Was ist neu

In diesen Zeiten

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10.11.2003
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Anmerkungen zum Text

Text gekürzt. 11.9.2022

In diesen Zeiten

Es war elf Uhr abends, als Aldo seinen Dienst antrat. Er übernahm von seinem Kollegen, der nach sechszehn Stunden endlich nach Hause gehen konnte, einen Flur voll von Patienten. Manche schliefen und manche husteten vor sich hin, doch keiner klagte: Sie wussten wohl, dass das Krankenhaus kaum noch einsatzfähige Ärzte hatte.
Aldo war alleine mit Linda, einer Krankenschwester, mit der am liebsten arbeitete. Die Arbeit war formal einfach: Checken, was die Kollegen vom pronto soccorso aufgeschrieben haben, mit den Patienten reden, Temperatur und Blutdruck messen, die Lunge abhören, eventuell Blut abnehmen und ins Labor schicken und dann entscheiden: Die schweren Fälle schickte man nach links auf die Intensivstation, die anderen nach rechts zum Fahrstuhl, der sie auf normale Krankenzimmer brachte. Sein erster Fall heute war ein etwa fünfzigjähriger Mann, der zwar schwer Luft bekam, sonst aber gut beisammen war. Für Aldo war das keine schwere Entscheidung, er konnte ihn leichten Herzens nach rechts schicken.
Aldo half Linda, das Bett aus der Reihe der Wartenden zu schieben, um dann, als sie mit dem Bett unterwegs zum Fahrstuhl war, ihr hinterher zu schauen. Sie hatte nun einen dicken Hintern. Sie trug Windeln, weil sie sonst nach jedem Toilettengang die Schutzkleidung hätte wechseln müssen. Ja, Schutzkleidung war in dieser Zeiten Mangelware geworden, selbst die eine Maske musste man den ganzen Tag tragen.

Er wandte sich zum nächsten Bett, auf dem der Patient bereits mit Sauerstoff versorgt wurde. Aber es war nicht irgendein Patient, sondern Matilde, die Schwester seiner Frau.
„Was machst du hier, Matilde?“
In dem Moment, in dem er die Frage aussprach, wurde ihm bewusst, wie töricht diese war. Matilde versuchte etwas zu sagen, doch er verstand nichts. Sie versuchte zu lächeln, was Aldo an ihren zusammengekniffenen Augen erkannte. Er holte oft seinen Sohn bei ihr ab, wenn dieser bei ihr zu Besuch war, um zusammen mit ihren Kindern zu spielen. Dann kochte sie ihm einen Caffè und sie plauderten ein wenig.
Matilde musste husten. Der Husten steigerte sich, wurde heftiger, zwang sie, sich aufzurichten, bis sie fast saß. Dann fiel sie zurück und blieb regungslos liegen.
Aldo fühlte ihren Puls: Das Herz arbeitete noch und sie atmete, wenn auch nur flach. Aber ihre Haut gefiel ihm nicht. Sie war graublau, er vermutete Hypoxie – ihr den Sauerstoff aus der Flasche wie bisher passiv zu verabreichen, war nicht genug: Sie musste auf die Intensivstation und künstlich beatmet werden.
Linda war noch nicht wieder zurück, also schob er das Bett selbst von der Wand und rannte mit ihm los. Er war schnell und stieß oft gegen die sich langsam öffnenden automatischen Türen. Als er endlich am Ziel ankam, rannte er beinahe einen Kollegen um, der ihm entgegenkam.
„Entschuldigen Sie bitte, es ist dringend!“
“Ja, ja, was ist denn hier nicht dringend?” antwortete dieser. „Außerdem sind wir voll.“
„Sie … sie ist meine Schwägerin!“
„Tut mir leid, Kollege, aber alle Betten sind besetzt. Wollte gerade zu Ihnen kommen und Ihnen sagen, dass Sie mir keine Patienten mehr schicken sollen.“
Aldo kannte den Arzt nicht, auf dessen Maske handschriftlich Dr. Ansberg vermerkt war. War wohl einer von den Ärzten ohne Grenzen, die hier aushalfen, weil einige Kollegen an dem Corona-Virus bereits gestorben sind oder in die Quarantäne mussten. Aber nun stand dieser Fremde zwischen ihm und den rettenden Geräten im Hintergrund.
Aldo verstand. Und erstarrte. Doch seine Gedanken rasten umso mehr. Er wusste, wenn Matilde in der nächsten paar Stunden nicht an ein Beatmungsgerät angeschlossen wird, wird sie sterben. Oder für den Rest ihres Lebens nicht mehr sie selbst sein. Er schaute sich um, sah in den durch Vorhänge getrennten Betten Patienten liegen. Die meisten lagen auf dem Bauch, intubiert und in künstliches Koma versetzt. Einige wurden lediglich durch die fest anliegenden Nasen-Mund-Masken beatmet. Das waren die minder schweren Fälle.
Dr. Ansberg drehte sich wortlos um und ging zu seinem Schreibtisch an der einen Seite des Raumes. Und Aldo widmete sich wieder Matilde, fühlte nach dem Puls, der zwar flach, aber noch deutlich spürbar war. Und weil ihm ihre Gesichtsfarbe noch eine Spur blauer erschien als zuvor, überprüfte er das Manometer an der Sauerstoffflasche: Er zeigte zum Glück noch genügend hohen Druck. Es passierte nicht selten, dass fast oder ganz leere Flaschen an den Betten hingen, manchmal mit tragischen Folgen.
Er spürte eine leichte Berührung an der Schulter und vernahm gleichzeitig ein lautes: „Ah, hier bist du!“
Linda hat ihn wohl gesucht und nun auch gefunden.
„Matilde“, sagte Aldo, auf das Bett zeigend. „Meine Schwägerin.“
„Ma nooo!” rief Linda verwundert und klagend, um dann leiser hinzuzufügen: “Tut mir leid, dottore.“
„Ist Schicksal“, sagte Aldo, „Es ist auch Schicksal, dass hier alle Betten belegt sind.”
„No, no, das ist nicht Schicksal – das ist Politik.”
Vielleicht hatte Linda recht, vielleicht war das tatsächlich kein Schicksal, dass sie zu wenige Betten auf der Intensivstation hatten, sondern die jahrelange Vernachlässigung der Infrastrukturen durch den Staat. Selbst in der reichen Lombardei gab es nicht genug Betten mit entsprechenden Geräten. Matilde nach Lodi, ins Provinzkrankenhaus zu verlegen, würde nichts bringen, die waren schon gestern überbelegt. Und sie nach Deutschland zu verlegen, wo sie Platz hätten, dazu reichte die Zeit nicht mehr.
„Und jetzt?“, fragte Linda.
„Weiß nicht”, sagte Aldo, „Vielleicht wird einer von denen bald sterben.”
Beide schauten auf die zwei Bettenreihen. Schweigend schritten sie durch den Mittelgang und schauten sich die Patienten genauer an: Wer wird bald sterben oder wer könnte bereits aus der Intensivstation entlassen werden?
Linda blieb gerade vor einem Bett stehen, an dem ein massiger Mann auf dem Rücken lag. Er war so dick, dass sein Bauch den höchsten Punkt auf dem Bett bildete. Sein Gesicht war fast zur Gänze durch die Maske bedeckt, und sein Brustkorb hob und senkte sich regelmäßig, immer begleitet vom zischenden Geräusch des Beatmungsgeräts.
Linda schaute Aldo fragend an – und er verneinte die so gestellte Frage ebenfalls stumm. Sie gingen weiter, bis diesmal Aldo stehenblieb. Auf dem Bett vor ihm lag eine alte Frau, ebenfalls mit einer Maske auf dem Gesicht, anscheinend schlafend. Sie war von gleicher Statur wie Matilde, aber viel älter, wahrscheinlich eine aus der casa di riposo, dem örtlichen Altersheim. Warum liegt sie hier und nicht Matilde? Nur, weil sie eine halbe Stunde vorher an der Reihe war? Soll das über Leben und Tod entscheiden?

„Sie ist sediert.“
Linda und Aldo drehten sich um. Dr. Ansberg stand hinter ihnen, sie wussten nicht, wann er dazugekommen war. Keiner sagte mehr ein Wort, nur die pumpenden und zischenden Geräusche der Beatmungsgeräte waren zu hören. Dr. Ansberg hustete kurz und sagte: „Ich muss schnell zur Toilette.”
„Natürlich“, antwortete Aldo und trat zur Seite. Sobald die schwingende Tür sich wieder schloss, ergriff Aldo Lindas Hand und sagte: „Komm, schnell!“
Linda hob den Kopf der alten Frau ein wenig und entfernte die hinter ihrem Nacken festgezurrte Gesichtsmaske. In dem Moment schaltete Aldo die Geräte aus. Gemeinsam entfernten sie vom Körper der Frau die Sensoren, die ihre Vitalfunktionen überwachten und an Monitore übertrugen. Dann schoben sie das Bett auf den Flur und Matilde kam auf ihren Platz. Die Sensoren wurden an ihrem Körper befestigt, die Maske aufgesetzt. Aldo schaltete wieder die Geräte ein, die nach einem kurzen Moment der Irritation wieder ansprangen.
Matildes Brustkorb hob sich nun viel stärker als vorher, und es verging keine Minute, bis sie wieder ihre Augen öffnete. Sie sah Aldo und lächelte.
„Sei unbesorgt, Matilde, es wird alles gut“, sagte Aldo, nahm die Sauerstoffflaschen samt Schlauch und Maske, mit der sie vorher versorgt wurde, und ging mit Linda, die sich mit einem Wink von seiner Schwägerin verabschiedete, hinaus.

 

In diesen Zeiten, @Dion , erzählst du mir, was ich aus den Medien angedeutet zu lesen bekam, zwischen den Zeilen, was ich nicht wahr haben will, was naheliegend ist, gewesen sein könnte.

Deinen Protagonisten schickst du in einen Konflikt und nicht nur ihn, zwei weitere hinzu, sie werden Komplizen und die eine Nonna profitiert vom Schicksal der anderen. In diesen Zeiten machst du mir deutlich, wozu Menschen in der Lage sind, sich scheinbar gezwungen fühlen. Du versuchst mir zu erklären, ja, schon, nicht wahr, dass der Mensch sich für sein Handeln rechtfertigt, dem Zufall trotzt. Ist das Mord? Totschlag?

Aufgrund der Bedeutung, dass ich auch inmitten dieser Zeit lebe, das Thema gegenwärtig gewesen ist, nehme ich nur am Rande deine Virtuosität wahr, auch weil ich lese, ohne zu verweilen. Und weißt du was? Ich habe vermutlich aus diesem Grund Mitgefühl. Ich denke, er wird in späteren Zeiten nie wieder ganz er selbst sein, zerrissen. Ich selbst wage nicht, mir die Frage zu stellen, wäre ich in Aldos Situation ....

Ich kann dir nur einen ersten Leseeindruck hinterlassen, weil ich bewegt bin, das aber wollte ich tun.

Bester Gruß, Kanji

 

Ja, @Kanji, diese Zeiten sind nicht einfach. Vor allem Italien hat es schwer getroffen, was man zwar auch weiß, aber nicht so im Detail. Was dort das medizinische Personal leisten musste, wie viele von ihnen sich anfangs aufgrund der nicht vorhandenen Schutzkleidung mit dem Virus angesteckt haben und dann auch wegen der nicht vorhandenen Betten/Geräte auf den Intensivstationen sterben mussten, da macht man sich hier in Deutschland, wo bisher fast alles reibungslos verlief, kaum eine Vorstellung.

Wegen privater Kontakten nach Italien, und weil ich ab und zu im Internet italienische Zeitungen lese, weiß ich vielleicht ein wenig mehr darüber.
Auch ich möchte nicht in diesem Dilemma stecken, entscheiden zu müssen, wer den ev. lebensrettenden Beatmungsgerät bekommt und wer nicht. Aber die Ärzte in Italien standen nicht nur einmal vor dieser Entscheidung, sondern immer wieder. Weil bei Covid-19 ein Bett auf der Intensivstation im Durchschnitt 2 Wochen belegt ist, kann man sich vorstellen, wie schnell so 5 oder 15 Betten eines Krankenhauses belegt sind.

Dazu kommt, dass bei Covid-19 die Hälfte der Intensivpatienten stirbt, d.h. dahin zu kommen erhöht die Chance zu überleben auf lediglich 50 Prozent. Es ist also nicht gesagt, dass Aldos Oma in meiner Geschichte überleben und die andere Frau sterben wird. Deshalb wäre es etwas übereilt, hier von Mord oder Totschlag zu sprechen.

Danke dir für das Lesen und für die ersten Eindrücke.

 

Die Geschichte thematisiert einen altbekannten ethischen Konflikt in aktuellen Zeiten.
Ja, ethische Konflikte sind nicht neu. Neu ist aber, dass in Italien Triage außerhalb von kriegerischen Handlungen angewendet werden musste. Ich habe Berichte gelesen, dass Ärzte es während Covid-19-Pandemie abgelehnt haben, eine Entscheidung zu fällen – was natürlich auch eine Entscheidung war –, und über andere, die bei aussichtlosen Fällen Geräte abgeschaltet haben, um Platz für andere zu machen.

Sie ist gut lesbar und spannend geschrieben.
Danke.

Das Italienische ist etwas zuviel, es sollte stellenweise übersetzt werden, oder englisch gesprochen werden.
Das ist ein Problem, ich weiß, aber der Authentizität wegen habe ich’s so gelassen, auch in der Hoffnung, der Sinn würde sich aus der Handlung ergeben. Wer trotzdem den genauen Wortlaut in Deutsch haben möchte, für den habe ich einen Hinweis hinterlassen – einfach bei der Geschichte recht oben auf i im Kreis klicken und den betreffenden Satz von deepl.com übersetzen lassen.

Ich bin kein Mediziner, aber die Personen, die ich mit Sauerstoff-Mangel sah, hatten vor allem auffallend blaue Lippen, die Geschichtsfarbe war nicht blau.
Habe ich geändert, danke.

Danke auch für deine Zeit.

 

Lieber @Dion,

Dazu kommt, dass bei Covid-19 die Hälfte der Intensivpatienten stirbt, d.h. dahin zu kommen erhöht die Chance zu überleben auf lediglich 50 Prozent. Es ist also nicht gesagt, dass Aldos Oma in meiner Geschichte überleben und die andere Frau sterben wird. Deshalb wäre es etwas übereilt, hier von Mord oder Totschlag zu sprechen.
Zum Mord/ Totschlag kann es wohl erst nachträglich werden, wenn die Frau verstirbt. Ihren Tod nimmt Aldo aus Eigeninteresse billigend in Kauf. Das Mordmerkmal der niederen Beweggründe wäre also erfüllt, andererseits befindet er sich in einer emotionalen Ausnahmesituation, was für Totschlag spricht, aber ich bin kein Jurist. Dennoch begeht Aldo für mich einen riesigen Fehler, denn die andere Frau hat das gleiche Recht zu leben und medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen wie seine Großmutter. Vermutlich ist sie selbst Großmutter und hat irgendwo Angehörige, die um ihr Leben bangen. Mit dem Personentausch missbraucht Aldo seine Position und handelt wider ärztliche Ethik, wider das Gebot, Kranken nicht zu schaden, seien seine persönlichen Motive auch noch so nachvollziehbar. So weit so klar, doch es geht Dir um diesen Gewissenskonflikt, um die Extremsituation, die Menschen aus Verzweiflung Dinge tun lässt, zu denen sie sonst nicht fähig wären. Das zeigst du gut auf, auch mit der Beschreibung des Sortierverfahrens und z.B. dem Windeldetail. Ich befürchte nur, dass aus den erlebten Zuständen niemand die notwendigen Schlüsse zieht für das nächste Mal, das so sicher kommen wird, wie das Amen in der Kirche. Das hier stimmt übrigens nicht:
Neu ist aber, dass in Italien Triage außerhalb von kriegerischen Handlungen angewendet werden musste.
Bei Unfällen mit vielen Verletzten findet auch eine Selektion durch die Rettungskräfte statt, inkl. farbiger Markierung der Unfallopfer nach: medizinische Maßnahmen erforderlich oder sinnlos.

Es war elf Uhr abends(Komma) als Aldo seinen Dienst antrat.

einen Flur voll von Patienten
voller

Aldo war allein mit Linda, einer Krankenschwester, mit der (er) am liebsten arbeitete.

Aldo schaute zu, wie Linda eine Sauerstoffflasche an das Bett hängte und dem darauf liegenden Mann die Maske aufsetzte und hinter seinen Ohren fixierte.
Besser ein Komma anstelle des ersten und.

Aldo half ihr das Bett aus der Reihe der auf dem Flur wartenden zu schieben, um dann, als sie alleine mit dem Bett unterwegs zum Fahrstuhl war, ihr hinterher zu schauen.
stilistisch ungelenk, auch der zweite Satzbeginn mit Aldo. Würde das Ganze entzerren.
Er half ihr, das Bett aus der Reihe der Wartenden zu ziehen. Auf dem Weg zum Fahrstuhl musste er über Lindas Gang lächeln. Obwohl schlank, hatte sie nun einen dicken Hintern und watschelte etwas breitbeinig. Sie trug Windeln, weil sie sonst ...

die das Krankenhaus kaum noch (zur Verfügung) hatte.
Würde ich hinzufügen.

sondern seine Oma Matilde, die Mutter seiner Mutter.
Finde ich nicht nötig, es weiß jeder, was eine Oma ist.

Oma versuchte etwas zu sagen, doch unter der eng anliegenden Maske kam kein laut
… kam kein Laut hervor.

Sie versuchte zu lächeln, was Aldo an ihren zusammengeknifften Augen erkannte.
zusammengekniffenen.

Oder vielmehr an den Lachfalten um ihre Augen, die er so gut kannte, weil seine Oma oft lachte, wenn er als Kind während der Sommerferien wieder irgendeinen Unsinn anstellte.
Falsche Zeit. Muss im PQP, da vollendete Vergangenheit.
"Oder vielmehr an den Lachfalten um ihre Augen, die er so gut kannte, weil seine Oma oft gelacht hatte, wenn er als Kind während der Sommerferien wieder irgendeinen Unsinn angestellt hatte."

Das im Unterschied zu dem Großvater, der streng wie seine Mutter war.
Der Satz funktioniert nur mit dem Bezug auf den Satz davor und auch dann nicht gut.

zwang sie, sich teileweise aufzurichten
teilweise

Sie war graublau, er vermutete Hypoxie,(Gedankenstrich statt Komma) in diesen Zeiten häufig zu beobachten.

also schob er das Bett selbst schnell von der Wand und rannte mit ihm
"schob … von der Wand" finde ich unsauber, mit dem Bett rennen auch.

Als er endlich am Ziel ankam, rannte (er) beinahe einen Kollegen um, der ihm entgegen kam.
entgegenkam.

“Ja, ja, was ist denn hier nicht dringend?”(Komma) antwortete dieser auf Deutsch.

War wohl einer von den Ärzten ohne Grenzen, die hier aushalfen, weil einige Kollegen an dem Corona-Virus bereits gestorben sind oder in die Quarantäne mussten.
streng genommen stirbt man nicht am Virus, sondern an den Folgen der Erkrankung.

die sich langsam öffnenden automatischen Türen
Wortbrocken, würde ich auflösen.

„Oh, I see. But I can't help there either – look!”(Komma) antwortete der Mann

antwortete der Mann und zeigte, sich halb wegdrehend, in den Saal.
Du benutzt oft Partizipien, die mMn meistens stören. Könntest du leicht umgehen. … und zeigte mit einem Armschwung in den Saal.

Er wusste, wenn seine Oma in der nächsten Stunde nicht an ein Beatmungsgerät angeschlossen wird, wird sie sterben.
würde, mMn Konjunktiv erforderlich.

Dr. Ansberg drehte sich um und ging langsam zu seinem Schreibtisch an der einen Seite des Raumes.
Das Kursive kann weg, denn es trägt nicht dazu bei, dass ich mir den Schreibtisch und seine Platzierung genauer vorstellen kann.

„Ma nooo!”(Komma) rief Linda verwundert

„È il destino“, sagte Aldo. Und nach einer kurzen Pause: „È il destino anche, che tutti i letti qui sono occupati.”
Zweimal die gleiche Satzkonstruktion hintereinander mit Redebegleitsatz und dann neuer Satz mit Doppelpunkt vor der wörtlichen Rede.

Aber seine Oma nach Deutschland zu verlegen, dazu reichte die Zeit nicht mehr.
Ich denke, es bleibt nur noch eine Stunde, ist dieser Gedankengang realistisch?

erst mit den Ärzten ohne Grenzen hinzu kamen
hinzukamen.

und schauten sich die liegenden Patienten genauer an: Wer wird bald sterben
spätestens hier fallen die vielen Doppelpunkte auf, mit denen Du im Text arbeitest.

To be, or not to be? die alte Frage Shakespears
Satzanfang, Die groß.

sondern von Aldo, dem verzweifelten Enkel und Arzt, gedacht
auch die häufigen Appositionen finde ich sperrig, könntest du in normale Sätze auflösen, das würde dem Lesefluss zugute kommen. Auch zwei Sätze weiter: Er war so dick, dass, obwohl sein Kopf leicht erhöht lag, sein Bauch den höchsten Punkt auf dem Bett bildete.
Und auch beim letzten Satz stört mich die Verschachtelung. Ich persönlich mag es gerne geradliniger.
„Non preoccuparti, nonna, andrà tutto bene“, sagte Aldo, nahm die Sauerstoffflaschen samt Schlauch und Maske, mit der seine Oma vorher versorgt wurde, und ging mit Linda, die sich mit einem Wink von seiner Oma verabschiedete, hinaus.

Peace, linktofink

 

So weit so klar, doch es geht Dir um diesen Gewissenskonflikt, um die Extremsituation, die Menschen aus Verzweiflung Dinge tun lässt, zu denen sie sonst nicht fähig wären. Das zeigst du gut auf, auch mit der Beschreibung des Sortierverfahrens und z.B. dem Windeldetail. Ich befürchte nur, dass aus den erlebten Zuständen niemand die notwendigen Schlüsse zieht für das nächste Mal, das so sicher kommen wird, wie das Amen in der Kirche.
Solche Situationen werden sicher kommen - und sollte wieder jemand über Leben und Tod entscheiden müssen, würden die gleichen Mechanismen greifen, weil Blut dicker als Wasser ist. Ich jedenfalls kann Aldo nicht verurteilen.

Bei Unfällen mit vielen Verletzten findet auch eine Selektion durch die Rettungskräfte statt, inkl. farbiger Markierung der Unfallopfer nach: medizinische Maßnahmen erforderlich oder sinnlos.
Das wusste ich nicht - welche Farbe bedeutet was?

sondern seine Oma Matilde, die Mutter seiner Mutter.
Finde ich nicht nötig, es weiß jeder, was eine Oma ist.
Das ist wegen der unterschiedlichen Nachnamen notwendig: Wäre sie Mutter seines Vaters, hätte sie die gleichen Nachnamen, was zumindest hinterher zum Problemen führen könnte.

Falsche Zeit. Muss im PQP, da vollendete Vergangenheit.
Ich hasse PQP, was mich seit meiner ersten Geschichte auf wortkrieger.de verfolgt.

antwortete der Mann und zeigte, sich halb wegdrehend, in den Saal.
Du benutzt oft Partizipien, die mMn meistens stören.
So wie ich PQP hasse, liebe ich Partizipien. :D

„È il destino“, sagte Aldo. Und nach einer kurzen Pause: „È il destino anche, che tutti i letti qui sono occupati.”
Zweimal die gleiche Satzkonstruktion hintereinander mit Redebegleitsatz und dann neuer Satz mit Doppelpunkt vor der wörtlichen Rede.
Ja, weil Aldo ein bisschen durcheinander ist und sich nicht um den Stil kümmert.

Aber seine Oma nach Deutschland zu verlegen, dazu reichte die Zeit nicht mehr.
Ich denke, es bleibt nur noch eine Stunde, ist dieser Gedankengang realistisch?
Hier gilt das gleiche.

Die meisten Korrekturvorschläge habe ich übernommen - vielen Dank dafür. Und natürlich für die Zeit, die du in meine Geschichte investiert hast.

 

Bei Unfällen mit vielen Verletzten findet auch eine Selektion durch die Rettungskräfte statt, inkl. farbiger Markierung der Unfallopfer nach: medizinische Maßnahmen erforderlich oder sinnlos.
Das wusste ich nicht - welche Farbe bedeutet was?
weiß - unverletzt, rot - Behandlung sofort notwendig, gelb - Behandlung dringend notwendig, grün - Behandlung nicht dringend notwendig, blau - sterbend, nicht behandelbar, schwarz - tot.

 

- welche Farbe bedeutet was?
weiß - unverletzt, rot - Behandlung sofort notwendig, gelb - Behandlung dringend notwendig, grün - Behandlung nicht dringend notwendig, blau - sterbend, nicht behandelbar, schwarz - tot.
Danke für die Aufklärung.

Allerdings glaube ich, dass Unfälle mit vielen Verletzten nicht ganz mit dem hier verhandelten Fall vergleichbar sind. Dort muss man innerhalb Minuten entscheiden, um wen man sich zuerst kümmert, und um wen erst später. Und da geht es auch nicht um Kapazitätsgrenzen eines Krankenhauses - wenn eines keine Verletzte mehr aufnehmen kann, wird halt das nächste oder übernächste angefahren.

Hier fiel aber so gut wie niemand in die Kategorie sterbend, nicht behandelbar, doch waren alle Intensivbetten aller Krankenhäuser einer ganzen Region bzw. eines Landes belegt und bis z.B. Deutschland sich bereit erklärte, solche Patienten aufzunehmen, dauerte es Tage. Tagelang also mussten italienischen Ärzte über Leben und Tod entscheiden, weil es eben keine Alternative gab. Das ist schon eine andere Stresssituation als bei einem Unfall. Das inbesondere dann, wenn man anfangs, als es noch genug Betten gab, einen Patienten auf die Intensivstation verlegte, der das vielleicht nicht unbedingt brauchte, und nun 10 oder mehr Tage ein Bett belegte, das andere dringender bräuchten.

 

Allerdings glaube ich, dass Unfälle mit vielen Verletzten nicht ganz mit dem hier verhandelten Fall vergleichbar sind.
Lieber Dion, Du selbst hast den Begriff Triage ins Spiel gebracht und geschrieben, dass zum ersten Mal in Italien Triage außerhalb von kriegerischen Handlungen angewendet werden musste, was so nicht stimmt. Triage bedeutet "Einteilung der Verletzten nach der Schwere der Verletzung". Das passiert nicht nur bei Unfällen und Katastrophen, sondern ganz lapidar jeden Tag in den Notaufnahmen aller KHs, wodurch eine Behandlungsreihenfolge festgelegt wird..
Ich will das gar nicht gleichsetzen, doch auch wenn der Entscheidungsprozess binär auf Leben oder Tod reduziert sein mag, bleibt es eine Triage. Der Unterschied liegt nur in der Anzahl der Optionen und der Reichweite der Entscheidung.
Peace, ltf.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Dion,
ist ja toll, dass du mal wieder eine Geschichte einstellst. Auch wenn das nicht so ganz mein Genre ist, gefällt mir sehr gut, dass du weitgehend auf essayistische Passagen verzichtest, und das bei einem Thema, das dir ja ganz offensichtlich wichtig ist. Das ist daher sehr viel angenehmer zu lesen, als andere Texte, deren Plot / Figuren mir mehr sagten. Mir gefällt, wie stringent du die Handlung aufbaust; trotz der Hektik, die da sicher herrscht, fast wie ein sich ganz ruhig entwickelndes Kammerspiel.

Hier ein paar Anmerkungen:

Die alte Frage Shakespears
*hüstel* Shakespeares

Und irgendwo hast du ein alleine, das ein allein sei muss, das Wort gibt es nicht mit e (die Stelle war keine wörtliche Rede). Ich finde das grad nicht wieder.

Linda, obwohl schlank, hatte nun einen dicken Hintern und watschelte etwas breitbeinig. Sie trug Windeln,
Tragen die echt so auf (obwohl sie dafür wohl nicht Tena kauft, sondern die des Krankenhauses nimmt), oder wolltest du das nur irgendwie anbringen? Klingt für mich ein bissl extrem.
Sie versuchte zu lächeln, was Aldo an ihren zusammengekniffenen Augen erkannte. Oder vielmehr an den Lachfalten um ihre Augen, die er so gut kannte, weil seine Oma oft gelacht hatte, wenn er als Kind während der Sommerferien wieder irgendeinen Unsinn angestellt hatte. Das im Unterschied zum Großvater, der streng wie seine Mutter war.
Hier hätte ich mir mehr Schock gewünscht. Die Erinnerungen klingen eher nach Überlegungen in Ruhe, wenn jemand bereits beerdigt ist, im Nachhinein. Liest sich für mich, als wolltest du der Oma nur für den Leser ein Gesicht geben, damit wir das Ende als eine Art Happy End lesen. Das hat bei mir nicht funktioniert.
zwang sie, sich teilweise aufzurichten
Etwas aufrichten? Bei teilweise denke ich immer an Splatterfilme.
Aber ihre Haut gefiel ihm nicht.
Das klingt sehr kühl, untertrieben, da das kein Icherzähler ist, und damit keine Verdrängung sein kann. Das passt nicht so gut zu der Dringlichkeit / Panik, die direkt danach kommt:
Als er endlich am Ziel ankam, rannte beinahe einen Kollegen um, der ihm entgegenkam.
„Mi scusi, dottore, ma è molto urgente!“
“Ja, ja, was ist denn hier nicht dringend?”,

einen Flur voller Patienten, die auf fahrbaren Betten lagen.
Krankenhausbetten rollen immer, da hab ich kurz gestutzt, von welchen Betten du das hier abgrenzen willst.
schließlich passierte nicht selten, dass fast leere Flaschen an den Betten hingen und „benutzt“ wurden, manchmal mit tragischen Folgen.
Urgh, gutes Detail. Die "" könnten raus, das ist ja sein Gedankengang, anders, als ob er spricht und man die Gänsefüßchen als Geste des Sprechenden liest.
Laut Datenblatt wurde sie erst kürzlich eingeliefert.
... war sie erst kürzlich eingeliefert worden.
In dem Moment, in dem er die Frage aussprach, wurde ihm bewusst, wie töricht diese war: Wer fragt schon jemanden, der in diesen Zeiten ins Krankenhaus eingeliefert wird, was er hier mache.
Ich finde die Frage vollkommen natürlich, aber ich denke, der Satz ist eh nur da, um das Italienische unauffällig zu übersetzen. Hier steht die Fremdsprache im Weg, weil ein "Was machst du denn hier!" eine sofort nachvollziehbare emotionale Reaktion gewesen wäre. Durch die nachgeschobene Erklärung bekomme ich Distanz und dann steige ich nicht mehr ein.
Das ist ja immer die Frage: Das Ganze spielt in Italien, also werden alle bis auf Dr. Ansberg auch Italienisch reden, und dort müsste der Erzähler ebenfalls verortet sein. Da die Geschichte aber nunmal auf Deutsch geschrieben ist, würde man sich eigentlich deutsche Dialoge als italienische lesen, dafür braucht es keine fremdsprachlichen Dialoge. Und Ansberg hast du ja bereits doppelt durch das Englische abgegrenzt.
Wie magisch angezogen
Unschöne Phrase wie 'wie ferngesteuert' oder 'automatsich'. Ich verstehe, was du beschreiben willst, das ist auch eine gute Beobachtung, aber besser individueller ausgedrückt.

Du wirfst hier natürlich eine interessante, unlösbare moralische Frage auf. Bei mir hat das nicht gut geklappt, weil mir die Nichtoma näher war, rosige Haut heißt, dass die Behandlung anschlägt, das wieder (potenziell) umzukehren, hat mich emotional mehr getroffen, als ich mich für Aldos Oma gefreut habe. Klar, mein Lesergefühl hat nix mit rationalen medizinischen Entscheidungen zu tun, allerdings ist Aldos Entscheidung ebenfalls emotional. Obwoh ich sonst offene Enden mag, hat mir hier ein Ausblick gefehlt, ob die abgekoppelte alte Dame weit genug erholt war, dass sie überlebt, oder mit Sicherheit zum Tode verurteilt ist. Denn das hängt ja direkt mit der Gewichtung der Entscheidung zusammen (also: mehr oder weniger Schuld bzw. Drama). Mag übrigens sein, dass der stark Übergewichtige weniger Chancen hätte, als die alte Dame, da wäre der Grund interessant gewesen, aus dem er gar nicht als Opfer in Betracht gezogen wurde.

Letzte Woche habe ich eine längere Doku über die Spanische Grippe geschaut, dort wurde gezeigt, dass Neuzugänge auf den Boden direkt neben die Betten gelegt wurden, in denen Patienten mit größter Wahrscheinlichkeit bald sterben würden. Die Leute lagen einfach auf dem Boden, ohne Decke, Unterlage. Wenn der Patient starb, wurden die Neuen direkt ins freie Bett gelegt, ohne neuzubeziehen. Dies war die effektivste Methode, möglichst vielen Menschen ohne Zeitverlust eine Behandlung zukommen zu lassen. Obwohl das vollkommen nachvollziehbar ist, sahen die Bilder echt schlimm aus.

War schön, wieder etwas von dir zu lesen, Dion! Sorry, dass mich solche Sujets als Fiktion - zumindest in dieser Form - einfach nicht ansprechen. Ich hoffe trotzdem, du kannst mit meinen Anmerkungen etwas anfangen.
Viele Grüße,
Katla

 

Servus Katla,

schön von dir zu lesen. Du hast einige Verbesserungsvorschläge gemacht, die ich allerdings momentan nich umsetzen kann. Bin nicht zu Hause und mit anderen Dingen beschäftigt, kann auch nicht immer ins Internet - es dauert noch ein wenig, bis ich das in Angriff nehmen kann.

Ciao

Dion

 

Hi @Dion

ich finde es absolut wichtig über Themen zu schreiben, die relevant sind. Gerade jetzt. Der Text berührt eine der Wunden, die durch die Krise aufgerissen wurden.
Du beschreibst das Geschehen in den Krankenhäusern szenisch, bleibt nahe an den Figuren. Dennoch kommt mit das Gefüge zu brachial vor, zu sehr auf die Spitze getrieben. Welch ein Zufall, dass der Arzt auf die eigene Großmutter trifft, dass er den Mut (oder die kriminelle Energie?) und die Gelegenheit hat, das gerät auszutauschen, dass (na klar) sind deutscher Arzt irgendwie beteiligt ist. Meiner Meinung nach alles ein bisschen zu viel, zu sehr auf Kante ausgerichtet, zu sehr ein Autor, der den Plot gestaltet, damit untergebracht wird, was er unterbringen will.
Sprachlich ist das fein umgesetzt. Na ja, die eingeschobenen italienischen Sätze wirken unnatürlich, schließlich ist der restliche Text auch Deutsch.

Paar Textstellen:

Manche schliefen und manche husteten vor sich hin, aber keiner klagte: Sie wussten wohl, dass das Krankenhaus kaum noch einsatzfähige Ärzte hatte.
warum klagt denn keiner? Haben die keine Schmerzen?

Die schweren Fälle schickte man nach links auf die Intensivstation, die anderen nach rechts zum Fahrstuhl, der sie auf normale Krankenzimmer brachte.
könnte man noch zuspitzen und zB an Auschwitz erinnern

Linda, obwohl schlank, hatte nun einen dicken Hintern und watschelte etwas breitbeinig. Sie trug Windeln, weil sie sonst nach jedem Toilettengang die Schutzkleidung hätte wechseln müssen, die das Krankenhaus kaum noch zur Verfügung hatte.
wirklich eine feine Beobachtung

Als er sich über ihn beugte, stellte er fest, dass es eine Frau war. Und es war nicht irgendeine Frau, sondern seine Oma Matilde, die Mutter seiner Mutter.
müsste sie nicht Matilda heißen?

Aber ihre Haut gefiel ihm nicht. Sie war graublau, er vermutete Hypoxie - in diesen Zeiten häufig zu beobachten. Er wusste, ihr den Sauerstoff aus der Flasche passiv zu verabreichen, war nicht genug: Sie musste auf die Intensivstation und künstlich beatmet werden.
auch ein passendes Detail, nur der Autor mischt sich halt ein

Aldo verstand kaum etwas. Er kannte auch den Arzt nicht, auf dessen Maske handschriftlich Dr. Ansberg vermerkt war. War wohl einer von den Ärzten ohne Grenzen, die hier aushalfen, weil einige Kollegen an dem Corona-Virus bereits gestorben sind oder in Quarantäne mussten.
warum muss das eigentlich ein Deutscher sein?

dass sie zu wenige Betten auf der Intensivstation hatten, sondern die jahrelange Vernachlässigung der Infrastrukturen durch den Staat.
okay, jetzt kommt das politische Statement
Dabei war das nicht nur eine Frage des Geldes, es war auch die Unfähigkeit der Region Lombardei, für das Nötige zu sorgen. In der reichen Lombardei, seit sieben Jahren durch die Lega regiert, gab es in dieser Zeit nur Einsparungen und Abbau, was sich jetzt rächte.
s.o.

Linda hob den Kopf der Frau eine wenig und entfernte die hinter ihrem Nacken festgezurrte Gesichtsmaske.
und ging mit Linda, die sich mit einem Wink von seiner Oma verabschiedete, hinaus.
was auch auffällt: die Frau, der die Maske abgenommen wird, bleibt reines Objekt, letztlich auch die Oma. Jedenfalls innerhalb des Krankenhauses.

Schön jedenfalls, eine Story von dir zu lesen
Viele Grüße und: gönn dir mal wieder einen Mojito!
Isegrims

 

ist ja toll, dass du mal wieder eine Geschichte einstellst.
Ja, @Katla, das finde ich auch. :D

Außerdem finde ich toll, dass du die Zeit und Muße gefunden hast, eine Geschichte, die dir von Genre her nicht so interessiert, trotzdem zu kommentieren. Vielen Dank dafür.

Nach Abwesenheit bin ich wieder hier in München und habe heute auch Zeit, auf deine Bemerkungen einzugehen:

Tragen die echt so auf (obwohl sie dafür wohl nicht Tena kauft, sondern die des Krankenhauses nimmt), oder wolltest du das nur irgendwie anbringen? Klingt für mich ein bissl extrem.
Offenbar waren die Windeln zu sehen – in einer italienischen Zeitung hat sich eine Krankenschwester darüber beschwert und u.a. gesagt, dass dabei „la dignità“, also die Würde verloren gehe. Man darf nicht vergessen, dass diese Windeln eine ganze Schicht „durchhalten“ müssen und deswegen wahrscheinlich etwas dicker sind.

Hier hätte ich mir mehr Schock gewünscht.
Das ist verständlich, aber der Einschub mit den Lachfalten ist dem Umstand geschuldet, dass die Oma eine Sauerstoffmaske trägt und man deswegen ihr Lächeln gar nicht anders erkennen konnte. Außerdem: Ich wüsste jetzt nicht, wie ich das beiderseitige Wiedererkennen schildern sollte.

Das klingt sehr kühl, untertrieben, da das kein Icherzähler ist, und damit keine Verdrängung sein kann. Das passt nicht so gut zu der Dringlichkeit / Panik, die direkt danach kommt
Ja, aber Aldo hat ja beim fühlen des Pulses Zeit genug gehabt, sie genauer zu beobachten. Und die Dringlichkeit danach resultierte aus dieser Beobachtung.

Das Ganze spielt in Italien, also werden alle bis auf Dr. Ansberg auch Italienisch reden, und dort müsste der Erzähler ebenfalls verortet sein. Da die Geschichte aber nunmal auf Deutsch geschrieben ist, würde man sich eigentlich deutsche Dialoge als italienische lesen, dafür braucht es keine fremdsprachlichen Dialoge.
Stimmt, aber ich hoffte dadurch mehr Authentizität in die Geschichte rein zubekommen: Sprachliche Schwierigkeiten sind an der Tagesordnung in Italien, weil Italiener frankophil sind, sprich die erste Fremdsprache ist dort meistens Französisch, erst in höheren Klassen wird als zweite Sprache Englisch gewählt, in Norditalien manchmal auch Deutsch.

Mag übrigens sein, dass der stark Übergewichtige weniger Chancen hätte, als die alte Dame, da wäre der Grund interessant gewesen, aus dem er gar nicht als Opfer in Betracht gezogen wurde.
Warum nicht der dicke Mann, sondern die alte Frau ausgewählt wurde, war ihre Ähnlichkeit in der Statur mit der Oma. Der Druck, mit dem der Sauerstoff in die Lunge gepresst wird, muss auf den Körper abgestimmt sein. Konkret: Würde die Oma den Platz von dem Dicken einnehmen, müsste man die Apparatur neu einstellen, sonst würde der eingestellte Druck ihr die Lunge zerreißen. Dafür war aber keine Zeit, denn man könnte nicht sicher sein, dass Dr. Ansberg sie mit Absicht allein ließ. So hat Aldo nur eine kurze Unterbrechung, vergleichbar einem Stromausfall, produzieren müssen – und die Geräte liefen einfach weiter mit den alten Einstellungen.

Sorry, dass mich solche Sujets als Fiktion - zumindest in dieser Form - einfach nicht ansprechen. Ich hoffe trotzdem, du kannst mit meinen Anmerkungen etwas anfangen.
Keine Sorge, Katla, ich habe eine Reihe von Unschönheiten, die du erwähnt hast, stillschweigend (hoffentlich) bereinigt .

Schönen Gruß nach Finnland und die dortigen Weißen Nächte.

PS: Zu deinem Kommentar, @Isegrims, komme ich gleich.

 

Hi @Dion

ich finde es absolut wichtig über Themen zu schreiben, die relevant sind. Gerade jetzt. Der Text berührt eine der Wunden, die durch die Krise aufgerissen wurden.

Ja, @Isegrims. Und ich bin dafür immer zu haben, wenn auch bei manchen das nicht immer auf Gegenliebe stößt – siehe z.B. die Kommentare zu „Die Würde“.

Du beschreibst das Geschehen in den Krankenhäusern szenisch, bleibt nahe an den Figuren. Dennoch kommt mit das Gefüge zu brachial vor, zu sehr auf die Spitze getrieben.
Klar, aber ich wollte es so. Ich hab’s nicht so mit langem Vorspiel und Erklärungen, warum und wieso – es sollte nur das Nötigste gesagt werden.

Welch ein Zufall, dass der Arzt auf die eigene Großmutter trifft, dass er den Mut (oder die kriminelle Energie?) und die Gelegenheit hat, das gerät auszutauschen, dass (na klar) sind deutscher Arzt irgendwie beteiligt ist. Meiner Meinung nach alles ein bisschen zu viel, zu sehr auf Kante ausgerichtet, zu sehr ein Autor, der den Plot gestaltet, damit untergebracht wird, was er unterbringen will.
Das kann man so sehen, klar, aber ist dadurch die Geschichte unglaubwürdig?

Sprachlich ist das fein umgesetzt.
Danke für die Blumen.

Na ja, die eingeschobenen italienischen Sätze wirken unnatürlich, schließlich ist der restliche Text auch Deutsch.
Der Grund dafür habe ich schon in meiner Antwort zu Katla genannt.

warum klagt denn keiner? Haben die keine Schmerzen?
Wenn man kaum Luft kriegt, kann man auch kaum laut klagen.

Die schweren Fälle schickte man nach links auf die Intensivstation, die anderen nach rechts zum Fahrstuhl, der sie auf normale Krankenzimmer brachte.
könnte man noch zuspitzen und zB an Auschwitz erinnern
Ja, an Ausschwitz habe ich gedacht, aber nicht direkt hingeschrieben. Freut mich, dass du das trotzdem entdeckt hast.

Linda, obwohl schlank, hatte nun einen dicken Hintern und watschelte etwas breitbeinig. Sie trug Windeln, weil sie sonst nach jedem Toilettengang die Schutzkleidung hätte wechseln müssen, die das Krankenhaus kaum noch zur Verfügung hatte.
wirklich eine feine Beobachtung
Danke.

müsste sie nicht Matilda heißen?
Wäre zwar möglich, aber auch im Italienischen können sie Matilde heißen – siehe Matilde di Canossa.

Aber ihre Haut gefiel ihm nicht. Sie war graublau, er vermutete Hypoxie - in diesen Zeiten häufig zu beobachten. Er wusste, ihr den Sauerstoff aus der Flasche passiv zu verabreichen, war nicht genug: Sie musste auf die Intensivstation und künstlich beatmet werden.
auch ein passendes Detail, nur der Autor mischt sich halt ein
Habe die Einmischung getilgt. Danke.

warum muss das eigentlich ein Deutscher sein?
Weil deutsche Ärzte tatsächlich dort im Einsatz waren. Das war auch dadurch bedingt, dass andere Staaten selbst stärker betroffen waren als Deutschland und deswegen keine Ausrüstung und auch keine Ärzte entbehren konnten.

dass sie zu wenige Betten auf der Intensivstation hatten, sondern die jahrelange Vernachlässigung der Infrastrukturen durch den Staat.
okay, jetzt kommt das politische Statement
Dabei war das nicht nur eine Frage des Geldes, es war auch die Unfähigkeit der Region Lombardei, für das Nötige zu sorgen. In der reichen Lombardei, seit sieben Jahren durch die Lega regiert, gab es in dieser Zeit nur Einsparungen und Abbau, was sich jetzt rächte.
s.o.
Hast du nicht verfolgt, wie die Lega jede Schuld für die Situation in der Lombardei von sich wies und die Regierung in Rom für die Misere beschuldigte? Es waren aber lokale Behörden, die dieses Spiel Bergamo-Valenzia in das weit größere Stadion in Mailand verlegten und Zuschauer zuließen, während das Spiel PSG Paris - BVB einen Tag später vor leeren Rängen stattfand. Das Gedränge im Stadion und in den Zügen davor und danach war Hauptgrund, warum Bergamo so schlimm getroffen wurde.

was auch auffällt: die Frau, der die Maske abgenommen wird, bleibt reines Objekt, letztlich auch die Oma.
Klar, nicht alle Personen sind gleich wichtig.

Schön jedenfalls, eine Story von dir zu lesen
Viele Grüße und: gönn dir mal wieder einen Mojito!
Danke fürs Lesen und Kommentieren. Und ja, Mojito und Montecristo, das werde ich mir wieder gönnen. Spätestens dann, wenn du wieder in München weilst. :D

 

Warum nicht der dicke Mann, sondern die alte Frau ausgewählt wurde, war ihre Ähnlichkeit in der Statur mit der Oma. Der Druck, mit dem der Sauerstoff in die Lunge gepresst wird, muss auf den Körper abgestimmt sein. Konkret: Würde die Oma den Platz von dem Dicken einnehmen, müsste man die Apparatur neu einstellen, sonst würde der eingestellte Druck ihr die Lunge zerreißen. Dafür war aber keine Zeit, denn man könnte nicht sicher sein, dass Dr. Ansberg sie mit Absicht allein ließ. So hat Aldo nur eine kurze Unterbrechung, vergleichbar einem Stromausfall, produzieren müssen – und die Geräte liefen einfach weiter mit den alten Einstellungen.
:idee: Oh, sehr interessant, das wußte ich natürlich nicht! Wenn du das ohne infodumping in der Geschichte unterbringen könntest, wäre das durchaus eine Bereicherung.

Liebe Grüße aus dem längsten Tag des Jahres,
Katla

 

Das, @Katla, war schlicht das Ergebnis der Recherche. Ob man die Erkenntnisse daraus in die Geschichte sichtbar oder stillschweigend einfließen lassen soll, das ist eine schwierige Frage. Weil ich sowieso dazu tendiere, zu viel zu erklären, habe ich an dieser Stelle darauf verzichtet, den Grund für die Auswahl zu nennen. Falls hier noch jemand stolpert, werde ich über eine Änderung nachdenken, aber vorerst bleibt das so.

 

Hallo @Dion,

wie schon öfter bin ich aus Kleinkariertheit an deiner Geschichte hängengeblieben, nämlich am ersten Satz, in dem ein Komma fehlt:

Es war elf Uhr abends, als Aldo seinen Dienst antrat.

Er übernahm von seinem Kollegen, der nach sechszehn Stunden endlich nach Hause gehen konnte, einen Flur voll von Patienten, die auf Betten lagen.

Das könnte man vielleicht etwas eleganter, weniger verschachtelt formulieren.

Aldo war alleine mit Linda, einer Krankenschwester, mit der am liebsten arbeitete. Ihre und seine Arbeit war formal einfach:

Das "ihre und seine" mag mir nicht gefallen - ja, ich sehe das Problem, "ihre" alleine würde vermuten lassen, dass es sich nur um Lindas Arbeit handelt, aber vielleicht fällt dir noch etwas Besseres ein.

Aldo schaute zu, wie Linda eine Sauerstoffflasche an das Bett hängte und dem darauf liegenden Mann die Maske aufsetzte und hinter seinen Ohren fixierte. Aldo half ihr KOMMA das Bett aus der Reihe der auf dem Flur wartenden zu schieben, um dann, als sie alleine mit dem Bett unterwegs zum Fahrstuhl war, ihr hinterher zu schauen.

Der doppelte Aldo-Satzbeginn ließe sich bestimmt vermeiden. Zudem glaube ich, dass es "auf dem Flur Wartenden" heißen müsste. Davon abgesehen empfinde ich auch hier den zweiten Satz als zu verschachtelt, zu unelegant. Gut möglich, dass ich damit alleine dastehe, aber ja, das ist nicht die "schöne Sprache", die ich mir von Literatur erhoffe.

Er wusste: Sie trug Windeln, weil sie sonst nach jedem Toilettengang die Schutzkleidung hätte wechseln müssen, die das Krankenhaus kaum noch hatte.
Er wandte sich zum nächsten Bett,

"die das Krankenhaus kaum noch hatte" - auch hier, sorry, wenn ich mich wiederhole, aber das ist keine schöne Formulierung, das ist simple Alltagssprache. Ich verlange keine hochgestochenen, verschwurbelten Sätze mit Schleife dran, aber etwas mehr darf es schon sein.

Oma versuchte etwas zu sagen, doch unter der eng anliegenden Maske kam kein laut.

Laut. Und "unter der eng anliegenden Maske kam kein Laut" ... s. o.

Sie versuchte zu lächeln, was Aldo an ihren zusammengeknifften Augen erkannte.

Als er endlich am Ziel ankam, rannte beinahe einen Kollegen um, der ihm entgegen kam.

rannte er

Wollte gerade zu ihnen kommen und ihnen sagen,

Ihnen, die Dopplung ist unschön

schließlich passierte nicht selten,

es

Patienten liegen in den Fluren stundenlang

Vielleicht: liegen stundenlang in den Fluren

Leider bin ich mit deiner Geschichte nicht warm geworden, Dion. Der Fokus schien mir sehr stark darauf zu liegen, die Missstände aufzuzeigen, die in den Krankenhäusern dort herrschen, ja, ich hatte den Eindruck, dass das ein Thema ist, dass dich selbst in letzter Zeit viel beschäftigt hat - wen nicht - und schätzungsweise hat es dir gut getan, diese Gedanken zu Papier zu bringen.

Aber ja, es hat dabei wie ein Bericht gewirkt, eine Beobachtung eben jener Missstände. Von der Dramatik, die da ja aber eigentlich geschildert wird, ist bei mir nur wenig angekommen, ich habe die Verzweiflung nicht gespürt, die Wut, die Hoffnung, all das, was ich dort eigentlich lese, - und gleichzeitig eben nicht lese. Vielleicht waren mir die Protagonisten dafür zu austauschbar, zu unkenntlich hinter ihren Masken, Jedermenschen (sagt man das mittlerweile so?), und möglicherweise war das sogar dein Ansatz, einfach aufzeigen, fast steril, ohne in Überdramatisierung oder gar in Kitsch zu verfallen. Dafür hätte es für mein Empfinden sprachlich aber anders ausgearbeitet werden müssen, vielleicht verknappter, drastischer, du hast hier ja aber auch teilweise "erzählende" Elemente drin, kleine Abschweifungen, und die passen dann nicht - finde ich. Und dass ich so so gar nicht mitgefiebert habe, das hat mich dann doch schon gewundert.
Um aber mit etwas Positivem zu enden: Das Setting selbst, das Krankenhaus, das hatte ich sehr deutlich vor Augen.

Und trott allem habe ich mich gerne mit deinem Text auseinandergesetzt, danke dir fürs Einstellen!

Bas

 

… wie schon öfter bin ich aus Kleinkariertheit an deiner Geschichte hängengeblieben
Das, @Bas, was du hier abgeliefert hast, war keine Kleinkariertheit, sondern völlig berechtigtes Aufzeigen von Fehlern, die in einem literarischen Text nicht vorkommen dürfen. Rechtschreibung ist z.B. nicht meine Stärke. Das liegt teilweise auch an meiner Ungeduld, mit einer Geschichte endlich fertig zu werden. Denn je mehr ich daran arbeite, desto unzufriedener werde ich: Ich bin mehr fürs Spontane.

Zu den Details:

Er übernahm von seinem Kollegen, der nach sechszehn Stunden endlich nach Hause gehen konnte, einen Flur voll von Patienten, die auf Betten lagen.
Das könnte man vielleicht etwas eleganter, weniger verschachtelt formulieren.
Habe es geändert.

Das "ihre und seine" mag mir nicht gefallen - ja, ich sehe das Problem, "ihre" alleine würde vermuten lassen, dass es sich nur um Lindas Arbeit handelt, aber vielleicht fällt dir noch etwas Besseres ein.
Habe es geändert.

Der doppelte Aldo-Satzbeginn ließe sich bestimmt vermeiden. Zudem glaube ich, dass es "auf dem Flur Wartenden" heißen müsste.
Habe es geändert.

Davon abgesehen empfinde ich auch hier den zweiten Satz als zu verschachtelt, zu unelegant.
Momentan habe ich keine bessere Lösung.

"die das Krankenhaus kaum noch hatte" - auch hier, sorry, wenn ich mich wiederhole, aber das ist keine schöne Formulierung, das ist simple Alltagssprache. Ich verlange keine hochgestochenen, verschwurbelten Sätze mit Schleife dran, aber etwas mehr darf es schon sein.
Habe es geändert.

Ihnen, die Dopplung ist unschön
Ja, die Dopplung ist unschön, aber der Typ redet halt so. :)

Patienten liegen in den Fluren stundenlang
Vielleicht: liegen stundenlang in den Fluren
Habe es geändert.

Die kleineren Sachen habe ich stillschweigend verbessert.

Leider bin ich mit deiner Geschichte nicht warm geworden, Dion.
Das ist natürlich schade.

Der Fokus schien mir sehr stark darauf zu liegen, die Missstände aufzuzeigen, die in den Krankenhäusern dort herrschen
Das war für mich nur ein Nebenaspekt, ein Mittel zum Zweck: Diese Missstände haben dazu geführt, dass der Protagonist eine ethisch fragwürdige Entscheidung traf. Ich wollte das aber nicht werten, sondern dies dem Leser überlassen. Dazu war es notwendig, die Situation neutral zu schildern, d.h. nicht zu dramatisieren, weil das möglicherweise Sympathien für den Prot weckte.

Vielleicht waren mir die Protagonisten dafür zu austauschbar, zu unkenntlich hinter ihren Masken, Jedermenschen (sagt man das mittlerweile so?), und möglicherweise war das sogar dein Ansatz
Ja, genau das war mein Ansatz.

Dafür hätte es für mein Empfinden sprachlich aber anders ausgearbeitet werden müssen, vielleicht verknappter, drastischer, du hast hier ja aber auch teilweise "erzählende" Elemente drin, kleine Abschweifungen, und die passen dann nicht - finde ich.
Ein bisschen was Erzählendes musste ich einstreuen, sonst wäre das tatsächlich nur ein "Tatsachenbericht" geworden.

Das Setting selbst, das Krankenhaus, das hatte ich sehr deutlich vor Augen.
Danke. Manches darin geht auf eigene Erfahrungen zurück in einem Münchner Klinikum. Die Unterschiede zwischen Italien und Deutschland sind in diesem Bereich nicht sehr groß: Dass Deutschland genug Intensivbetten hat, ist mehr den Beharrungskräften zu verdanken als einer vorausschaunden Planung. Konkret: Man wollte auch bei uns diese Zahl reduzieren, bloß wurden diese Forderungen (noch) nicht umgesetzt, weil, anders als in Italien, Spanien oder Frankreich, dieser Druck, unbedingt sparen zu müssen, nicht da war.

Und trott allem habe ich mich gerne mit deinem Text auseinandergesetzt, danke dir fürs Einstellen!
Und ich danke dir fürs Lesen und Kommentieren.

Dion

 

Um die Entscheidung des Protagonisten weniger angreifbar zu machen, habe ich soeben aus seiner Oma seine Schwägerin gemacht. Sie ist wesentlich jünger und Mutter von 3 Kindern.

Dazu hat mich folgendes Interview mit Alena Buyx, den Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, veranlasst – Zitat:

Frage: Die Debatte um begrenzte Ressourcen in der Pandemie ist ähnlich heikel. Wie ist denn Ihre Haltung zur Triage - welche Patienten sollten im Zweifel eine Behandlung bekommen?

Alena Buyx: Was in Italien wohl passiert ist, wäre in Deutschland verfassungswidrig, das haben wir in unserer Stellungnahme deutlich gemacht. Alter, Vorerkrankungen - diese Kriterien dürfen hier keine Rolle spielen. Aber transparente Entscheidungskriterien braucht man dennoch. Als die ersten Bilder aus Italien kamen, dachte ich nur, um Himmels willen. Ich habe da nachts wach gelegen und nachgedacht, was machen wir, wenn es in Deutschland so weit kommt.

Jetzt schieben Sie die Gesetze vor. Aber das Bauchgefühl vieler ist doch wohl, dass man eher die Mutter mit drei Kindern retten sollte als die 92-jährige Oma.

Ich will mich nicht rausreden, aber Sie müssen differenzieren, als was Sie mich fragen: Als Ethikratsvorsitzende verweise ich auf die Stellungnahme der medizinischen Fachgesellschaften, die diese Detailfragen ausgestaltet haben, nachdem wir den Rahmen beschrieben haben. Ich gebe gerne zu, dass der Ethikrat hier auf einem höheren Abstraktionslevel gearbeitet hat. Bauchgefühl ist aber eben für uns kein ausreichendes Kriterium.

 

Hey @Dion,

auch wenn die Geschichte nun schon ein paar Tage älter ist und Du damit eventuell schon "abgeschlossen" hast, ich wollte und will Dir trotzdem gern noch einen Komm schreiben, schon, weil ich mich auch so gefreut habe, mal wieder eine Geschichte von Dir zu lesen. Inzwischen ist schon wieder einiges an Wasser die Flüsse hinabgelaufen, die Leute sitzen nicht mehr in ihren Häusern und Tote werden nicht mehr mit LKWs eingesammelt. Trotzdem holt dein Text noch einmal hoch, was man schon beginnt zu verdrängen. Natürlich ist Corona noch kein Schnee von gestern, im Gegenteil, man sitzt und hardert der Dinge, die da noch kommen können/werden. Aber man glaubt oder hofft, das diese Bilder nicht noch einmal in ihrer Härte über die Bildschirme laufen, das präventive Maßnahmen früher ergriffen werden, man hat dazugelernt. Man kann die Kuh nicht bis aufs Eis laufen lassen. Aber wer hat das vorher schon gewusst?Wem will man da einen Vorwurf machen, mal ab von den Sparmaßnahmen, die kann man sehr wohl verurteilen.

Auch in deutschen Krankenhäusern gab es Arbeitsgruppen, die Pläne zu erstellten, wem man Hilfe zukommen lässt und wem nicht, wenn die Kapazitäten ausgeschöpft sind. Ein Freund von mir saß in einer solchen Arbeitsgruppe und ihm ging es dabei nicht gut. Klar, wer will das schon.
Wer kann sagen, dass die 40jährige Mutter von drei Kindern die größeren Chancen hat, als der Mann von 85 Jahren, wenn beide medizinisch die gleichen Chancen/Nichtchancen hätten.

Und das moralische Dilemma, Blut ist dicker als Wasser, dass will und kann ich nicht verurteilen. Klar ist es objektiv gesehen eine Straftat, aber welcher Arzt kann in dieser Situation objektiv entscheiden? Die haben einen 16 Stunden Tag, durch fehlende Schutzausrüstung riskieren sie ihr Leben und dann sollen die noch ihre Angehörigen sterben lassen, wenn sie die Möglichkeit zur Hilfe haben? Das von den Leuten zu verlangen, ist mindestens genau so unmenschlich. Wenn Mathilde keine Chance hätte und er trotzdem so gehandelt hätte, sähe das anders aus. Es sind Menschen, keine Maschinen und es ist menschlich. Da kann man Ethik betreiben wie man will. Keine Mutter lässt ihr Kind sterben, kein Mann seine Frau, und auch nicht die Oma, Tante, Schwägerin etc., wenn man sie liebt. Und weil die Frau dem Mann (zumal eine italienische) Zuhause dafür den Arsch versohlt, wenn er ihre Schwester opfert. Und das führt dann bis zum Ehekrieg ... mindestens. Kann man so gar nicht gebrauchen in einer solchen Zeit. Hat man schon genug um die Ohren. Da muss man auch mal durchatmen können außerhalb des Krankenhauses. Da will man Zuhause nicht ethischen Fragen ausdiskutieren.

Mir erging es beim Lesen ähnlich wie @Bas und Du schriebst in zur Antwort:

Das war für mich nur ein Nebenaspekt, ein Mittel zum Zweck: Diese Missstände haben dazu geführt, dass der Protagonist eine ethisch fragwürdige Entscheidung traf. Ich wollte das aber nicht werten, sondern dies dem Leser überlassen. Dazu war es notwendig, die Situation neutral zu schildern, d.h. nicht zu dramatisieren, weil das möglicherweise Sympathien für den Prot weckte.

Jetzt komme ich ins Labern, aber der Text ist auch paar Tage alt, da darf man das :)
Ich habe gerade "Billy" von Einzlkind gelesen, wirst Du wahrscheinlich nicht kennen, aber auch hier warf der Autor eine große Frage der Ethik auf. Billy ist ein Auftragskiller. Allerdings nicht für jede Art von Job, sondern er tötet nur Mörder im Auftrag von Angehörigen, denen zuvor Kinder, Familien etc. "abgeschlachtet" wurden. Billy erzählt im Verlauf des Romans seine Geschichte. Der Autor lässt ihn eine Menge Sympathie zukommen. Man mag Billy. Als Menschen. Und doch bleibt Billy ein Mörder und er selbst ist sich dessen auch bewusst. Er selbst fühlt sich denen moralisch nicht überlegen, die er tötet. Das sagt er auch ganz klar. Er tötet für Geld. Es ist ein Familienunternehmen und Billy liebt seine Familie. Das klingt jetzt widersprüchlich, ist aber verdammt gut gemacht, ich habe das der Figur abgekauft. Am Ende sitzt er in der selben Situation wie einst die Leute, denen er gegenüber gesessen hat, bevor er ihnen eine Kugel in den Kopf jagte. Ihm gegenüber ein Psychopath, ein Serienkiller. Billy kann seine Fessel lösen, er hat eine Chance, wenn auch eine ungleich geringere. Der Roman endet mit den Worten: Peng. Danach nichts mehr, nur weiße Seiten. Man erfährt nicht, wie es ausgegangen ist, wer von beiden nun schneller an der Waffe war, die auf dem Tisch lag. Im ersten Moment fand ich das doof, ich wollte, das Billy überlebt (und ich wollte das vom Autor hören, um Gewissheit zu haben), kurz danach aber dachte ich, fuck, Billy ist aber auch ein Mörder. Der Autor hat mich mit meinen eigenen Moralvorstellungen konfrontiert, sie auf den Prüfstand gestellt. Worauf ich hinaus will, ich war viel, viel mehr selbst in das Dilemma einbezogen, eben weil mir Billy sympathisch gemacht wurde. Das mal als Kontra zu deinen Überlegungen. Ich mein, wenn es nun die Tochter des Arztes wäre, würden wir ihn dann weniger "ethisch verurteilen"? Das Du es dem Leser überlässt, sich ein Urteil zu machen, finde ich gut, aber Du machst es ihm leichter, indem Du es so anlegst, wie Du es anlegst. Meine Meinung.

Und jetzt noch drei Dinge, die mir ins Auge sprangen:

Und musste lächeln: Linda, obwohl schlank, hatte nun einen dicken Hintern und watschelte etwas breitbeinig. Sie trug Windeln, weil sie sonst nach jedem Toilettengang die Schutzkleidung hätte wechseln müssen.
Das finde ich wirklich entwürdigend. und warum nur die Schwestern, warum er selbst nicht? Da könnte ich mich schon wieder drüber aufregen. Die Schutzkleidung für Ärzte ist ja mindestens genauso knapp und die hygienischen Auflagen ebenfalls identisch.

Matilde versuchte etwas zu sagen, doch unter der eng anliegenden Maske kam kein Laut.
Der Satz ist irgendwie kaputt.

Der Husten steigerte sich, wurde heftiger, zwang sie, sich teil(e)weise aufzurichten.

Aldo fühlte ihren Puls – und war erleichtert: Das Herz arbeitete und sie atmete auch, wenn auch nur flach.
Aufs erste könnte ich verzichten.

In Italien kamen neun solche Betten auf einhundert tausend Einwohner, Frankreich hatte fast doppelt so viele
ein Wort

„E ora?“KOMMA fragte Linda.

Warum liegt sie hier und nicht Matilde?KOMMA dachte Aldo.

NurKOMMA weil sie eine halbe Stunde vorher an der Reihe war?

Sie sah Aldo über sie gebeugt und lächelte.
über sich gebeugt

Ich ziehe meinen Hut vor all den Ärzten und Rettungssanitätern bei Großunfällen, die je in diese Entscheidungssituation kamen. Sicher etwas, was einen auch lange nicht loslässt.

Danke für diesen Text Dion! Großes Thema, keine Frage.
Beste Grüße, Fliege

 

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