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Kauderwelsch

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10.08.2018
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Kauderwelsch

In der Fragnerei mit Schaubendach und Marmelsteinwänden saß ein seigneuraler Seelenhirt und verkaufte Siedlerstolz. Angeblich! Dieser Tatarenmeldung musste ich als reputierlicher Hauptschriftleiter nachgehen. Es ist der tolldreiste Kokolores, von Possenreißern und unbemühten Holdrios, der nicht gerade konfidenziell anmutete – auch bei den Lesern nicht. „Dunnemals langte ein depretiativer Blick, um ein Tohuwabohu auf Gefühlsbasis bei Schabernacktreibenden auszulösen“, schrieb ich in mein Diarium, flattierte es zärtlich und steckte es zurück in meinen drappfarbenen Havelock. In inkommodierter Kordialität reichte ich dem Kretschmer mit Fassonschnitt eine Scheidemünze; ich mochte mein Portjuchhe nicht maledeien. Der Herr war stets am Kaudern, falls nicht blätterte er in der Gazette nach hanebüchenen Schlagzeilen.

Zurück zum Pfaffen: Ich verließ die Pinte und folgte dem Erdpech, neben mir rauschte es gellend. Da bekam ich plötzlich Bauchgrimmen – keine Retirade in Sicht, also lockerte ich meinen Leibriemen und verrichtete die Notdurft im Fließ. Alsbald erspähte ich einen scharlenzenden Lichtbildner, zog mein Beinkleid wieder hoch und rief: „Mein Jahrweiser sagt, es sei seit ehegestern wieder Ernting, somit Zeit für meine Leibesertüchtigungen!“ Von der Notdurft zur Kniebeuge. Der Lichtbildner verstand akkustisch bloß die Hälfte, verschwand jedoch kandidel wieder. Beim Seelenhirten brannte die Funzel, etwas gichtbrüchig lugte ich querhin durchs hochgelegene Fenster. Kein Knaster zu sehen. Also wie erwartet: Eine Ente. Doch fehlbitten war es nicht. Schlechterdings saß er frivol am Kredenztisch, dabei strunzdick und lallte wie der Schenkwirt Parolen. Das reichte als Überschrift für mein Periodikum – gar für die nächsten sieben Dämmerungen.


Übersetzung

In einem kleinen Laden mit Strohdach und Marmorwänden saß ein weltmännischer Geistlicher und verkaufte selbst angebaute Zigaretten. Angeblich! Dieser potentiellen Falschinformation musste ich als ehrhafter Chefredakteur nachgehen. Es ist der dreiste Unsinn, von Spaßvögeln und Leichtfüßen, der nicht gerade vertrauenswürdig anmutete – auch bei den Lesern nicht. „Damals reichte ein abschätziger Blick, um ein Chaos auf Gefühlsbasis bei diesen Spaßvögeln auszulösen“, schrieb ich in mein Tagebuch, streichelte es zärtlich mit der Handfläche und steckte es zurück in meinen sandfarbenen Herrenmantel. In bemühter Herzlichkeit reichte ich dem Wirt mit Fassonschnitt ein wenig Geld; ich wollte mein Portmonnaie nicht zu sehr schmälern. Der Herr war stets am Reden und sehr unverständlich, falls nicht blätterte er in der Zeitung nach haarsträubenden Schlagzeilen.

Zurück zum Geistlichen: Ich verließ die Kneipe und folgte dem Asphalt, neben mir rauschte es hell. Da bekam ich plötzlich Bauchschmerzen – keine Toilette in Sicht, also lockerte ich meinen Gürtel und verrichtete mein Geschäft im Bach. Kurz darauf erspähte ich einen gaffenden Fotografen, zog meine Hose wieder hoch und rief: „Mein Kalender sagt, es sei seit vorgestern wieder August, somit Zeit für meinen Sport!“ Vom Schiss zur Kniebeuge. Der Fotograf hörte bloß die Hälfte, verschwand aber amüsiert wieder. Beim Geistlichen brannte Licht, etwas gebrächlich lugte ich durch das hochgelegene Fenster. Keine Zigarette zu sehen. Also wie erwartet: Eine Falschmeldung. Doch umsonst war es nicht. Er saß bedenkenlos an seinem Anrichtetisch, dabei besoffen und lallte wie der Wirt Parolen. Das reichte als Kopfzeile für meine Zeitschrift – und das für die ganze nächste Woche.

 
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Neulich bin ich auf eine Liste aussterbender deutscher Worte gestossen. Um ihrem Aussterben entgegenzuwirken, dachte ich mir, ich verwende mal einige davon in meinem nächsten Text. Ich bitte die Moderatoren darum, diesen Beitrag nicht in eine Anmerkung zum Text zu verwandeln, da ich hier noch einiges hinzufügen werde.

Bauchgrimmen / Bauchschmerzen
depretiativ / abschätzig
Diarium / Tagebuch
drappfarben / sandfarben
dunnemals / damals
ehegestern / vorgestern
Erdpech / Asphalt
Ernting / August
Fassonschnitt / bestimmte Frisur
fehlbitten / umsonst
flattieren / mit der flachen Hand streicheln
Fließ / Bach
Fragnerei / kleiner Laden
Funzel / Lampe
Gazette / Zeitung
gichtbrüchig / durch die Gicht eingeschränkt
hanebüchen / skandalös
Hauptschriftleiter / Chefredakteur
Havelock / langer Herrenmantel
der Holdrio / Mensch, der in den Tag hinein lebt
inkommodieren / bemühen
Jahrweiser / Kalender
kandidel / heiter
kaudern / unverständlich sprechen
konfidenziell / vertraulich
Kordialität / Herzlichkeit
Kredenztisch / Anrichtetisch
Kretschmer / Wirt
Kokolores / Unsinn
Leibesertüchtigungen / Sport
Leibriemen / Gürtel
Lichtbildner / Fotograf
maledeien / schmähen
Marmelstein / Marmor
seine Notdurft verrichten / den Darm, die Blase entleeren
Periodikum / Zeitschrift
Portjuchhe / Portemonnaie
Possenreißer / Spaßmacher
reputierlich / achtbar, ehrbar, ordentlich
Retirade / Toilette
scharlenzen / müßig herumlaufen und gaffen
Schaubendach / Strohdach
Scheidemünze / wenig Geld
schlechterdings / allerdings
Seelenhirte / Geistlicher
seigneural / weltmännisch
Siedlerholz / selbst angebauter Tabak
strunzendick / betrunken
Tatarenmeldung / unglaubwürdige Nachricht
tolldreist / sehr dreist
Tohuwabohu / Wirrwarr, Chaos

 

Hallo N. Ostrich,

ein löbliches Unterfangen, scheinbar alte Wörter auszugraben, wo doch Herr Kauder, der die diplomatische Weißwäsche und Weichspüle so gut beherrscht wie die fraktionsdisziplinierende Peitsche zu schwingen wusste und das diplomarische Kauderwelsch beherrschte wie das Rotwelsch. Woher kommt nun die „welsche“ Sprache?

Es kümmt von den gantz Alten und kurios genug, dass die alten Goten mit Ulfila als erste im þiudiskō („þ“ = das im deutschen ausgestorbene tea-aitsch) verwendeten vor allem für ihre heidnischen Ethnien und erst zu Zeiten - mehr als dreihundert Jahre später - der Karolingischen Renaissance wurde in dem „Vielvölkerstaat“ die „theodisca lingua“ zur amtlichen Volkssprache im Gegensatz zur Sprache der romanischen Bevölkerung erklärt, die rasch über die Stufen „thiudisc“, diutisc (ahd.) übers mhd. tiu(t)sch (schon bei Walther und Wolfram, auch im Nibelungenlied), diut(i)sch. Die harte Schreibweise „teutsch“ findet sich noch bis ins 17. Jh. hinein, bis zum Kuriosum, dass ein Volk sich nach seiner Sprache benennt

Das erste ahd. Schriftstück findet sich im Vertrag zu Verdun der Enkel des großen Karl, damals noch mit tea-aitsch, das heute nur noch verborgen im Thrönchen jedes kleinen Schissers auftaucht.

Ds Wort „welsch“ bezog sich ursprünglich auf die Ethnie der Volcae („Volker“, ein keltischer Stamm, dessen Name manche Volksseele kochen lässt) und wurde im ahd. wal(a)hisc, mhd. walhisch, welsch auf alles Romanische bezogen. Man glaubt gar nicht, wie viele keltische Wörter noch im teutschen Wortschatz stecken.

So viel oder wenig für heute vom

Friedel

 
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Hallo @N. Ostrich!

Ja, als Schreibübung, für den Autor, okay, aber für Leser? Hm.

Warum ich mit deinem Experiment nicht viel anfangen kann? Weil dein Text auf mich wie ein großes Wirrwarr wirkt. Weil die Wörter, die du nutzt, total wirkürlich gewählt scheinen, bzw. sind. Die stehen auf 'ner Liste von Wörtern, die nicht mehr oft genutzt werden, aha.

Aber woher stammen diese Wörter? Da liegt der Hase im Pfeffer, meine ich. Da sind Verballhorungen dabei, Freumdwörter (kann man die wirklich als aussterbende "deutsche Wörter" bezeichnen?), Wörter aus ganz verschiedenen Ecken, Ursprungsregionen. Die Wörter würden normalerweise niemals zusammen gebraucht werden.
Der Leser kann deinen Text nicht lesen, ohne bei jedem zweiten Wort auf deine Liste oder ein Wörterbuch zurückzugreifen. Mir macht das keinen Spaß.

Zum Inhalt deines Textes kann ich nichts sagen, weil ich keine Lust habe, ihn zu übersetzen und den Inhalt herauszufiltern.

Aber schön, dass du dich ausprobierst.

Grüße,
Chris

PS: Retirade gleich Toilette? Das wäre dann die Verballhornung eines Fremdwortes, oder wo hast du die Übersetzung her?
Über mehrere von den Übersetzungen ließe sich streiten, aber wozu? Die Wörter sind ja eh nur Spielzeuge im Text, ohne tieferen Sinn, oder?

 

Hallo @Chris Stone!

Um genau zu sein, habe ich im Buch Versunkene Wortschätze aus der Dudenredaktion gestöbert. Darin werden von A-Z verschiedene Wörter aufgelistet, die heute nur noch selten verwendet werden und somit am Aussterben sind. Geduldig habe ich mir die Wörter herausgepickt, bei denen ich optimistisch war, sie auch anwenden zu können. Dabei habe ich viel gelernt und meinen Wortschatz erweitert. Dass die Auswahl bunt gemischt ist, finde ich persönlich recht attraktiv. Hast du je von einem drappfarbenen Havelock gehört? Nie hätte ich gedacht, sowas mal selbst schreiben zu können - und auch noch die Bedeutung dahinter zu kennen. :lol:

Ich bitte dich, das Ergebnis ernst zu nehmen, aber eben nicht zu ernst. Der Humor besteht darin, dass der Text einen Sinn ergibt, zumindest habe ich mein Bestes gegeben. Nur erschliesst er sich einem nicht. Würde es helfen, wenn ich den Text als Ganzes übersetze?

Damit ich den Leuten hier nicht auf die Nerven gehe, habe ich mich kurz gehalten. Am liebsten hätte ich aber ewig so weitergemacht.

Die Wörter sind ja eh nur Spielzeuge im Text, ohne tieferen Sinn, oder?
Wörter sind immer Spielzeuge. Es gibt eine Handlung, die Wörter sind so sinnvoll, wie es mir möglich war, eingesetzt worden. An einigen Stellen mache ich aber auch nur Spaß, der Geistliche besitzt zum Beispiel ein Haus mit Strohdach und Marmorwänden und raucht selbst angebaute Zigaretten darin. Also lieber mit einem Augenzwinkern lesen.

Liebe Grüße,
Niklas

Hallo @AWM!

Die Idee finde ich fabelhaft, allerdings ist das hier ein Experiment, keine Kurzgeschichte. Ich respektiere sehr, wenn Autoren eine authentische Welt zimmern können. Dabei ist die Sprache einer der wichtigsten Faktoren. Man munkelt, einige Fantasy-Autoren erfinden erst eine Sprache, dann fangen sie zu schreiben an. Übrigens, @Friedrichard, benannten sich die Klingonen bei Star Trek auch nach ihrer Sprache? :lol: Jetzt mache ich mich erstmal an die Übersetzung. Ich hoffe, danach noch etwas Feedback zu erhalten.

Liebe Grüße,
AVM

 
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Also bei manchen Wörtern wundert es mich echt nicht, Niklas, dass sie ausgestorben sind.

depretiativ
… zum Beispiel. Mann! Ich mein, lies dir das mal laut vor, das hört sich ja ungefähr so an, wie ein Quastenflosser ausschaut, oder gar wie ein Axolotl. (Dessen aztekischer Name übersetzt übrigens: „Tier, das noch dämlicher aussieht, als es heißt“ bedeutet.) Warum nennt man solche sprachevolutionären Blindgänger wohl Archaismen? Einfach, weil sie eindeutig ihre Lebenszeit überschritten haben. Oder allerhöchstens noch in den winzigen sprachökologischen Nischen spezialisierter Etymologen ein kümmerliches und von der Öffentlichkeit zurecht weitgehend unbeachtetes Dasein fristen.
Und sie zwanghaft und künstlich am Leben erhalten zu wollen, erinnert mich an die Bemühungen, Wollmammuts mit Hilfe ihrer im sibirischen Permafrostboden tiefgefrorenen DNS wiederauferstehen zu lassen. Na, die würden schön blöd schauen, die Mammuts, wenn ihnen dann ein moderner Elefant auf neuelefantisch was rüsselt. Die würden keinen Pieps kapieren, trau ich mich wetten, die hätten heutzutage voll den Arsch offen. Will sagen, sie haben als Sprossen auf der Leiter der Evolution ihre Schuldigkeit getan, aber jetzt lasset uns sie in Friedel in Frieden ruhen. Bis in alle Ewigkeit, amen.


Und, sorry, ich kann’s einfach nicht lassen:

Der Herr war stets am kaudern
am Kaudern (Substantivierungen gab's schon anno Achtzehnhundertfeuerzeug.)
Und hier:
lukte ich querhin durchs hochgelegene Fenster.
… ist vermutlich lugen gemeint. Ich lasse mich aber gern von dir überzeugen, dass du luken im Sinne von durch eine Luke gucken verwendet hast.

offshore

 

Ich bin begeistert. Das ist erstens der Tatsache geschuldet, dass ich die Geschichte äußerst amüsant und interessant finde. Zweitens ist sie deutlich mehr Experiment als viele andere Texte, die hier eingereicht werden. Meinen Segen hast du. Und danke für die neuen Wörter! :D

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @ernst offshore,

mit diesem Beitrag hast du ja richtig in die Trickkiste gegriffen - oder hast du dein Witzebuch wiedergefunden? Gefunden hast du auch zwei Fehler, dafür danke ich dir. Kaudern wird da natürlich substantiviert, auch meinte ich lugen, mit luken war ich wohl zu lautmalerisch oder so. Wie auch immer!

Mögen sie eben nicht in Friedel in Frieden ruhen! Mit dem Defibrillator in der Hand wehre ich mich vehement gegen die Aussage, diese Wörter hätten ihr Leben verwirkt. Zwar bete ich, dass sie kein Schelm mehr in seinen allgemeinen Sprachgebrauch einflechten tut, allerdings macht es immer wieder Spaß, sich mit diesen Fossilien zu beschäftigen. Und ob du's glaubst oder nicht: Es könnte passieren, dass mal eine Fortsetzung folgt. Kauderwelsch die Zweite, quasi. Also mach dich auf was gefasst, Kerl. :lol:

Liebe Grüße,
Niklas

Hallo @Leif,

Freut mich, dass mein Experiment zumindest bei einer Person Anklang findet. Ich persönlich finde das Ergebnis auch zum Wegschmeißen. Ich lese das super gern laut vor mich hin. :lol: Sicherlich kann man da auch eine Challenge draus machen. Einfach mal im Duden der Versunkenen Wortschätze stöbern und sich ein bisschen was herausschreiben. Wer die meisten Wörter einigermaßen sinnvoll einflechten kann, gewinnt. Oder klassisch: Wer die beste Geschichte schreibt. Wenn du oder jemand anders da Lust zu hat, würde ich mich sehr freuen. Ich für meinen Teil werde ganz sicher nochmal zuschlagen.

Liebe Grüße, :D
Niklas

 

Übrigens, @Friedrichard, benannten sich die Klingonen bei Star Trek auch nach ihrer Sprache?
Eine interessante Frage – nur an den falschen Mann gestellt, denn er hält mehr von Babelsberg als von Holly- und Bollywood mit ihren kindischen Mythen, weshalb er auch behauptet – ohne ein Wort Klingon/isch zu können - die Sprachen fremder Planeten interessieren ihn nicht die Bohne, solange an den irdischen fleißig dran vorbeigeredet wird.

Womit das Dante Friedchen den sehr geehrten Hand- und Kopfwerker @ernst offshore
(Handarbeit, vier linke Extremitäten - ist das nicht grausam, mit diesem Blähbauch, vielleicht sogar Krebsgeschwür von @ durch die wirrtuelle Welt zu geistern?). Aber,

lieber ernst,

Du willst

sagen, sie haben als Sprossen auf der Leiter der Evolution ihre Schuldigkeit getan, aber jetzt lasset uns sie in Friedel in Frieden ruhen. Bis in alle Ewigkeit, amen.

Das zeigt entweder Deinen unermesslichen Humor oder Unwissenheit an, denn der „Friedel“ hat relativ wenig mit „Frieden“ zu tun, wie unschwer aus einer Zeile des nun auch hierorts bekanntesten Liedes des Hochmittelalters (von einem herumlungernden Baiern aus der heutigen österreichischen Provinz) zu erkennen ist, wenn es heißt „Ich kam gegangen / zuo der ouwe, / dô was mîn friedel komen ê. / Dâ wart ich empfangen, / hêre frouwe, / daz ich bin sælic iemer mê. / Kuster mich? ...“ Wobei weniger am Ende des Zitates ein „Küster“ denn das Verb „küssen“ in der 3. Maske („Person“) Einzahl gemeint ist, beides – Maske wie Person – Wörter aus dem „welschen“ Sprachraum, das eine aus Frankreich (das zwomal eine Flut von heutigen Lehnwörtern in den germanistischen Sprachraum ergoss – Hochmittlelater und Barockoko – und das vermeintlich tote Latein, dass ja selbst dem Auto noch seinen Namen lieferte).

Dass Elemente der je wechselnden Lingua franca (buchstäblich die „fränkische Sprache“, zuletzt aber mit dem Aufstieg der USA die angelsächsischer Zunge*,) aufgesaugt werden, ist ein ganz natürlicher Vorgang,, solange nicht Sprachpanscher wie z. B. Jil Sander** als Vorbild dienen.

In allen Sprachen ist Wandel die Regel – aus fremden werden akzeptierte Fremdwörter, gelingt die Integration, wenn aus dem Fremd- ein Lehnwort wird, dass sich in Aussprache und Schreibweise den deutschen Regeln anpasst und – auch das ist möglich – die deutsche Hand zum Handy mutiert, wie lange zuvor schon ein engl. „Rauchanzug“ im German gerund zum feierlichen Anzug, dem „Smoking“.

Der Vielvölkerstaat, der sich Heiliges Römische Reich ( ab dem 16. Jh. mit dem Zusatz „t.../deutscher Nation“, 1806 +) nannte, kannte kein „Deutschland“, weder als geographischen noch politischen Begriff. Im Hochmittelalter taucht es in der schönen Literatur gaaaanz selten als „diutischlant“ [auch schon mal „tiu...“, was beides uns Heutigen schon geradezu idiotisch klingt] auf - aus dem ich andernorts ein „tiutschiu“ Chinesisch gemacht hab). Der kam erst mit dem „Deutschen Bund“ nach 1815 auf und wurde erst mit der BRD politisch und bis heute benennt man sich selten großräumig, sondern sehr begrenzt und kleinräumig. So geb ich – in der Reihenfolge der Häufigkeit – eher meinen Geburtsort, denn den Rheinländer oder Ruhrpöttler an – wie blöde wäre denn ein „Nordrheinwestfale“ (und obwohl ich einige Jahre weit hinterm Deich unter den Torfstechern gelebt hab, käme mir nie in den Sinn, Emsländer oder gar Niedersachse gewesen zu sein, kommt das Rheinische im geprochenen Wort doch immer durch).

Vom Jiddischen (deutscher[!] Dialekt) Tohowabohu bis zum lat. Diarium saugt das Deutsche mehr als andere Sprachen Fremdes auf, um es zu integrieren bis zur Unkenntlichkeit der fremden Herkunft, weshalb der Brite seinen Shkespeare noch im Original lesen kann, der moderne Deutsche aber eine Übersetzung des wesentlich späteren Grimmelshausen braucht, um den Simplizissmus zu verstehen. Irgendwie hat man da das Gefühl, dass da der Vorläufer des modernen Simpels geschaffen wurde.

Wie dem auch sei,

lieber Niklas,

nun wächst das Heer der mousquetaires, wobei ich nicht weiß, wer den d'Artagnan gibt ...

Tschüss und bis bald

Friedel


* Obwohl Mandarin von der Zahl her die buchstäblich „fränkische Sprache“ sein müsste, aber keine Bange, Chinesen „investieren“ derzeit in Afrika und bringen gleichzeitig ihre „Fachleute“ mit, so geht Imperialismus heute, ohne, dass die Fachleute unbedingt Arabisch, Bantu, Kisuaheli usw. lernen.


** „Mein Leben ist eine giving-story. Ich habe verstanden, dass man contemporary sein muss, das future-Denken haben muss. Meine Idee war, die hand-tailored-Geschichte mit neuen Technologien zu verbinden. Und für den Erfolg war mein coordinated concept entscheidend, die Idee, dass man viele Teile einer collection miteinander combinen muß“,
aus: Editorial Spektrum der Wissenschaft, Dossier-ND 2/2007, S. 3

 

Hi @N. Ostrich,

ich finde dein Unterfangen sowohl ganz sympathisch als auch glatt misslungen. Dass die Geschichte nur um der Wörter willen da ist, haben andere schon bemängelt, und das finde ich auch problematisch. Noch ungeschickter finde ich aber, dass die Wörter ziemlich wahllos zusammengewürfelt erscheinen, nur durch das schwache Band verbunden, dass sie alle nicht mehr so gebräuchlich sind oder zumindest von dir so empfunden werden. Auch untergehende Wörter wohnen aber auf bestimmten Sprachebenen, und die mischen sich hier lustig. So viel mir scheinen will, gehen da verschiedene Zeiten, verschiedene Regionen und verschiedene Sprecherhaltungen wild durcheinander. "Portjuchhe" zum Beispiel. Das kannte ich noch nicht, hab aber mal kurz nachgeforscht und den intuitiv gleich plausiblen Hinweis gefunden, dass es wohl eine Anspielung auf leicht verjubeltes Geld in sich trage.

Obendrein ist noch die Frage, ob du nicht in Fallen getappt bist, in die man häufig tappt, wenn man seine Übersetzung im Wörterbuch nachschlägt, die Sprache aber nur halb beherrscht. "Erdpech" zum Beispiel: Ich weiß es nicht, aber ich glaube kaum, dass man je so gesprochen hat: "Ich folge dem Erdpech". "Erdpech" bezeichnet ja die Substanz, aber doch eher im Rohzustand. Eine Garantie kann ich nicht geben, aber ich würde fast wetten: Sobald das Zeug auf der Straße gelegen hat, hießt es dort auch "Asphalt" (Nein, viel früher hieß es schon so, wie ich gerade sehe: https://www.dwds.de/wb/Asphalt).

Oh: hat ja @Chris Stone alles schon gesagt. Na macht nichts, jetzt hab ich das geschrieben, dann schick ich's halt auch ab.

Also, nettes Experiment, aber wenn es wirklich interessant sein soll, musst du dir mehr Arbeit machen.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hi @N. Ostrich

Es ist erfreulich, in dieser Rubrik wieder einmal einen Text zu lesen, der zurecht die Bezeichnung Experiment trägt.
Dennoch kann ich nicht ganz Leifs Begeisterung zustimmen, denn wie bereits angemerkt, hast du mehr auf das Zusammentragen der alten Wörter und weniger auf einen verbindenden Plot fokussiert. (Quantität, statt Qualität)
Ebenfalls auf der Strecke bleibt die (Recherche?- ) Sorgfalt, erkennbar am Beispiel des Worts "maledeien":

Deine Version:
- ich mochte mein Portjuchhe nicht maledeien.
- Übsz.: ich wollte mein Portmonnaie nicht zu sehr schmälern.

Oha, ich weiss nicht, aus welcher Quelle deine Übersaetzung stammt, aber ich kenne es als Fluch ("du (ver)maledeiter xy" ) und habe deshalb bei Wiki nachgeschlagen:

Bedeutungen:
[1] veraltet: fluchen, verfluchen, verdammen
Herkunft:
von lateinisch maledicere → la „schmähen“, zusammengesetzt aus malus → la „böse“ und dicere → la „reden“[1]
Also nichts von schmälern.

Fazit: Wenn du noch etwas Arbeit reinsteckst, eventuell den Text straffst, dafür den Plot stringenter hin bekommst, dann könnte das eine runde, gelungene Sache werden.
Gruss dot

 

Grüß Dich, dot,
hallo Niklas,

kurz mal ins grimmsche Wörterbuch reingeschaut - das vorweg, grundsätzlich liegt dot richtig, aber wer weiß schon um "Wikis" Interessen - ich nicht - also auch folgendes gefunden

"selten geht auch schmälern in die heutige eingeschränkte bedeutung von schmälen (s. daselbst 3) über: schmälern, idem ac lästern, schmähen; ich schmälere, criminor, maledico. er hat auf dich geschmälert, maledictis te lacessivit Steinbach 2, 458; wie ihm einer verweisete, dasz er auf einen artzt schmelerte, den er doch nicht recht kennete. Rein. Fuchs (1650) 358. ..." (http://woerterbuchnetz.de/cgi-bin/WBNetz/wbgui_py?sigle=DWB&mode=Vernetzung&lemid=GS13022#XGS13022).

Im Duden, Bd. 7, wie er mir in der 4. Auflage (2007) vorliegt, wird ver/maledeen igar nicht genannt (wahrscheinlich schon im Pflegeheim oder Krematorium)

Zudem hat die Vorsilbe "ver" auch die Eigenschaft, etwas in sein Gegenteil zu verkehren oder ein eigentlich gemeintes Ziel einfach nur zu verpassen (einfachste Beispiele "verirren", "verlaufen", bei"versprechen" kommt schon die Zwodeutgkeit hervor ...

So, genug für heute geplaudert vom

Friedel

 

Hallo @dotslash,

schön, dass du den Text als Experiment anerkennst. Die größte Herausforderung war tatsächlich, die Worte so sachgemäß wie möglich anzuwenden. Die Handlung war mir da eher zweitrangig, sollte aber dennoch, zumindest auf bescheidenere Weise als sonst, seinen Teil tun. Nachdem ich eine DIN A4-Seite voll mit aussterbenden Worten aus meinem Wörterbuch herausgeschrieben habe, hatte ich bereits eine Handlung im Kopf. Beim anschließenden Schreiben bin ich es mehrmals wieder durchgegangen, um Lücken zu füllen oder um die Kauderwelschdichte zu erhöhen.

Deine Version:
- ich mochte mein Portjuchhe nicht maledeien.
- Übsz.: ich wollte mein Portmonnaie nicht zu sehr schmälern.

In meinem Wörterbuch mit dem Namen Versunkene Wortschätze: Wörter, die uns fehlen werden steht dazu folgendes:

ma|le|dei|en <schwaches Verb; hat> [zu lateinisch maledicere = schmähen]: verwünschen, verfluchen

Ich merke, schmähen mit schmälern gleichzusetzen, war keine sonderlich gute Idee.
Schmähen meint, jemanden verbal abzustufen, zu beschimpfen.
Und im Duden steht zu schmälern: verringern, verkleinern, etwas [im Wert] herabsetzen.

Diese Bedeutung habe ich auf das Portemonnaie bezogen, denn der Herr mag seinen Geldbeutel um keine müde Mark zu viel erleichtern.

Also bin ich über Ecken zum Ziel. Ich danke euch beiden, dir und @Friedrichard, für die Aufklärung.

Mangelnde Recherche mag ich mir nicht unterstellen lassen, ich habe da einfach zu kurz gedacht. Blöd, jetzt muss ich mir was Neues einfallen lassen für die Stelle. Dabei gefiel mir maledeien so gut. Aber kein Problem, ich finde schon was.

Mit freundlichen Grüßen,
Niklas

 

Mangelnde Recherche mag ich mir nicht unterstellen lassen, ich habe da einfach zu kurz gedacht.
Deshalb als zaghafte Frage in Klammern. Aber in Ordnung, ich nehms zurück.

 

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