Was ist neu

Serie Jäger des Schattens - Phinexas

Mitglied
Beitritt
27.12.2005
Beiträge
128
Zuletzt bearbeitet:

Jäger des Schattens - Phinexas

Sein Mund war trocken, sein Rachen ausgedörrt. Im Nacken spürte er ein unheimliches Stechen, das davon herrührte, dass er im Sitzen vor dem Fernseher eingeschlafen war.
Das Licht hatte er nicht ausgemacht, es tat ihm weh in den Augen. Ihm fehlte jedoch die Kraft, um sich zu erheben und es abzudrehen.
Er schnappte sich den randvollen Aschenbecher und schleuderte ihn mit bewundernswerter Präzision in Richtung des Lichtschalters, den er auch traf, zu seinem Leidwesen aber nicht richtig.
Die Stummel der Kippen mitsamt der Asche hatten sich mit dem restlichen Unrat auf dem Teppich vermengt, sodass hier ein fruchtbarer Boden für Parasiten und Schmarotzer jeglicher Art im Inbegriff des Entstehens war. Während er sich mit beiden Händen die Asche, die außer am Fußboden auch überall auf seiner Hose verteilt war, abklopfte, sah er sich nach Trinkbarem in der Nähe um.
Nichts da. Der Durst prügelte die Scheiße aus ihm heraus, schnürte seine Kehle zu, quälte ihn. Seit zwei Tagen hatte er nichts getrunken...
Es bereitete ihm große Mühe, sich zu erheben. Sein linker Unterschenkel lag in Fetzen, das Fleisch hing eher lose in Fasern denn in Muskeln vom Knochen. Auf dem konnte man mehrere kleine Kratzer, mit dem bloßen Auge kaum erkennbare kleine Kerben erkennen. Offensichtlich handelte es sich um Bissspuren.
„Der Dreck heilt auch immer langsamer“, dachte er sich, schloss die schwer verquollenen, weil noch immer vom Licht geschockten, Augen und wuchtete hoch, indem er sich kräftig mit den Armen wegstieß. Als er dann gerade stand, knickte sein Bein ein, und er musste sich an der praktisch immer offen stehenden Schranktür festhalten. Chaos kann so behilflich sein.
Trotz seiner miesen Laune überkam ihn ein wohliges Gefühl, als er sah, wie zwei lose hängende Muskelfaserbündel aneinander trafen, eine die andere umspielten, sich berührten, um sich dann am Ende miteinander zu verbinden. Ein beinahe poetischer Anblick, den der Heilungsprozess da bot.
Als er jünger war, dauerte dieser Vorgang höchstens zwei bis drei Stunden, nun aber waren schon vier Tage seit der schicksalshaften Wiener Vollmondnacht vergangen, und die Regeneration ging ziemlich schleppend vor sich.
Seit Tagen wartete er schon auf eine Vorladung des obersten Sippenrates von Wien, um für sein Versagen gerade zu stehen. Doch die war noch immer nicht da, und so war das nächste, das ihm durch den Kopf ging die Tatsache, dass er schiffen musste.
Sein Durst ließ ihm keine Ruhe, doch schiffen musste er mindestens genauso dringend. Das eine schließt das andere jedoch keineswegs aus.
So stand er dann, nach einem spießrutenartigen Lauf zur Küche, an Plastikbechern und leeren Chipstüten vorbei, da und leerte sich den letzten Rest Blut, der noch in einer Konserve im Kühlschrank war, in den Rachen, während er seine Blase in die Spüle hinein entleerte.
Ein Bild für Götter.
Zurück im Wohnzimmer ließ er sich auf die Couch fallen und beschloss, eine weitere Runde zu pennen, um seinem Körper keine Energie wegzunehmen, die er brauchte, um den grauenhaft zugerichteten Unterschenkel zu sanieren.
Im Moment, als sein Körper den Couchbezug berührte, ging die Fensterscheibe zu Bruch, von einem unheimlichen Krach und Geklirre begleitet prasselten die Glasscherben auf den Boden. Eine Kugel fuhr durch seine Schulter, eine andere streifte sein Ohr und noch ein Dutzend weiterer bohrten sich in die Wände, eine nach der anderen und schlugen dicke Stücke vom Putz runter.
Ehe er sich weiter versehen konnte, lag er schon am Boden, von plötzlichen, wellenartigen Krämpfen geschüttelt, geplagt. Wie ein Fötus, im Fruchtwasser Schutz suchend, lag er zusammengekrümmt am Boden. Der unglaubliche, alles versengende Schmerz ließ die Kapillare in seinen Augen reißen, das modrige weiß in ihnen wurde dunkelrot durchsetzt, die Blutströme liefen von den Augenrändern weg hin zum sperrangelweit offenen Mund, ergossen sich über die Lippen auf die beinahe erstarrte Zunge, deren Spitze nur leicht vibrierte, im Takt der Schmerzen tanzte.
Wenn er nicht schon tot wäre, jetzt hätte er sich das Ende herbeigesehnt.
Denn er ahnte, was ihm jetzt bevorstand.
Phinexas Stimme war kühl, frostig, klirrender als die Neujahrskälte, die durch das zerbrochene Fenster in die Wohnung strömte. Trotzdem klang kein Hass aus ihr heraus. Dafür war er ihr viel zu nichtig. Sie war hier, um den Befehl des Sippenrates auszuführen. Von wegen Vorladung.
Sie war eine schöne, wenn auch nicht mehr so junge Frau. Ihre pechschwarzen, fast schon metallisch schimmernden Haare fielen ihr in Dreads über die Schultern, die dünnen, grotesk rot geschminkten Lippen stachen grell aus ihrem porzellanweißen Gesicht hervor.
„Jegor, mein Sohn, bist du wieder schwach geworden? Warum lebt das Mädchen noch? Ach, zum Belial, Jegor, hat dir eine Lektion nicht gereicht?“, während sie so sprach, betrachtete sie seinen verletzten Schenkel.
Als der Mann zum Reden ansetzen wollte, zog sie ihre langen, knöchrigen Finger ein wenig zusammen, beinahe eine Kralle formend, und mit jedem Millimeter, den sie sich nach innen bewegten, stieg der Schmerz in seinem Körper.
„Ruhig, mein Guter. Ja, wir waren das. Wir haben den tollwütigen Köter auf dich losgelassen, als deine Abwehrkräfte am Boden waren. Warum? Du hast versagt, Jegor, du hast versagt. Das Mädchen lebt heute noch, sieh doch mal.“
Mit seinen Augen konnte er in dem Zustand nichts sehen, jedoch war Phinexas mächtig genug, die Bilder vor seinem geistigen Auge entstehen zu lassen. Die Bilder des Mädchens, wie es das blutige Nachthemd in den Wäschekorb warf, und auf dem Fensterbrett sitzend an seinem Orangensaft trank.
Phinexas spreizte die Finger, und der Schmerz verließ, beinahe ruckartig, den Körper des am Boden liegenden Mannes.
Obwohl ihm sogar das Atmen noch Probleme bereitete, setzte er zum Reden an.
„Aber wie... wie zum...“ der Rest des Satzes blieb in seiner Kehle stecken, denn die Vampirin ballte die Finger zu einer Faust.
Die modrigen Knochen hörte man kaum, als sie in sich zusammenfielen, splitterten, pulverisiert wurden durch den übermenschlichen Druck, der auf sie ausgeübt wurde. Telekinese.
Sie winkte den Schergen herbei, der für sie das Fenster eingeschossen hatte. Ein Vampir ihres Ranges macht sich nicht die Hände an menschlichen Waffen schmutzig.
Durch die Tür hatte sie nicht kommen wollen, denn die Möglichkeit, dass dieser Junkie in Ausbildung selbige durch einen Bann hatte schützen lassen, war nicht auszuschließen. Das zum Hof gerichtete Fenster konnte sie im Gegensatz zur Tür mit dem bloßen Auge nach Schutzvorrichtungen oder Bannsprüchen überprüfen, da keine Wand oder Vorhänge ihre Sicht störten.
„Räum hier auf. Ich kümmere mich derweil um die Kleine. Schade, den mochte ich besonders. Konnte keiner wissen, dass er sich in das Mädchen verliebt.“, wenn ihr Herz nicht schon vor Jahrhunderten zugefroren wäre, hätte sie vielleicht Mitleid für das Häufchen Knochenmehl und Haut in der Ecke empfunden.
„Herrin, eine Frage habe ich noch: Er hat sie doch tatsächlich besucht. Zwei mal sogar. Beim ersten Mal, klar, da hat er sich nicht getraut. Wurde dafür auch bestraft. Aber beim zweiten Mal hat er sie doch gebissen, ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Wie kann es sein, dass sie noch lebt? Wie?“, der Scherge, eine Mischung aus Wasserleiche und Modefanatiker, der die rechte Hand von Phinexas darstellte, konnte die Welt nicht verstehen.
Jegor war ihm sehr sympathisch, zwar etwas langsam, aber nichts desto trotz hochintelligent. Ein schlauer Mann, der eben sehr spät zum Vampir geworden war, und dadurch Vieles nicht so schell erfassen konnte, wie die, die schon ihr ganzes Leben lang tot waren. Die, die schon in früher Jugend zu den Untoten gewechselt waren, oder bereits tot geboren wurden. Und durch natürlich gesteuerte Selektion nicht zum natürlichen Schicksal vorbestimmt waren, sprich unter die Erde zu kommen und zu vermodern, ohne diese jemals von oben gesehen zu haben, sondern sich dank ihrer Gene einer neuen, besseren Rasse anzuschließen.
„Das wird sich noch weisen, Ilia, das wird sich weisen. Komm mir sofort nach, verlieren wir keine Zeit. Vor Vollmond müssen wir das Mädchen haben, bevor die Organisation Lunte riecht und sie in Schutz nimmt.“
Mit diesen Worten wandte sie sich von ihrem Helfer ab, gelangte durch einen Satz in den Hof, drei Stockwerke tiefer, und hatte nur mehr ein Bild vor Augen. Das Mädchen...

 

"Phinexas" ist die erste der "Jäger des Schattens"-Folgen, bezüglich der namensgebenden Prot natürlich, die nächste... demnächst.

 

Hallo Antti1,
mehr Vampirgeschichten, hmm, aber begeistert bin ich immer noch nicht. Zwar weichst du hier wieder vom Klischee ab (normalerweise müssen Vampire nicht aufs Klo), aber was der Vollmond damit zu tun hat, erschließt sich mich nicht so ganz. Dazu kommen noch merkwürdige sprachliche Wendungen: Er hat das Licht nicht abgemacht? Huh? Ich würd's ausmachen...
Dazu kommt noch, dass du Vorzeitigkeit hartnäckig in der einfachen Vergangenheit schreibst. Das ist irritierend beim Lesen. Was ich aber an dem Text am schlimmsten fand, war die fehlende Perspektive: Auf diese Art und Weise ist es mir nicht möglich, mich mit irgendwas oder irgendwem zu identifizieren - eine Geschichte ist kein Film, ich möchte drin sein, nicht davor.

Tut mir Leid, dass das schon wieder ein Totalverriss war. Wirklich. Aber beim letzten Mal hast du ja noch einiges gerissen.

gruß
vita
:bounce:

 

Hy vita. Du, das mit dem Totalverriss macht ja nix, schätze ja jede Meinung und Kritik. Für den Vollmond baue ich noch eine Erklärung ein, jessas, hab sie vergessen, hoppla. Das mit der Zeit habe ich automatisch so gemacht, ohne nachdenken, könntest du mir vielleicht sagen, wo das störend oder holprig ist? bin gern bereit, zu überarbeiten und zu lernen. Und die fehlende Perspektive... wie meinst du das? ich habe das hier nicht, wie den Prolog, in der personalen Erzählweise geschrieben, sondern eher wie einen Kurzfilm angelegt (wie er sich vor meinem, sorry für den Ausdruck, geistigen Auge abgespielt hat), zu dem dann noch zwei oder drei solche KG's kommen (und jeweilige Personen erläutern, wie hier Phinexas), am Ende werden die Geschichten auf eines hinauslaufen... wie gesagt, ein großes Danke für die schnelle Kritik. ps: ich fange die Geschichte absichtlich nicht mit dem (zu vorstellenden) Prot an... wie kam das bei dir an?

 

Nochmal hallo Antti1,
es ist mir aufgefallen, dass du nicht aus der Perspektive des Protagonisten berichtest, sondern aus der dritten Person heraus beschreibst, was passiert. Es ist mir auch aufgefallen, dass du nicht mit der eigentlichen Hauptperson einsteigst. Das erste Mittel halte ich für grundsätzlich des Teufels, das zweite ist gar nicht schlecht, aber die Unsetzung hapert noch.

Eine Geschichte ist kein Film, der Fokus eines Textes nicht die Kamera. Wenn du Details beschreibst, wirst du den Leser damit eher langweilen und ihn außenvorlassen, weil seine Fantasie nicht die Details zu einem Gesamtbild zusammensetzt, sondern die Eindrücke. Wir sind darauf angewiesen, in einer Geschichte das Geschehen durch die Augen eines anderen wahrzunehmen. Achte mal darauf, wenn du andere Geschichten oder Bücher liest. Nur Sachbücher beschreiben, alles andere erzählt.
Die von dir gewählte Perspektive lässt den Leser nicht in die Geschichte. Das ist ihr Problem, ist es immer schon gewesen.

Das zweite Mittel ist das späte Auftauchen der Hauptperson. Natürlich ist es eine gute Idee, zunächst eine andere Person einzuführen, um die Protagonistin aus deren Perspektive beleuchten zu können. Stephen King macht das häufig, vielleicht ist es dir mal aufgefallen bei ihm.
Hier ist wieder das Problem, das ich mit diesem Text habe: Du hast keine Perspektive. Die "Kamera" beschäftigt sich mit deinem anderen Typen, bis sie irgendwann schwenkt. Dafür gibt es wenig bis keine Gründe. Der Leser ist höchstens verwirrt, weil er aufgrund der mangelnden Perspektive die zuerst auftretende Person für die wichtigste hält. Stell dir vor, du siehst dir einen Kongress zu einem Thema an, das dich nicht interessiert und von dem du nichts verstehst. Du würdest die Wichtigkeit der Redner an der Zeit und Dauer ihres Auftritts bemessen, odeR?

Die Plusquamperfekt-Sache ist mir zum Beispiel hier aufgefallen:

Ein beinahe poetischer Anblick, den der Heilungsprozess da bot.
Als er jünger war, dauerte dieser Vorgang höchstens zwei bis drei Stunden, nun aber waren schon vier Tage seit der schicksalshaften Wiener Vollmondnacht vergangen
Ein Teil der vorzeitigen Handlung steht hier im selben Tempus wie der Rest des Textes und ist von daher nicht als Vorzeitigkeit zu erkennen. Guck dazu mal in den Allgemeinen Infothread im KC, da stehts genau erklärt.

so far,
vita
:bounce:

 

@Basti08: Danke für die Kritik. Anne Rice? Habe nur von ihr gehört, selber gelesen nicht. ok, die Perspektive... denke mal, da lässt sich in Zunkunft was machen, wenn das gleich zwei (den einzigen) Kritikern ein Dorn im Auge ist. was die "Heilung" angeht: Klischees müssen doch wirklich nicht immer stimmen... lg

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom