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Kaffee

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09.02.2020
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Kaffee

Damals, bei meiner Taufe. Sie nannten mich Gabriel.
Mein Vater heißt so und so auch dessen Vater.
Diesen Namen, den sie mir gaben, trage ich seit 17 Jahren.
auch in weiteren 17 Jahren werde ich ihren Namen noch tragen, genau wie in 34 Jahren und in 51 Jahren.
Ich habe mich an ihren Namen gewöhnt.
Sie haben ihn mir gegeben und deshalb trage ich ihn.

Als ich anfing zu sprechen, brachten mich meine Eltern zu Franz.
Franz war der Sohn eines Freundes von meinen Eltern.
Ich sah Franz oft.
Meine Eltern brachten mich immer zu Franz, jeden Samstag.
Heute sind wir gut befreundet, genau wie unsere Eltern.
Sie haben ihn mir vorgestellt und nun habe ich einen Freund.

Als ich in die Schule kam, haben mir meine Eltern gesagt, ich solle lernen.
Für einen Studienplatz braucht man gute Noten.
Nach der Schule werde ich studieren.
Deshalb lerne ich viel. Ich lerne jeden Tag.
Durch das Studium werde ich genug Geld verdienen, um meine Familie zu versorgen.
So haben es meine Eltern für mich geplant.
Sie haben mir meinen Weg für die Zukunft bereitgelegt und nun werde ich diesen gehen.

Bei meinem 16. Geburtstag haben meine Eltern für mich eine Feier veranstaltet.
Es waren alle Freunde meiner Eltern da, mitsamt ihrer Kinder.
Auch Franz war da, er brachte seine Freundin mit.
Ich wurde reichlich beschenkt.
Von meinen Eltern bekam ich Bücher und ein Bier.
Mein Vater liebt Bier und jetzt liebe ich es auch.
Ich trinke mit ihm nun regelmäßig, jeden Samstag nach dem Fußballschauen.
Meine Eltern zeigten mir, was ihnen Spaß macht, und nun habe ich auch Spaß daran.

Gestern besuchte mich Franz mit seiner Freundin.
Franz, mein Vater und ich tranken gemeinsam ein Bier, seine Freundin unterhielt sich mit meiner Mutter.
Heute stellte meine Mutter mir Maria vor.
Maria ist ein Mädchen aus meinem Dorf, unsere Eltern kennen sich seit Jahren.
Wir gingen gemeinsam ins Kino und danach ins Cafe.
Ich bestellte einen schwarzen Kaffee, sie einen Cappuccino.
Ich hatte davor noch nie Kaffee getrunken.
Nachdem ich den ersten Schluck genommen hatte, fragte sie mich:
"Und, Gabriel, wie schmeckt dir der Kaffee?"
Ich wusste nichts darauf zu antworten.

 

Hey @Nathanel,

willkommen im Forum. Interessanter Text als Einstieg, einige Anmerkungen:

Damals, bei meiner Taufe. Sie nannten mich Gabriel.
Mein Vater heißt so und so tat auch dessen Vater.
Ich schwanke noch, einerseits finde ich die erste Zeile so schön lakonisch, andererseits würde es auch anders gehen:
Damals bei meiner Taufe nannten sie mich Gabriel.
Mein Vater heißt so und auch dessen Vater.

auch in weiteren 17 Jahren werde ich ihren Namen noch tragen, genau wie in 50 Jahren.
da dachte ich, es wäre ev. nicht schlecht, die 17er-Reihe aufzuzählen:
… auch in weiteren siebzehn Jahren werde ich ihren Namen noch tragen, genau wie in vierunddreißig und auch in einundfünfzig Jahren.

Ich habe mich an ihren Namen gewöhnt.
Sie haben ihn mir gegeben und deshalb trage ich ihn.
super!

Franz war der Sohn eines Freundes von meinen (meiner) Eltern.

Heute sind wir gut befreundet, genau wie unsere Eltern.
Sie haben ihn mir vorgestellt und nun habe ich einen Freund.
Klasse, ich mag dieses Schicksalergebene, Runtergeleierte.

Für einen Studienplatz muss man gute Noten haben.
Vorschlag: Für einen Studienplatz braucht man gute Noten.

Nach der Schule werde ich studieren gehen.
kann weg.

Deshalb lerne ich viel. Ich lerne jeden Tag.
Durch das Studium werde ich genug Geld verdienen, um meine Familie zu versorgen.
So haben es meine Eltern für mich geplant.
Sie haben mir meinen Weg für die Zukunft bereitgelegt und nun werde ich diesen gehen.
wie das so ist mit Plänen ...

Von meinen Eltern bekam ich Bücher und ein Bier.
Mein Vater liebt Bier und jetzt liebe ich es auch.
Ja, ja, Traditionen sollte man pflegen ...

Ich trinke mit ihm nun regelmäßig, jeden Sonntag nach dem Fußballschauen.
Was läuft denn sonntags an Fußball? Oder meinst du Samstag? ;)

Meine Eltern zeigten mir, was ihnen Spaß macht, und nun habe ich auch Spaß daran.
Passt, herrlich.

"Und, Gabriel, wie schmeckt dir der Kaffee?"

Ich wusste nichts darauf zu antworten.

Die Leerzeile dazwischen würde ich streichen.

Lieber Nathanel, mir gefällt deine Geschichte, dieser leicht monotone, lakonische Stil, klasse. Ich musste beim Lesen grinsen, das ist schon auch sehr humorig. Einziger Vorschlag (!): Du beschreibst schön dieses "Sich-in-das-Schicksal-fügen", dieses willenlose Annehmen der elterlichen Traditionen und Pläne. Um das zu knacken, würde ich die Maria den Gabriel küssen lassen, weil die Wirkung noch stärker wäre.

"Ich bestellte einen schwarzen Kaffee, sie einen Cappuccino.
Ich hatte davor noch nie Kaffee getrunken.
Dann gab sie mir einen Kuss und fragte:
"Und, Gabriel, wie schmeckt dir der Kaffee?"
Ich wusste nichts darauf zu antworten."

Gerne gelesen.

Peace, linktofink

 

Hallo @Nathanel und willkommen im Forum!

Auch mir hat deine Geschichte gefallen. Kurz und knackig, interessanter, reduzierter Stil, passt. Während des Lesens habe ich mich gewundert, worauf die Geschichte denn hinauslaufen würde, das machte mich neugierig. Dann kam am Ende der schöne Aha-Moment, musste schmunzeln.

Den von @linktofink vorgeschlagenen Kuss braucht das Ende, finde ich zumindest, nicht, denn gerade, dass ihm bei so was Banalem wie Kaffee die Sprache wegbleibt, finde ich passend und witzig. Bei einem Kuss wäre das ja noch verständlich, da wäre für mich die Wirkung im Kontext des vorher Erzählten nicht so stark. Nur meine Meinung. Die Leerzeile dort sollte aber tatsächlich weg.

Noch eine Kleinigkeit, Satzanfänge groß schreiben:

bei meinem 16. Geburtstag...
nachdem ich den ersten Schluck genommen hatte...

Viele Grüße,
Catington

 

Hallo @Nathanel,

herzlich willkommen! Dein Text passt hervorragend in unseren Bereich "Flash Fiction", weswegen ich ihn dorthin verschoben habe.

Viel Spaß noch bei uns!

Nichtgeburtstagskind

 

Guten Tag @linktofink

vielen Dank für deine schnelle und ausführliche Kritik. Da sind wirklich gute Verbesserungen bei (das mit dem Fußball ist mir tätsächlich ein wenig peinlich :lol:)

Du beschreibst schön dieses "Sich-in-das-Schicksal-fügen", dieses willenlose Annehmen der elterlichen Traditionen und Pläne. Um das zu knacken, würde ich die Maria den Gabriel küssen lassen, weil die Wirkung noch stärker wäre.

"Ich bestellte einen schwarzen Kaffee, sie einen Cappuccino.
Ich hatte davor noch nie Kaffee getrunken.
Dann gab sie mir einen Kuss und fragte:
"Und, Gabriel, wie schmeckt dir der Kaffee?"
Ich wusste nichts darauf zu antworten."


Das mit dem Kuss ist einerseits ein schöner Einfall, um eben diese Situation des willen- und emotionslosen Annehmens zu brechen. Wie aber @Catington so schon gesagt hat:

Den von @linktofink vorgeschlagenen Kuss braucht das Ende, finde ich zumindest, nicht, denn gerade, dass ihm bei so was Banalem wie Kaffee die Sprache wegbleibt, finde ich passend und witzig. Bei einem Kuss wäre das ja noch verständlich, da wäre für mich die Wirkung im Kontext des vorher Erzählten nicht so stark

Ich wollte mit diesem einfachen, schwarzen Kaffee nur eine stumpfe, eigentlich alltägliche Situation zeigen, in welcher der Protagonist, aufgrund seines früheren Lebens, als eben diese willens- und emotionslose Figur gezeigt wird. Jeder Mensch kann sich eine eigene Meinung bilden, was ihm gefällt und was nicht, nicht aber Gabriel, welcher sein ganzes Leben schon von einer fremden Meinung geleitet wird.

Vielen Dank an euch beide @linktofink und @Catington :thumbsup:

Liebe Grüße,
Nathanel

 

Hej Nathanael,

Wenn das mein Text wäre, würde ich nach einer Möglichkeit suchen, den letzten Satz wegzulassen und das darin Gesagte trotzdem zu transportieren. Alles vorher deutet darauf hin, wie fremdbestimmt Dein Protagonist ist und wie vorhersehbar und geplant sein Leben abläuft. Es liegt auf der Hand, dass der keine eigenen Erfahrungen macht und ihm der Geschmack seines eigenen Lebens fremd bleibt. Das wird ständig betont und damit baust Du eine sehr indirekte Spannung auf.
Der letzte Satz sagt das dann noch einmal explizit und damit verpufft jegliche Spannung.
Anders ausgedrückt ist Dein Text nicht eben subtil. Das muss er auch nicht, aber zum Schluss würde ihm das möglicherweise gut tun.

Gruss
Ane

 

Hallo @Nathanel,

an die langen Geschichten wage ich mich (noch) nicht ran, deshalb sehe ich mich erstmal hier ein bisschen um.

Ich finde, man kann deine Story auf zwei verschiedene Arten lesen.

Nummer Eins: Gabriel ist ein abgestumpfter junger Mann, der sich seinem vorausbestimmten Kleine-Leute-Schicksal fügt. Dazu passt auch der lakonische Stil sehr gut. Das Ende weiß ich nicht richtig zu deuten, vielleicht weiß er nichts zu antworten, weil er selbst quasi nicht existiert, nur ein Produkt seines Umfelds ist, einer, der sich beugt, selbst aber keine Meinungen, Ziele, etc. hat? Möglich. Vielleicht ist er auch nur schüchtern, weil er einem Mädchen gegenübersitzt. Lässt jedenfalls Interpretationsfreiraum, das Ende.

Nummer Zwei: Der Autor schreibt das Wort Kaffee auf ein Blatt. Schreibt einen Satz, schreibt noch einen, schreibt noch einen. Lässt sich treiben. Das Ergebnis ist ihm egal. Im besten Fall liest jemand mehr raus, als er eigentlich beabsichtigt hatte, zu sagen ... Ich glaube und hoffe nicht, dass dem so ist, aber stellenweise hatte ich echt das Gefühl ...

Egal, interessant war es allemal, und besonders aus stilistischer Sicht hab ich deine Geschichte gerne gelesen.

Du hast noch ein paar kleine Fehler im Text, im ersten Absatz, "Auch in weiteren 17 Jahren" fängst du klein an, im dritten, "Sie haben mir meinen Weg für die Zukunft bereitgelegt", da bin ich mir nicht sicher, ob man das so sagen kann. Im letzten, "Franz, mein Vater und ich tranken gemeinsam ein Bier", klingt es ein bisschen so, als würden sie zu dritt das eine Bier trinken.

Liebe Grüße,
Akka

 

Oben wird gesagt, dass dein letzter Satz überflüssig ist. Ich finde aber schon, dass Marias Frage eine Antwort braucht. Vielleicht einfach lakonischer formulieren. Z.B.: Ich wusste es nicht.
Wenn du es offener haben willst: Wortlos trinke ich weiter.

Deine Geschichte gefällt mir.

 

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