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SCK

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27.04.2020
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November 1988

Angelika Weber setzte den Stift auf das Blatt Papier, hielt kurz inne. Tat sie das Richtige? Sie wischte den Gedanken beiseite. Ihr Wunsch nach einem Kind war immens stark. Deshalb war sie nach Tschechien gereist. Jetzt kneifen? Nein! Mit zittriger Hand unterzeichnete sie die Einverständniserklärung und schob dem Arzt ein Kuvert entgegen. Er öffnete es nur kurz, sah ein Bündel 1000-Schilling-Scheine, das reichte ihm. Nachzählen würde er später. Bisher war der Betrag immer korrekt gewesen.

»Ich gratuliere Ihnen Frau Weber, sie werden bald eine glückliche Mutter sein.«

August 2018

Maximilian Weber war endlich in seinen eigenen vier Wänden angekommen. Die Verhandlungen hatten bis spät in die Nacht gedauert, waren anstrengend. Letztlich kamen sie zu einem erfolgreichen Abschluss. Der Verkauf der Leasing-Tochtergesellschaft würde neues Kapital in den Konzern bringen. Die Geschäftsführer waren mit dem Ergebnis zufrieden. Er gönnte sich sein allabendliches Glas Cognac. Pflichtbewusst nahm er sein Handy. Nur noch rasch die Mobilbox abhören, und dann schlafen. Eine Nachricht stammte von einer ihm unbekannten Rufnummer:

»Guten Abend, Krankenhaus Nussdorf, Schwester Anna. Es geht um ihre Mutter, Angelika Weber, bitte rufen Sie uns umgehend zurück. Sie erreichen uns unter der Rufnummer 753-34-56.«

Seine Mutter? Ein mulmiges Gefühl überkam ihn. Er hatte vor Jahren den Kontakt zu ihr abgebrochen, weil sie sich – trotz hartnäckigem Nachfragen seinerseits – weigerte, ihm die Identität seines Vaters preiszugeben. In seiner Pubertät waren sie deshalb immer wieder aneinandergeraten. Als die Konflikte immer heftiger wurden, schickte sie ihn ins Internat. Das war eine schwierige Zeit. Für die anderen Jugendlichen war er immer nur der Junge, dessen Vater sich aus dem Staub gemacht hatte. Es war kurz nach zwei Uhr nachts. Zu spät für einen Rückruf entschied er.

Maximilian hatte eine unruhige Nacht. Um sechs Uhr morgens hielt es ihn nicht mehr im Bett. Seine Gedanken kreisten immer wieder um die Nachricht auf seiner Mobilbox und um seine Mutter. Ihr 65. Geburtstag stand kurz bevor. In den letzten Wochen hatte er mehrmals überlegt, ob es nicht an der Zeit wäre sich auszusöhnen, Frieden zu schließen mit der Vergangenheit. Maximilian stand auf und kontaktierte das Spital. Die Information, die er bekam, machte ihn hellwach. Eilig nahm er die Kleidung, die noch vom Vortag herumlag, zog sie an und raste los.

Als Maximilian im Krankenhaus Nussdorf eintraf, wurde er bereits bei der Anmeldestelle der Palliativstation erwartet.

»Herr Weber, es tut mir leid, Ihre Mutter ist bereits friedlich eingeschlafen«, erklärte ihm die diensthabende Krankenschwester.

Sein vom Laufen gerötetes Gesicht verlor jegliche Farbe. Wie jetzt? Was jetzt? Wut wechselte mit Enttäuschung, Traurigkeit mit Schuldgefühlen. Weshalb hatte er gestern nicht sofort zurückgerufen?

»Möchten Sie sie noch einmal sehen?«

Die Frage traf ihn unerwartet. Wollte er? Maximilian zögerte.

»Ich begleite Sie auch gerne.«

Maximilian nickte und folgte der Krankenschwester in den Verabschiedungsraum.

Da lag sie nun – seine Mutter – schmal war sie geworden. Ihr Körper gezeichnet vom Krebs. Trotzdem wirkte ihr Gesichtsausdruck irgendwie friedlich, als ob sie mit sich im Reinen wäre. Er setzte sich auf den Stuhl seitlich bei ihrem Bett. Rückte ihn näher. Maximilian sah zum ersten Mal eine Tote und dann war es auch noch die eigene Mutter. Die Situation überforderte ihn vollkommen. Jahrelang gab es keinen Kontakt. Es herrschte absolute Funkstille zwischen ihnen. Nun war die Stille eine andere. Er streckte seine Hand aus, wollte die ihre berühren, zog sie wieder zurück. Die Krankenschwester nahm seine Hand und legte sie behutsam auf die seiner Mutter. Ein kurzer Schauer durchfuhr seinen Körper. Er spürte die nahenden Tränen, ließ ihnen freien Lauf, zuerst leise dann wurde es ein lautes Schluchzen. Er senkte seinen Oberkörper, legte seinen Kopf auf die gefalteten Hände seiner Mutter. So nahe war er ihr Zeit seines Lebens wohl nie gewesen. Vielleicht als kleiner Junge doch nicht als erwachsener Mann. Die Krankenschwester ließ ihm die Zeit, die er brauchte, um sich zu verabschieden. Er wusste nicht, wie lange er in dem Zimmer gewesen war, als er aufstand, begleitete sie ihn hinaus. Maximilian bedankte sich und wollte einfach nur weg, raus aus dem Spital. Die Krankenschwester hielt ihn zurück.

»Herr Weber, da ist noch eine Sache.«

Sie riss ihn aus seinen Gedanken.

»Ja?«

»Ihre Mutter hat uns gebeten, Ihnen diesen Brief zu übergeben, falls sie es selbst nicht mehr tun kann.«

Sie händigte ihm den Brief aus, sprach nochmals ihr Beileid aus und verabschiedete sich.

Maximilian stand da, das Kuvert in Händen. Langsam setzte er sich in Bewegung, nahm den Lift in die Garage. Wie in Trance ging er zu seinem Auto, öffnete die Autotür und nahm Platz. Er musste sich erst einmal besinnen, atmete tief durch. Sein Blick fiel auf den Brief. Sollte er ihn öffnen? Hier? Seine Neugierde siegte. Er riss das Kuvert auf, nahm den Briefbogen heraus und begann zu lesen.

»Lieber Maximilian,

wenn du diesen Brief in Händen hältst, bin ich bereits vorausgegangen. Nun ist es an der Zeit, Dir eine Antwort zu geben auf Deine, mich so oft quälende, Frage.«

Maximilians Herz raste. Er überflog Satz für Satz.

»Zeit meines Lebens habe ich mit meiner Entscheidung gehadert – meinem innigen Kinderwunsch nachgegeben zu haben. Oft habe ich mich gefragt, ob meine Entscheidung richtig war oder doch zu egoistisch. Wenn ich Dich, diesen kleinen süßen Jungen vor mir sah, dann wusste ich, es konnte kein Fehler gewesen sein, nicht wenn Du, Maximilian, das Ergebnis davon bist. Was ich jedoch bereue, ist die Lüge, mit der ich dich aufwachsen ließ.«

Die folgenden Zeilen lösten ein neuerliches Gefühlschaos in Maximilian aus. Er hatte mit vielem gerechnet, doch nicht damit. In unzähligen Therapiestunden hatte er versucht aufzuarbeiten, weshalb sein Vater die Familie, insbesondere ihn, verlassen hatte. Stets überkam ihn dabei das Gefühl, er könnte der Grund dafür gewesen sein. Jetzt war alles anders. Ärger und Wut kamen in ihm hoch. Sein Blick blieb an dem letzten Satz hängen: »Jetzt kennst du die Antwort.«

Ja, nun wusste er Bescheid, doch wohin mit all seinen Gefühlen? Er legte den Brief auf den Beifahrersitz. Die beigefügten Dokumente würde er in Ruhe zu Hause sichten. Er steckte den Schlüssel in das Zündschloss und startete den Motor.

In den nächsten Wochen las er den Brief immer wieder. Er durchforstete die Unterlagen und recherchierte. Nach und nach reifte ein Entschluss in ihm. Maximilian sah keine andere Möglichkeit mehr – er würde Dr. Lehner mit den vorliegenden Fakten konfrontieren.

November 2018

»Herr Mag. Weber, Zimmer zwei«, schallte es durch den Lautsprecher im Warteraum. Maximilian erhob sich. Sein Herz pochte heftig, gleich würde er ihm gegenüberstehen. Ein tiefer Atemzug, dann öffnete er die Tür. Dr. Lehner saß in einem weißen Ledersessel mit hoher Lehne. Maximilian erkannte ihn sofort. Das Foto auf der Homepage der Geburtsklinik „Zum goldenen Storch“ schmeichelte ihm.

»Dr. Lehner«, stellte dieser sich vor und deutete ihm, auf einem Stuhl Platz zu nehmen.

»Was führt Sie zu mir, Herr Mag. Weber?«

»Ich brauche Antworten. Ich will die Wahrheit wissen und Sie kennen sie«, antwortete Maximilian mit fester Stimme.

Dr. Lehner sah ihn irritiert an.

»Wovon sprechen Sie?«

»Sagen Sie mir, wer mein Vater ist!«

Dr. Lehner lachte hell auf.

»Wie kommen Sie auf die Idee, dass ich weiß wer Ihr Vater ist?«

»Sie haben mich auf die Welt gebracht. Ich will wissen, wie es dazu kam?«

Dr. Lehner verzog keine Miene.

»Wissen Sie wie viele Geburten ich begleitet habe? Sie können unmöglich erwarten, dass ich mich an Ihre erinnere.«

Maximilian zog den Stuhl näher zu dem Schreibtisch, beugte sich nach vorne und sah dem ärztlichen Leiter direkt in die Augen.

»Meine Recherchen haben ergeben, dass meine Mutter, Angelika Weber, vor dreißig Jahren bei Ihnen hier in der Klinik war. Sie haben ihr zu einer künstlichen Befruchtung geraten.«

Dr. Lehner wirkte gelangweilt.

»Auch das ist nichts Ungewöhnliches, Herr Mag. Weber. Kommen Sie endlich auf den Punkt.«

»Meine Mutter war damals 35 Jahre alt«, Maximilian machte bewusst eine Pause, ehe er fortsetzte.

»Sie war alleinstehend, ohne Partner.«

Dr. Lehner richtete sich in seinem Chefsessel auf.

»Dann, Herr Mag. Weber, werde ich sicherlich keine künstliche Befruchtung vorgenommen haben. In Österreich ist diese nur für Paare erlaubt.«

»Das ist mir als Jurist sehr wohl bekannt. Deshalb haben Sie für meine Mutter eine künstliche Befruchtung in Tschechien organisiert. Sie haben die Hormonbehandlung in Wien durchgeführt und die notwendigen Kontakte zur Klinik in Tschechien hergestellt. Diese Klinik verweigert mir unter Berufung auf den Datenschutz des Samenspenders jegliche Auskunft.«

»Sie werden mir …«

»Ich bin noch nicht fertig und Sie hören mir gefälligst zu. Sie umgehen die österreichischen Gesetze und ich bin mir sicher, dass ich kein Einzelfall bin. Sie sind derjenige, der diesen Deal mit den künstlichen Befruchtungen eingefädelt hat. Ihre Vermittlungsdienste wurden finanziell sicher gut honoriert. Für Sie sollte es also ein Leichtes sein, die Daten meines Vaters zu eruieren.«

»Bei allem Verständnis für Ihre Emotionalität. Sie verkennen die Sachlage. Sie müssen mir dankbar sein, dass Sie überhaupt auf der Welt sind«, antwortete er gönnerhaft.

Dr. Lehner stand auf. Er wollte das Gespräch möglichst rasch beenden und diesen unangenehmen Menschen aus seiner Praxis haben.

»Ich Ihnen dankbar sein? Sie haben keine Ahnung, was es bedeutet, ohne Wurzeln aufzuwachsen, sich immer wieder zu fragen, wessen Gene man in sich trägt. Entweder Sie besorgen mir die Kontaktdaten meines Vaters«, er hielt kurz inne »oder ich gebe einem dieser Aufdecker-Journalisten ein kleines, feines Interview.«

»Wollen Sie mich erpressen?«

»Sagen wir, ich bin einfach nur besorgt um Ihren guten Ruf. Denken Sie in Ruhe darüber nach, ob Sie mich bei der Suche nach meinem Vater unterstützen wollen. Ich gebe Ihnen vierzehn Tage Zeit. Das sollte reichen.« Maximilian legte seine Visitenkarte auf den Tisch.

»Ich bin für Sie jederzeit erreichbar.«

Dr. Lehner wirkte erstaunt. Noch ehe er antworten konnte, verließ Maximilian grußlos den Raum.

Einige Tage vergingen ohne irgendeine Reaktion. Maximilian gab die Hoffnung langsam auf. Möglicherweise hatte er Dr. Lehner doch zu sanft zu überzeugen versucht? Neun Tage nach dem Gespräch erhielt er einen Brief ohne Absender. Im Kuvert lag ein Zettel, darauf standen ein Name und eine Adresse, mehr nicht.

Februar 2019

Drei Monate nach dem Gespräch mit Dr. Lehner, machte Maximilian sich auf den Weg nach Tschechien. Bevor er in den Zug stieg, kaufte er in der Trafik eine Ausgabe des Monatsmagazins „Fakten“. Gerade noch rechtzeitig erreichte er den Zug. Maximilian suchte seinen reservierten Sitzplatz. Er nahm einen Schluck von seinem Coffee-to-go, verbrannte sich leicht die Zunge dabei. Dann schlug er die Zeitschrift auf, überflog das Inhaltsverzeichnis und blätterte zur Seite zweiunddreißig. Die Headline „Das Geschäft mit dem künstlichen Leben“ ließ ihn schmunzeln. Auf der Seite prangte ein Foto des Geburtshauses „Zum goldenen Storch“ und eines von Dr. Lehner. Maximilian verspürte Genugtuung. Er lehnte sich zurück und genoss es, jede einzelne Zeile des Artikels zu lesen. In knapp vier Stunden wird er seinem Vater in Prag gegenüberstehen.

 

PS: Jetzt kennst du die Antwort
Man spürt, dass dir dieser Satz wichtig ist. Er kommt etwas sehr plötzlich, nach dem kurzen Spannungsaufbau vorher. Wenn du der Hauptperson mehr Persönlichkeit, die dem Leser die Hauptperson sympathischer macht, einspielst, in dem du mehr Details über ihren Charakter beschreibst, dann wirkt der Satz nicht so abrupt.

Der Part mit dem Arzt ist lebendig vor meinen Augen und wenn man wirklich etwas mehr über die Hauptperson wüsste, würde man mit ihr noch mehr mitfühlen.

Aber am Ende wollte ich schon wissen, wie die Geschichte fortgesetzt werden würde in Prag - da hattest du meine Neugier geweckt.

 

PS: Jetzt kennst du die Antwort
Man spürt, dass dir dieser Satz wichtig ist. Er kommt etwas sehr plötzlich, nach dem kurzen Spannungsaufbau vorher. Wenn du der Hauptperson mehr Persönlichkeit, die dem Leser die Hauptperson sympathischer macht, einspielst, in dem du mehr Details über ihren Charakter beschreibst, dann wirkt der Satz nicht so abrupt.

Der Part mit dem Arzt ist lebendig vor meinen Augen und wenn man wirklich etwas mehr über die Hauptperson wüsste, würde man mit ihr noch mehr mitfühlen.

Aber am Ende wollte ich schon wissen, wie die Geschichte fortgesetzt werden würde in Prag - da hattest du meine Neugier geweckt.


Hallo prosanne,
herzlichen Dank fürs Lesen meiner Kurzgeschichte und dein Feedback!
Es freut mich, dass du den Dialog mit dem Arzt lebendig erlebst und ich dich am Ende neugierig gemacht habe.
Deinen Hinweis bzgl. Charakter und Hintergrundwissen zu meiner Hauptfigur finde ich spannend, das werde ich überdenken, bzw. überlegen, was ich davon noch einarbeiten kann.
Nochmals lieben Dank und liebe Grüße, SCK

 

Hallo @SCK und willkommen hier!
Das Thema deiner Geschichte hat mir gefallen. Grundsätzlich hast du das Ganze auch spannend aufgebaut, ich wollte wissen, wie es weitergeht. Wobei du mit der Anfangsszene das Geheimnis ja schon lüftest. Ich hätte es besser gefunden, wenn du gleich bei Maximilian angesetzt hättest und sich dann im Laufe der Story langsam entfaltet hätte, dass es den Vater eigentlich gar nicht gibt, zumindest nicht als Partner der Mutter. Das hätte es für mich noch spannender gemacht.

Was mich stört, ist die Unpersönlichkeit der Figuren. Maximilian bekommt ein bisschen Gesicht, dadurch, dass ich das eine oder andere über ihn erfahre. Die restlichen Figuren bleiben gesichtslos - bis auf den Arzt, aber der wirkt nicht wie ein echter Mensch, sondern zu überzeichnet. (Herr Mag. Weber) Ich denke, du wolltest mit der Arzt-Szene seine Unmenschlichkeit darstellen, und dass Maximilian eben nur eine Nummer unter vielen ist. Der Arzt hat es ja auch faustdick hinter den Ohren. Nur wirkt das an der Stelle unglaubwürdig auf mich, das müsste mMn subtiler kommen, so dass ein unangenehmes Gefühl zwischen den Zeilen mitschwingt. Dieses Überspitzte hat zwar auch was, aber dann müsste auch der Rest der Geschichte so aufgebaut sein, dann würde es passen. So fällt es für mich aus dem Rahmen und wirkt nicht authentisch.
Ich versuche das mal an ein paar Textbeispielen zu zeigen und auch, was mir sonst noch aufgefallen ist.


Sie wollte ihn sich erfüllen
Der Satz könnte gestrichen werden, denn das geht schon aus dem Gesagten hervor.

Bisher war der Betrag immer korrekt gewesen.

Der Verkauf der Leasing-Tochtergesellschaft würde neues Kapital in den Konzern bringen. Die Geschäftsführer waren mit dem Ergebnis zufrieden.
Irgendwie werde ich nicht so recht schlau aus dem, was Maximilian macht. Hier klingt es, als wäre er der Leiter einer Firma, später sagt er, er wäre Jurist.

Pflichtbewusst nahm er sein Handy.
nahm finde ich etwas zu schwach. Vielleicht eher: griff er nach dem Handy.

In seiner Pubertät waren sie deshalb immer wieder aneinandergeraten. Als die Konflikte immer heftiger wurden, schickte sie ihn ins Internat. Das war eine schwierige Zeit. Für die anderen Jugendlichen war er immer nur der Junge, dessen Vater sich aus dem Staub gemacht hatte.
Ich weiß, man kann nicht alles auserzählen, sonst wird die Geschichte zu lang, aber hier hätte ich mir eine Szene gewünscht. Mutter und Sohn sitzen am Küchentisch z.B. Der eine sagt dies, der andere das. Dann komme ich auch den Figuren näher, weiß, wie sie ticken, evtl. wie sie wohnen, indem du ein paar Details über die Umgebung sagst. Oder vielleicht eine Szene darüber, wie seine Mitschüler ihn hänseln und seine Mutter kein Verständnis zeigt, ihm immer wieder ausweicht. So bekomme ich die Chance mit Maximilian mitzufühlen, denn wenn es mir einfach nur erzählt wird, frage ich mich sofort, was da noch vorgefallen sein könnte, dass er den Kontakt zu seiner Mutter vollends abbricht.

Die Information, die er bekam, machte ihn hellwach. Eilig nahm er die Kleidung, die noch vom Vortag herumlag, zog sie an und raste los.
Auch hier könntest du etwas mehr ins Detail gehen, damit ich ein Bild bekomme. Statt Kleidung könntest du etwas schreiben wie: Eilig schlüpfte Maximilian in seine graue Bundfaltenhose. Der Gürtel war mittlerweile überflüssig, denn sein Bauch war schon wieder dicker geworden.
Das ist jetzt nur so dahingeschmiert, nicht, dass du das jetzt genau so schreiben solltest, das geht bestimmt besser :). Sollte jetzt nur ein Beispiel sein, wie Maximilian als Person greifbarer werden könnte.

die diensthabende Krankenschwester.
Auch das ist zu unpersönlich, eher wie aus einer Reportage. Gib ihr doch ein, zwei Details, die einen Menschen aus ihr machen. Vielleicht hat sie graue Strähnen, und ich weiß dann, dass sie schon älter sein muss, oder eine Hochsteckfrisur, trägt Lippenstift, irgendwie sowas.


Sein vom Laufen gerötetes Gesicht(,) verlor jegliche Farbe. Wie jetzt? Was jetzt? Wut wechselte mit Enttäuschung, Traurigkeit mit Schuldgefühlen. Weshalb hatte er gestern nicht sofort zurückgerufen?
Komma weg, der Rest hat mir richtig gut gefallen. Hier bin ich ganz nah an deiner Figur dran. :thumbsup:

Die Frage traf ihn unerwartet. Wollte er? Maximilian zögerte.
Hier auch.

Die Situation überforderte ihn vollkommen.
Könnte auch gestrichen werden, denn du beschreibst danach seine Hilflosigkeit sehr plastisch. Gefällt mir.

»Geliebter Sohn,
Das klingt sehr theatralisch. Wieso spricht sie ihn nicht mit Namen an?

»PS: Jetzt kennst du die Antwort.«
Wieso P.S.? Es bezieht sich doch auf den restlichen Inhalt.

»Herr Mag.
Müsste es nicht eher Herr Max. heißen? Das g hat mich irritiert.

„Zum goldenen Storch“
Was für ein unseriöser Name :lol:. Hier fängt es schon an ins Absurde abzudriften.

»Das, ist mir als Jurist sehr wohl bekannt
Kein Komma hinter Das

»Sie werden mir …«, Maximilian unterbrach Dr. Lehner.
Das Fette kann weg, denn das geht aus dem Dialog hervor, dass er ihn unterbricht.

Sie müssen mir dankbar sein, dass Sie überhaupt auf der Welt sind«, antwortete er gönnerhaft.
Das klingt sehr unglaubwürdig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Arzt sowas sagt. Auch wenn er noch so ein Arschloch ist :D

Er wollte das Gespräch möglichst rasch beenden und diesen unangenehmen Menschen aus seiner Praxis haben.
Hier wechselst du die Perspektive und erzählst plötzlich aus der Sicht des Arztes.

Sagen wir, ich bin einfach nur besorgt um Ihren guten Ruf.
Das gefällt mir! Muss ich mir merken, falls mir mal wieder einer dumm kommt …

Er nahm einen Schluck von seinem Coffee-to-go, verbrannte sich leicht die Zunge dabei.
Auch ein sehr schönes Detail!

Ich hoffe, du kannst mit meinen Anmerkungen was anfangen und wünsche dir noch ein schönes Maiwochenende.

Viele Grüße,
Chai

 
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Hallo @Chai,
herzlichen Dank für die Zeit, die du dir zum Lesen meiner Geschichte genommen hast und dein ausführliches, konstruktives und konkretes Feedback!

Ich hatte mir zu dem Text Feedback von Schreibkolleginnen eingeholt, du zeigst jedoch einige neue Aspekte auf:

Zum Beispiel hat bisher niemand rückgemeldet, dass ich den "fehlenden" Vater, also das Geheimnis bereits in der ersten Szene lüfte (Maximilian könnte zwar auch adoptiert oder "gekauft" sein), dieser Hinweis hat mich echt geflasht - merci dafür :thumbsup:.

Deine Anmerkungen bzgl. der "Spürbarkeit" der Figuren schmerzen ein bissl, ich kann sie allerdings nachvollziehen, da gibt es noch einiges an Verbesserungspotential.

Der "Mag." ist zwar korrekt, es handelt sich um die Abkürzung für seinen Magistertitel, den sollte ich aber vielleicht ausschreiben.

Einige deiner anderen Hinweise habe ich bereits eingearbeitet.

Dein Feedback war für mich sehr hilfreich!
Vielen Dank!

Liebe Grüße,
Sonja

 

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