschen angeht) und geht nicht nett mit den Kollegen*innen um.
Nee, leid tut er mir gewiss nicht :D
Vielleicht ist es so, dass man als Autor, je mehr man sich mit einer Figur beschäftigt, Eigenschaften in ihr sieht, von denen man ausgeht, dass andere diese auch so sehen müssten. Und dabei "vergisst", diese Eigenschaften, bzw. das, was man in der Figur sieht, auch erkennbar zu machen. Wenn du keine andere Seite siehst, dann wahrscheinlich deshalb, weil ich den Gruber dann letztendlich doch zu eindimensional erzählt habe.
Aber es ist ja immer so eine Sache, wenn man einen Text in die Welt entlässt. Dann ist er da und muss sich irgendwie durchschlagen ;-)
Auf jeden Fall Danke für deine Erklärung!

Beste Grüße,
Fraser

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Hallo @Schwerhörig,
Wir hatten noch nicht das Vergnügen. Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren.

mit viel Vergnügen habe ich deine Geschichte gelesen
Das freut mich sehr.

Ehrlich gesagt, hatte ich gleich wohl Donald Trump vor Augen
Hehe. Ich weiß zwar nicht, ob der Vergleich Gruber gegenüber gerecht ist, aber wenn so etwas im Kopf des Lesers entsteht, dann hat der Autor ja nicht alles falsch gemacht ;-)

Sehr gut geschrieben und unterhaltsam!
Vielen Dank!

Ich wünsche dir noch einen schönen Sonntagabend.

Beste Grüße,
Fraser

 

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