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Keep on walking
Keep on walking
Wie fast immer schallte die Musik der toten Hosen durch mein Zimmer.
Ich war gerade erst aufgestanden und in meinem Kopf rumorte es noch ganz gewaltig von der Party des gestrigen Abends.
Ich lag in meiner Hängematte, und dachte an Marilyn Monroe, die meiner Meinung nach die tollste Frau ist, die unsere schöne welt je gesehen hat, als es an der Tür klingelte.
Da ich keine Lust hatte die Treppe runterzulaufen blieb ich einfach liegen, und wartete.
Meine Schwester öffnete. Auf jeden Fall war sie es die zu mir hinauf rief: „Komm doch mal runter. Billy ist an der Tür.“
Ich stiefelte gelangweilt die Treppe hinab.
Er sah mich an und sagte: „Hey Momo! Ich war grad in der Gegend, da bin ich mal kurz vorbeigekommen … Kann ich kurz mit raufkommen?“
Da ich absolut keine Lust hatte irgendetwas mit Billy zu machen, sagte ich einfach nur: „Hey Billy! Du, ich hab leider total den Kater, hätte gestern wohl doch nicht soviel trinken sollen. Bin auch total müde. Ich glaub ich muss mich nochmal hinlegen.“
Da er nichts sagte, blieb ich stehen, drehte mich um und sah ihn an.
Er sah mich so flehend an, dass es mir fast das Herz zerriss und ich fügte schnell hinzu: „Na ja gut. Wenn du schon mal da bist!
Ich hol mir noch schnell ’ne Aspirintablette, kannst ja schon mal hochgehen.“
Er ging wortlos die Treppe hinauf.
Als ich in mein Zimmer kam, saß er auf meinem Bett.
Ich setzte mich auf meinen Sitzsack und als er mich anschaute, stellte ich mit Schrecken fest, dass eine Träne über seine hamsterbackenähnliche Wange rollte.
Wie hatte er sich nur eben unten so cool stellen können, wenn es ihm eigentlich so dreckig ging?
Da ich ein von Natur aus sehr mitfühlender Mensch bin, setzte ich mich neben ihn und redete beruhigend auf ihn ein.
Als er sich wieder einigermaßen gefasst hatte, zog er sein T-Shirt aus, und ich sah, dass sich lauter sehr bedrohlich aussehende Blutergüsse über seinen gesamten Oberkörper zogen.
„Hat er es also wieder einmal nicht lassen können?“ fragte ich mit berechtigter Wut in der Stimme.
Er fing sofort wieder erbärmlich an zu weinen und schluchzte:
„Gestern ist die fünfzehnte Absage gekommen. Er wäre zu alt hieß es.“
Der Spott in seiner Stimme war Unüberhörbar, und als er weitersprach, konnte er es nicht verhindern, dass seine Stimme zitterte.
„Er war ziemlich aggressiv und dann hatte er auch noch Streit mit Mama. Und ich bekomme das natürlich alles ab. Später hat er sich wieder hundertmal entschuldigt und gesagt, dass es ihm furchtbar Leid täte, aber diesmal kann ich einfach nicht mehr so tun als wäre nichts gewesen. Ich kann nicht mehr!
Einfach alles vergessen und auf das nächste Mal warten, wenn ihm wieder die Hand ausrutscht.
Mein Körper macht das nicht mehr lange mit. Was soll ich nur tun? Bitte! Du musst mir helfen!“
Ich hatte ihm die ganze Zeit gespannt zugehört und war jetzt vermutlich fast so wütend auf Billys Vater wie er selbst.
Ich gab ihm ein Taschentuch: „Du meine Güte! Du siehst echt nicht gut aus, vielleicht sollte sich das ein Arzt ansehen.“
„Nee lass mal! Wenn mein Vater das spitzkriegen würde, würde ich den morgigen Tag vermutlich nicht erleben. Ich muss jetzt auch wieder, ist zwar nur meine Mutter zu Hause aber ich hab noch was vor. Danke fürs Zuhören.“
„Gern geschehen. Aber willst du echt schon wieder Heim?“
„Ja. Wir sehen und ja morgen in der Schule. Bis dann!“
„Ja, bis dann. Machs gut und ich werd mir was überlegen,was dir helfen könnte.“
„Danke.“ Er schaute mir fest in die Augen und fügte noch hinzu: „Du bist echt meine Rettung! Was würde ich nur ohne dich tun? Bis Morgen!“
„Ja, bis dann.“
Dann ging er aus meinem Zimmer und ich hörte nur noch, wie seine Schritte sich entfernten und die Eingangstür unten ins Schloss fiel.
Den Rest des Nachmittags verbrachte ich damit zu lesen, was allerdings leider ziemlich kläglich misslang, weil mir dauernd das verheulte Gesicht von Billy im Gedächtnis erschien, diese flehenden Augen und immer wieder hörte ich ihn sagen:
„Du bist echt meine Rettung. Was würde ich nur ohne dich tun?“
Allein der Gedanke ihm morgen in der Schule mitteilen zu müssen: „Hey sorry Billy, aber mir ist leider nichts eingefallen, was dir helfen könnte“ ließ mein Herz schneller schlagen und schließlich fällte ich eine Entscheidung.
Ich würde mit Billy weggehen, weg von diesem schlimmen Ort.
Irgendwohin, wo es keine Grausamkeit gab, und wo ich ihm helfen konnte alles zu vergessen!
Wie sagt man doch so schön? Man kann im Leben alles tun, man muss nur mit den Konsequenzen leben. Ob ich es schaffen würde mit den Konsequenzen zu leben würde sich zeigen. Hauptsache war, dass Billy wieder anfangen konnte zu leben ohne Angst vor dem nächsten Mal haben zu müssen.
Und das, das verspreche ich, würden wir zusammen schaffen!